Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

denheit lösen heute weder in meiner Generation und noch weniger bei den Jüngeren tiefe Gefühle aus. Auch der glückliche Umstand, daß wir zwei Weltkriege ohne allzu großen Schaden überstanden haben, garantiert uns für die Zukunft nicht, daß wir auch dann wieder an einer bevorzugten Stelle auf dieser Welt stehen. Verwandtschaftliche Bande verlieren im Sozialstaat Liechtenstein mehr und mehr ihre frühere Bedeutung. Letztlich kann ich also die Antwort auf die Frage «Was bedeutet mir Liechtenstein» nicht am Vergleich mit den Lebensmöglichkeiten in anderen Ländern beantworten. Die Wahl Liechtensteins als Ort, wo ich mein Leben verbringe, ist nicht rational an Vor- und Nachteilen definierbar. Aber ein Bündel von nicht genau definierbaren Gefühlen und rational begründbare Vorteile sind doch die Gründe, wieso wir unseren Staat und unsere Gesellschaft bejahen. Auf so kleinem Raum ist es kaum möglich, die Wünsche an ein an­ deres, besseres Liechtenstein darzulegen. Ich möchte deshalb nur einen Gedanken vorbringen. Wir, die wir einen großen Teil unseres Lebens im Ausland verbracht haben, verspüren oft eine gewisse Enge, eine Enge in gesellschaftlicher Hinsicht, eine Enge in geistiger Hinsicht. Wer ins Konzert, ins Thea­ ter oder an irgendeine andere Veranstaltung geht, trifft immer das­ selbe paar Dutzend Leute. Vielfach treffen sich diejenigen wieder, welche schon durch den Beruf miteinander in Kontakt stehen. Auch geistige Auseinandersetzung ist bei uns oft unglaublich primitiv. Nicht, daß man die Gleichstellung der Frau in breiten Kreisen heute noch ablehnt, ist so tragisch, aber mit welchen Argumenten das geschieht. Nicht, daß man als Lösung unseres Ausländerproblems oft stark ver­ einfachende, undurchführbare Alternativen diskutiert, ist so peinlich, aber die gefühlsbetonte Abneigung gegen alle, die anders sind und denken als wir, ist oft erschreckend. Dies sollen nur zwei Beispiele sein. Aber sie verdeutlichen vielleicht, wie ich mir das Liechtenstein von morgen wünsche: weltoffen, tolerant. 95
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.