Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

6. Beurteilung der alternativen liechten­ steinischen Verhaltensmöglichkeiten gegenüber der Europäischen Gemeinschaft 6.1 Zwei alternative liechtensteinische Zielordnungen Wie in der Einleitung zu dieser Studie ausgeführt wurde, ergibt sich aus den liechtensteinischen Strukturelementen eine Vielzahl von Zie­ len, deren Berücksichtigung bei der Gestaltung der Europapolitik des Fürstentums angebracht sein dürfte. Man sollte allerdings nicht da­ von ausgehen, daß alle Zielelemente gleichzeitig und im selben Um­ fange realisiert werden können. Zumindest situationsbedingte Anti­ nomien und Konflikte lassen sich nicht gänzlich ausschließen. Nachfolgend wird deshalb der Versuch unternommen, die verschie­ denen liechtensteinischen Zielelemente in einen Prioritätszusammen­ hang einzuordnen. Nur wenn klar formulierte Orientierungsricht­ linien für die liechtensteinische Europapolitik vorliegen, ist eine Be­ urteilung der verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten des Fürstentums gegenüber der Europäischen Gemeinschaft möglich. Doch hätte es wenig Sinn, betont Luhmann, zu versuchen, eine Zielordnung als widerspruchsfreies, hypothetisch-deduktives System nach Art einer wissenschaftlichen Theorie aufzubauen.1 Zum einen hat die Sozial­ wissenschaft bis heute keine überzeugend logischen Techniken ent­ wickelt, mit denen man die Widersprüche und Antinomien eines Ziel­ systems kontrollieren könnte und zum zweiten erscheint es wichtiger, widersprüchliche Ziele zu einer konsistenten Ordnung zu integrieren, als ein widerspruchsloses System zu entwickeln, welches der Kom­ plexität der Realität doch nicht genügt. Damit eine Zielordnung eine unterste Schwelle an Komplexität überschreitet, muß sie die Mög­ lichkeit vorsehen, die Dringlichkeit der einzelnen Ziele zu variieren je nach der Möglichkeit und dem Bedarf.2 Ziele können mit andern Worten in gewissen Situationen zurückgestellt werden, ohne daß ihre Geltung bestritten würde. Auf diese Weise gelingt es, allfällige Zielkonflikte zu entschärfen. Es braucht nur noch über augenblick­ liche Prioritäten entschieden zu werden. Man kann den Vertretern anderer Ziele gegenüber tolerant sein und mutet ihnen nur Wartezeit 1 Vgl. Luhmann N., Wahrheit und Ideologie, in: Der Staat, Bd. 1 (1962), S. 444. 2 Vgl. Luhmann N., Positives Recht und Ideologie, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Vol. 1967, S. 540. 203
	        

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