Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

Was bedeutet mir Liechtenstein? Leonhard Vogt Geboren 1934 • Ressortsekretär bei der liechtensteinischen Regierung • Balzers, Böngerten 550. Wohlfühlen kann ich mich nur in einer Gesellschaft und in einem Staat, welche mir die Möglichkeit bieten, mich frei zu entfalten, mein Leben nach meinen Wünschen und meinen Ideen zu gestalten, die die notwendigen Medien — sei es Natur, sei es Kultur, sei es Unterhal­ tung — für Auseinandersetzung und Muße anzubieten vermögen und Arbeit in einem interessanten Tätigkeitsfeld gestatten. Messen kann ich Liechtenstein nur im Vergleich mit jenen anderen Ländern, in denen ich 13 Jahre meines Lebens verbringen durfte. Meine Auslandjahre zählen zum Teil zu den glücklichsten und inter­ essantesten. Warum bin ich denn nach Liechtenstein zurückgekehrt? Ich weiß es wie so viele andere Liechtensteiner nicht so recht. Was kann mir Liechtenstein bieten, das ich in einem anderen Staat nicht auch haben könnte? Sicher dürfen wir in einer wirtschaftlich hoch entwickelten Gegend, in einer schönen, vielfältigen Landschaft, in einer trotz der intensiven wirtschaftlichen Entwicklung und rela­ tiv dichten Überbauung noch verhältnismäßig gesunden Umgebung leben. Gewiß bietet heute Liechtenstein manches auf dem Gebiet des Kulturellen, seien es die Sammlungen des Fürsten oder des Staates, sei es Theater oder Konzert, sei es volkstümliche oder anspruchsvolle Unterhaltung. Zudem bin ich wie die meisten Liechtensteiner hoff­ nungslos unmodern. Ich gehöre wie die meisten meiner Landsleute nicht zu den Frustrierten, nicht zu jenen, welche sich beruflich und gesellschaftlich von dunklen Mächten in ihrer Entwicklung und Ent­ faltung gehemmt fühlen. Trotzdem, all das könnte ich auch in vielen anderen Gegenden erreichen. Was bietet denn Liechtenstein an Außerordentlichem? Unser sehr kleines Land gibt jedem die Chance, durch persönlichen Einsatz den Wandel der Gesellschaft und die Entwicklung des Staates mit zu beeinflussen. Auch in anderen Staaten kann der Einzelne in Vereinen und Gemeinden an der Gestaltung des öffentlichen Lebens mitwirken. Doch gegenüber dem Großstaat fühlt sich der weitaus überwiegende Teil der Menschen als machtloses Objekt. Aber all das erklärt letzten Endes nicht, warum wir gerade in diesem Staate leben wollen. «Heimatliebe», «Verbundenheit mit der heimat­ lichen Scholle», «Vaterlandsliebe» usw., all diese noch vor wenigen Jahren dauernd verwendeten Attribute liechtensteinischer 
Verbun­ 94
	        

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