Volltext: Beiträge zur liechtensteinischen Staatspolitik

Institutionen, die sich planmäßig mit festumrissenem Aufgabenkreis dieser Belange annehmen — und das ist allemal mehr eine Frage des Idealismus als des Geldes. In schwierigen Vaterländern, meine Damen und Herren, leben Sie wie ich. Der Unterschied zwischen Riesen und Zwergen ist relativ geworden. Der Staat ist nicht mehr der unerschütterliche «rocher de bronce», der von seiner eigenständigen Macht und Hoheit lebt. Er ist, im selbstverständlichen Bewußtsein seiner Bürger, ein reales Instru­ ment der Bedürfnisbefriedigung, der Recht und Ordnung, gesell­ schaftlichen Fortschritt, sorgfältige Erziehung, hohen Freizeitnutzen, ein besseres und reicheres Leben für alle garantieren soll. Bei Ihnen wie bei uns ist bei zunehmendem Wohlstand der Anspruch des Einzelnen an den Staat durchweg höher als die Bereitschaft des Bürgers, seinerseits etwas für den Staat und die Gesellschaft zu leisten. Aber niemand kann mehr nehmen, als er selbst geben will — diese Einsicht zu fördern, ist die Aufgabe der Verantwortlichen in Deutsch­ land wie in Liechtenstein, und in dieser Bemühung sollten wir uns begegnen. Mit einem persönlichen Wort lassen Sie mich auch schließen. Ich habe den Mut Ihrer Akademischen Gesellschaft bewundert, mit dem Sie das Erwachen einer schonungslosen Selbstkritik in Ihrem Lande bezeugt, hohle Fassaden abgeklopft und sich nicht gescheut haben, Wurzeln und Wesen der liechtensteinischen Staatlichkeit in Frage zu stellen. Man möchte sich für Deutschland wünschen, daß es nicht die Bedrohung von außen, nicht der Zwang der inneren Verhältnisse ist, der bei uns eines Tages die gleiche geistige Unruhe erzeugt, die wir heute noch leider entbehren — denn mit Radau ist solche Unruhe nicht gleichzusetzen. Ich habe Ihnen keine Patentlösungen anzubieten, wie die liechten- steinisch-deutschen Beziehungen verstärkt und verbessert werden soll­ ten. Man muß sich auf Erwägungen beschränken, wie es nicht gemacht werden darf, und wie es vielleicht versucht werden könnte. Ich bin ein Westfale, und die meisten von Ihnen sind Alemannen. Schön­ färberei und Schwärmerei ist dem Charakter dieser Volksstämme nicht angemessen. Nur mit Behutsamkeit, Nüchternheit und Erkennt­ nis der Realitäten werden wir auf dem Weg in ein vereintes Europa gemeinsam vorwärtskommen. Neben diesem Bereich aber liegt die persönliche Freundschaft, zu der ich — und viele Deutsche, die Liechtenstein lieben — Ihnen die Hand reichen möchten. 74
	        

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