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Treuunternehmen
DIPL
Die liquidationslose Sitzverlegung
einer liechtensteinischen
Verbandsperson ins Ausland
im liechtensteinischen Recht
Josef Sprecher
Die liquidationslose Sitzverlegung
einer liechtensteinischen
Verbandsperson ins Ausland
im liechtensteinischen Recht
Projektarbeit zum Abschluss des Hochschullehrganges
Treuhandwesen 2001/2002, Fachbereich Wirtschaftswissen-
schaften, an der Universität Liechtenstein, Vaduz
Allgemeines
Treuunternehmen
seit 1929
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© 2012 Allgemeines Treuunternehmen
Die Ausführungen dieser Broschüre erheben keinen Anspruch
auf Vollständigkeit und Wissenschaftlichkeit; ebenso wenig
dienen sie dazu, gesetzliche Bestimmungen hinsichtlich ihrer
Zweckmissigkeit, formellen Ausgestaltung und praktischen
Anwendungsmóglichkeiten zu kommentieren.
Auszüge unter Quellenangabe gestattet.
ANO
ATV
ATU
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abstract
1.
2.
Quellenverzeichnis
Das Allgemeine Treuunternehmen
Kontaktadressen
Einleitung
Rechtliche Grundlagen
2.1. Grundlagen im Fürstentum Liechtenstein
2.2. Hinweis auf schweizerisches Recht
2.8. Hinweis auf europäisches Recht
Ablauf einer Sitzverlegung im Fürstentum Liechtenstein
3.1. Allgemeines
3.2. Besonderheiten aus steuerlicher Sicht
Besonderheiten bei einer Anstalt
Zusammenfassung
Rechtliche Grundlagen
Wesentliche Literatur
Hauptsitz
Tochter- und Gruppengesellschaften
Asian Offices
10
10
14
16
19
19
23
26
27
28
28
29
30
31
31
31
33
Vorwort
Die Ursprünge der Universität Liechtenstein reichen bis ins Jahr 1961, als
mit der Gründung des Abendtechnikums Vaduz der Grundstein zur Wei-
terbildung in Liechtenstein gelegt wurde. Die Universität Liechtenstein
führt mittlerweile Hochschullehrgänge in verschiedenen Wissenschaftsfächern
durch, schwergewichtig in den Fachgebieten Architektur und Wirtschaft.
Im Studienjahr 2001/2002 nahm von unserem Unternehmen Herr Josef
Sprecher am jährlich stattfindenden Hochschullehrgang resp. Nachdiplom-
studium Treuhandwesen teil. Dieser Lehrgang beinhaltet auch das Verfassen
einer wissenschaftlichen Projektarbeit, um den Diplom-Fachausweis zu erlangen.
Josef Sprecher ist seit März 2000 in unserem Betrieb und hat zurzeit die Stel-
le als Vizedirektor in einem unserer Kundensekretariate inne. Er hat seine
Arbeit der liquidationslosen Sitzverlegung von liechtensteinischen Verbands-
personen (juristische Personen) ins Ausland im liechtensteinischen Recht
gewidmet.
Der Autor legt Wert darauf, dass es sich bei den Äusserungen in seiner Arbeit
um seine persönliche Meinung handelt und sich diese nicht unbedingt mit der
Meinung des Herausgebers, dem Allgemeinen Treuunternehmen, decken muss.
Wir wünschen dieser Broschüre eine interessierte Leserschaft.
Allgemeines Treuunternehmen
Vaduz, im August 2002
Abstract
Diese Arbeit befasst sich mit der liquidationslosen Sitzverlegung einer liech-
tensteinischen Verbandsperson ins Ausland im liechtensteinischen Recht.
Insbesondere sind die rechtlichen Grundlagen sowie die Voraussetzungen
und der genaue Ablauf einer Sitzverlegung behandelt. Daneben werden steuer-
liche Konsequenzen aufgezeigt und erläutert.
Das Ziel besteht darin, den betroffenen Personen die Entscheidung über eine
allfällige Sitzverlegung ihrer Gesellschaft zu erleichtern sowie ein Nachschla-
gewerk für den genauen Ablauf einer Sitzverlegung zu bieten. Als Vergleich ist
eine grobe Übersicht über die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften des
schweizerischen und des europäischen Rechtes enthalten.
1. Einleitung
Jede Gesellschaft beziehungsweise deren Entscheidungsträger stehen bei der
Gründung vor der Frage, wo ihr statutarischer und gesellschaftsrechtlicher
Sitz sein soll. Dabei spielen verschiedene Überlegungen eine Rolle. Nebst
geschäftspolitischen Überlegungen wie Nähe zu Kunden und Lieferanten,
Kosten für die Produktionsfaktoren Boden, Arbeit, Kapital und Wissen, spie-
len insbesondere politische und steuerliche Aspekte eine grosse Rolle. Nach
der Entscheidung über den günstigsten Sitz der Gesellschaft bleibt dieser in
der Regel über längere Zeit am selben Ort.
Bei gravierenden Änderungen der vorerwähnten Entscheidungsgrundlagen
ist jedoch eine Verlegung des Gesellschaftssitzes oftmals unumgänglich. Eine
Änderung des Gesellschaftssitzes kann grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen.
Die schweizerische Lehre spricht in diesem Zusammenhang von Sitzverle-
gungen im engeren Sinn und denjenigen im weiteren Sinn.! «Von einer un-
eigentlichen Sitzverlegung (entspricht einer Sitzverlegung im weiteren Sinn)
spricht man, wenn die Gesellschaft am bisherigen Ort aufgelöst und durch
Neugründung an einem anderen Ort wieder errichtet wird. Eine eigentliche
Sitzverlegung (entspricht einer Sitzverlegung im engeren Sinn) liegt dann vor,
wenn die Gesellschaft ihren alten Sitz ohne Liquidation aufgibt und einen
neuen Sitz an einem anderen Ort ohne Neugründung errichtet»? In beiden
Füllen kann der neue Sitz der Gesellschaft an einem anderen Ort des gleichen
Landes oder aber in einem anderen Land liegen.
1 vgl. Meier-Hayoz, Arthur, S. 67ff.
2 Egli, Heinz, S. 67ff
Das liechtensteinische Personen- und Gesellschaftsrecht
kennt die folgenden Verbandspersonen:
Verein
Aktiengesellschaft
Kommanditaktiengesellschaft
Anteilsgesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Genossenschaft
Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und Hilfskassen
Anstalt
Stiftung
Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu diesen Gesellschaften finden
sich in der zweiten Abteilung des Personen- und Gesellschaftsrechtes (PGR).
Zu den Verbandspersonen wird in der Praxis auch das Treuunternehmen ge-
zählt, sofern es als Treuunternehmen mit Persönlichkeit organisiert ist.?
Die nachstehenden Ausführungen beziehen sich grundsätzlich auf alle Ver-
bandspersonen des liechtensteinischen Rechtes. Allfillige Ausnahmen und
Besonderheiten für einzelne Verbandspersonen sind speziell erwáühnt.
3 vgl. Art. 932a PGR
2.
Rechtliche Grundlagen
2.1 Grundlagen im Fürstentum Liechtenstein
Grundsätzlich ist die gesetzliche Grundlage für die Sitzverlegung einer Ver-
bandsperson im dritten Titel des Personen- und Gesellschaftsrechtes unter
den allgemeinen Vorschriften über die Verbandspersonen zu finden.
Darin heisst es, dass die Unterstellung einer inländischen Verbandsperson
unter ausländisches Recht und damit die Sitzverlegung ins Ausland ohne
Auflösung nur mit Bewilligung des Grundbuch- und Öffentlichkeitsregister-
amtes zulässig ist. In Art. 234 Abs. 2 PGR sind die Voraussetzungen für die
Erteilung der vorerwihnten Bewilligung aufgezählt.
Diese lauten wie folet:
l.
2.
die Verbandsperson muss nach dem ausländischen Recht fortbestehen;
das zuständige Organ der Verbandsperson hat über die Sitzverlegung
ins Ausland einen Beschluss zu fassen;
die Verbandsperson hat unter Hinweis auf die bevorstehende Ánde-
rung des Gesellschaftsstatuts ihre Gläubiger öffentlich zur Anmeldung
bestehender Forderungen aufzufordern;
es ist glaubhaft zu machen, dass die Forderungen aller Gläubiger, die
einen Anspruch auf Sicherstellung ihrer Forderungen haben und diesen
geltend machen, angemessen sichergestellt wurden, soweit die Gläubi-
ger nicht Befriedigung verlangen können. Das Recht auf Sicherstel-
lung steht den Gläubigern nur zu, wenn:
a) die Forderungen vor oder einen Werktag nach der Aufforderung
nach Ziffer 3 entstanden sind;
b) sie glaubhaft machen, dass die Erfüllung ihrer Forderungen durch
die Sitzverlegung ins Ausland gefihrdet wird; und
c) sie ihren Anspruch nach Grund und Hóhe innerhalb von zwei
Monaten nach dem Tag der Aufforderung schriftlich anmelden.
4
vgl. Art. 234 PGR
Die Gläubiger sind anlässlich der Aufforderung nach Ziffer 3 auf
dieses Recht hinzuweisen;
5. bei rechnungspflichtigen Verbandspersonen sind die Jahresrechnung und
der Jahresbericht des letzten Geschäftsjahres samt Prüfungsbericht, die
vom Grundbuch- und Offentlichkeitsregisteramt im Sinne von Art.
956ff. PGR bekannt gemacht wurden, dem Gesuch beizulegen. Die
Mitglieder und Gláubiger haben das Recht, diese Unterlagen einzu-
sehen und die unentgeldiche Aushándigung von Abschriften zu ver-
langen;
6. die Verbandsperson hat eine Bescheinigung der Steuerverwaltung vorzu-
legen, aus der hervorgeht, dass sämtliche fälligen Steuern in Liechten-
stein bezahlt sind.
Interessant ist die Tatsache, dass sowohl in vorerwühnter Ziffer 4 als auch in
Art. 234 Abs. 3 PGR der Schutz der Gläubiger speziell erwähnt ist. Gemäss
Art. 234 Abs. 3 PGR kann niümlich eine Verbandsperson wegen Verlegung
des Sitzes ins Ausland nur gelóscht werden, wenn glaubhaft gemacht wird,
dass nach Massgabe von Abs. 2 Ziff. 4 die Gläubiger befriedigt oder deren
Forderung angemessen sichergestellt sind oder dass die Gläubiger mit der
Löschung einverstanden sind. Dies zeigt, dass dem Gläubigerschutz bei einer
Sitzverlegung eine sehr hohe Bedeutung zukommt. Dies ist insofern wichtig,
da die Gläubiger je nachdem, welchem ausländischen Recht die Gesellschaft
nach der Sitzverlegung unterstellt ist, im Vergleich zur bisherigen Situation
in ihren Rechten wesentlich benachteiligt sein können. Aus diesem Grund ist
der Gläubigerschutz sehr weitreichend.
Nebst den bereits vorstehend erwähnten Artikeln des Gesetzes sind Verfah-
ren und Voraussetzungen für eine Bewilligung zur Sitzverlegung in einer
separaten Verordnung geregelt. Die Regierung hat dementsprechend am
11. Februar 2003 die Verordnung über die Sitzverlegung einer inländischen
Verbandsperson ins Ausland erlassen. Darin werden neben den in Art. 234
PGR aufgeführten Voraussetzungen noch weitere Kriterien genannt. Art. 1
der Verordnung lautet: Die Sitzverlegung einer inländischen Verbandsperson
ohne vorherige Auflösung ins Ausland ist vom Grundbuch- und Öffentlich-
keitsregisteramt zu bewilligen, wenn neben den in Art. 234 PGR aufgeführten
die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a) das zuständige Organ der Verbandsperson hat über die Sitzverle-
gung ins Ausland Beschluss zu fassen;
b) dem Gesuch um Sitzverlegung ist bei rechnungslegungspflichtigen
Verbandspersonen die letzte Bilanz samt Revisionsstellenbericht
beizulegen;
c) das inländisch zuständige Organ der Verbandsperson hat glaub-
haft zu machen, dass die Gläubiger befriedigt oder ihre Forde-
rungen sichergestellt sind, oder die Gläubiger haben schriftlich zu
erklären, dass sie mit der Löschung einverstanden sind;
d) es ist die Bestätigung der Steuerverwaltung vorzulegen, dass sämt-
liche fälligen Steuern in Liechtenstein bezahlt sind.
Gemäss Artikel 2 der Verordnung ist die Erteilung einer Bewilligung zur Sitz-
verlegung gebührenpflichtig, wobei die Gebühr auf 600 Franken festgesetzt ist.
Die Umsetzung der Verordnung über die Sitzverlegung wirft in der Praxis
einige Fragen auf.
So stellt sich in erster Linie die Frage, wer bei der entsprechenden Verbands-
person das für die Sitzverlegung zuständige Organ ist. Da alle Verbandsper-
sonen gesetzlich verpflichtet sind, ihren Sitz in den Statuten festzuhalten, sind
für die Feststellung des zuständigen Organs bei einer Sitzverlegung die gesetz-
lichen Bestimmungen über die Abänderung der Statuten zu beachten. Dem-
nach hat die Beschlussfassung zur Sitzverlegung durch das jeweilige oberste
Organ zu erfolgen, da dieses für die Änderung der Statuten zuständig ist. Dies
ist insofern sinnvoll, da ein solcher Beschluss weitreichende Konsequenzen
für die Rechte und Pflichten der Kapitalgeber, aber auch für die Verbandsper-
son selbst haben kann. Für die Frage nach dem obersten Organ der einzelnen
Verbandspersonen sei an dieser Stelle auf die entsprechende Literatur zum
liechtensteinischen Gesellschaftsrecht verwiesen.
Eine eindeutige gesetzliche Regelung ist unter den Bestimmungen über die
Aktiengesellschaft zu finden. Dabei kann die Veränderung des Sitzes der Ge-
sellschaft, sofern die Statuten oder das Gesetz es nicht anders bestimmen,
nur in einer Generalversammlung beschlossen werden, in der mindestens
zwei Drittel sämtlicher Aktien vertreten sind.> Diese Bestimmung dient zum
Schutz der Kapitalgeber vor einer möglichen Verschlechterung ihrer Rechte
durch neu anzuwendendes ausländisches Recht.
Eine weitere Voraussetzung zur Erteilung einer Bewilligung für die Sitzver-
legung ist die Vorlage der letzten Bilanz samt Bericht der Revisionsstelle. Da
Verbandspersonen, welche kein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe
betreiben, gesetzlich nicht zur ordnungsmässigen Rechnungslegung verpflich-
tet sind, haben solche Verbandspersonen also spätestens bei der Verlegung
ihres Sitzes ins Ausland eine Bilanz zu erstellen und diese durch eine Revisi-
onsstelle priifen zu lassen.® In der Praxis kann dieses Problem insbesondere
bei Anstalten und Stiftungen auftreten. In diesen Fällen genügt in der Praxis
dem Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt eine aktuelle ungeprüfte
Vermögensaufstellung. Da die Anstalt zwar in Liechtenstein weit verbreitet
ist, im Ausland jedoch als Gesellschaftsform nicht vorkommt, sei an dieser
Stelle auf die speziellen Ausführungen zur Anstalt im 4. Kapitel verwiesen.
Wie vorstehend erwähnt, hat die Bestätigung, dass die Verbandsperson alle
Gläubiger befriedigt hat oder dass deren Forderungen sichergestellt sind,
durch das inländisch zuständige Organ der Verbandsperson zu erfolgen. Dies
führt in der Praxis dann zu Problemen, wenn kein inländischer Verwaltungs-
rat vorhanden ist. Da das Gesetz für alle Verbandspersonen verlangt, dass
mindestens ein Mitglied der Verwaltung im Inland wohnhaft sein muss, hat
die Gesellschaft in diesen Fällen einen neuen inländischen Verwaltungsrat zu
bestellen.”
vgl. Art. 294 PGR
vgl. Art. 1045 PGR
vgl. Art. 180a PGR
ON VA
Die Gesellschaft kann also in der Zeit, in welcher kein inländischer Verwal-
tungsrat bestellt ist, ihren Sitz nicht ins Ausland verlegen. Ist ein Beschluss
zur Sitzverlegung jedoch bereits gefasst, wird sich aus haftungsrechtlichen
Gründen kaum ein inländischer Verwaltungsrat bereit erklären, das Mandat
bis zur Sitzverlegung der Gesellschaft zu übernehmen. Kann die Gesellschaft
glaubhaft darlegen, dass keine Drittgläubiger vorhanden sind und dass die
fälligen Steuern in Liechtenstein bezahlt sind, dürfte das Grundbuch- und
Öffentlichkeitsregisteramt in der Praxis in solchen Fällen die Bewilligung zur
Sitzverlegung trotzdem erteilen.
Die Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung zur Sitzverlegung be-
treffend die Bestätigung der Steuerverwaltung, wonach sämtliche fälligen
Steuern in Liechtenstein bezahlt sind, zielt darauf ab, dass dem Staat die ihm
zustehenden Mittel vollumfänglich zufliessen.8 In diesem Zusammenhang ist
insbesondere auch die Couponsteuer bei allen Gesellschaften, deren Kapital
in Anteile zerlegt ist, zu beachten. Für weitere Ausführungen dazu sei auf den
Abschnitt Besonderheiten aus steuerlicher Sicht verwiesen.
2.2 Hinweis auf schweizerisches Recht
Anders als im Fürstentum Liechtenstein ist in der Schweiz die massgebliche
gesetzliche Regelung im Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht
(IPRG) zu finden. Darin heisst es, dass eine schweizerische Gesellschaft sich
ohne Liquidation und Neugründung ausländischem Recht unterstellen kann,
wenn sie nachweist, dass
a) die Voraussetzungen nach schweizerischem Recht erfüllt sind;
b) sie nach ausländischem Recht fortbesteht;
c) sie unter Hinweis auf die bevorstehende Änderung des Gesell-
schaftsstatuts ihre Gläubiger öffentlich zur Anmeldung bestehen-
der Ansprüche aufgefordert hat.?
8 vgl. Steuer Revue Nr. 2/2000, S. 78f£.
9 Art. 163 IPRG
Ferner ist erwähnt, dass eine im schweizerischen Handelsregister eingetra-
gene Gesellschaft nur dann gelöscht werden kann, wenn glaubhaft gemacht
wird, dass die Gläubiger befriedigt oder ihre Forderungen sichergestellt
sind, oder wenn die Gläubiger mit der Löschung einverstanden sind. «Bis
die Gläubiger befriedigt sind oder ihre Forderungen sichergestellt sind, kann
die Gesellschaft für diese in der Schweiz betrieben werden.»10 Die gleichen
vorerwähnten Bestimmungen sind auch in der schweizerischen Handelsregis-
terverordnung (HRegV) zu finden. 11
Damit wird deutlich, dass sowohl im Fürstentum Liechtenstein als auch in
der Schweiz ähnliche Bestimmungen bestehen und in beiden Ländern der
Schutz der Gläubiger an erster Stelle steht. Obwohl nicht ausdrücklich im
Gesetz erwähnt, dürfte auch in der Schweiz die Erstellung und Vorlage einer
Bilanz unumgänglich sein. Denn nur so ist letztendlich glaubhaft dargelegt,
dass keine Gläubiger vorhanden sind oder aber zumindest deren Forderungen
durch entsprechende Aktiven sichergestellt sind. Ein zusätzlicher Schutz der
Gläubiger ist die Tatsache, dass die Gesellschaft für Forderungen, welche
zum Zeitpunkt der Sitzverlegung nicht sichergestellt waren, weiterhin in der
Schweiz zu betreiben ist.12 Dadurch ist gewührleistet, dass allfällige Gläubi-
ger durch die Unterstellung der Gesellschaft unter auslándisches Recht keine
ihrer bisherigen Rechte verlieren.
Als Nachweis, dass die Gesellschaft nach der Sitzverlegung nach auslündi-
schem Recht fortbesteht, genügt in der Praxis die Vorlage eines gültigen Han-
delsregisterauszuges beziehungsweise eines entsprechenden Dokumentes.
Obwohl in den gesetzlichen Vorschriften nicht speziell erwähnt, sind auch
in der Schweiz einige Punkte aus steuerlicher Sicht zu beachten. In erster
Linie ist die von der Gesellschaft bis zur Emigration geschuldete direkte Bun-
dessteuer zu bezahlen. Bis diese Steuerschuld beglichen ist, haften die mit
10 Art. 164 IPRG
11 vgl. Art. 51 HRegV
12 vgl. Art. 164 IPRG
der Verwaltung betrauten Personen solidarisch.15 Zu beachten sind ferner
Bestimmungen über die Verrechnungssteuer. Da die Gesellschaft durch die
Verlegung ihres statutarischen Sitzes ins Ausland als Verrechnungssteuersub-
jekt untergeht, ist die Sitzverlegung der letztmógliche Zeitpunkt, in welchem
die Unternehmung noch mit der Verrechnungssteuer belangt werden kann.14
Zudem gilt, dass die Organe bei der Sitzverlegung ins Ausland auch für die
Verrechnungssteuerschulden einer Unternehmung haften. Berechnung und
Umfang der zu entrichtenden Verrechnungssteuer richten sich nach dem Ver-
rechnungssteuergesetz.
2.3 Hinweis auf europäisches Recht
Die Grundlagen für eine Sitzverlegung einer Gesellschaft nach EU-Recht
lassen sich aus dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit ableiten.15 Auf-
grund dieses Niederlassungsrechtes sind Beschrinkungen der freien Nieder-
lassung von Staatsangehórigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines
anderen Mitgliedstaats grundsätzlich verboten. In Artikel 43 des Vertrages
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist im Absatz 2 ausdrücklich
die Niederlassungsfreiheit für die Aufnahme und Ausübung selbständiger
Erwerbstätigkeiten sowie für die Gründung und Leitung von Unternehmen
erwähnt. Somit sind zuziehende Gesellschaften und natürliche Personen gleich
zu behandeln wie die dortigen Inlánder.16 Zudem ist der Begriff Gesellschaft
im Sinne dieses Rechts nüher umschrieben. Demnach gelten als Gesellschaf-
ten alle Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechtes ein-
schliesslich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des
öffentlichen und privaten Rechts. Ausgenommen sind Gesellschaften, welche
keinen Erwerbszweck verfolgen.17 Somit fällt beispielsweise eine Stiftung,
wie sie das liechtensteinische Recht kennt, nicht unter diese Bestimmung.
13 vgl. Steuer Revue Nr. 2/2000, S. 86ff.
14 vgl. Steuer Revue Nr. 2/2000, S. 81ff.
15 vgl. Vertrag zur Gründung der Europiischen Gemeinschaft, 2.Kapitel
16 vgl. Art. 48 Vertrag zu Gründung der Europäischen Gemeinschaft
17 vgl. Art. 48 Abs. 2 Vertrag zu Gründung der Europäischen Gemeinschaft
«Die Tatsache, dass die Gesellschaften der Mitgliedstaaten in anderen Mit-
gliedstaaten niederlassungsberechtigt sind, bedeutet genau genommen jedoch
nicht, dass diese im anderen Staat auch als Gesellschaft anerkannt werden.»18
Trotzdem ist in der Praxis davon auszugehen, dass derjenige Staat, welcher
eine Gesellschaft des anderen Staates zur Niederlassung zulassen muss, diese
mindestens in dem dazu erforderlichen Rahmen anerkennt.
Ausdrücklich erwähnt ist die Möglichkeit einer Sitzverlegung in der Ver-
ordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE). Demnach kann
der Sitz der SE ohne Auflösung der Gesellschaft und Gründung einer neuen
juristischen Person in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden.1? Voraus-
setzung dafür ist ein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung der
Gesellschaft. Zunächst hat jedoch das Leitungs- oder das Verwaltungsorgan
einen Verlegungsplan zu erstellen und offen zu legen.
Dieser Plan muss unter anderem die folgenden Angaben enthalten:
a) den vorgesehenen neuen Sitz der SE;
b) die für die SE vorgesehene Satzung sowie gegebenenfalls die neue
Firma;
c) die etwaigen Folgen der Verlegung für die Beteiligung der Arbeit-
nehmer;
d) den vorgesehenen Zeitplan für die Verlegung;
e) etwaige zum Schutz der Aktionäre und/oder Gläubiger vorgese-
hene Rechte.
Zudem haben Aktionäre und Gläubiger mindestens einen Monat vor der
Hauptversammlung, welche über die Verlegung befinden soll, das Recht, den
oben erwähnten Bericht einzusehen. Ferner können die Mitgliedstaaten
Vorschriften erlassen, um einen angemessenen Schutz der Minderheitsaktio-
näre, welche sich gegen die Verlegung ausgesprochen haben, zu gewährleisten.
18 Prast, Peter, S. 107
19 vgl. Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates der Europäischen Union
Bevor jedoch die Sitzverlegung erfolgen kann, muss die Gesellschaft gegenüber
der Behörde den Nachweis erbringen, dass die Interessen der Gläubiger und
sonstigen Forderungsberechtigten in Bezug auf alle vor der Offenlegung des
Verlegungsplanes entstandenen Verbindlichkeiten angemessen geschützt sind.
Diese Ausführungen zeigen, dass die Bestimmungen in der EU denjenigen
des Fürstentums Liechtenstein und der Schweiz sehr ähnlich sind. In allen
Rechtsordnungen steht der Schutz der Gläubiger im Vordergrund. Interes-
sant ist jedoch, dass in der EU auch Aktionäre, welche sich gegen die Ver-
legung ausgesprochen haben, zu schützen sind. Überdies ist die Beteiligung
der Arbeitnehmer offensichtlich ebenfalls besonderer Aufmerksamkeit zu un-
terziehen. Solche oder ähnliche Bestimmungen fehlen in den beiden anderen
Rechtsordnungen.
Zu beachten ist, dass diese Bestimmungen lediglich für die sogenann-
te gemeinschaftsrechtliche Gesellschaftsform der Europäischen Gesellschaft
gelten. Zudem ist nur die Verlegung des Sitzes in ein Land innerhalb der EU
behandelt, Sitzverlegungen in Länder ausserhalb der EU fallen somit nicht
unter diese Bestimmungen.
In der Praxis ist es zudem sehr selten, dass eine Gesellschaft der EU ihren
Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt. In der Regel ist es so, dass die
Gesellschaft im anderen Land einen zweiten Sitz in Form einer Agentur,
Zweigniederlassung oder einer Tochtergesellschaft errichtet.
3. Ablauf einer Sitzverlegung im
Fürstentum Liechtenstein
3.1 Allgemeines
Nachdem im 2. Kapitel die rechtlichen Grundlagen dargelegt sind, soll dieser
Abschnitt den eigentlichen Ablauf der Sitzverlegung aufzeigen.
An erster Stelle ist abzuklären, ob die Verbandsperson nach ausländischem
Recht fortbestehen kann. Danach erfolgt der Beschluss des zuständigen
Organs über die Sitzverlegung ins Ausland. Dabei ist insbesondere bei ei-
ner Aktiengesellschaft zu beachten, dass dieser Beschluss eine Anpassung der
Statuten bedingt. Dies bedeutet, dass das entsprechende Protokoll der Gene-
ralversammlung öffentlich zu beurkunden ist. Da oftmals eine völlige Über-
arbeitung der Statuten zur Anpassung an die Jurisdiktion des neuen Sitzes
der Gesellschaft notwendig ist, empfiehlt es sich, diese Anpassung an einer
ausserordentlichen Generalversammlung am neuen Ort zu beschliessen und
vorzunehmen. In diesem Falle hat der Beschluss über die Sitzverlegung, wel-
cher noch am alten Sitz der Gesellschaft zu fassen ist, den Hinweis auf die
Anpassung der Statuten am neuen Ort zu beinhalten. Damit entfällt auch die
öffentliche Beurkundung dieses Protokolls.
Zu überlegen ist zudem, auf welchen Zeitpunkt der Sitz verlegt werden soll.
Dies hat einerseits einen Einfluss auf die Erstellung von allfälligen Zwischen-
bilanzen und andererseits auf die Beendigung der Steuerpflicht.
Nach der Beschlussfassung ist die letzte Jahresbilanz zu überprüfen. Liegt der
Jetzte Jahresabschluss mehr als sechs Monate zurück, ist ein Zwischenabschluss
zu erstellen. Dieser ist ebenfalls der Revisionsstelle zur Prüfung vorzulegen.
Idealerweise geht bereits aus der Bilanz hervor, dass keine Verbindlichkeiten
gegenüber Dritten bestehen. Bei Gesellschaften mit kommerziellem Hinter-
grund ist dies jedoch kaum der Fall. Sofern möglich, ist dann der Zeitpunkt
der Sitzverlegung so zu wählen, dass in der Zeit zwischen Beschlussfassung
und Einreichung des Antrages an das Grundbuch- und Öffentlichkeitsregis-
teramt sämtliche Verbindlichkeiten beglichen werden können. Dies bedingt
jedoch praktisch eine Einstellung des Geschäftsbetriebes über eine bestimmte
Zeit. Seit der Gesetzesänderung im Jahre 2003 muss eine Publikation ge-
mäss den Vorschriften des Handelsregisters bzw. der Statuten erfolgen. Darin
sind die Gläubiger der Verbandsperson unter Hinweis auf die bevorstehende
Änderung des Gesellschaftsstatuts öffentlich zur Anmeldung bestehender
Ansprüche aufzufordern. Die Aufforderung sollte nebst dem Hinweis auf
die geplante Sitzverlegung auch darauf hinweisen, dass nur für Forderungen,
welche innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden, eine Sicher-
stellung erfolgen wird. Nach der vorerwähnten Veröffentlichung sind somit
mindestens zwei Monate abzuwarten. Dies deshalb, weil gemäss Gesetz al-
le Gläubiger Anspruch auf Sicherstellung ihrer Forderung haben, sofern die
Forderung selbst vor oder einen Werktag nach der Aufforderung entstanden
ist und sie ihren Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach dem Tag der
Aufforderung schriftlich angemeldet haben.
Danach muss die Verbandsperson bzw. deren Vertreter glaubhaft darlegen,
dass die Gläubiger befriedigt oder deren Forderungen sichergestellt sind.
Die zuständige Behörde akzeptiert eine Bestätigung des inländischen Ver-
waltungsrates, dass die Verbandsperson Dritten gegenüber keine Verbind-
lichkeiten hat bzw. dass die Gläubiger befriedigt oder deren Forderungen
sichergestellt sind. Eine weitere Alternative besteht darin, eine schriftliche
Einverständniserklärung sämtlicher Gläubiger zur Sitzverlegung vorzulegen.
Für Gesellschaftsformen wie zum Beispiel die Stiftungen, welche gemäss dem
Gesetz nicht zur Rechnungslegung verpflichtet sind, ist anstelle einer Bilanz
eine aktuelle Vermögensübersicht zu erstellen.
Bevor der Antrag an die zuständige Amtsstelle erfolgt, ist ein aktueller Han-
delsregisterauszug sowie ein Nachweis der Steuerverwaltung, dass die fälligen
Steuern bezahlt sind, zu beschaffen.
Das Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt verlangt ferner in der Pra-
xis eine schriftliche Bestätigung, dass die Sitzverlegung der Verbandsperson
in das betreffende Land rechtlich möglich ist. Diese Bestätigung kann von
der zuständigen Behörde (z.B. dem Handelsregisteramt) des entsprechenden
Landes selber ausgestellt werden oder mittels einer «legal opinion» eines Rechts-
anwaltes des Landes, in welchem der neue Sitz sein wird, erfolgen. Zu beachten
ist, dass diese Dokumente in deutscher Sprache verfasst sein müssen.
Nachdem alle notwendigen Unterlagen vorhanden sind, ist der Antrag um
Bewilligung der Sitzverlegung an das Grundbuch- und Öffentlichkeitsregis-
teramt zu verfassen und einzureichen.
Sobald die entsprechende Bewilligung der Behörde vorliegt, kann die Eintra-
gung der Gesellschaft am neuen Sitz organisiert werden. Das entsprechende
Vorgehen richtet sich dabei nach den lokalen Vorschriften, welche je nach Land
unterschiedlich sein können.
Am Beispiel der Schweiz ist im Folgenden aufgezeigt, welche Belege für die
Eintragung im Handelsregister vorzulegen sind:20
a) | Ausweis über den rechtlichen Bestand der Gesellschaft im Aus-
land (Handelsregisterauszug);
b) Bescheinigung der zuständigen ausländischen Behörde über die
Zulässigkeit der Sitzverlegung oder eine Genehmigung des Bun-
desrates;
c) Bescheinigung einer sachlich kompetenten schweizerischen Behör-
de oder Institution über die Möglichkeit der Anpassung an die ent-
sprechende schweizerische Rechtsform, sofern der Registerführer
eine solche als erforderlich betrachtet;
d) Nachweis, dass der Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit der Gesell-
schaft in die Schweiz verlegt worden ist;
e) Bei einer Kapitalgesellschaft einen Revisionsbericht einer vom
Bundesrat hierzu ermächtigten Revisionsstelle, aus welchem sich
ergibt, dass das Grundkapital nach schweizerischem Recht ge-
deckt ist.
20 vgl. Art. 50a HRegV
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass unter Umständen eine An-
passung der Gesellschaftsform und/oder eine Erhöhung des Grundkapitals
notwendig sind/ist.
Sind alle Voraussetzungen für die Eintragung am neuen Ort erfüllt, ist eine
beglaubigte Bescheinigung (Handelsregisterauszug oder ein entsprechendes
Dokument) über den erfolgten Eintrag zu verlangen. Diese ist in der Folge
zusammen mit einem Nachweis der Steuerverwaltung, dass alle Steuern in
Liechtenstein bezahlt sind, dem Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt
einzureichen. Dieses nimmt dann die Löschung der Gesellschaft im Register
vor. Somit ist die Verlegung des Sitzes definitiv erfolgt.
Die folgende Zusammenstellung zeigt nochmals die wichtigsten Schritte auf:
Bestätigung einholen, dass eine Sitzverlegung
aufgrund des ausländischen Rechts möglich
bzw. zulässig ist
LE
Beschluss des obersten Organs über - Evt. Anpassungen von Rechtsform
und Statuten
die Sitzverlegung
U
Erstellung einer Bilanz bzw. einer
Vermögensübersicht (inkl. Prüfungsbericht
der Revisionsstelle)
U
Gliubigeraufruf mit Hinweis auf Fristen
und Anderung der Statuten
U
| Handelsregisterauszug anfordern |
| Nachweis der Steuerverwaltung anfordern |
i
Antrag an das Grundbuch- und
Offentlichkeitsregisteramt
i
Eintragung am neuen Sitz P5 Evt. Anpassung der Statuten
3.2 Besonderheiten aus steuerlicher Sicht
Mit der Revision des liechtensteinischen Steuerrechts auf den 1. Januar 2011
entfallen die besonderen Gesellschaftssteuern für Holding- und Sitzgesell-
schaften. Somit erfolgt ab diesem Datum eine steuerliche Gleichbehand-
lung aller Unternehmen. Da jedoch eine Übergangsfrist von 3 Jahren gilt,
ist während dieser Zeit eine Unterscheidung zwischen Gesellschaften, welche
vor dem 1. Januar 2011 gegründet wurden und solchen, welche bereits dem
neuen Steuergesetz unterliegen, notwendig.
Holding- und Sitzgesellschaften, welche vor dem 1. Januar 2011 gegründet
wurden, sind von der Vermögens-, Erwerbs- und Ertragssteuer befreit und
haben lediglich einmal jährlich die Kapitalsteuer zu bezahlen.21
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Steuerverwaltung unter
Umständen auf einer Anpassung der Bewertung von Aktiven besteht. Dies
gilt insbesondere für Beteiligungen und Immobilien, bei welchen die Buch-
werte deutlich unter den zum Zeitpunkt der Sitzverlegung gültigen Markt-
werten liegen. Eine derartige Aufwertung kann zu einem Eigenkapital von
über CHF 1 Mio. führen, was eine höhere Steuerzahllast als die Mindeststeu-
er zur Folge hat. Zudem sei an dieser Stelle auf die nachstehenden Ausfüh-
rungen zur Couponsteuer verwiesen.
Für alle anderen Gesellschaften, welche vor dem 1. Januar 2011 errichtet
wurden, sind wesentlich mehr Bestimmungen zu beachten.22 Dies ist einmal
die Ertragssteuer, welche sich auf den im Inland erzielten Ertrag erstreckt.
Grundlage für die Ermittlung ist das nach den Grundsätzen des Steuerrechts
ermittelte Jahresergebnis. Ferner ist die Kapitalsteuer zu beachten. Gegen-
stand dieser Steuer ist das einbezahlte, im Offentlichkeitsregister eingetragene
21 vgl. Büchel, Horst, S. 38
22 vgl. Steuer Revue Nr. 5/2001, S. 326ff.
Kapital zuzüglich der offenen (gesetzlichen und freien) und als Ertrag versteu-
erten stillen Reserven. In diesem Zusammenhang sei auf die Bestimmungen
über die Bildung von stillen Reserven bei den sogenannten harmonisierten
Gesellschaften verwiesen.23
Bei allen Gesellschaften, deren Kapital in Anteile zerlegt ist, ist zudem die
Couponsteuer zu beachten. Gemäss Steuergesetz steht die Verlegung des
Sitzes einer Verbandsperson ins Ausland couponsteuerrechtlich der Liquidati-
on der Verbandsperson gleich. Somit unterliegt das gesamte Eigenkapital der
Gesellschaft inklusive aller stillen Reserven abzüglich des Grundkapitals der
Couponsteuer. Zu beachten sind ebenso verdeckte Gewinnausschüttungen
wie Veriusserungen von Gesellschaftsvermôgen unter dem wirklichen Wert
oder der Verzicht auf Leistungen zugunsten von Beteiligten usw. Die Coupon-
steuer wurde per 1. Januar 2011 abgeschafft, allerdings werden die Altreser-
ven besteuert. Massgebend für die Bestimmung der Hàóhe von Altreserven ist
der Jahresabschluss per 31.12.2010. Sofern eine Besteuerung in den Jahren
2011 oder 2012 erfolgt, wird der Steuersatz von 496 auf 296 reduziert. Nach
dem 1. Januar 2011 entstandene Verluste kónnen nicht mit Altreserven ver-
rechnet werden.
Gemiss dem neuen, seit dem 1. Januar 2011 geltenden Steuerrecht, unterie-
gen in Liechtenstein steuerpflichtige juristische Personen, die wirtschaftlich
tätig sind, nur noch der Ertragssteuer und ergünzend der Grundstückgewinn-
steuer; auf die Erhebung einer Kapitalsteuer wird verzichtet. Die besonde-
ren Gesellschaftssteuern für Holding- und Sitzgesellschaften wurden unter
Beachtung der vorerwähnten Übergangsfrist von 3 Jahren für bestehende
juristische Personen abgeschafft. Zudem wurde die bisherige Couponsteu-
er abgeschafft. Die Steuerpflicht beschrünkt sich somit auf den steuerbaren
Reinertrag. Juristische Personen, welche als so genannte Privatvermógens-
strukturen (PVS) gelten, unterliegen lediglich der Mindestertragssteuer.
25 vgl. Art. 1063ff. PGR
Generell gilt, dass im Fürstentum Liechtenstein tätige Gesellschaften zudem
die Bestimmungen über die Mehrwertsteuer sowie die Sozialabgaben zu be-
achten haben. Da es nicht das Ziel dieser Arbeit ist, die genaue Berechnung
und Abwicklung der verschiedenen Steuerarten aufzuzeigen, sei an dieser
Stelle auf die entsprechende Gesetzes- bzw. Fachliteratur verwiesen.
4. Besonderheiten bei einer Anstalt
«Die liechtensteinische Anstalt ist eine Gesellschaftsform des Privatrechts
mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie hat mit den öffentlich-rechtlichen An-
stalten anderer Gesellschaftsordnungen nichts zu tun. Es handelt sich dabei
um ein verselbständigtes Vermögen, für deren Verbindlichkeiten nur dieses
selbst haftet. Es besteht eine eigene Rechtspersönlichkeit, jedoch keine Mit-
glieder, Teilhaber oder Anteilsinhaber.»24
«Die Anstalt ist eine Sonderrechtsform, die aufgrund ihrer Eigenart weltweit
auf Skepsis stösst. Insbesondere bestehen Bedenken hinsichtlich des ordre
public.»25 Die Anstalt des liechtensteinischen Rechts ist somit eine Rechtsfi-
gur, für die sich in den meisten Rechtsordnungen weltweit kaum etwas Ver-
gleichbares findet. Aus diesem Grund ist eine Sitzverlegung für eine liechten-
steinische Anstalt praktisch unmöglich. Sollte trotzdem an einer Verlegung
des Sitzes festgehalten werden, ist die Umwandlung der Gesellschaft in eine
andere Rechtsform, in der Regel in eine Aktiengesellschaft, unumgänglich.
Dies gilt im Übrigen auch für das Treuunternehmen, sofern es als Treuunter-
nehmen mit Persönlichkeit organisiert ist.
Für die Umwandlung einer Anstalt in eine Aktiengesellschaft ist erstens ein
entsprechender Beschluss des obersten Organs notwendig. Gleichzeitig ist in
der Regel das Grundkapital auf das für eine Aktiengesellschaft gesetzlich vor-
geschriebene Mindestkapital heraufzusetzen. Bei der Umwandlung einer An-
stalt in eine Aktiengesellschaft sind zudem insbesondere die Vorschriften über
die Form und den Inhalt der Statuten, über den Gegenstand des Unterneh-
mens, über die Gründerhaftung, über die Bar- oder Sacheinlagen und über die
Finlagepflicht wie bei der Gründung einer Aktiengesellschaft zu beachten.26
Da es nicht das Ziel dieser Arbeit ist, eine detaillierte Beschreibung der Um-
wandlung einer Anstalt in eine Aktiengesellschaft aufzuzeigen, sei an dieser
Stelle auf die entsprechende Gesetzes- bzw. Fachliteratur verwiesen.
24 Wagner, Jürgen, S. 68
25 Wagner, Jürgen, S. 74
26 vgl. Art. 291c PGR
5. Zusammenfassung
Die liquidationslose Sitzverlegung einer liechtensteinischen Verbandsperson
ins Ausland ist grundsätzlich möglich und in der entsprechenden Verordnung
gesetzlich geregelt.
Die gesetzlichen Vorschriften stellen den Schutz der Gläubiger in den Vorder-
grund. In der Praxis führt dies dazu, dass die Sitzverlegung der Liquidation ei-
ner Gesellschaft sehr nahe kommt. Dies wird noch dadurch unterstützt, dass
steuerrechtlich gesehen die Sitzverlegung einer Liquidation gleichkommt.
Zieht man dazu noch den administrativen Aufwand einer Sitzverlegung in
Betracht, stellt sich die Frage, ob eine Liquidation und Neugründung am
neuen Ort nicht die bessere Lösung darstellt. Eine Alternative zu diesem Vorge-
hen, insbesondere für Gesellschaften, welche ein nach kaufmännischer Art
geführtes Gewerbe betreiben, besteht darin, im Ausland eine Zweigniederlas-
sung, Tochtergesellschaft oder ähnliches zu errichten.
Für die Sitzverlegung spricht eigentlich lediglich noch der Umstand, dass
ein über Jahre aufgebautes Unternehmen, welches Wert auf Tradition legt
und dies auch als Geschäftsbasis einsetzt, nicht wieder neu beginnen muss.
Mit der Sitzverlegung bleibt die Tradition eines Unternehmens bis zu einem
gewissen Grad bewahrt.
Quellenverzeichnis
Rechtliche Grundlagen
Europäische Union (1999):
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amsterdam
Europäische Union (2001):
Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen
Gesellschaft (SE), Luxemburg
Fürstentum Liechtenstein (2001):
Personen- und Gesellschaftsrecht, Vaduz
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt Nr. 68 (2003):
Verordnung über die Sitzverlegung einer inländischen Verbandsperson
ins Ausland, Vaduz
Schweizerische Eidgenossenschaft (1987):
Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, Bern
Schweizerische Eidgenossenschaft (1937):
Handelsregisterverordnung, Bern
Wesentliche Literatur
Büchel, Horst:
Steuerrecht, Skript Hochschullehrgang Treuhandwesen der
Fachhochschule Liechtenstein, Schaan (2001)
Egli, Heinz:
Die Sitzverlegung juristischer Personen im internationalen Privatrecht,
Zürich (1965)
Meier-Hayoz, Arthur:
Sitzverlegungen juristischer Personen von und nach der Schweiz,
Zürich (1958)
Prast, Peter:
Anerkennung liechtensteinischer Gesellschaften im Ausland,
St. Gallen (1996)
Steuer Revue Nr. 2/2000:
Die unabhängige Fachzeitschrift für das gesamte Steuerwesen,
Muri bei Bern (2000)
Steuer Revue Nr. 5/2001:
Die unabhängige Fachzeitschrift für das gesamte Steuerwesen,
Muri bei Bern (2001)
Wagner, Jürgen:
Gesellschaftsrecht in der Schweiz und in Liechtenstein, 2. Auflage,
München (2000)
Das Allgemeine Treuunternehmen
Das Allgemeine Treuunternehmen (ATU) ist eines der ersten und führenden
Treuhandunternehmen Liechtensteins.
Seit über 80 Jahren bieten wir unseren Kunden Beratung und Betreuung im
regionalen und internationalen Treuhand- und Gesellschaftswesen. Gemein-
sam mit unseren Kunden entwickeln wir Lösungen, die auf ihre persönlichen
Verhältnisse und Bedürfnisse abgestimmt sind. Für die Umsetzung stellen wir
eine breite Palette von Dienstleistungen zur Verfügung.
Schwerpunkte unserer Beratung sind die Strukturierung, der Schutz und die
Anlage von Vermögenswerten sowie Nachfolgeplanung für Privatpersonen
und Unternehmen. Dazu steht uns beim Hauptsitz im Fürstentum Liechten-
stein sowie bei unseren Tochterfirmen in aller Welt ein Netzwerk internatio-
naler Experten zur Verfügung.
Das ATU ist im Fürstentum Liechtenstein verwurzelt und fühlt sich seiner
Tradition, seiner liberalen Wirtschaftspolitik und seiner Kultur verbunden.
Zugleich ist das ATU ein weltoffenes und modernes Unternehmen, das auf
ein gut ausgebautes Netzwerk von Partnern in den wichtigen Finanzzentren
zurückgreifen kann. So schaffen wir für unsere Kunden die Rahmenbedin-
gungen, die nötig sind, um die individuellen Bedürfnisse zu verstehen und
— darauf basierend — die richtigen Lösungen zu erarbeiten.
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August 2012