Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

und ausländische Führungskräfte bevorzugen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil man ausländische Kaderkräfte, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind, ohne weiteres wieder abschieben kann, was bei Inländern schon etwas mühsamer ist. Der Kampf um den Arbeits­ platz könnte sogar zu einer Polarisierung dieser Arbeitnehmerschaft führen. Unsere Industrie wird immer potenter — Gehen an Ort ist zweifelsohne uninteressant — dadurch wächst der Ausländeranteil. Ausländer können die liechtensteinische Staatsbürgerschaft kaum erwerben und sich deshalb auch nicht voll integrieren. Aber auch dann, wenn sich die liechtensteinische Industrie Mühe gibt, im Aus­ land zu expandieren, wird die Organisation im Inland größer. Der Zollanschlußvertrag mit der Schweiz und der liechtensteinische Fleiß brachten uns Wohlstand. Vielleicht hat dieser Vertrag auch mitbewirkt, daß wir als kleiner Staat den letzten Weltkrieg über­ lebten. Demgegenüber scheint unser Bewußtsein in manchen Belan­ gen immer mehr schweizerisch zu werden. Das kann man zwar abstreiten, aber nicht ändern. Unsere staatliche Eigenständigkeit ver­ dankten wir lange Zeit dem Fürstenhaus. Heute ist unser Fürst immer noch eine Respektpersönlichkeit — wahrscheinlich die einzige für die meisten Liechtensteiner —, die aber mehr und mehr die Aufgaben eines Staatspräsidenten erfüllt. Die eigentlichen Aufgaben der Außenpolitik müßten heute fähige Liechtensteiner mitverantworten. Man muß sich aber auch die Frage stellen, ob politische Fähigkeit genügt, ein Schifflein mit weniger als 20 000 Liechtensteinern — jeder Dritte ist ein Ausländer — durch ein Meer von millionenschweren Giganten zu führen. Letzt­ lich ist allerdings unser Bewußtsein und unser Maßhalten entscheidend. Unser Holdingwesen ist eine famose Sache für Staat und Bürger, für alle Bürger. Unser Ansehen im Ausland wird dadurch allerdings nicht gefördert. Außerdem besteht die Gefahr, daß liechtensteinische Kräfte, die um das Recht Bescheid wissen, sich also für den Staat täglich engagieren sollten, als Geldverdiener verkümmern. Wir sind ein sattes Volk. Die Folge unseres Sattseins ist, daß wir so ziemlich alles, auch Ideen für Liechtenstein, im Ausland erwerben. Unser Hang zum Gigantismus zeigt sich deutlich beim Schulhausbau. Unsere neuen Schulen kosten Millionen. Es sind großartige Bauten, von denen wir glauben, daß sie noch in hundert Jahren Zeugnis vom Geist unserer Zeit, der zwar nicht der unserige ist, ablegen werden. Mit der Funktionstüchtigkeit dürfte es allerdings früher hapern. Zur Erziehung unserer Jugend haben wir nicht genügend eigene Lehrkräfte. Unsere Lehrkräfte kommen teils aus der Schweiz, aus Österreich und Deutschland. Es gibt Leute, die glauben, daß wir innerhalb Europas 52
	        

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