Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

Josef Biedermann Geboren 1944 • Biologielehrer am Liechtensteinischen Gymnasium • Planken, In der Blacha. I. Was bedeutet mir Liechtenstein? Zufällig bin ich Liechtensteiner, nicht in Liechtenstein geboren, doch zufällig hier aufgewachsen und — jetzt kann der Zufall ausgeschlos­ sen werden — mit Liechtenstein verwachsen. Als Mittelschüler, noch als junger Student war ich glücklich und stolz, Bürger dieses Klein­ staates zu sein; als Liechtensteiner erlebte ich überall Wohlwollen, trotz des zum Teil sehr zweifelhaften Rufes, den Liechtenstein im Ausland oft hat. Heute ist mein Staatsbewußtsein weniger emotional, der unkritische Stolz ist einem zweifelnden Fragen nach der Existenz­ berechtigung unseres Staates gewichen. Ich bin überzeugt, daß trotz historisch gewachsener Rechtsgemeinschaft und — wie wir so gerne betonen — internationaler Anerkennung unser Staat in seiner Exi­ stenz gefährdet ist, mehr von innen als von außen. Die letzten Ab­ stimmungskatastrophen kann man beinahe als Absage an diesen Staat Liechtenstein interpretieren. Es gilt also, unser Land von innen her zu kurieren, um nach außen bestehen zu können und als Kleinstaat ernstgenommen zu werden. Es darf uns nicht gleichgültig sein, wenn andere uns schon als Mikrostaat einstufen wollen, als ein interessan­ tes geschichtliches Phänomen, doch mit verminderter Staatlichkeit, nur noch in der Operette existenzberechtigt. So gesehen ist die Bedeutung Liechtensteins für mich Hoffnung, Wunsch und Aufgabe zugleich. II. Was könnte Liechtenstein sein? Friedrich Dürrenmatt schrieb vor Jahren über die Möglichkeiten des Schriftstellers eines Kleinstaates und dachte sich einen Autor, für den Liechtenstein zum Modell der Welt wird: «Die Liechtensteiner wer­ den zwar protestieren, alles maßlos übertrieben finden, den liechten­ steinischen Jodel und die Liechtensteiner Käseproduktion vermissen, aber diesen Schriftsteller wird man nicht nur in Sankt Gallen spielen, er wird international werden, weil die Welt sich in seinem erfundenen Liechtenstein widerspiegelt. Dieser liechtensteinische Schriftsteller wird immer neue Einfälle anwenden müssen, aus Liechtenstein ein immer neues Weltmodell erschaffen, er wird notgedrungen als Dra­ matiker revolutionäre Wege einschlagen müssen, und diese neuen Wege werden stimmen, weil es für ihn eben keine anderen Wege mehr gibt.» 13
	        

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