Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

Grundrechte sind Integrationsrechte, die es dem einzelnen erst er­ möglichen, sich in die Gesellschaft einzufügen.175 Soziale Harmoni­ sierung ist zur Schaffung eines politisch geeinten Europas notwendig und deshalb politisch erforderlich. Befürchtungen, daß diese Ent­ wicklung die nationalen Grundrechte schmälern könnte, erscheinen jedoch unbegründet. Die Angleichung der Arbeits- und Sozialbedin­ gungen läßt sich politisch wohl nur auf dem höchsten sozialen Stand durchführen. Soweit ist man heute aber noch nicht. Hallsteins Fest­ stellung176, daß das Gemeinschaftsrecht im sozialen Aspekt eine Funk­ tion der Verklammerung hat, bedarf, wie Ipsen177 zu Recht bemerkt, noch des Beweises durch den Vollzug. Allerdings besteht die Mög­ lichkeit, daß die Europäische Sozialcharta, die im Rahmen des Euro­ parates ausgearbeitet und seinen Mitgliedern zur Unterzeichnung offen steht, diese Funktion übernehmen könnte. Vorläufig haben jedoch Belgien, Luxemburg und Holland die Sozialcharta noch nicht unterzeichnet, so daß es zu früh wäre, von einem gemeinsamen sozial­ rechtlichen Mindeststandard der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu sprechen. 43.3 Zusammenfassung und Schlußfolgerung Diese allgemeinen Aussagen gilt es nun unter Berücksichtigung von verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten für Liechtenstein zu konkre­ tisieren. Betrachtet man die liberalen Grundrechte einzig in ihrer staatsbeschränkenden Funktion, so resultiert aus einer Trennung Liechtensteins von der EG keine Beeinträchtigung der vor staatlichen Eingriffen geschützten Individualsphäre der liechtensteinischen Bür­ ger. Das gleiche gilt auch für die sozialen Grundrechte. Die den Frei- heits- und Sozialrechten zugrunde liegende Idee der ökonomischen Sicherheit und der individuellen Entfaltung bedarf jedoch mehr als nur der Verankerung in der Verfassung, sondern der Realisierung eines ausreichenden Wohlstandes und seiner gerechten Verteilung auf alle Kreise der Bevölkerung sowie der effektiven Möglichkeit, von den eingeräumten Rechten Gebrauch zu machen. Gerade dieser funk­ tionale Aspekt des Grundrechteproblems würde durch eine liechten­ steinische Trennungspolitik in Mitleidenschaft gezogen. Für ein west­ europäisches Land von der Größe Liechtensteins, das über keinen nennenswerten Binnenmarkt verfügt, kann die ökonomische Sicher­ 175 
Vgl. Mangoldt H. von und Klein F., Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin und Frankfurt a. M. 1957, S. 76. 176 Hallstein W., Der unvollständige Bundesstaat, Düsseldorf 1969, S. 138. 177 Vgl. Ipsen (Anm. 154), S. 934. 186
	        

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