Karl-Franzens-Universität Graz
Institut für Musikwissenschaft
Josef Rheinbergers Oper
Die Sieben Raben.
Ein Überblick
Bachelorarbeit
Eingereicht bei Univ.-Prof. Dr. phil. Michael Walter
Erstellungsdatum der Arbeit: 10. 7. 2014
Name der Autorin: Priller Marlene
Moserhofgasse 50/9, 8010 Graz Matrikelnummer: 1113059
Tel: 0664/5468987 Geburtsdatum: 12.05.1992
E-Mail: marlene.priller@edu.uni-graz.at
Semesterzahl im Semester des Seminars: 6. Semester
Inhaltsverzeichnis
EiNleEllUN AM 3
1. Josef Gabriel Rheinberger — ein Überblick über sein Leben.….….……….……….…….……eeees 5
2. Die Rheinbergersche Musikiásthetik.................ssssessssessesseeeee eene eene nnnt enn 7
3. Die Sieben RADE MM 11
3.1. Entstehung und Uraufführung ................ essent enne nnne nnne nne 11
3.2 Das Libretto.............. eese ener enne rennen et hrs th intrent s nennen nennen nnne 13
Exkurs: Franz Bonn.............sseseeseeseeseeeseees eene tnnt tnne tne te nette ihren erster sn tris testen sten inne 17
3.3. Handlung der Oper ................ sese nnn ene tenete nnne nter 19
3.4. Musik zu den Sieben Raben .............. esee eene nnne 20
3.4.1. Kurze Bemerkungen zur Partitur und zur Musik..................... e tee ern e ARE RAR EEE EEE 20
3.4.2. Rezensionen zur Musik .............. sess ennn tnnt nnt nnne nnne 26
4. Aufführungen und Beinahe-Aufführungen ................ eee 27
5. Zusammenfassung und Ausblick ................... sees nennen 31
Anhang: Gegenüberstellung der ersten und der zweiten Fassung des Librettos ......................... 33
VErZElCNNISSE MM 37
Literaturverzeichnis.............. esses eene ennt ennn nnne nnne tne te nette ihren ersten sn tristes en sten inne 37
IUD elitenzsviste mi E 40
EXoUllniu3 ie v/s te REM 41
Einleitung
Wenn uns gegenwärtig schon eine musikalische Oper, eine Oper zum Hören an sich überrascht, so
überraschte sie doppelt als ein Werk Rheinbergers. In München und anderwärts wird man Rheinberger
viel gutes zutrauen, und doch hätte man ihm gerade eine Oper dieser Art wohl am Wenigsten
zugetraut.!
Josef Rheinberger gehórt zu den Komponisten des 19. Jahrhunderts, die im 20.
Jahrhundert nahezu in Vergessenheit gerieten, nach und nach aber wieder entdeckt
werden. Inzwischen hat Rheinbergers Werk eine Renaissance erlebt die durch Verlage
und wissenschaftlich unterstützt wurde. Die geistliche Chormusik Rheinbergers gehórt
mittlerweise schon fast zum Standardrepertoire.? Den meisten Musikkennern ist Josef
Rheinberger wohl als Komponist von Orgel- und Chorwerken ein Begriff. Allerdings ist
er nur Wenigen als Opernkomponist bekannt, selbst unter Fachleuten nicht. Von seinen
dramatischen Werken sind oftmals, wenn überhaupt, nur die Titel bekannt. Vor allem
zwischen 1860 und Anfang der 1870er Jahre widmete sich Rheinberger diesem Genre
und komponierte zwei Opern Die Sieben Raben und Thürmers Tóchterlein, wobei Die
Sieben Raben 1868 einer umfassenden Überarbeitung unterzogen wurde. Zudem
komponierte Rheinberger noch Singspiele und Schauspielmusiken. Wie aus dem
einleitenden Zitat unschwer zu erkennen ist, überraschte der Umstand, dass Rheinberger
eine Oper komponierte auch damals in den 1860er Jahren.
Die Vita des Komponisten ist bis heute sehr gut aufgearbeitet worden, besonders durch
die Arbeiten von Harald Wanger und Hans-Josef Irmen. Neben den drei Singspielen und
zwei Schauspielmusiken hat Rheinberger eben auch zwei Opern komponiert. Obwohl
sie in München uraufgeführt wurden, wurden sie auch hier gründlich vergessen. Nicht
einmal in Ludwig F. Schiedermairs Buch Deutsche Oper in München. Eine 200jührige
Geschichte, erschienen in München 1992, haben sie eine Spur hinterlassen. Dies ist
leider auch bei Carl Dahlhaus' Die Musik des 19. Jahrhunderts (Handbuch der
Musikwissenschaft Bd. 6) der Fall.
! Wilhelm Heinrich Riehl, Die Sieben Raben. Oper von Joseph Rheinberger, in: Beilage zur
AllgemeinenZeitung, 28. Mai 1869, Nr. 148, ,,Familienarchiv Rheinberger", Signatur: RhFA Dok 5/15,
S. 2278.
? Vgl. Stefan Hórner und Hartmut Schick, Vorwort, in: Josef Rheinberger : Werk und Wirkung ; Bericht
über das Internationale Symposium anläfilich des 100. Todestages des Komponisten, veranstaltet von
der Gesellschaft für Bayrische Musikwissenschaft der Universitüt München, München 23. - 25.11.200,
hg. von Stefan Hörner und Hartmut Schick, Tutzing 2004, o.S.
der Gesellschaft für Bayerische Musikgeschichte und dem Institut für Musikwissenschaft de, o.S.
Bei der wissenschaftlichen Bearbeitung von Rheinbergers Oper Die Sieben Raben stößt
man allerdings auf einige Probleme. Es ist schwierig geeignetes Material zur
Bearbeitung des Themas zu finden, da die Aufzeichnungen spärlich sind und sich die
Oper auch nicht auf den Spielplänen etablieren konnte. Eine weitere Folge dessen ist
auch, dass es keine Video-, DVD- oder CD-Aufnahme der Oper gibt, mit Ausnahme des
Vorspiels. Dieses hatte Rheinberger aber von Beginn an auch als ein eigenes Stück
gesehen und getrennt vom Rest der Oper zur Aufführung gebracht.
Die wichtigsten und umfangreichsten Quellen zur Oper Die Sieben Raben bietet uns
Josef Rheinbergers Ehefrau Franziska von Hoffnaaß (in weiterer Folge auch nur als
Fanny bezeichnet). Sehr akribisch hielt sie alle Geschehnisse im Leben Rheinbergers in
ihren Tagebüchern und Notizbüchern fest. Da die erhaltenen Briefbestände sehr
lückenhaft sind, kann kein, oder nur schwer ein ganzheitliches Bild der Oper gezeichnet
werden. Probleme ergeben sich hier bei einem Rekonstruktionsversuch der
Entstehungsgeschichte, der Frage wie Rheinberger zum Libretto von Franz Bonn kam
und der Frage warum die Oper umgearbeitet wurde.
Im Verlauf dieser Arbeit, soll ein Überblick über Rheinbergers Oper Die Sieben Raben
gegeben werden. Dabei wird auf die Entstehungsgeschichte, das Libretto, die Musik,
auf Aufführungen und Beinahe-Aufführungen eingegangen. Vorangestellt werden
einführende Bemerkungen zu Josef Rheinbergers Person und seine Musikästhetik. Es
sollen auch Probleme der Themenbearbeitung kenntlich gemacht werden. Schließlich
wird auch versucht der Frage auf den Grund zugehen, warum sich die Oper nicht
etablieren konnte.
1. Josef Gabriel Rheinberger — ein Überblick über sein Leben
Josef Gabriel Rheinberger wurde am 17. Márz 1839 als Sohn des Grundbuchführers und
späteren Rentmeisters Johann Peter Rheinberger und Maria Elisabeth Rheinberger,
geborene Carigiet, in Vaduz im Fürstentum Liechtenstein geboren. Zwei Tage später
wurde er auf den Namen Gabriel Josef Rheinberger getauft.”
1844 kam Sebastian Pôhly als Unterlehrer nach Schaan. Der dortige Pfarrer, Jakob
Anton Carigiet, ein Verwandter von Josef Rheinbergers Mutter, kam auf die Idee, ihn
nach Vaduz zu schicken, um Rheinbergers beiden älteren Schwestern Musikunterricht
zu erteilen. Im Unterrichtszimmer war stets auch er anwesend und erhielt so seinen
ersten Unterricht. Schnell machte er grofe Fortschritte, sodass der Vater 1846 einen
Flügel kommen lieB. 1849 reiste Rheinberger nach Feldkirch. Er kam zu dem Cellist
und Chorregat Philipp Schmutzer zur Ausbildung. Bei einem Konzert im selben Jahr
lernte Rheinberger den Komponisten Mattháus Nagiller kennen. Dieser erkannte sofort
das auBergewôhnliche Talent des Zehnjährigen. Nagiller reiste sogleich nach Vaduz
zum Vater, denn er wollte Rheinberger nach München schicken, um ihn dort weiter
. 4
ausbilden zu lassen.
Im Oktober 1851 reiste Rheinberger mit seinem Bruder Peter nach München. Der
zwülfeinhalb jährige Josef Rheinberger bestand die Aufnahmeprüfung am
Konservatorium und erhielt Unterricht von Julius Joseph Maier und Christian Wanner,
spáter auch Orgelunterricht bei Johann Georg Herzog. Schon bald schaffte er es die
Aufmerksamkeit des Physikers, Geologen, Musikwissenschaftlers und Mediziners Karl
Franz Emil Schafháutl auf sich zu ziehen. Als sich 1853 die Zeit der Abschlussprüfung
näherte, stellte sich die Frage wie es weitergehen sollte. Der Vater wollte ihn wieder
nach Vaduz holen, da die finanziellen Mittel erschópft waren. Es fanden sich aber in
München einige Musikfreunde, allen voran Schafháutl und Maier, zusammen, die sich
verpflichteten, monatlich zu zahlen, damit Rheinberger in München bleiben konnte um
ein privates Weiterstudium bei Franz Lachner aufnehmen zu kónnen.
* Vgl. Harald Wanger, Josef Gabriel Rheinberger. Eine Biographie, Liechtenstein 2007, 1. Auflage, S.
7 .(Liechtensteinbibliothek 1).
^ Vgl. Harald Wanger, Josef Gabriel Rheinberger, S. 16-19.
? Vgl. Harald Wanger, Josef Gabriel Rheinberger, S. 21-31.
In den folgenden Jahren arbeitete Rheinberger als Klavierlehrer, Pianist und
Korrepetitor im Oratorienverein, sowie als Aushilfsorganist an verschiedenen Kirchen
in München. Seine erste Festanstellung erhielt Rheinberger 1859 am Münchner
Konservatorium als Klavierlehrer und als Organist an der Kirche St. Michael. Im Jahre
1860 wurde er am Konservatorium Lehrer für Harmonielehre und Kontrapunkt. Am
Münchner Konservatorium war M Rheinberger eine Lehrerpersönlichkeit von
internationalem Rang. Harald Wanger erstellt auf Basis von Musikschultagebüchern ein
Schülerverzeichnis Rheinbergers. Unter anderen zählten Wilhelm Furtwängler,
Ermanno Wolf-Ferrari, George Chadwick, Horatio Parker und Engelbert Humperdinck
dazu. Wenige Jahre später übernahm er die Leitung des Oratorienvereins.! Seine
Anstellung beim Oratorienverein brachte Rheinberger auch Einladungen zu Soireen in
privaten Kreisen. Franziska (Fanny) von Hoffnaaß, geborene Jägerhuber, gehörte zu den
Süngerinnen des Oratorienvereins. Wie viele andere schwärmte auch sie für den jungen
Rheinberger. Bald verliebte sich auch Josef in sie. Die Hochzeit fand am 24. April 1867
statt." In den folgenden Jahren vertonte Rheinberger zahlreiche Texte seiner Frau.
In den 1860er bis Anfang der 1870er Jahren wandte sich Rheinberger der Oper zu. Sein
Erstlingswerk, die Oper Die Sieben Raben, wurde 1863 fertiggestellt und 1868
gründlich über- und umgearbeitet. Anfangs sehr erfolgreich, verschwand die Oper
zusehends von der Bildfläche. Anfang der 1870er Jahre komponierte Rheinberger eine
zweite Oper Thürmers Töchterlein. Mit dem Ende der 1870er Jahre wandte sich
Rheinberger zusehends der Orgel- und Kirchenmusik zu. Gegen Ende seines Lebens
zog er sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Allerdings war er weiter
kompositorisch tätig.
Rheinberger hatte mit 50 Jahren den Höhepunkt seiner Karriere erreicht. Als
Kontrapunktiker galt er damals in Europa als unbestrittene Autorität, zudem erhielt er
mehrere Ehrungen. Nach und nach zog sich Rheinberger aus der Öffentlichkeit zurück.
Gründe dafür waren unter anderem seine gesundheitlichen Probleme, aber auch
6 Vgl, Hans-Josef Irmen, Verzeichnis der Schüler von Josef Rheinberger, [online verfügbar; URL:
http: /www.1lv.1/#/1139, 23. Juni 2014].
7 Vgl. Wolfgang Hochstein, Art. Rhienberger, Josef Gabriel, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart.
Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Personenteil Bd. 13, hg. von Ludwig Finscher, zweite, neu
bearbeitete Ausgabe, Kassel u.a. 1998, Sp. 1616.
* Vgl. Harald Wanger, Josef Gabriel Rheinberger, S. 38-40, 43, 44, 53.
Schicksalsschläger wie der Tod engster Verwandter und Freunde und auch seiner Frau.?
Josef Gabriel Rheinberger starb am 25. November 1901 in München. Nachdem die
Grabstátte in München im Zweiten Weltkrieg zerstórt wurde, wurden seine Gebeine und
die seiner Frau nach Vaduz überführt."°
2. Die Rheinbergersche Musikästhetik
Josef Rheinberger hinterließ uns, wie viele andere Komponisten, keinerlei
musikästhetischen Schriften und Essays aus denen seine Anschauung unmittelbar zu
entnehmen ist. Bis heute wurden auch keine Kompositions- oder Instrumentationslehren
aufgefunden. Um Aufschluss über seine klangästhetischen Vorstellungen zu gewinnen,
ist es nötig, Briefe durchzulesen, die er beispielsweise an seine Schüler oder an andere
Personen geschrieben hat.
Rheinberger war der Ansicht, „daß es eigentlich die Jugendeindrücke (etwa bis zum 20.
11
* ^" Aber auch an
Jahre) sind, die den Geist und die Ansichten des Menschen formen.
einer anderen Stelle hat er eben genau das formuliert: „es sind eben doch die
Jugendeindrücke bestimmend.“'*
Während seiner Ausbildung in Vaduz lernte Rheinberger die Musik von Haydn, Mozart,
Lanner und StrauB kennen." Später machte er in Feldkirch bei Phillip Schmutzer
Bekanntschaft mit der Musik Georg Friedrich Händels, Mendelssohns, Beethovens,
Hummels, Clementis und Albrechtsbergers. Ab 1849 entdeckte er auch die
Klaviermusik von Carl Maria von Weber. Neben seinen Lehrern hatten aber auch
? Vgl. Hans-Josef Irmen, Gabriel Josef Rheinberge als Antipode des Cücilianismus, Regensburg 1970, S.
71-72, (Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts 22).
? Vg], Wolfgang Hochstein, Art. Rheinberger, Josef Gabriel, Sp. 1615-1617.
!! Josef Rheinberger an Henriette Hecker, 3. Oktober 1900, in: Josef Gabriel Rheinberger, Briefe und
Dokumente seines Lebens, Bd. 8, hg, von Harald Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1987, S. 33-34.
7 Josef Rheinberger an Henriette Hecker, 3. Oktober 1900, in: Briefe und
Dokumente seines Lebens, Bd. 8, 8 . 16.
13 Vgl. Sebastian Póhly an Franziska von Hoffnaab, 3. Juli 1876, in: Rheinberger, Josef G.: Briefe und
Dokumente seines Lebens, Bd. 1, hg. von Harald Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1982, S. 31-
32.
14 Vgl. Hanns Steger, Vor allem Klangschónheit. Die Musikanschauung Josef Rheinbergers dargestellt
an seinem Klavierschaffen, Hildesheim, Zürich, New York 2001 (Studien und Materialien zur
Musikwissenschaft 23), 102.
nicht-professionelle Musiker großen Einfluss auf einen ersten Ansatz von Rheinbergers
Musikanschauung. Franziska von Hoffnaaß weist in ihrem Fragment Aus der Heimath
darauf hin:
Zurückschauend auf Rheinbergers Kindheit, muß es dem denkenden Beobachter auf fallen, wie
großen Einfluß nicht nur Künstler, als auch Kunstliebhaber auf die frühe Ausbildung des Knaben
hatten. Durch solch einen "Dilettanten" lernte er Mozart, wenn auch in flötenhafter Zubereitung -
sodoch in seiner geistigen Tiefe kennen. Ein anderer Dilettant veranlaßte den Vater, seinen Knaben
ganz für Musik ausbilden zu lassen. Der dritte Dilettant endlich vermittelte ihm die genaue Kenntnis
von Bach.
Bis zum Jahre 1854 war also die Musik Johann Sebastian Bachs und der Wiener Klassik
Rheinbergers Richtlinie gewesen. Julius Joseph Maier und Julius Emil Leonhard waren
Rheinbergers Lehrer in Kontrapunkt, Orgel und Klavier. Ein vollkommen neues Feld für
Rheinberger war die Oper. Auch in diesem Bereich galt Franz Lachner um die
Jahrhundertmitte als führende Persönlichkeit. Das Repertoire seiner Vorgänger Stuntz
und Poißl war überwiegend italienisch. Lachner ersetzte diese nach und nach durch
deutsche Opern. In den ersten zwei Jahren in München erlebte Rheinberger eine große
Anzahl an Opernvorstellungen aus dem Repertoire Lachners, wie etwas Webers
Freischütz, Mozarts Don Juan und Entführung, Spohrs Faust, Glucks Iphigenia und
andere.'® Die Musikanschauung des jungen Rheinberger ist klar fassbar. Sie ist das
Ergebnis seiner musikásthetischen Erziehung und der verschiedenartigen Impulse, die er
bei diversen Aufführungen in München erhielt.
Aber trotz seiner sehr einseitig ausgerichteten musikalischen Erziehung war
Rheinberger zwischen 1860 und 1870 durchaus offen für das Neue in der Musik, auch
wenn diese Jahre eine Ausnahme darstellen. Wagner und Liszt hinterlieDben in
Rheinbergers Musik zwar nur geringe Spuren, diese sind aber deutlich festzustellen.
Besonders in Werken Mitte der sechziger Jahre zeigen sich diese Spuren in vier
Bereichen: Dem musikalischen Zitat (man vergleiche den Beginn von Rheinbergers
Hornsonate op. 178 mit dem Anfang von Liszt Klavierkonzert in Es-Dur'’), in
harmonisch-klanglichen Anlehnungen, Modifikationen der musikalischen Form, hier
beeinflusste vor allem die Musik Franz Liszts Rheinberger (mehr Themen, ein Ansatz
? Franziska von Hoffnaab, Aus der Heimath, in: Briefe und Bd. 1, S. 47.
1^ Vgl. Hanns Steger, Vor allem Klangschónheit, S. 105-106.
U Vgl. Franz Liszt, Klavierkonzert in Es-Dur, Partitur, 1848, S. 1; vgl. auch Josef Rheinberger,
Hornsonate in Es-Dur op. 178, Partitur, 1894, o.S., in: [online verfügbar;
URL: http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/b/bd/IMSLP96132
PMLP197715Rheinberger__JG__Horn_Sonata__Op.178_CS_manuscr..pdf, 28. 5. 2014].
von Thementransformation und einer modifizierten Abfolge der Themen) und anhand
eines kleinen Ansatzes außermusikalischen Programms (Wallenstein-Symphonie und
Fantasiestück op. 23) Die Musiksprache Josef Rheinbergers ist überwiegend
diatonisch und sehr konservativ. Jedoch finden sich in einigen Werken aus den 1860er
Jahren vereinzelt immer wieder Abschnitte auffálliger Chromatik. Chromatische
Akkordverbindungen spielen im Schaffen Rheinbergers kaum eine Rolle. Sie erscheinen
nur selten und dann nur an gezielten Stationen innerhalb der Komposition.
Die Musikanschauung Josef Rheinbergers kann schlieBlich wie folgt zusammengefasst
werden: Klangschónheit steht für Rheinberger an oberster Stelle. Die Musikanschauung
des jungen Rheinberger ist das Ergebnis seiner musikásthetischen Erziehung und den
vielfältigen musikalischen Impulse, die er in München ab etwa 1851 erhielt.
Rheinberger hatte klare Vorstellungen wie die musikalischen Ordnungsprinzipien mit
den emotionalen und rationalen Bereichen im Schaffensprozess korrespondieren. Dabei
ordnet er Komponenten wie die Satztechnik, Formgestaltung und Modulation den
Bereich des Verstandes zu. Sangbarkeit, Melodie und Klangschónheit empfand er als
die innersten Schichten des musikalischen Geschehens. Aus einem Brief an Henriette
Hecker lásst sich eben diese Einordnung der Elemente entnehmen:
An den musikalischen Schópfungen soll nach meiner Ansicht Kopf und Herz (Verstand und Gefühl)
gleichen Anteil haben. Der Kopf kann und muss lernen, das, was das Herz besitzt, an den Tag zu
bringen; wenn das Herz aber keinen Fonds (d.h. Melodie) besitzt, tritt die absolute Kopfbarkeit an die
Stelle, und kann unter Umstünden zeitweise über jenen Mangel hinwegtüuschen.?
Die Melodie spielt fiir Rheinberger also eine fundamentale Rolle. Seine
Melodieauffassung ist gefühlsmábig begründet und geht vom Stufengang der Tonleiter,
von den Vorhalts- und Durchgangsdissonanzen und den Intervallen der Drei- und
Vierklängen aus.
Chromatische Akkordverbindungen spielen kaum eine Rolle bei Rheinberger. Sie
erscheinen nur sehr selten an ausgewählten Stellen im musikalischen Geschehen. Wie
oben bereits erwähnt ist Rheinbergers Musiksprache eher diatonisch. Die Abfolge von
mehreren chromatischen Akkorden ist eine Besonderheit. Chromatik dient als ein
55 Vgl. Hanns Steger, Spuren der Musik Liszts und Wagners im Œuvre von Josef Rheinberger, in: Liszt und
die Neudeutsche Schule, hg. von Detlef Altenburg, Laaber 2006, S. 251-252, (Weimarer Liszt-Studien
3).
P? Josef Rheinberger an Henriette Hecker, 8. Oktober 1900, in: Briefe und Dokumente seines Lebens, Bd.
8, S. 35.
gezieltes Mittel der harmonischen Steigerung. Die chromatischen Bildungen in
Rheinbergers Werken um die Mitte der 1860er Jahre gelten als Ausnahmen.“ Im
Allgemeinen gilt diesbezüglich wohl das was Theodor Kroyer schreibt: „Rheinberger ist
ein Musiker, der seine Harmonik innerlich erlebt und zu einer individuellen Sprache
ausbildet, die freilich nicht alsogleich sinnfüllig wird, weil sie eben so natürlich sich
bewegt. [...] Sie ist klassisch.?!
Klangschónheit steht für Rheinberger an oberster Stelle. Aus einem Brief Rheinbergers
an seinen ehemaligen Schüler Josef Renner kritisiert er die fehlende Sangbarkeit und
Klangschónheit und schreibt: , Sodann Sangbarkeit und Klangschónheit! Ohne
dieselben hat die Musik keine Berechtigung! Rheinberger geht von der elementarsten
KlangáuDerung des Menschen aus, der Stimme. Der vierstimmig gemischte Chorsatz
gilt für ihn als Ideal:
Der vierstimmige Tonsatz ist der naturgemáüBe Satz in der Tonkunst. Darum musizieren wir so
vielfach vierstimmig auch auf dem Klavier, in der Kammermusik und im Orchester. Dabei liegt ein
Vergleich mit den vier menschlichen Stimmen nahe. Der vierstimmige Satz ist also bei jeder
Komposition wohl eine Hauptsache und muss den Kontrapunktisten gleichsam zur zweiten Natur
werden und in Fleisch und Blut übergehen.“
Zusammengefasst enthalten die von Rheinberger geäußerten Grundsätze folgende
Prinzipien: Für alle Stimmen soll vorwiegend die Mittellage verwendet werden, die
Männerstimmen sollen nicht extrem tief erklingen, wenn die Frauenstimmen
gleichzeitig extrem hoch erklingen, der Bass soll sich stets melodisch bewegen, der
Tenor soll sich nicht zu sehr über den Bass er heben, aber auch nicht zu tief erklingen.
Das Ideal ist etwa eine Oktave unter dem Sopran, die tiefsten Regionen klingen im forte
meist tonlos, die höchsten Töne können nur im forte angewendet werden und
schließlich dürfen extrem hohe und extrem tiefe Töne nur sehr kurz anklingen.
? Vgl. Hanns Steger, Vor allem Klangschónheit, S. 184-188.
*! Theodor Kroyer, Joseph Rheinberger, Ungeiind. Neudr. d. 1. Ausg., Buren 1986
S. 164, (Bibliotheca organologica 78).
7 Josef Rheinberger an Josef Renner, 16. Januar 1896, in: Josef Gabriel Rheinberger, Briefe und
Dokumente seines Lebens, Bd. 7, hg, von Harald Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1986, S. 50.
? Karl Wendl, Josef Rheinberger. Spüne und Spünchen aus der Künstlerwerkstatt eines groflen Meisters,
in: Die Musik Nr. 31/8 1939, S. 537.
10
3. Die Sieben Raben
3.1. Entstehung und Uraufführung
Die Entstehungsgeschichte der Oper Die Sieben Raben ist nicht besonders gut
dokumentiert. Veranlasst wurde Rheinberger nach eigener Aussage nicht von dem
gleichnamigen Märchen, sondern von Moritz von Schwinds Aquarellzyklus Von den
sieben Raben und der treuen Schwester.“ Leider gibt es keinerlei Hinweise darauf, wie
er zu dem Libretto von Franz Bonn kam.
In einem Brief aus dem Jahre 1858 an seinen Bruder David findet sich der erste Hinweis
auf die Anregung zur Oper, Schwinds Aquarellzyklus des Rabenmärchens: „Ich könnte
Dir ein Mehreres von der Kunstausstellung erzählen [...].Vor Allem aber gefiel mir
Schwind's Rabenmährchen am Besten“”
Obwohl bei Theodor Kroyer zu lesen ist, dass
Rheinberger bereits 1860 die Komposition von Franz Bonns Textbuch Die Sieben
Raben beschäftigte”, findet sich der erste Hinweis auf eine Beschäftigung mit der Oper
erst in einem Brief Rheinbergers an seinen Bruder vom 25. November 1862: „Es gäbe
hier so Vieles zu hören und zu sehen, was Interesse für mich hätte — aber alle meine
freie Zeit gehört den °7 Raben‘. Hoffentlich kann ich auch bald musikalische
Neuigkeiten schreiben [.. Je
Wie lange Rheinberger zu diesem Zeitpunkt schon an der
Oper arbeitete, kann derzeit nicht geklärt werden. Er dürfte aber schon länger daran
gearbeitet haben, betrachtet man im Brief die Zeilen davor:
Mir vergeht ein Tag wie der Andere, eine Woche wie die andere, ohne daß ich Zeit finde, an die
Vergänglichkeit des Irdischen zu denken. Es gäbe hier so Vieles zu hören und zu sehen, was Interesse
für mich hätte — aber alle meine freie Zeit gehört den ‘7 Raben‘. Hoffentlich kann ich auch bald
musikalische Neuigkeiten schreiben [.. 13
Rheinberger wollte seinen Opernerstling allem Anschein nach von Lachner überprüfen
lassen. Mitte Oktober schreibt er an seinen Bruder David: „Meine Oper liegt noch bei
? Vgl. Josef Rheinberger an Henriette Hecker, 3. Dezember 1900, in: Briefe und Dokumente, Bd. 8, S. 92.
? Josef Rheinberger an seinen Bruder David, 27. November 1858, in: Josef Gabriel Rheinberger, Briefe
und Dokumente seines Lebens, Bd. 1, hg, von Harald Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1982,
s. 309.
? Vg]. Theodor Kroyer, Joseph Rheinberger , S. 97.
?' Josef Rheinberger an seinen Bruder David, 25. November 1862, in: Josef Gabriel Rheinberger, Briefe
und Dokumente seines Lebens, Bd. 2, hg, von Harald Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1983,
S.18.
2 Josef Rheinberger an seinen Bruder David, 25. November 1862, in: Briefe und Dokumente ,Bd. 2,
S. 18.
11
Lachner. Wenn nicht alle Zeichen trügen, bringe ich sie hier zur Aufführung.‘ Die
erste Fassung der Oper wurde allerdings nie ganz aufgeführt. Nachdem die Königlich-
Bayerische Hof-Theater-Intendanz in München und die Großherzogliche Hoftheater-
Intendanz in Karlsruhe die Oper abgelehnt hatten, fand am 21. November 1864
erfolgreich die Uraufführung der Ouvertüre im Rahmen des 3. Abonnementskonzerts
der Musikalischen Akademie in München statt.°
Im März 1868 holt er die Sieben Raben wieder hervor und unterzog sie einer
umgreifenden Umarbeitung. Die Veränderungen galten vor allem dem dramatischen
Gerüst und auch dem Text, bei dem Fanny mitwirkte.”* Am 20. März war der erste Akt
bereits abgeschlossen und vier Wochen nach der Münchener Uraufführung von Wagners
Oper Die Meistersinger von Nürnberg am 18. Juli stellte er den dritten Akt fertig. Ende
September schreibt er an seinen Bruder:
Meine sieben Rabensöhne befinden sich endlich im Hoftheater und sind angenommen, doch kann es
Februar bis zur Aufführung werden, denn so eine Opera ist ein gar "gefährlich und langwürig Ding"-
wie Abraham a Santa Clara sagen würde.-Bülow, den ich heute darüber gesprochen, verspricht großen
Erfolg, ich (für meine Person) würde bei einem dramatischen Erstlingswerk schon mit einem mäßigen
Erfolg zufrieden sein.”
Am 28. Dezember stellte Rheinberger den Klavierauszug fertig und begann sogleich mit
einer Fassung der Ouvertüre zu zwei Händen, welche am 3. Jänner 1869 vollendet war.
Ende Jänner beginnt Rheinberger bereits an einem Arrangement der Ouvertüre für vier
Hände zu arbeiten. Am 2. April fand die erste Klavierprobe im Theater statt.”
Die Hauptprobe fand am 22. Mai statt. Fanny schreibt dazu in ihrem Tagebuch: „Alles
ging vorzüglich. Die Direktion war eben so nobel wie die Composition. Nur wenige
Auserlesene hörten zu, waren aber ganz begeistert. Ein poetischer Duft schwebt über
dem Ganzen.'^^ Am 23. Mai 1869 fand die Uraufführung der Oper in München statt. In
der Besetzung finden sich die ersten Sánger der Münchner Hofoper: Sophie Diez als
? Josef Rheinberger an seinen Bruder David, 12. Oktober 1863, in: Briefe und Dokumente ,Bd. 2, S. 30.
? Vgl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Augsburg, Nr. 331 vom 26.11.186, in: Briefe und Dokumente,
Bd. 2, S. 41.
?! Vgl. Theodor Kroyer, Josef Rheinberger, S. 97.
? Josef Rheinberger an seinen Bruder David, Ende September 1868, Josef Gabriel Rheinberger, Briefe
und Dokumente seines Lebens, Bd. 3, hg, von Harald Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1983, S. 3.
? Vgl. Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 28. Dezember 1868, 25. Und 26. Januar 1869, 2. April
1869, in: Josef Gabriel Rheinberger, Briefe und Dokumente, Bd.3, S. 23
27, 36.
?^ Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 22. Mai 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 48.
12
Mathilde, Sophie Stehle als Elsbeth, August Kindermann als Eckart und Heinrich Vogel
als Roderich. Rheinberger selbst dirigierte die Uraufführung. Wie in Fannys Tagebuch
und auch in den Zeitungen zu lesen ist, war die Uraufführung der Oper ein großer
Erfolg. Fanny notiert dazu in ihrem Tagebuch:
Er wurde stürmisch gerufen- die Oper hatte vollständigen Erfolg. [...]Man fühlte, daß es kein
gemachter Lokal- oder Parthei-Erfolg war, sondern der Ausdruck der ins Herz getroffenen Menge.
Mich beglückte bei Allem die gewonnene Überzeugung, daß die Freude des Publikums am wahrhaft
Einfachen und Edlen nicht verloren gegangen ist. [...] Frl. Stehle, welche unvergleichlich war,
schüttelte ihm vor dem ganzen Publikum innig die Hände. Die ganze Vorstellung war ausgezeichnet.”
Auch die Zeitungen waren voll von Lob über die Oper:
Es gibt gegenwärtig Opern zum Hören, Opern zum Sehen und — als höhere Einheit — Opern bei
welchen einem Hören und Sehen vergeht. In München wurde am 23. Mai Joseph Rheinbergers Oper
Die Sieben Raben zum erstenmal aufgeführt: sie ist eine Oper zum Hören. Schon dies reizt unsere
Aufmerksamkeit; denn die musikalischen Opern werden immer seltener.
Leider ist nicht dokumentiert, wodurch und wann Rheinberger auf die Idee kam, seine
Sieben Raben zu überarbeiten. Harald Wanger berichtet in seiner Rheinberger-Biografie,
dass er, nachdem er den Schock über die Ablehnung der Oper überwunden hatte, oder
vielleicht auch unter Fannys Einfluss, sich die Oper wieder vorgenommen hatte."
Allerdings konnte ich dafür keine stichhaltigen Belege finden.
Die Drucklegung der Oper vertraute Rheinberger seinem damaligen Hauptverleger
Ernst Wilhelm Fritsch an. Die eigentliche Korrespondenz über die Drucklegung begann
erst nach der Uraufführung. ® Fritsch bot an, den Klavierauszug und die Partitur und
Stimmen der Ouvertüre zu drucken. Die ganze Partitur sollte weiterhin handschriftlich
kopiert werden.“ Fanny vermerkt ab Mitte August regelmäßig in ihrem Tagebuch, dass
Druckbögen zur Korrektur gekommen sind.”
3.2 Das Libretto
Nicht nur die Musik, sondern auch das Libretto wurde in der zweiten Fassung der Oper
überarbeitet. Die Korrekturen am Libretto sind nur spärlich belegt. Fanny notierte in
? Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 23. Mai 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 51.
°° Wilhelm Heinrich Riehl, Die Sieben Raben. Oper von Joseph Rheinberger, in: Beilage zur Allgemeinen
Zeitung, 28. Mai 1869, Nr. 148, ,,Familienarchiv Rheinberger", Signatur: RAFA Dok 5/15, S. 2277.
?' Vgl. Harald Wanger, Josef Gabriel Rheinberger, S. 57.
?! Vgl. Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 11. Juni 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 65.
? Vgl. Fritsch an Josef Rheinberger, 26. Juni. 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 71-72.
? Vgl. Fanny Rheinberger, Tagebucheintráge, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 96-97.
13
ihrem Tagebucheintrag vom 22. Mai 1869 anlässlich der Hauptprobe der zweiten
Fassung: „Vor mir saß Franz Bonn und schaute ganz verwundert in das Textbuch. In
«41
den letzten beiden Akten ist fast keine Zeile geblieben.“ Die Personen von der ersten
zur zweiten Fassung sind im Wesentlichen gleichgeblieben. Allerdings existiert in der
ersten Fassung noch eine stumme Rolle eines Abgesandten des Herzogs von Burgund.
Zudem sollte in der ersten Fassung die Hochzeit Roderichs nicht mit der Tochter
Eckarts stattfinden, sondern mit der Tochter des Herzogs von Burgund. Hinzu kommt
noch, dass Roderich als Fürst angesprochen wird und nicht als Prinz.“
Als sich die Umarbeitung der Oper in der Endphase befand, war Fanny vier Wochen im
Bad Wildbad. Täglich übersandte sie einen Brief an Rheinberger in München. Diese
unveröffentlichten Briefe enthalten des Öfteren Äußerungen über die Sieben Raben.
Fanny schreibt an Rheinberger am 12. Juli 1868:
Da mir im Ferien gar nichts einfiel, schloß ich mich den ganzen Sonntag Nachmittag in mein Zimmer
und ochste an den vier Zeilen herum, die mir wirklich etwas schwer fielen, weil ich für Jeden den
Charakter beibehalten wollte und weil Deine aufgeschriebene Melodie nun einen Fuß zu wenig hat, da
du ja noch die zwei letzten Zeilen gleich den ersten zwei Zeilen mit 4 Füssen wolltest. Du schreibst:
[Notenbeispiel] Jetzt merke auf: „Die Krone schmückt dein Haupt fortan‘“/4 Füße/und alle 4 Zeilen
gleich. Jetzt habe ich es so eingerichtet, daß du bei der 4‘ Zeile einen Fuß wegnehmen kannst, ohne
daß der Sinn leidet, oder ich habe die Zeile anders gestellt. Aber ich habe Angst, daß es dir nicht recht
ist und mache es dann gerne noch einmal:
Mathilde.
Die Krone schmiick” dein Haupt fortan
O Heldin! die den Sieg gewann!
In deines Herzens treues Gut
Geb’ ich (den Sohn), mein einzig Gut.
Legt die Hände beider zusammen.
Roderich. schwämerisch wie immer
Aus goldner Sterne lichtem Glanz
Möchte flechten ich den Siegeskranz,
Den Pfad bestreun ich mit Palmen dir
Du (Dir) aller Fraun (schönste) Zier.
Elsbeth. unendlich einfach und innig.
O selig, wer auf Gott vertraut,
auf Ihn nur all sein Hoffen baut!
Er sorgt für uns in Treuer Güt
Und gibt uns Trost u. (festen) Muth.
Hubert (im treuen Dienertone)
Ein Wunder hat mein Herz befreit
Von herber Qual, von Kampf u. Streit,
Nun ist gewendet alle Pein,
Mein Herr wird (wieder) glücklich sein! —
Chor
Die Krone schmück* das Haupt fortan
O Heldin! die den Sieg gewann
Ein treues Weib ist Geldes werth
^' Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 22. Mai 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 49.
? Vgl. Irmlind Capelle, Vorwort, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sümrliche Werke, Bd. 11, hg.
vom Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz 2006, S. XVIII.
14
Und selig, wem sie Gott bescheert.
(Von Gott wird sie bescheert.)
Ich meine der Chor darf ein bisschen sprichwörtlich reden. Ich fürchte aber doch, daß es dir nicht
genügt und erwarte sehr bald dein Urtheil zu hören. Auch weiß ich nicht mehr genau, was vorher
allenfalls Elsbeth u. Roderich schon sagten — es kann sein, daß ich eine Wiederholung früherer
Gedanken schrieb.“
In einem ersten Brief vom 19. Juli 1868 äußert sich Fanny begeistert darüber, dass
Rheinberger die Komposition abgeschlossen hat. In einem zweiten Brief desselben
Tages macht sie allerdings noch Vorschläge zu Änderung:
Ob nachstehende Zeilen etwas besser sind?
Mathilde
Die Krone schmück dein Haupt fortan
O Heldin, die den Sieg gewann
(Doch) Und um den Lorbeer schlinge sich
Die Myrthe hold und inniglich.
Chor
Die Krone schmiick” dein Haupt fortan
O Heldin, die den Sieg gewann.
Mit starkem Muth durch Kampf und Noth
War sie getreu bis in den Tod.“
(Ich meine der Chor kann in diese Worte mehr Kraft legen und bildet zugleich die Schlußmeinung des
Publicums, daß Elsbeth treu bis in den Tod war. ^
Im Band 11 der Rheinberger-Gesamtausgabe zu den Sieben Raben befindet sich eine
Gegenüberstellung der Handlung der ersten und der zweiten Fassung und auch die
Musik wird dabei nicht vernachlássigt. Ein Zugang zur ersten Fassung des Librettos war
mir leider nicht móglich. Dennoch erscheint ein Vergleich interessant, um ein
umfassenderes Bild zu bekommen, daher wurde diese Gegenüberstellung im Angang
beigefügt. Die wesentlichsten inhaltlichen Veránderungen sind vermutlich jene, dass die
Fee in der ersten Fassung nicht im Traum erscheint, dass Eckart die Idee hatte Elsbeth
fortzuschaffen und nicht Hubert von allein kommt, wie in der zweiten Fassung. Die
Rolle des Abgesandten von Burgund wurde gestrichen und Eckart ist jetzt der
potenzielle Brautvater.
Der Text zur Oper von Franz Bonn war immer ein Stein des AnstoBes. Nachfolgende
Zitate aus Briefen und Zeitungen dienen zur Veranschaulichung in welche Richtung die
3 Fanny Rheinberger an Josef Rheinberger, 12 Juli 1868, ,,Familienarchiv Rheinberger“, Signatur: RhFA
Briefe 11/25, zit. n. Irmlind Capelle, Vorwort, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sümtliche Werke, Bd. 11,
hg. vom Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz 2006, S.
* Fanny Rheinberger an Josef Rheinberger, 19. Juli 1868, ,.Familienarchiv Rheinberger", Signatur: RhFA
Briefe 11/30, zit. n. Irmlind Capelle, Vorwort, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sümtliche Werke, Bd. 11,
hg. vom Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz 2006, S.
15
Meinungen zum Libretto gehen. In Theodor Kroyers Rheinberger-Biografie erntet der
Text doch eher schlechte Kritik. Bezüglich Elsbeths Schweigen über Nam’ und Art, das
Erscheinen der Brüder, die als stumme Personen letztlich doch die Schuldlosigkeit
Elsbeths bezeugen, der Gerichtsszene und der Brautszene erinnert Kroyer an Wagners
Oper Lohengrin. Vergleichend schreibt Kroyer dazu:
Nur ist die Durchführung karger. Das Gegenspiel ist matt; von seinen Trägern, Eckart und den
Helfershelfer, hört man am Schluss überhaupt nicht mehr. Große Mängel hat auch die
Charakterzeichnung. Die Einführung der Fee geschieht ganz äußerlich. Das Liebespaar allein erhebt
sich in einzelnen schönen, wahrhaften Zügen über die Mache.”
Kroyer ist allerdings nicht der Einzige, der am Text etwas auszusetzen hatte. In Fannys
Tagebucheintrag vom 5. Juni 1869 ist zu lesen, dass auch Paul Heyse sich über den
glänzenden Erfolg wunderte, den ein so ,,schlechter Text“ hatte.** Auch Vinzenz
Lachner machte keinen Hehl daraus, was er von Bonns Libretto hält. Er schreibt an
Rheinberger am 25. November 1869, dass die Handlung matt und nur selten spannend
sei." Auch in der Besprechung der Mannheimer Erstaufführung vom Mannheimer
Anzeiger der Badischen Landeszeitung vom 7. Dezember 1869 ist von ,,schmucklosen
Versen“ die Rede.” In der ausführlichen Rezension der Oper im Musikalischen
Wochenblatt vom 11. Márz 1870 kommt das Libretto auch nicht gut weg:
Diese allgemeinen Bedenken gegen die Tendenz, das Màrchen zu dramatisieren, finden in dem
vorliegenden Fall ihre volle Bestätigung. In dem Bestreben, die mährchenhaft phantastischen
Begebenheiten zu einer dramatisch motivirten Handlung zuzustutzen, hat der Verfasser die duftige
Welt des Wunders, welche stoffliche Bedingung dieser Gattung ist, zerstört ohne anderseits dafür die
innere Fülle psychologischer Wahrheit und die Logik der realen Thatsachen als Ersatz zu bieten. [...]
So weit bewegt sich Alles auf dem thatsächlichen Boden einer ziemlich gewöhnlichen
mittelalterlichen Geschichte. Daneben làuft nun aber - unvermittelt und ohne ersichtlichen inneren
Zusammenhang die mehrmalige Erscheinung der Fee, welche dem Publikum erklärt, das
Stillschweigen sei die Bedingung der Erlósung der zu Raben verwandelten Brüder, hierauf zur
Beruhigung verspricht, die aufopferungswillige Tugendheldin zu beschützen und zu belohnen und
weiche dann auch wirklich im geeigneten Moment dies Versprechen erfüllt. Diese rein áuDerliche
Einführung des Wunderbaren widerspricht ebenso sehr dem Drama wie dem Mihrchen; wir sehen
hier nur eine stofflich unvermittelte übernatürliche Erscheinung [.. JP
In ihrem Wochenbericht über die Münchner Hoftheater berichten die Münchener
Propyläen am 28. Mai 1869:
Von Nutzen hingegen würde es gewesen sein, hátte der Dichter die einzelnen Figuren zu
selbständigeren Charakteren herausgebildet. Auch der Ort der Handlung wechselt etwas öfter, als es
^? Theodor Kroyer, Josef Rheinberger, S. 99.
^5 Vgl. Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 5. Juni 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 62.
47 Vgl. Vinzenz Lachner an Rheinberger, 25. November 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 135.
^5 Vgl. Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 140.
YA. Maczewski, Die Sieben Raben, Oper in 3 Acten von FBonn, Musik von Jos.
Rheinberger, in:Musikalisches Wochenblatt, 11. März 1870, 1. Jg. Nr. 11, S. 164-165.
16
dem einheitlichen Eindruck eines Bühnenwerkes zuträglich ist.”
In der Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 148 vom 28. Mai1869 äußert sich Wilhelm
Heinrich Riehl über Franz Bonns Libretto wie folgt:
[...] wie sich ein. kluger Maler hüten soll Scenen aus Dramen zu malen, so ist es auch gefährlich ein
Bühnenwerk auf Bilder zu bauen. Der Textdichter, Franz Bonn, vermied diese Klippe, welche den
schönsten Anlass bat recht interessant durchzufallen; er griff nur drei große Hauptmotive aus dem
Märchen und gestaltete die Handlung ganz einfach, sodass der Text dadurch an Originalität verliert.”
Allerdings gibt es neben den eben dargestellten Ansichten auch gegenteilige, positive
Meinungen zum Libretto. Die Neuesten Nachrichten München berichteten am 27. Mai
1869:
Den Dichter des Textbuches, Franz Bonn [...], hat es verstanden, eine ganz einfache Handlung in
ergreifender Weise dramatisch effektvoll zu gestalten und eine Spannung zu erzielen, weiche das
Publikum bis zum letzten Fall des Vorhanges in Athem halt. Die Sprache ist schlicht und einfach,
innig und kindlich, wie es sich für das Märchen schickt.“
Im Wochenbericht der Münchner Propyläen scheint man sich nicht ganz einig zu sein,
wie man das Libretto nun finden solle. Neben der oben genannten Aussage findet sich
auch eine weitere positive:
Nicht minder glücklich als die Stoffwahl ist dem Dichter die dramatische Disposition gelungen,
insofern der Gang der Handlung durch Natürlichkeit erfreut, und gleichzeitig die einzelnen Scenen
wirksame Contraste zu einander bilden.”
Exkurs: Franz Bonn
Die Quellen zu Franz Bonns literarischer Tätigkeit sind ebenfalls spärlich. Wohl auch
deshalb, weil er diese Tätigkeit nur nebenher ausführte. War er doch eigentlich Zeit
seines Lebens Jurist. Dennoch ließen sich Texte finden, die es ermöglichen die Person
Franz Bonn zu beschreiben.
Franz Bonn wurde am 18. Juli 1830 als Jüngster Sohn eines Domänenverwalters und
Oberrechnungsrates in München geboren. Da alle seine talentierten Brüder jung
verstarben, war Franz Bonn die letzte Hoffnung des Hauses, daher erhielt er eine sehr
gute Ausbildung und besuchte das Gymnasium. Bereits während der Gymnasialzeit
? Münchener Propyläen, 28. Mai 1869, 1. Jg. Nr. 22, S. 523-524, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 54.
>! Wilhelm Heinrich Riehl, Die Sieben Raben. Oper von Joseph Rheinberger, in: Beilage zur Allgemeinen
Zeitung, 28. Mai 1869, Nr. 148, ,,Familienarchiv Rheinberger", Signatur: RhFA Dok 5/15, S. 2277.
?' Neuesten Nachrichten München, 27. Mai 1869, Nr 42, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 52-53.
5 Münchener Propyläen, 28. Mai 1869, 1. Jg. Nr. 22, S. 523-524, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 54.
17
entpuppte sich Bonn als Mittelpunkt eines poetischen Kreises. Er war ein talentierter
Maler und Zeichner, besaß aber auch eine musikalische Begabung und viel Humor.
Nach einem kurzen Philosophiestudium (1847) wandte sich Bonn der
Rechtswissenschaft zu und absolvierte letzteres mit Auszeichnung und wurde
schließlich Staatsanwalt am Oberlandesgericht in München. 1880 wurde er als Präsident
der Domänenkammer und Direktor des fürstlichen Zivilkollegialgerichts an das
Fürstenhaus Thurn und Taxis berufen. 1881 wurde er zum Abgeordneten des bayrischen
Landtags gewählt, legte aber 1886 sein Mandat nieder. Franz Bonn starb am 7. Juli 1894
; 54
an den Folgen einer Influenza.
Seine poetische Tätigkeit begann Franz Bonn 1854 mit dem lyrischen Epos Wolfram.
Bonn schrieb aber nicht nur unter seinem eigenen Namen, sondern auch unter
Pseudonymen. So wandte er sich als „Freiherr von Rachwitz“ gegen die „schwülstige
Bilderjagd“ der Jungdeutschen, wie etwa Karl Beck, Alfred Beck, u.A., welche er mit
seinen Lavagluthen auf lustige Weise verspottete. Seine Weh-Moll-Symphonie brachte
Bonn unter dem Pseudonym „Franz von Münchberg“ heraus. Berühmt wurde allerdings
. -. «55
sein Pseudonym als Herr „von Miris“.
Einige seiner Texte, darunter das Märchenlustspiel Der verzauberte Frosch und das
Singspiel Der arme Heinrich wurden von Karl Greith (1828-1887) und Josef
Rheinberger vertont. Bonn dichtete aber auch Textbücher für Opern und Operetten, wie
beispielsweise zur komischen Operette Der Hans ist da komponiert von Franz Fórg,
aber auch die durch Moritz von Schwinds berühmten Zyklus angeregte Oper Die Sieben
Raben und die beiden Märchen Undine und Dornröschen, komponiert von Freiherr von
Perfall.”° Zudem schrieb Bonn zu über einem Dutzend sehr beliebter Bilderbücher,
erschienen bei Verlagen aus Eflingen, Leipzig und München, die dazugehörigen
5]
Verse.
M Vgl. Hyacinth Holland, Der Dichter und Humorist Franz Bonn (,,v. Miris"), in: Biographische Blütter.
Jahrbuch für lebensgeschichtliche Kunst und Forschung, Bd. 1, hg. von Anton Bettelheim, Berlin
1895, S. 391, 397.
55 Vgl. Hyacinth Holland, Der Dichter und Humorist Franz Bonn (,,v. Miris"), S. 391-393.
36 Vgl. Hyacinth Holland, Der Dichter und Humorist Franz Bonn (,,v. Miris"), S. 392-393.
?' Vgl. Joseph Kehrein, Der bayrische Dichter Franz Bonn, in: Historisch-politische Blätter für das
katholische Deutschland, Bd. 88, München 1881, S. 607.
18
3.3. Handlung der Oper
So wie es auch im gleichnamigen Märchen der der Gebrüder Grimm erzählt wird, wird
auch in Bonns und Rheinbergers Oper eine bedingungslose Geschwisterliebe
dargestellt. Ansonsten weicht die Handlung der Oper stark vom Märchen ab und
erinnert eher an das Märchen Die sechs Schwäne. Wie aber oben bereits erwähnt wurde
Rheinberger von Schwinds Aquarellzyklus veranlasst die Oper zu schreiben.
Die Junge Elsbeth hat ihr Elternhaus verlassen, um ihre sieben Brüder zu suchen, die
von der Stiefmutter verflucht wurden und sich in Raben verwandelt hatten. Lange ist
Elsbeth schon allein im Wald, als ihr im Traum eines Nachts eine Fee erscheint. Um ihre
Brüder vom Mutterfluch erlösen zu können, muss Elsbeth in sieben Jahren sieben weiße
Hemden spinnen. Sie darf niemanden von dieser Abmachung erzählen, sonst ist alles
verloren. Als Prinz Roderich eines Tages im Wald auf der Jagd ist begegnet er Elsbeth.
Roderich verliebt sich sogleich in Elsbeth und möchte sie mit in sein Schloss nehmen.
Elsbeth aber zögert, da sie nicht weiß, wie sie im Schloss weiter ihre Hemden spinnen
soll. Schließlich kann Roderich sie aber überreden mit ihm auf sein Schloss zu kommen.
Die regierende Herzogin Mathilde und ihr Stiefbruder Graf Eckart sind über Roderichs
Wahl nicht erfreut. Sollte er doch eigentlich Eckarts Tochter heiraten.
Während sich Mathilde über die Herkunft Elsbeths sorgt, ist Eckart gekränkt, dass
Elsbeth seiner Tochter vorgezogen wird. Schließlich willigt Mathilde der Hochzeit ein.
Eckart hingegen schwört Rache und möchte die Heirat verhindern. Jäger Hubert
beobachtet Elsbeth und sieht, dass sie jede Nacht zusammen mit sieben Raben Hemden
spinnt. Graf Eckart ist sich sicher, dass Elsbeth mit dem Teufel im Bunde ist. Als nun
die Hochzeit stattfinden sollte, wehrt Eckart den Gang zur Kapelle ab. Eckart klagt sie
der Zauberei an und lässt sie vors Gericht bringen.
Elsbeth wird vom Gericht zum Feuertode verurteilt. Vergebens fleht und beteuert sie
ihre Unschuld, muss aber zu den Fragen der Richter schweigen, wie es ihr die Fee
befohlen hatte. Als Elsbeth an den Pfahl gebunden wird, erscheint die Fee und
verkündet, dass Elsbeth tatsächlich unschuldig ist. Plötzlich erscheinen auch ihre sieben
Brüder und lösen Elsbeths Bande. Mit den Worten: Die Krone schmückt das Haupt
fortan der Heldin, die den Sieg gewann, nimmt Mathilde ihr Diadem vom Kopf und
überreicht es Elsbeth.
19
3.4. Musik zu den Sieben Raben
3.4.1. Kurze Bemerkungen zur Partitur und zur Musik
Selbst wenn die Oper in einigen Punkten nicht dem typischen Rheinbergerstil entsprich,
ist sie doch als Ganzes überwiegend mit Elementen der traditionellen Oper komponiert.
So etwa die Abgrenzung der Rezitative von den folgenden Ensembles und Arien, die
stark auf Steigerung ausgelegten Finalchöre und die nach musikalischen Gesetzen
gestalteten Szenen.
Der Rheinberger Gesamtausgabe zufolge, verwendete Rheinberger in seiner Oper auch
einige Lieder. Diese befinden sich nach der Gesamtausgabe in der Sammelhandschrift
Mus. Ms. 4695 der Musikabteilung der Bayrischen Staatsbibliothek München.” Da mir
diese nicht zugänglich waren, berufe ich mich an dieser Stelle auf die Gesamtausgabe.
Johannes Trojans Gedicht O sei mir gut, komponiert am 4. August 1862, wurde für
Mathildes und Elsbeths Duett in der ersten Szene des zweiten Aktes Takt 153-184
verwendet. Das am 4. Juli 1868 komponierte Lied Schau mich mit weinenden Augen
nicht an, aus Neun Lieder nach einem Gedicht von Julius Hammer verwendet
Rheinberger in Roderichs Arie in den Takten 24-54 in der dritten Szene des zweiten
Aktes. Aus Neun Lieder verwendet Rheinberger noch ein zweites Lied für seine Oper,
nämlich Erklärung („In süßer Lenznacht‘“). Dieses Lied, nach einem Gedicht von
Joseph Christian von Zedlitz, findet sich in einer Variante im ersten Akt als Teil des
Duetts von Roderich und Elsbeth wieder. Das aus Acht Lieder stammende Blick in den
Strom nach einem Gedicht von Nikolaus Lenau lässt sich im Finale des dritten Aktes als
Trauermarsch wieder finden. Für die erste Fassung wurde die Melodie auf einen 2/4
Takt verkürzt. In der zweiten Fassung wurde dies mit anderen Änderungen korrigiert.
(Welche Änderungen noch gemacht wurden ist in der Gesamtausgabe nicht dargelegt.)
Und schließlich verwendet Rheinberger sein Lied Komm her, wundes Reh in der dritten
Szene des ersten Aktes für das Duett von Roderich und Elsbeth in den Takten 272 bis
287.? Wie schon dargelegt, wurden diese Lieder nicht eins zu eins übernommen,
sondern je nach Bedarf durch Transposition und anderes angepasst.
Zur Orchesterbesetzung gibt es nichts Aufergewóhnliches zu sagen. Neben den
** Vgl. Irmlind Capelle, Vorwort, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, S.
XVL
? Vgl. Irmlind Capelle, Vorwort, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, S.
XVL
20
Instrumenten des Orchesters: Piccoloflöte, Flöte, Klarinette, Fagott, Horn, Trompete,
Posaune, Tuba, Triangel, Timpani, Becken, große und kleine Trommel, Tam Tam,
Glocke, Harfe und Streicher, gibt es auf beziehungsweise hinter der Szene noch zwei
Hörner, zwei Trompeten und eine Glasglocke.9?
In den 1860er Jahren zeichnete sich eine Entwicklung ab, die stark von Wagner und
Liszt beeinflusst wurde und vom herkómmlichen Kompositionsstil Rheinbergers
teilweise deutlich abweicht. Einige der in den 1860er Jahren entdeckten Stilmittel
verwarf Rheinberger spáter auch wieder. In verschiedenen Rezensionen ist zu lesen,
dass Rheinbergers Oper Anklünge an Wagner hóren lásst. So glaubt der Rezensent des
Sammler in Rheinberger einen entschiedenen Anhánger der neueren Richtung der Musik
erkennen, welcher „unverkennbar auf Wagner’schen Bahnen“ gehe.“ Auch die
Badische Landeszeitung Mannheim berichtet, dass die Anklänge an Wagner nicht zu
verkennen sind, besonders in der Behandlung des Orchesters.“ Der ehemalige
Rheinbergerschüler Theodor Kroyer ist diesbezüglich anderer Ansicht. Auch wenn
Rheinberger Wagner’sche Gedanken nicht scheut, bestimmen doch eher Weber und
Meyerbeer seinen dramatischen Stil.® Trotzdem sind Ähnlichkeiten und
Übereinstimmungen mit Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg nicht von der
Hand zu weisen, wie Hanns Steger feststellt. Steger analysiert einen kurzen Ausschnitt
aus der vierten Szene des ersten Aktes (Takt 60-75). Elsbeth erwartet sehnsüchtig
Roderich. Die beiden Tonarten G-Dur und A-Dur bilden keine schließende Kadenz aus,
sondern werden durch Dominantformen und Subdominanten dargestellt. Weiters fällt
auf, dass die Melodie auffallend kurze Bögen bildet. Diese werden anschließend vom
Orchester fortgesetzt beziehungsweise beantwortet. Das Orchester ist so am
melodischen Geschehen beteiligt und andererseits ist die Singstimme durch ihre
Akkordzerlegungen in den harmonischen Aufbau integriert. Als Analysebeispiel aus Die
Meistersinger von Nürnberg wühlt Steger die zweite Szene des zweiten Aufzugs, Takt
81-93. Auch in diesem Beispiel wird über mehrere Takte die Tonika von G-Gur nur
$9 Vgl. Josef Rheinberger, Die sieben Raben, Oper in drei Akten op. 20, Reprint des Klavierauszugs von
1869, revidiert nach Bd. 11 der Rheinberger-Gesamtausgabe, hg. von Irmlind Capelle, Detmold 2007,
0.5.
*! Vgl. Der Sammler, Beilage zur Augsburger Abendzeitung, 5. Juni 1869, Nr. 63, S. 251, zit.n. Hans-Josef
Irmen, Gabriel Josef Rheinberge als Antipode des Cäcilianismus, S. 51.
62 Vgl. Badische Landeszeitung Mannheim, 7. Dezember 1869, Mbs, Rha. Tb I, S. 117, zit.n. Hans-Josef
Irmen, Gabriel Josef Rheinberge als Antipode des Cácilianismus, S. 51.
$* Vgl. Theodor Kroyer, Josef Rheinberger, S. 100.
21
dreimal flüchtig erreicht. Es wird nirgends eine Kadenz angedeutet. Wieder kommen
verschiedene Dominantformen vor. Auch hier sind in der Singstimme kurze Tonfolgen
aneinandergereiht, die mit ihren Intervallen das harmonische Gerüst markieren.
Zusammenfassend lassen sich folgende Gemeinsamkeiten feststellen: Es werden keine
schließenden Kadenzen gebildet, die Singstimme ist im harmonischen Aufbau integriert
und das Orchester ist im Gegenzug an der melodischen Entwicklung beteiligt.“ Stellt
sich an dieser Stelle nur die Frage, ob sich Rheinberger hier absichtlich an Wagner
orientiert. Dies wäre möglich, da auch andere Kompositionen Rheinbergers Spuren von
der Beschäftigung mit Wagner aufweisen.
Im Folgenden soll nun darauf eingegangen werden, inwiefern Rheinberger von seinem
Kompositionsstil abweicht, welchen er zuvor und danach gepflegt hat und was in dieser
Oper typisch für Rheinberger ist. Die Ouvertüre der Oper, von Rheinberger Vorspiel
genannt, macht den Zuhörer, wie üblich, mit den wichtigen Motiven der Oper vertraut.
Die erste Szene spielt im herzoglichen Wald. Wie für Jagdszenen üblich, erklingen auch
hier ein Jágerchor und verschiedenen jagdsignalartige Motive in den Bläsern.
Wie zuvor schon erláutert, geht die Rheinberger'sche Melodiebildung vom Stufengang
der Tonleiter, den Intervallen der Drei- und Vierklángen sowie von Vorhalts- und
Durchgangsdissonanzen aus. Ein Beispiel hierfür ist in den Takten 51 bis 55 der ersten
Szene des ersten Aktes zu finden:
(Abb. 1: Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sámtliche Werke, Bd.
11, S.53, T. 51-55.)
Ein Grofiteil der Melodiebildungen sind typisch für Rheinberger. Doch gibt es trotzdem
immer wieder Passagen in denen die Melodiebildung abweicht. In der dritten Szene des
*' Hanns Steger, Vor allem Klangschónheir, S. 202-206.
22
ersten Aktes tritt die Fee auf. Zum Teil bildet die Melodie keine ausgedehnten Linien,
sondern viel eher nur kurze Melodiebögen.® Noch deutlicher wird die Bildung kurzer
Melodiebögen in der vierten Szene des ersten Aktes beim Duett Roderich-Elsbeth.“
In der Cavatine im zweiten Akt ist bei den Partien von Mathilde und Elsbeth sehr schön
zu erkennen, wie Rheinbergers Prinzipien hinsichtlich Melodiebildung aufgebaut sind:
stufenweises Fortschreiten der Melodie oder auf Grundlage von Dreiklängen, keine
allzu großen Sprünge außer es dient dem Ausdruck. Dieses Prinzip wird aber auch im
Orchester weitgehend verfolgt.” Auffällig diesbezüglich ist in der ersten Szene im
ersten Akt Huberts Partie ab Takt 106 mit dem Sprung einer verminderten Septime nach
oben und einer verminderten Quart zwei Takte darauf. Weiters fällt auf, dass die
Melodie sehr chromatisch verläuft. ®
Rheinbergers Ästhetik geht vom natürlichsten und elementarsten Klang aus, dem der
menschlichen Stimme. Die wichtigsten Prinzipien wurden im Kapitel 2 bereits
zusammenfassend dargestellt. An dieser Stelle soll ein Teil des Finales des ersten Aktes
als Beispiel dienen, welches zeigt, dass Rheinberger auch in dieser Oper seinen
Prinzipien treu bleibt. Die Hochzeit von Roderich und Elsbeth wird vorbereitet. Die
Hofleute und Matilde stimmen einen Huldigungschor mit folgendem Text an:
Nun Strahlt im neuen Glanze
Des Fürstenhauses Macht
Die Braut im Myrtenkranze
Zieht ein in reicher Macht.
In darauffolgenden fünfstimmigen Chor finden alle zuvor in Kapitel 2 erwähnten
Prinzipen Anwendung. Die Richtlinien stammen ursprünglich aus Karl Wendls Artikel
über Rheinberger in Die Musik Nr. 31/8. In diesem Artikel sind auch die geeigneten
Tonumfänge jeder Stimme angegeben: Sopran cl-a2, Alt g-e2, Tenor c-a, Bass E-es.®
65 Vgl. Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, op. 20. Oper in drei Akten, Libretto: Franz Bonn, in: Josef
Gabriel Rheinberger, Sámtliche Werke, Bd. 11, hg. vom Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz 2006, S. 68-
73.
® Vgl. Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, S.
86-92.
$7 Vgl. Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, op. 20. Oper in drei Akten, Libretto: Franz Bonn, in: Josef
Gabriel Rheinberger, Sámtliche Werke, Bd. 11, S. 172-195.
68 Vgl. Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, op. 20. Oper in drei Akten, Libretto: Franz Bonn, in: Josef
Gabriel Rheinberger, Süámtliche Werke, Bd. 11, S. 60-62.
$9 Vgl. Karl Wendl, Josef Rheinberger, in: Die Musik Nr. 31/8 1939, S. 537-538.
23
Die untenstehende Abbildung und die Erläuterungen dazu wurden aus Hans Stegers Vor
allem Klangschönheit entnommen, da hier die Umsetzung der Prinzipien anschaulich
markiert wurde: "?
Allegro 4 280 @
9 | |, O0
3
de |Braut im Myr- then- 'G ze zieht | ein in rei-cher
1 |
Braut im Myr. then. - zu zicht | ein im rei-cher
(Abb. 2: Hanns Steger, Vor allem Klangschonheit, S. 194.)
1. Es soll vorwiegend die Mittellage verwendet werden.
2. Es sollen nicht die Mánnerstimmen extrem tief und die Frauenstimmen gleichzeitig
extrem hoch erklingen.
. Der Bass soll sich melodisch bewegen.
. Der Tenor soll nicht zu tief sein, aber auch nicht zu hoch über dem Bass.
. Die ideale Lage des Tenors ist etwa eine Oktave unter dem Sopran.
. Die tiefsten Tóne einer Stimmlage klingen im forte tonlos.
. Die hóchsten Tóne einer Stimmlage kónnen nur in forte angewendet werden.
DNS CON tn 5 Ww
. Extrem hohe oder tiefe Tóne sollen nur sehr kurz erklingen.
Den Richtlinien zufolge liegt der Chorsatz in den ersten drei Takten in den hóheren
Regionen. Das wird allerdings dadurch gerechtfertigt, dass die Tóne im fortissimo
erklingen. Die hóchsten Tóne im Sopran, a2 und g2, erklingen nur kurz. In Takt zwei ist
7 Vgl. Hanns Steger, Vor allem Klangschónheit, S. 193-194.
24
zu sehen, dass der Bass nicht zu sehr in die Tiefe geht, während der Sopran sehr hoch
liegt. Genauso liegt auch der Tenor in diesen Takten nicht zu hoch über den Bass
beziehungsweise unter den Frauenstimmen. Auch der Bass wird zum Großteil
melodisch geführt, außer in den Takten zwei und vier. Auch im restlichen Teil des
Finalchores sind die genannten Prinzipien zu erkennen.
Wie im Kapitel zwei zur Musikästhetik Rheinbergers schon erwähnt, ist seine Haltung
eher auf der konservativen Seite. An einer Stelle in seinen Raben wird deutlich, wie
gezielt Rheinberger chromatische Modulationen einsetzt, und zwar in der vierten Szene
des ersten Aktes. Elsbeths Arie endet in A-Dur. Danach folgen zwei Übergangstakte und
an dieser Stelle wird chromatisch die Dominante von F-Dur eingeführt. Daran schließt
sich unmittelbar das Duett von Elsbeth und Roderich. Im harmonischen Kontext
erscheint diese Modulation durchaus als kühn, obwohl die Bedeutung des Wortes sehr
relativ ist. In einer anderen Passage in der vierten Szene des ersten Akts finden sich
auffállige harmonische Gestaltungen. In den Takten 60-75 fehlt die Tonika. G- Dur und
A-Dur Bereiche werden durch eine Rückung verbunden. Die Harmonik an dieser Stelle
erhält so einen beliebig fortsetzbaren und offenen Charakter. Zusátzlich bildet die
Melodie, wie eben erwähnt kurze Bögen.”
Wie bereits angesprochen, ist die Oper im Großen und Ganzen nach der typischen
Rheinberger-Ästhetik komponiert. Allerdings gibt es hier und da einige Ausnahmen. Die
gebrachten Beispiele dienen nur der Veranschaulichung. Für die typische Rheinberger-
Ästhetik in der Oper finden sich noch unzählige andere Beispiele.
Die Mängel welche das Werk aufweist, waren Rheinberger auch selbst klargeworden.
Hans-Josef Irmen stellt dazu fest:
Gegenüber den Vorzügen fließender, zumindest polyphoner Diktion der Chor- und Ensemblesätze und
der Fülle delikater harmonischer Verknüpfungen als Ergebnis konsequenter Stimmführung steht
nämlich der Mangel eigentlich dramatisch-musikalischer Personifikation der agierenden
Bühnenfiguren. [...] Kurzatmige Motive, gewöhnlich in Sequenzen weitergesponnen, diffuse
melismatische Phrasen ohne faßlichen Kern, einzelne, charakteristisch zugespitzte Akzente
ermoglichen keine musikalische Charakterbezeichnung der Solopartien.”
7! Vgl. Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, S.
86.
? Vgl. Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, S.
86.
? Hans-Josef Irmen, Gabriel Josef Rheinberge als Antipode des Cücilianismus, S. 52.
25
3.4.2. Rezensionen zur Musik
Neben der bereits demonstrierten Darstellung, wie das Libretto der Oper von den
Rezensenten beurteilt wurde, soll nun auch der Gesichtspunkt der Musik nicht außen
vor gelassen werden. Im Gegensatz zu Bonns Libretto bekam die musikalische
Inszenierung Josef Rheinbergers weitgehend gute Kritiken.
Das Musikalische Wochenblatt berichtet nicht nur ausführlich über das Libretto, sondern
auch über die Musik. Es wird berichtet, dass sich im Allgemeinen die Ausbeute der
Musik erfreulicher sei. Die Bedeutung der Oper muss auf dem Gebiet der musikalischen
Seite gesucht werden." Da der Bericht üuBerst umfassend ist und sich über drei
Ausgaben erstreckt, werden hier nur die wichtigsten Aussagen wiedergegeben:
Die musikalische Seite, noch genauer, die künstlerische Arbeit trágt allenthalben den Sieg über die
dramatische davon. Rheinberger liebt es, den tüchtig geschulten Musiker hervortreten zu lassen und
hat damit seinem Werke ein stark betontes specifisch musikalisches Geprüge aufgedrückt. Wir
betonen diese Eigenschaft als einen Vorzug gegenüber der auf dem Gebiete der modernen
Operncomposition stark hervortretenden Richtung, weiche über dem Bestreben, die Situationen und
Empfindungen im Einzelnen zu charakterisiren, den Gesichtspunct des allgemein-musikalischen mehr
und mehr aus dem Auge verliert.
Im dritten Teil der Besprechung heißt es noch, dass „die künstlerisch tüchtige Arbeit
und volle Anerkennung abnöthigt.“”©
Im zweiten Teil der Besprechung und zu Beginn
des dritten Teils wird die Oper vom ersten bis zum dritten Akt abschnittsweise durch
besprochen.
In der Beilage zur Allgemeinen Zeitung berichtet Wilhelm Heinrich Riehl, dass die
Lieder, Arien, Duette, Terzette und Quartette seelenvoll und melodiereich seien.
Allerdings begleiten seltsamerweise nicht die Sänger das Orchester, sondern umgekehrt,
es begleitet die Sänger. Da eine deutsche Oper die vordergründig schöne Musik hat,
schon nahezu etwas Neues geworden sei, verdient diese besondere Beachtung.
Desweiteren überrascht Rheinberger mit einer lyrischen Oper bei welcher die rein
instrumentalen Nummern weniger gelungen sind als die gesungenen." Riehls
Schlusswort: ,,Es wird heutzutage viele Musik componirt die hóchst interessant ist und
* Vgl. A. Maczewski, Die Sieben Raben, in: Musikalisches Wochenblatt, 11. März 1870, 1. Jg. Nr. 11, S.
165.
5 A. Maczewski, Die Sieben Raben, in: Musikalisches Wochenblatt, 11. März 1870, 1. Jg. Nr. 11, S. 165.
A. Maczewski, Die Sieben Raben, Oper in 3 Acten von FBonn, Musik von Jos.
Rheinberger, in: Musikalisches Wochenblatt, 25. März, 1. Jg, Nr. 13, S. 197.
7 Vgl. Wilhelm Heinrich Riehl, Die Sieben Raben. in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 28. Mai 1869,
Nr. 148, ,,Familienarchiv Rheinberger", Signatur: RhFA Dok 5/15, S. 22TT.
26
höchst unerfreulich, da freut es einen dann zwischendurch auch eine neue Musik zu
hören die interessant ist und erfreulich zugleich.“”*
Auch wenn Rheinbergers Musik zur Oper weitgehend gute Kritiken bekam, sind in
manchen Rezensionen kleine Verbesserungsvorschläge herauszulesen. Die Münchner
Propyläen berichten am 18. Mai 1869 in ihrem Wochenbericht über die Münchner
Hoftheater:
Ausstattung und scenische Finrichtung sind als sehr geschmackvoll zu bezeichnen, wofern man von
der Cavalcade am Schlusse der fünften Scene des ersten Actes absehen will: denn sie erscheint -
wenigstens so wie sie bei der jüngsten Vorstellung arrangirt war - nicht nur überflüssig, sondern auch
gezwungen und steif. Aehnliche Bedenken lieben sich vielleicht auch gegen die Erscheinung der
entzauberten Brüder im Finale des letzten Actes erheben; unnóthig ist sie jedenfalls.”
Am 17. September berichten die Münchner Propylüen, dass es dienlich war, den
Solotanz im zweiten Akt herauszustreichen. Allerdings wáre es noch besser gewesen,
den Chortanz wegzulassen, da dieser in Bezug auf die Handlung an den Harren
herbeigezogen erscheint? Dem Musikalischen Wochenblatt kann man zudem noch
entnehmen, dass die Partie der Elsbeth in Bezug zur musikalisch-dramatischen
Charakteristik nur schwächlich ausgefallen ist?!
4. Aufführungen und Beinahe-Aufführungen
Es stellt sich die Frage, warum sich Rheinbergers Raben auf lange Sicht hin nicht
etablieren konnten. Wurde die Oper doch in den Folgejahren oft aufgeführt und das
auch mit beachtlichem Erfolg. Im Folgenden soll ein Überblick über die einzelnen
Aufführungen gegeben werden.
Obwohl die Oper in München groDen Erfolg hatte, gelang es ihr nicht, sich im
Repertoire fest zu etablieren. Sie wurde insgesamt 11 Mal in München aufgeführt bis
1878. In Fannys Textbuch vom 19. Mai 1869 finden sich Aufzeichnungen über einige
? Wilhelm Heinrich Riehl, Die Sieben Raben. in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 28. Mai 1869, Nr.
148, ,,Familienarchiv Rheinberger", Signatur: RAFA Dok 5/15, S. 2277.
? Münchener Propylden, 28. Mai 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 55.
9? Vgl. Münchener Propyláen, 17. September 1869, 1. Jg. Nr. 38, S. 907, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3,
S. 105.
8 Vgl. A.Maezewski, Die Sieben Raben, Oper in 3 Acten von F. Bonn, Musik von Jos. Rheinberger, in:
Musikalisches Wochenblatt, 18. Màrz 1870, 1. Jg, Nr. 12, S. 181.
27
Aufführungen. Von 1870 bis 1873 fand keine Aufführung der Raben statt. Die
Wiederaufnahme unter Hermann Levi geschah im Zusammenhang mit Rheinbergers
zweiter Oper Tümers Töchterlein. Die erste Aufführung nach der Wiederaufnahme fand
am 23. November 1873 in derselben Besetzung wie bei der Uraufführung statt. Nach
der letzten Aufführung am 17. März 1878 verschwand die Oper im Theaterarchiv.”
Unmittelbar nach der Uraufführung erhielt Rheinberger mehrere Anfragen von anderen
Bühnen zur Übernahme der Oper. Von Vinzenz Lachner kam aus Mannheim die erste
Anfrage schon am 30, Mai 1869 und am 29. Juni wurde sie bereits angenommen." Die
erste Aufführung der Raben in Mannheim fand allerdings erst am 5. Dezember 1869
statt. Die Oper wurde mit Beifall aufgenommen, vor allem der erste und der dritte Akt.
Am 7. Dezember erschien im Mannheimer Anzeiger der Badischen Landeszeitung die
Besprechung der Uraufführung mit großem Lob:
Das ist der Inhalt des Stückes, den das Textbuch in schmucklosen, aber wohlklingenden Versen
bühnengerecht ausgeführt hat. Die Musik hat einen ernsten, getragenen Charakter, der nicht frei ist
von Monotonie, da das Stück zum größten Theil aus Monologen besteht und scharfe Contraste nicht
hervortreten. [...]JAls besonders gelungen und wirksam kann der dritte Act bezeichnet werden, in
welchem wiederum das Finale mit dem herrlichen Schlußchor die Glanzpunkte bilden. Die
Aufführung verdient uneingeschränktes Lob und zeigte von fleißigem Studium. [...] Das dicht
besetzte Haus spendete den Darstellern wie der Oper wiederholt lebhaften Beifall und glauben wir,
daß letztere sich ehrenvoll auf dem Repertoir unserer Bühne behaupten wird.”
Rheinbergers zweite Aufführung der Sieben Raben fand am 4. Februar statt.
Am 4. Juni 1869 bat das Hoftheater Dresden um Ansicht der Oper. Aufgrund des
Klavierauszuges zeigt man sich in Dresden interessiert an einer Aufführung und bat
Rheinberger seine Bedingungen zu nennen. Der Generaldirektor Graf Platen wollte sich
allerdings vor einer endgültigen Annahme einen genauen Eindruck verschaffen.
Rheinberger schickte am 3. September eine Partitur nach Dresden. Da jedoch das
Theater abbrannte, erhielt er die Partitur am 6. Dezember wieder zurück mit der
Bemerkung, dass die Oper in einem provisorischen Theater nicht aufgeführt werden
82 Vgl. Franz Bonn (Text); Josef Rheinberger (Musik): Die sieben Raben : Oper in 3 Aufzügen
[Textbuch] / Text von Franz Bonn ; Musik von Josef Rheinberger. München: Kgl. Hofbuchdruckerei
Wolf und Sohn, 1869. 44 S. ; 18 cm. Handschriftl.: Besitzvermerk Fanny Rheinberger. Notizen über
Aufführungen, ,,Familienarchiv Rheinberger^, Signatur: RhAV A 020/3.
® Vgl. Irmlind Capelle, Vorwort, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sümtliche Werke, Bd. 11, S.
XIV.
84 Vgl. Vinzenz Lachner an Rheinberger, 29. Juni 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 72.
® Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 140-141.
28
- 86
kónne.
Einem Eintrag in Fannys Tagebuch vom 6. Juni 1869 ist zu entnehmen, dass der
Großherzog von Weimar den Wünsch äußerte, die Sieben Raben im Winter in Weimar
aufführen zu lassen. Am 9. September frage Rheinberger, ob er Karl Alexander, dem
Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach den Klavierauszug widmen dürfe. Am
28.September erhielt Rheinberger folgende Antwort des großherzoglich Sachsen-
Weimarischen Hofintendanten Baron Loen: „Sc. Königliche Hoheit der Großherzog
werden die Dedikation des Klavierauszuges Ihrer Oper "Die sieben Raben" gern
annehmen und haben mir befohlen, Ihnen dies mitzutheilen.“®” Am 19. November 1869
schreibt jedoch Hedwig von Holstein, die Frau von Franz von Holstein an Fanny:
In Weimar verlautet auch nichts, Franz thut dort keinen Schritt mehr. Neulich war Herr v. Milde hier -
an der Oper in Weimar angestellt & von EinfluB - Franz fragte nach unsern beiden Opern, d.h. ob in
Weimar an die Aufführung gedacht werde - er hat gesagt, vom Haideschacht sei vorübergehend die
Rede gewesen, von den 7 Raben wisse er garnicht! Das sind schóne Erfolge nach einem so
hoffnungsvollen Anfang! Sie wissen doch, dal der 1. Capellmeister Lassen in Weimar ganz
Wagnerianer ist & nichts andres aufkommen lassen will [.. 18
Am 23. Oktober 1869 kam eine weitere Anfrage für die Sieben Raben, diesmal aus
Kassel. Der Hofkapellmeister in Kassel, Carl Reib, schreibt an Rheinberger, dass
Lachner ihm die Oper empfohlen hatte. Deshalb bittet er Rheinberger baldmóglichst um
die Partitur. Reib hatte die Oper bei der Intendanz befürwortet und hofft auf eine
Aufführung in der folgenden Saison. Reif schickte aber am 22. Juni 1870 die Partitur
wieder zurück, da sie zurzeit nicht besetzt werden kónne. ?
Hedwig von Holstein schreibt in einem Brief an Fanny vom 14. Februar 1870, ob sie
denn die Raben in Leipzig noch nicht eingereicht haben. Franz hátte zwar nicht so viel
Einfluss, sie aber zumindest ein „gutes Mundwerk^* wenn es darum geht, ein Werk zu
loben. In einem weiteren Brief vom 29. April 1870 von Hedwig von Holstein an
Fanny ist zu lesen, dass Franz von Holstein bei Gelegenheit der dortigen Aufführung
*^ Vgl. Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 22. September 1869 und 6. Dezember 1869, in: Briefe
und Dokumente, Bd. 3, S, 113, 140.
?" Brief an Rheinberger, 28. September 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd, 3, S. 117.
** Hedwig von Holstein an Fanny, 19. November 1870, in: : Josef Gabriel Rheinberger, Briefe und
Dokumente seines Lebens, Bd. 4, hg, von Harald Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1984, S. 27.
® Vgl. Reiß an Rheinberger, 23. Oktober 1869 und 8. Dezember 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3,
S. 127, 142; vgl. auch Fannys Tagebuch, 1870ff.
? Vgl. Hedwig von Holstein an Fanny, 14. Februar 1870, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 157.
29
von Langerts Dornröschen am Theater fragte, warum man nicht stattdessen die Sieben
Raben genommen hatte. Ihm wurde aber nur sehr ausweichend geantwortet. Der
Kapellmeister Schmidt soll aber Fritsch gegenüber geäußert haben, dass ihm die Raben
gefallen und er sie sicher noch zur Aufführung bringen werde. Am 26. Mai sendete
Rheinberger eine Partitur nach Leipzig.” Am 27. Mai 1871 schrieb Rheinberger an den
Kapellmeister Schmidt in Leipzig um zu fragen, wie es um die Raben stehe. Am 9.
Januar 1872 forderte Rheinberger seine Partitur zurück. Auch diesmal erhielt er keine
Antwort. Daraufhin trat er mit der Genossenschaft dramatischer Autoren in Kontakt,
und bat um Auskunft wie er zu einer Antwort aus Leipzig kommen könnte. Einem Brief
von Franz von Holstein ist zu entnehmen, dass die Partitur der Raben wohl spurlos
verschwunden sei. Am 28. November 1872 erhielt Rheinberger schließlich seine Partitur
zurück.”
Im Gegensatz zu der langwierigen Auseinandersetzung mit Leipzig wurde in Berlin
schnell entschieden. Der General-Intendant von Hülsen in Berlin erbat Einsicht in die
Sieben Raben. Rheinberger sendete ihm daraufhin am 2. Juni 1871eine Partitur, einen
Klavierauszug und ein Textbucht. Bereits am 21. Juni erhielt er eine Absage mit der
Begründung, dass kein Erfolg zu erhoffen wäre.”
Nach einigen Rückschlägen begannen die Bemühungen in Karlsruhe durchaus
erfolgreich. Am 17. Oktober 1872 reichte Rheinberger die Oper in Karlsruhe ein. Fanny
sah allerdings keine Aussicht auf Erfolg, da ein neuer Kapellmeister kommen wird.
Rheinberger erhielt aber am 24. November 1872 die Zusage. Am 15. Dezember wurde
Rheinberger von C. Bruillot, dem Regisseur vertröstet, dass die Oper nicht vor März
aufgeführt werden könne. Es ist davon auszugehen, dass auch dieser Versuch erfolglos
blieb, denn in Karlsruhe wurde die Oper bis 1875 nicht aufgeführt."
?! Vgl. Hedwig von Holstein an Fanny, 29. April 1870, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 179; vgl. auch
Fannys Tagebuch, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 185.
? Vgl. Briefe und Dokumente, Bd. 4, S. 67, 92, 94, 150.
?* Vgl. Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 3. Juni 1871, in: Briefe und Dokumente, Bd. 4, S. 60;
vgl. auch Josef Gabriel Rheinberger, Sámtliche Werke, Bd. 11, S. XV.
?! Vgl. Briefe und Dokumente, Bd. 4, S. 138, 149-150; vgl. auch Josef Gabriel Rheinberger,
Sümtliche Werke, Bd. 11, S. XVI.
30
5. Zusammenfassung und Ausblick
Den Stand der derzeitigen Quellenlage kann an als teilweise äußerst lückenhaft
zusammenfassen. Ist die Vita Josef Rheinbergers sehr gut aufgearbeitet, lassen die
derzeit vorhandenen Quellen in vielen Bereichen sehr zu wünschen übrig. Es ist nicht
bekannt wie Josef Rheinberger überhaupt zu dem Libretto von Franz Bonn gekommen
ist. Auch ist derzeit nicht bekannt was Rheinberger zur Umarbeitung bewegt hat. Neben
den zahlreichen Briefen die Rheinberger an verschiedene Personen geschrieben hat,
bietet uns Fanny die wichtigsten Quellen. Durch ihre sehr akribischen
Tagebuchaufzeichnungen ist es schließlich doch möglich in vielen Bereichen einen
Überblick über die Oper zu geben.
Was kann nun anschließend zur Oper selber gesagt werden? Angeregt wurde
Rheinberger nach eigener Aussage von Moritz von Schwinds (1804 — 1871)
Aquarellzyklus den er 1858 bei einer Ausstellung gesehen hatte. Erst einige Jahre später
begann er mit der Komposition, unterzog sie später einer massiven Überarbeitung.
Vielleicht musste er wirklich erst den Schock überwinden, dass eines seiner Werke
nicht angenommen wurde. Bleibt nur die Frage, ob das wirklich so lange gedauert hat.
Schließlich konnte dieser Umstand noch nicht weitgehend geklärt werden und bleibt
daher reine Spekulation.
Ein ganz eigenes Thema bildet das Libretto. Erwartet man doch von einem teilweise
sehr perfektionistischen Komponisten wie Rheinberger, dass er seine Oper in allen
Bereichen perfektionieren will, stellt sich die Frage, warum Rheinberger gerade dieses
Libretto vertonte. Wie oben deutlich werden sollte, lässt das Libretto sehr zu wünschen
übrig, auch die zweite Fassung an der Fanny äußerst umfangreich beteiligt war.
Doch das allein kann nur schwerlich der Grund dafür sein, dass sich die Oper nicht
etablieren konnte. Ist es doch nicht selten der Fall, dass sehr gute Musik ein schlechtes
Libretto wett machen kann und die Oper dennoch erfolgreich wird. Aber hier ist auch
dies nicht der Fall. Kann man daraus schließen, dass auch die Musik schlecht ist? — Nur
schwer, zumal wir sie nicht einmal hören können. Das nur rein aus der Partitur heraus
zu entscheiden liegt auch fern. Zudem würde es hierzu einer allumfassenden Analyse
bedürfen. Es lässt sich allerdings nicht von der Hand weisen, dass nicht nur das
Libretto, sondern auch Rheinbergers Musik in manchen Teilen bemängelt wird.
31
Festzuhalten ist, dass Rheinberger kein Opernkomponist war. Seine Stärken lagen ganz
einfach woanders.
Ein weiteres Problem besteht darin, die Oper Gattungsgeschichtlich einzuordnen.
Wagner dominierte die zweite Hálfte des 19. Jahrhunderts und auch die Forschung
beschäftigt sich teilweise fast ausschließlich mit Wagner. Vielleicht gehört das Bild der
wagner-dominierten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts relativiert, denn schließlich
gab es neben Wagner auch noch andere Komponisten, wie beispielsweise Rheinberger,
die kaum Beachtung finden. Interessant wäre es allemal in diese Richtung zu forschen.
Bleibt nur zu hoffen, dass Rheinbergers Musik, und zwar alle Bereiche desselben, noch
mehr ins Bewusstsein rückt.
32
Anhang: Gegenüberstellung der ersten und der zweiten Fassung des
Librettos
Handlung der 1. Fassung 1863
1. Akt
1. Szene: Jäger und Hubert
Jagdlied. Man vermisst Roderich
2. Szene: Elsbeth allein
3.Szene: Elsbeth und Fee Dialog
und abschlieBendes Duett. Die
Fee nimmt Elsbeth erneut ein
Schweigegelübte ab und segnet
sie.
4. Szene: Elsbeth allein. Elsbeth
reflektiert die Begegnung u.a.
ein einem Spinnlied
Auftritt Roderichs hinter der
Szene (ist schon in der ersten
Fassung gestrichen).
Elsbeth und Roderich
Roderich verlangt, dass Elsbeth
mit ihm den Wald verlässt. Sie
zögert, gibt aber dann doch nach.
Finale: Am Hofe. Mathilde,
Eckart, Gesandter, Hofleute;
später + Hubert und + Roderich
Handlung der 2. Fassung 1868
Inhaltlich gleich. Im Text wird
nicht mehr erwähnt, dass am
Hofe eine Hochzeit ansteht
Inhaltlich gleich. Elsbeth
erwähnt aber weniger von der
Vorgeschichte und „verrät“ noch
nicht, dass die Frist zur Erlösung
ihrer Brüder bald um ist
Völlig geändert: Die Fee
erscheint Elsbeth im Traum. Die
Fee berichtet Details aus der
Vorgeschichte und sagt voraus,
dass nur noch eine schwere
Prüfung zu bestehen ist.
Im Wesentlichen gleich. Text
des Spinnliedes ist ein anderer.
Im Wesentlichen gleich, aber
gekürzt. Elsbeths Beweggründe
werden nicht so dezidiert
ausgesprochen.
Der Beginn des Finales ist
geändert, da die Rolle des
Abgesandten von Burgund
Musik
Ouvertüre in der zweiten
Fassung neu
Jägerchor (hier existieren zwei
Fassungen, die beide anders als
die Endfassung sind) und Lied
Huberts sind neu; der Schluss ist
gleich.
Gleich
Musik zur Erscheinung der Fee
beibehalten, ab
Singstimmeneinsatz neu.
Zu Beginn gleich, Spinnlied jetzt
statt 2/4-Takt im 6/8-Takt bei
gleichbleibender Begleitung. Ab
„tief in der Brust“ neu, Am
Schluss wieder gleich.
Trotz zahlreicher
Übereinstimmungen im Text ist
die Musik völlig neu.
Der Beginn ist gleich, ebenso der
Chor; die Solostimmen sind
jedoch z.T. neu.
33
und Elsbeth
Eckart berichtet Mathilde von
seiner erfolgreichen Werbung
für Roderich. Hubert berichtet,
dass sich Roderich im Wald
verirrt habe. Roderich erscheint,
lehnt die geplante Heirat ab und
stellt Elsbeth als Braut vor.
2. Akt
1. Szene: Mathilde allein
Mathilde kann die Wahl ihres
Sohnes nicht gutheißen
2. Szene: +Elsbeth
Elsbeth gibt ihre Herkunft nicht
bekannt. Durch ihre Anmut und
Unschuld kann sie aber Mathilde
für sich gewinnen, und diese
stimmt der Hochzeit zu.
3. Szene: Mathilde und Eckart
Eckart will Matilde davon
überzeugen, dass sie das
Angebot aus Burgund nicht
ablehnen kann. Mathilde teilt
ihm mit, dass der Heirat
zwischen Roderich und Elsbeth
zugestimmt hat.
Eckart allein
Will die Niederlage nicht
akzeptieren. Steigert sich in
Rachegefühle und
Verschwörungspläne.
Eckart + Hubert
Hubert soll Elsbeth fortschaffen.
Er erzählt am Ende des Dialogs,
dass er beobachtet hat, wie
Elsbeth um Mitternacht und mit
gestrichen ist.
Ab Huberts Auftritt im
Wesentlichen wie in 1. Fassung
Inhaltlich gleich
Inhaltlich gleich
Geändert, da ja jetzt Eckart als
potentieller ,,Brautvater"
betroffen ist.
Vollständig als Rachearie
angelegt.
Die Idee, Elsbeth fortzuschaffen,
ist gestrichen. Hubert kommt aus
eigener Initiative, um Eckart
seine Beobachtung zu erzählen.
Anschließend Duett.
Die Musik ab Huberts Auftritt ist
neu, ab Roderichs Auftritt ist sie
im Wesentlichen gleich, der
Schluss ist vor allem im
Orchester neu.
Gleich
Gleich
Kürzer, neu
Neu
Neu, auch die Erzählung
Huberts.
34
Raben spricht. Anschließend
Duett.
4. Szene: Roderich allein
Monolog Roderichs: Vorfreude
auf die Hochzeit und leise
Bedenken
+Brautjungfern + Mathilde +
Elsbeth
Vorbereitung und Vorfreude auf
die Hochzeit.
Finale:
Chor des Volkes
Tanz
Hochzeitszug (+ Roderich,
Elsbeth, Mathilde)
+Eckart
Anklage Elsbeths als Hexe.
Ungläubiges Erstaunen. Elsbeth
wird in den Kerker angeführt.
3. Akt
1. Szene: Elsbeth allein
Großer Monolog
+ Ferne: Todesurteil
2. Szene: + Roderich
Roderich bedrängt Elsbeth, ihr
Schweigen zu brechen und damit
das Todesurteil aufzuheben. Die
Femrichter sind bei der Szene
anwesend.
3. Szene: Eckart + Hubert
Hubert plagen Gewissensbisse.
Er will jetzt noch Elsbeth
fortschaffen und sie damit dem
Todesurteil entziehen.
+ Mathilde
Inhaltlich gleich, Text aber
anders
Im Wesentlichen gleich
Text des Chores ist neu; im
Übrigen ist das Finale bis auf
Details gleich geblieben.
Gleich. Text der Arie jedoch
wesentlich erweitert.
Bis auf Detailänderungen im
Text gleich. Die Femrichter
verlassen die Szene. Die Fee
erscheint Elsbeth und zeigt an,
dass die Prüfung bald beendet
ist.
Hubert plagen Gewissensbisse.
Er bittet um Rücknahme des
Urteils.
Ist empört über das Urteil
Gleich
Terzett ist anders notiert, aber im
Wesentlichen gleich.
Orchesterbegleitung neu (mit
Harfe)
Gleich
Tanz gleich
Trauungsmarsch neu, Trio z.T.
gleich
Ab Einsatz Eckarts im
Wesentlichen gleich (mehr
Chor)
Gleich, aber mit erweiterter
Einleitung
Neu
Im Anfang neu, T. 84 bis 126
gleich, ab T. 127 neu
Neu
35
Klagt über das Urteil
+ Roderich
Er will das Urteil nicht
hinnehmen und Elsbeth befreien.
Finale: Chor
Klage über das Urteil. Am Ende
ruft Roderich zum Kampf auf.
Sie werden von Eckart und
seinen Leuten überwältigt.
Trauermarsch. Begegnung
Elsbeth + Roderich
Elsbeth beteuert ihr Unschuld.
Erscheinung der Fee
Die Frist ist um und die Fee löst
das Geheimnis. Die sieben
Raben erscheinen als sieben
Brüder.
Alle
Alle Protagonisten
kommentieren das Geschehen.
Schlussvers „Selig haltet euch
umschlungen, / treuer Liebe ist‘s
gelungen, / sie ertrug des
Leidens viel. ...“
Fordert Eckart zum Duell. Fühlt
sich machtlos. Das
abschließende Quartett ist
textlich neu.
Klage über das Urteil. Der Rest
gestrichen.
Gleich
Gleich
Eckart im Schluss nicht mehr
beteiligt. Mathilde erscheint, um
Elsbeth ein Diadem aufzusetzen.
Schlusschor: „Selig, wer auf
Gott vertraut ...“
Am Ende des Quartetts wurde
das Orchestermotiv beibehalten
Gleich, Chorsatz überarbeitet
Gleich, aber im 4/4- statt 2/4-
Takt notiert. Im Schluss neu
Im Wesentlichen gleich
Neu
36
Verzeichnisse
Literaturverzeichnis
Bonn, Franz (Text); Rheinberger, Josef (Musik): Die sieben Raben: Oper in 3 Aufzügen
[Textbuch] / Text von Franz Bonn; Musik von Josef Rheinberger. München: Kgl.
Hofbuchdruckerei Wolf und Sohn, 1869. 44 S.; 18 cm. Handschriftl.: Besitzvermerk
Fanny Rheinberger. Notizen über Aufführungen, „Familienarchiv Rheinberger“,
Signatur: RhAV A 020/3.
Capelle, Irmlind: Vorwort, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, hg.
vom Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz 2006.
Hochstein, Wolfgang: Art. Rheinberger, Josef Gabriel, in: Die Musik in Geschichte und
Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Personenteil Bd. 13, hg. von
Ludwig Finscher, zweite, neu bearbeitete Ausgabe, Kassel u.a. 1998, Sp. 1615-1621.
Holland, Hyacinth: Der Dichter und Humorist Franz Bonn („v. Miris“), in:
Biographische Blätter. Jahrbuch für lebensgeschichtliche Kunst und Forschung, Bd.
1, hg. von Anton Bettelheim, Berlin 1895, S. 391-397.
Hörner, Stefan; Schick, Hartmut: Vorwort, in: Josef Rheinberger: Werk und Wirkung;
Bericht über das Internationale Symposium anläßlich des 100. Todestages des
Komponisten, veranstaltet von der Gesellschaft für Bayerische Musikgeschichte und
dem Institut für Musikwissenschaft der Universität München, München 23. -
25.11.200, hg. von Stefan Hörner und Hartmut Schick, Tutzing 2004.
Irmen, Hans-Josef: Gabriel Josef Rheinberge als Antipode des Cäcilianismus,
Regensburg 1970, (Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts 22).
Hans-Josef Irmen, Verzeichnis der Schiiler von Josef Rheinberger, [online verfiigbar;
URL: http://www.1lv.1i/#/1139, 23. Juni 2014].
Kehrein, Joseph: Der bayrische Dichter Franz Bonn, in: Historisch-politische Blütter
für das katholische Deutschland, Bd. 88, München 1881, S. 593-607.
37
Kroyer, Theodor: Joseph Rheinberger, Ungeänd. Neudr. d. 1. Ausg. Regensburg 1916,
Buren 1986, (Bibliotheca organologica 78).
Maczewski, A.: Die Sieben Raben, Oper in 3 Acten von F. Bonn, Musik von Jos.
Rheinberger, in: Musikalisches Wochenblatt, 11. März 1870, 1. Jg. Nr. 11.
Maczewski, A.: Die Sieben Raben, Oper in 3 Acten von F. Bonn, Musik von Jos.
Rheinberger, in: Musikalisches Wochenblatt, 18. März 1870, 1. Jg, Nr. 12.
Maczewski, A.: Die Sieben Raben, Oper in 3 Acten von F.Bonn, Musik von Jos.
Rheinberger, in: Musikalisches Wochenblatt, 15. März 1870, 1. Jg., Nr. 13.
Rheinberger, Josef G.: Briefe und Dokumente
Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1982.
Rheinberger, Josef G.: Briefe und Dokumente
Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1982.
Rheinberger, Josef G.: Briefe und Dokumente
Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1983.
Rheinberger, Josef G.: Briefe und Dokumente
Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1984.
Rheinberger, Josef G.: Briefe und Dokumente
Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1986.
Rheinberger, Josef G.: Briefe und Dokumente
Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1987.
seines Lebens,
seines Lebens,
seines Lebens,
seines Lebens,
seines Lebens
seines Lebens,
Bd. 1, hg. von Harald
Bd.
Bd.
Bd.
Bd.
2, hg.
3, hg.
4, hg.
. 7, hg,
8, hg.
von Harald
von Harald
von Harald
von Harald
von Harald
Riehl, Wilhelm H.: Die Sieben Raben. Oper von Joseph Rheinberger, in: Beilage zur
Allgemeinen Zeitung, 28. Mai 1869, Nr. 148, S. 2277-2278, ,Familienarchiv
Rheinberger*, Signatur: RAFA Dok 5/15.
38
Steger, Hanns: Vor allem Klangschönheit. Die Musikanschauung Josef Rheinbergers
dargestellt an seinem Klavierschaffen, Hildesheim, Zürich, New York 2001, (Studien
und Materialien zur Musikwissenschaft 23).
Steger, Hanns: Spuren der Musik Liszts und Wagners im (Euvre von Josef Rheinberger,
in: Liszt und die Neudeutsche Schule, hg. von Detlef Altenburg, Laaber 2006,
(Weimarer Liszt-Studien 3), S. 251-265.
Wanger, Harald: Josef Gabriel Rheinberger. Eine Biographie, 1. Auflage, Vaduz 2007
(Liechtenstein Bibliothek 1).
>
Wendl, Karl: Josef Rheinberger. Späne und Spünchen aus der Künstlerwerkstatt eines
grofen Meisters, in: Die Musik Nr. 31/8, 1939.
39
Musikalienverzeichnis
Rheinberger, Josef G.: Die sieben Raben, Oper in drei Akten op. 20, in: Rheinberger,
Josef G.: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, hg. vom Josef
Rheinberger-Archiv, Vaduz 2006.
Rheinberger, Josef G.: Die sieben Raben, Oper in drei Akten op. 20, Reprint des
Klavierauszugs von 1869, revidiert nach Bd. 11 der Rheinberger-Gesamtausgabe, hg.
von Irmlind Capelle, Detmold 2007.
Liszt, Franz: Klavierkonzert in Es-Dur, Partitur, 1848.
Rheinberger, Josef G.: Hornsonate in Es-Dur op. 178, Partitur, 1894, o.S., in: [online
verfiigbar; URL:
http://imslp.org/wiki/Horn Sonata, Op.178 9o28Rheinberger, Josef Gabriel%29,
23. Juni 2014].
40
Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Rheinberger, Josef G.: Die sieben Raben, Oper in drei Akten op. 20, in:
Rheinberger, Josef G.: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11,
hg. vom Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz 2006, 8.53, T. 51-55
Abb. 2: Vor allem Klangschonheit. Die Musikanschauung Josef Rheinbergers
dargestellt an seinem Klavierschaffen, Hildesheim, Zürich, New York 2001, (Studien
und Materialien zur Musikwissenschaft 23), S. 194.
41