Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

keit auf ein noch unbekanntes Ziel zu. Der Mensch mit seiner Tech­ nik ist in einen reißenden Fluß hineingerissen. Zwar glaubt er immer noch ein Handelnder, ein Schiebender zu sein. In Wirklichkeit aber wird er fortgerissen, er kann offensichtlich das Tempo nicht mehr selber bestimmen. Der technische Fortschritt, an dem alle industriali­ sierten Länder mit größter Energie arbeiten und der Gegenstand eines noch nie dagewesenen Wettlaufs unter den Völkern wurde, folgt schon weitgehend seinen eigenen, also nicht mehr kontrollierten menschlichen Gesetzen. Diese vom Einzelmenschen zwar nur dumpf gefühlte Geschwindig­ keitszunahme bewirkt in ihm einen Zustand der Unsicherheit, der ihn zutiefst beunruhigt. Wir sind nicht mehr recht zu Hause, fühlen uns nicht mehr geborgen in dieser Welt, die weitgehend von den Menschen selber gestaltet wurde. Unser Körper und unsere Seele sind nicht für diese sich so rasch ändernde technische Umwelt, sondern für die natürliche, sich nur ganz langsam entwickelnde Welt geschaf­ fen worden. Die ständige Überflutung mit optischen und vor allem auch mit akustischen Reizwellen — ich greife hier nur einen Teil­ aspekt auf — stumpft den Menschen derart ab, daß er vielfach keine tiefen Eindrücke mehr aufnimmt, die er sich wieder deutlich ins Ge­ dächtnis zurückrufen könnte. So entsteht in ihm eine bedenkliche innere Leere und Erlebnisarmut, und das trotz, oder besser gesagt, wegen der Uberfülle des Gesehenen und Gehörten. Der Teufelskreis wird dadurch geschlossen, daß die seelisch ausgehöhlten Menschen ihre Leere auszufüllen suchen durch Filme, Fernsehen, Radio usw., die aber nur zu weiterer innerer Verflachung beitragen. Vor der Stille der Natur, die allein helfen könnte, fürchten sie sich geradezu. Aus­ gestattet mit einem ständig lärmenden Transistorradio gehen sie im Wald spazieren; kommen sie ins leere Zimmer, drehen sie automa­ tisch das Radio- oder das Fernsehgerät an, nicht etwa um darauf zu hören, sondern nur um die gewohnte Geräuschkulisse um sich zu haben. Die Frage drängt sich auf, sind das noch Menschen wie Gott sie schuf? Protagoras, ein bedeutender griechischer Philosoph aus dem 5. Jahr­ hundert v. Chr., erkannte den Menschen als das Maß aller Dinge. Dieser vielzitierten Erkenntnis wird nun gröblichst zuwider gehan­ delt. Der menschlichen Veranlagung wird auf weite Strecken nicht mehr Rechnung getragen. Dieses Verhalten gegen die menschliche Natur hat schon viele Leiden gebracht, denken wir nur an die stark zunehmende Erkrankung des Gemütes, an die verschiedensten Neu­ rosen. Die sogenannten Zivilisationskrankheiten werden noch viel mehr Sorgen und Leiden bringen, wenn der Mensch nicht wieder 23
	        

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