Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

Die Erkenntnisse von Aristoteles und Rousseau lassen sich gerade für Liechtenstein heranziehen, weil beide in ihrer Staatsidee von kleinen politischen Einheiten ausgehen, der eine von der Polis in Athen im 4. Jahrhundert vor Christus, der andere von der Republik Genf im 18. Jahrhundert. Wenn Aristoteles schließlich sagte: «Die meisten nun glauben, ein glückseliger Staat müsse füglich groß sein; ... man muß aber nicht sowohl auf die Menge als auf die innere Kraft sehen»,5 so gilt das für Liechtenstein in erhöhtem Maße: Qualität anstelle der Quantität, die «quantit£ n^gligeable» aufwiegen durch eine «qualitö con- siderable». Liechtenstein ist auf allen Gebieten auf Qualität ange­ wiesen: Qualität der Facharbeit, der Erzeugnisse, Qualität des künstlerischen und geistigen Schaffens, Qualität der Gesellschafts­ politik, der politischen Auseinandersetzung, der Information, «Qua­ lität des Lebens»; als Voraussetzung für alles, Qualität der Schul­ bildung und Erziehung, des Wissens, des Denkens und des Gewissens. Hier erhebt sich sogleich die Frage, ob das liechtensteinische Schul- und Bildungswesen das hohe Ziel erfüllen kann. Es ist durch dreierlei gekennzeichnet: Erstens fehlt eine Bildungstradition, mit Ausnahme der historischen; zweitens fehlt eine Hochschule und damit eine Stätte interessefreien Lehrens und Forschens über die Maturität hinaus; drittens befindet man sich in diesen Jahren in einer Phase des Nach­ holens und der zukunftsorientierten Neustrukturierung. Die Punkte eins und zwei weisen nicht nur Nachteile auf, sie bergen auch die Möglichkeit der ideellen Offenheit und Mannigfaltigkeit. Liechtenstein muß sich auf das Schulwesen bis zur Maturitätsschule, auf Berufs- und Erwachsenenbildung und auf allgemeine Information konzentrieren. Ein beträchtlicher Nachholbedarf bestand und besteht zum Teil noch gegenüber den Nachbarn, der Schweiz etwa, auf manchen Gebieten. Zum Beispiel fehlten ausgebaute Abschlußklassen sowie Hilfsschulen bis 1972. Systematische Körperschulung durch Turnunterricht und Sportförderung setzte erst vor nicht allzu vielen Jahren wirklich ein (mancherorts waren repräsentative Gemeinde­ säle anstelle von Turnhallen errichtet worden). In den letzten Jahren sind indessen beachtliche Anstrengungen unter­ nommen worden. Ohne Vollständigkeit seien hier genannt: Heil­ pädagogische Tagesstätte, Musikschule, Abendtechnikum, Landes­ bibliothek, Landesmuseum, Staatliche Kunstsammlung, Theater am Kirchplatz, (Volkshochschule und Erwachsenenbildungswerke pfle­ *) Aristoteles, a. a. O., S. 235. Ahnlich Rousseau: «. . . en glnlral un petit £tat est proportionnelle- ment plus fort qu'un grand.» Rousseau, a. a. O., Hvre II, chap. IX. 29
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.