Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

"Was könnte Liechtenstein sein? Georg Kieber Geboren 1946 • Kaufmännischer Angestellter • Mauren, Werth 72. Wenn von Liechtenstein die Rede ist, so ist der Gedanke an ein registriertes Gebilde, das formal im Lexikon und Atlas eingetragen ist, nicht weit. Dem Gebilde aber, so will es scheinen, fehlen der Charakter und die Persönlichkeit, die den definierten Staat zum Faktum Staat machen würden. Wenn sich also die Frage stellt: «Was könnte Liechtenstein sein?», so kann die Antwort nur heißen: «Ein Staat.» Um Staat zu sein, bedarf es mehr als der im Völkerrecht statuierten Kriterien, es bedarf der Kriterien, welche die Anerken­ nung und Respektierung des Staates durch Dritte ermöglichen. Und damit ist, von hinten beginnend, die Frage nach dem Wesen und der Wirkung unserer Außenpolitik aufgeworfen. Die Außenpolitik, unser Liebkind, wird von der eigenen Mutter tüchtig gelobt, vom Nachbarn aber kaum beachtet. Außenpolitik ist bei uns ein Synonym für Präsenz an Konferenzen; außenpolitische Akti­ vität wird mit einer Teilnahmeliste an Tagungen in aller Welt doku­ mentiert. Der Erfolg muß schwach sein oder ausbleiben, denn unsere Vertreter sind Handlungsreisende, die wenig oder nichts anzubieten haben. Es sei deshalb vorweggenommen: Außenpolitik muß in Zu­ kunft heißen: aktive, konstruktive Mitarbeit, Vorbereitung von Kon­ ferenzen durch Fachleute über Jahre oder Monate hinweg, die Bil­ dung einer festen Meinung, Erarbeitung konkreter, sachlicher Stel­ lungnahmen. Dies heißt Absage an jene, die in diesem Zusammenhang Liechtenstein als möglichen Tagungsort internationaler Gremien in den Vordergrund rücken, weil sie sich nach liechtensteinischen Denk­ schemen fragen, wie mit geringstem Aufwand größter Effekt zu er­ zielen sei, und dies heißt, den Teufelskreis zu berühren, weil nach außen nicht wirken kann, was im Innern nicht lebt. Innen- und Außenpolitik sind keine unabhängigen Komplexe; sie sind verankert ineinander, beleben sich in gegenseitigem, abhängigem Wechselspiel, ermöglichen sich. Wie aber sollen unsere Vertreter in den Hauptstädten der Welt Stellung zu Fragen der großen Politik, zur Sicherheit, Abrüstung oder Variationen der Wirtschaftspolitik beziehen, wenn sie nicht wissen, wie ihre Auftraggeber, die Bürger dieses Landes, dazu denken? Die Frage führt zu den Parteien, deren Funktionären und damit auch zu den Zeitungen als wesentlichsten Medien der Meinungsbildung. Die Zeitungen sind der Spiegel der politischen Tätigkeiten und Prioritäten. Man sagt dies mit 
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