Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

schleppt, in deren Mittelpunkt das Individuum steht, das alles aus­ macht. Der Staat bedeutet ihm wenig.»8 Ein etwas anderes Bild ergab die Umfrage über die Haltung der liechtensteinischen Wählerschaft zu außenpolitischen Fragen. Nur 11 °/o fanden die Idee einer Auf­ gabe der Eigenstaatlichkeit des Fürstentums gut.9 Wer einen Verzicht oder eine Infragestellung der Eigenstaatlichkeit erwartet hatte, war überrascht. Auch die Staatsform der Monarchie genießt die Unterstützung der Wählerschaft. 77% der Befragten vertraten die Ansicht, das Liechtenstein im Jahr 2000 noch eine Monarchie sein werde.10 Von einem mangelnden oder fehlenden Staatsbewußtsein kann aufgrund dieser Untersuchung schwerlich ge­ sprochen werden. Auf der andern Seite hat man jedoch auch zu erwähnen, daß das Verhältnis Liechtensteins zur Schweiz im Be­ wußtsein der liechtensteinischen Stimmbürger beinahe einen innen­ politischen Charakter angenommen hat.11 Der Eindruck liegt nahe, daß gerade wegen der Übersichtlichkeit der liechtensteinischen Verhältnisse interne Angelegenheiten im Vor­ dergrund stehen. Der Nachbarwelt wird wenig Rechnung getragen. Dies kam deutlich bei der Eröffnung der exploratorischen Gespräche zwischen der EG und den nichtbeitrittswilligen EFTA-Staaten Ende 1970 zum Ausdruck. Nicht ohne Bitterkeit schrieb deshalb Georg Malin in einem Aufsatz im Volksblatt: «Man muß die Ereignisse vom vergangenen November ... von ihrer politischen Bedeutung her beurteilen ... Im Ausland sprach kaum jemand von Liechtenstein, und in Liechtenstein tobte der Postautohalterstreit.»12 Das Staatsbe­ wußtsein manifestiert sich im Fürstentum vorwiegend in einem nega­ tiven Sinne: Die Liechtensteiner sind sich bewußt, daß sie nicht Schweizer sind. Doch kommt dieses Gefühl nationaler Identität nach außen kaum zum Tragen, weshalb dem Postulat nach vermehrter staatspolitischer Bewußtseinsbildung eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Die 
Schweiz ist ein sehr heterogen strukturiertes Staatswesen. Vier verschiedene Sprachgruppen leben friedlich nebeneinander. Trotz konfessioneller Unterschiede und großer Verschiedenheiten der Men­ talität der Bevölkerung gehört die Eidgenossenschaft zu den stabil­ 8 Wille H., Liechtenstein: Kleinstaat im Wandel — staats- und gesellschaftspoli­ tische Aspekte, in: Fragen an Liechtenstein (Anm. 7), S. 23. 9 Gyger, Kranz und Niedermann, Umfrage in Liechtenstein über die Haltung der Wählerschaft zu Fragen der Außenpolitik, in: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis, Liechtenstein — Politische Schriften 3, Vaduz 1973, S. 206. 10 ebenda S. 244. 11 ebenda S. 133. 12 Liechtensteiner Volksblatt, 5. Dezember 1970. 42
	        

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