Mitteilungen
Nr. 70 März 2009
«Ein
gemeinsames
Bewusstsein
für die Zukunft
des Landes
schaffen»
Regula Mosberger ist Ende
vergangenen Jahres als
Geschäftsführerin der LGU
zurückgetreten. Ihre Stelle hat
Moritz Rheinberger übernom-
men. Er leitet neu gemeinsam
mit Präsident Hansjörg Hilti die
Geschicke der LGU.
Interview: Patrick Stahl
Hansjörg, du hast im April 2008 das Amt
des Präsidenten der LGU übernommen.
Was hat dich dazu motiviert?
Hansjörg: Ich sass schon voT etwa 20
Jahren einmal im Vorstand der LGU und
war Immer Mitglied, weil ich überzeugt
bin, dass die LGU eine wichtige unver-
zichtbare Aufgabe in unserem Land wahr-
nimmt. Ich bin motiviert, an zukunftsfähi-
gen Lösungen mitzuarbeiten.
Regula Mosberger ist Ende vergangenen
Jahres als Geschäftsführerin zurückgetre-
ten. Welche Spuren hat sie bei der LGU
hinterlassen?
Hansjörg: Regula hat während fünf Jah-
ren ausgezeichnete Arbeit geleistet und
die Geschäftsstelle kompetent geführt,
auch als die Stelle des Präsidenten längere
Zeit vakant war. Sie war in ihrer Funktion
als Geschäftsführerin auch bei den Be-
hörden und der Politik anerkannt. Ich war
Hansjörg Hilti, seit Mai 2008 LGU-Präsident
zunächst erschrocken, als Regula Anfang
Oktober 2008 ihre Kündigung einreichte,
um sich beruflich und privat neu zu orien-
tieren. Drei Wochen nach der Kündigung
ereignete sich dann der tragische Ver-
kehrsunfall. Ich wünsche Regula, dass sie
diese schwierige Zeit gut übersteht und
bald wieder nach vorne blicken kann.
Moritz, du hast im Dezember die Stelle als
Geschäftsführer von Regula Mosberger
übernommen. Wie ist dein Interesse für
den Umweltschutz entstanden?
Moritz: Meine Eltern haben schon in mei-
ner Jugend sehr viel mit mir und meinen
Geschwistern in der Natur unternommen.
Umweltschutz war bei uns immer wichtig.
So habe ich Umweltnaturwissenschaften
an der ETH Zürich studiert. Für diese Stelle
habe ich mich beworben, weil Umwelt-
und Klimaschutz für unser Land enorm
wichtig ist — gerade für die heutige
Jugend und kommende Generationen.
2 Interview
Welche Ziele hast du dir gesteckt?
Moritz: Ich möchte vor allem mitgestal-
ten. Es liegt mir sehr am Herzen, dass
unser Land In den Bereichen Raument-
wicklung und Verkehrsplanung zukunfts-
fähige Lösungen erreicht. Zusätzlich ist es
mir ein Anliegen, dass sich speziell junge
Leute stärker für den Schutz der Umwelt
interessieren und sich in der LGU engagie-
ren. Die LGU soll nicht blosse Interessen-
politik betreiben, sondern sich dafür ein-
setzen, dass Umweltschutz und Wirtschaft
möglichst harmonieren.
Hansjörg, hast du das Gefühl, dass die
LGU die jungen Leute bisher zu wenig für
Umweltschutz angesprochen hat?
Hansjörg: Meine Generation hat sich
vor 20 bis 30 Jahren zum ersten Mal
ernsthaft mit Umweltschutz beschäftigt.
Waldsterben und Rheinkraftwerke waren
dominante Themen, die die Bevölkerung
für Umweltschutz sensibilisiert haben.
Es ist aber leider nicht gelungen, dieses
Bewusstsein auf die nächste Generation
zu übertragen. Ich bin deshalb froh, dass
wir mit Moritz einen Vertreter der jungen
Generation als neuen Geschäftsführer
gefunden haben. Ich begrüsse es, dass
wir in diesem Bereich einen Neuanfang
machen und neue Wege finden, unsere
Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen.
Ich denke, dass der Begriff Umweltschutz
heute zu kurz greift. Es geht vielmehr um
Umweltgestaltung und unter anderem da-
rum, dass wir Sorge tragen um die knapp
verfügbare Siedlungsfläche.
Ein heisses Thema ist die Nordumfahrung
Schaan. Warum bekämpft ihr dieses Pro-
jekt über alle Instanzen hinweg?
Hansjörg: Wir sind der Überzeugung,
dass die Nordumfahrung Schaan, insbe-
sondere die zweite Etappe des Projekts,
sehr starke negative Einflüsse auf die Um-
welt hat. Die Regierung hat sich unserer
Ansicht nach einen Trick erlaubt, indem
sie die Nordumfahrung In zwei Teile
zerlegt und damit die Umweltverträglich-
keitsprüfung vereinfacht hat. Ich denke
es ist die Pflicht der LGU dies in Frage zu
stellen. Wir würden den Industriezubrin-
ger sicher nicht verhindern wollen, wenn
die Bevölkerung das Projekt mittragen
würde. Wir sehen uns auch der Schaaner
Bevölkerung verpflichtet, die das Projekt
zweimal an einer Befragung abgelehnt
hat. Abgestützt auf den Verkehrsrichtplan
aus den 90er Jahren ist der Industriezu-
bringer zur Landstrasse deklariert und die
Entscheidung an die Regierung delegiert
worden, sodass die Schaaner Bevölkerung
keine direkte Mitsprache mehr hat.
Seid ihr grundsätzlich gegen jegliches
Wachstum?
Moritz: Natürlich nicht. Wir müssen uns
aber vor Augen halten, dass wir täglich
500 Quadratmeter Grünfläche verbauen.
Wenn wir so weitermachen, ist bald nicht
mehr viel übrig. Wir hinterfragen deshalb
grosse Projekte wie die Nordumfahrung
Schaan. Die Politik hält gerne allzu lange
an überholten Konzepten fest. Die Nord-
umfahrung Schaan wurde beispielsweise
vor etwa 30 Jahren zum ersten Mal disku-
tiert. Seither haben sich die Rahmenbedin-
gungen stark verändert. Trotzdem glaubt
die Politik nach wie vor, dass neue Stras-
sen das Verkehrsproblem lösen können.
Es ist erwiesen, dass mehr Strassen auch
mehr zusätzlichen Verkehr verursachen.
Hier müsste die Politik nochmals über die
Bücher gehen und sich fragen, ob andere
Ideen wie ein betriebliches Mobilitätsma-
nagement nicht sinnvoller wären.
Hansjörg: Unsere kritische Haltung zum
Strassenbau hängt auch damit zusammen,
dass wir in Zukunft dazu gezwungen sind,
die Abhängigkeit von fossilen Brennstof-
fen zu reduzieren. Das globale Ölförder-
maximum (Peak Oil) ist entweder schon
erreicht oder steht kurz bevor. Mittelfristig
wird uns das Benzin also ausgehen. Die
Investitionen müssen heutzutage in den
öffentlichen Verkehr fliessen.
Welches alternative Verkehrsmittel wäre
am besten geeignet?
Hansjörg: Wir sind der Ansicht, dass das
öffentliche Verkehrsnetz in Liechtenstein
stark verbessert werden könnte und sind
offen für verschiedene Möglichkeiten.
Das Tram könnte unserer Ansicht nach
den Bus unterstützen. Das Tram ist gesell-
schaftlich akzeptiert und weniger kos-
tenintensiv wie eine Hochbahn oder ein
unterirdisches Verkehrsmittel. Das Beispiel
der Dampfleitung von Buchs nach Schaan
zeigt, dass Politik und Behörden sehr rasch
handeln können, sofern der Wille vorhan-
den ist. Ein beherztes Handeln wünschen
wir uns auch in der Verkehrspolitik.
Moritz: Die Politik hat es in den vergan-
genen Jahren versäumt, den Zusammen-
hang zwischen Verkehr und CO2-Emis-
sionen herzustellen. Unser Land ist enorm
stark motorisiert und der Verkehr verur-
sacht rund ein Drittel unserer gesamten
Emissionen. Aber anstatt den Hebel beim
Verkehr anzusetzen, unterstützen wir
Projekte im Ausland, um unsere Verpflich-
tungen aus dem Kyoto-Prokoll zu erfüllen.
Dieser Weg geht in die falsche Richtung.
Hansjörg: Auch im Baubereich könnte
der Energieverbrauch massiv gesenkt wer-
den, indem wir neue Gebäude optimal
isolieren und den Bestand an Altbauten
sanieren. Voraussetzung ist, dass wir
diese Ziele und Massnahmen per Gesetz
festlegen und einfordern. Ich glaube, dass
Fördermassnahmen allein nicht genügen.
Warum tut sich die LGU so schwer, mit
ihren Argumenten in der Politik und der
Öffentlichkeit zu punkten?
Moritz: In Liechtenstein konnten wir es
uns bisher leisten über unseren Verhältnis-
sen zu leben, weil das Wohlstandsniveau
hoch ist. «Erst kommt das Fressen, dann
die Moral», heisst eine Redewendung. Die
LGU kann die Öffentlichkeit nicht durch
Moralisieren für ihre Anliegen gewinnen,
sondern muss noch mehr die konkreten
Vorteile des Umweltschutzes für den Ein-
zelnen und die Allgemeinheit aufzeigen.
Die LGU wird aber oft als Verhinderer be-
trachtet
Hansjörg: Natürlich würden wir uns
wünschen in der Öffentlichkeit positiver
wahrgenommen zu werden. Wir haben
aber auch die Pflicht, die Anliegen unserer
600 Mitglieder zu vertreten und immer
dort den Fuss zwischen die Türe zu halten,
wo die Umwelt geschädigt wird. Wir kön-
nen nicht einfach wegschauen, wenn Ins-
titutionen und Gruppierungen das Gefühl
haben, sie könnten tun und lassen was
sie wollen. Wir sind uns im Vorstand aber
einig, den Fokus noch stärker auf die Um-
weltgestaltung und die Zusammenarbeit
mit den Behörden zu legen.
Inwiefern ?
Moritz: Wir haben beispielsweise mit
der Gemeinde Schaan ein Pilotprojekt
gestartet, um die Flachdachbegrünung
zu fördern. Die Idee ist, Grünflächen, die
ebenerdig verbaut werden, auf dem
Flachdach zu ersetzen, um Lebensraum
für Flora und Fauna zu bieten. Gleichzeitig
kann die Flachdachbegrünung auch die
Isolation eines Gebäudes verbessern. Die
Humusschicht auf dem Dach hält zudem
das Regenwasser zurück, sodass die
Kläranlagen weniger stark belastet wer-
den. Wir glauben, dass Flachdachbegrü-
nung in Kombination mit Photovoltaikan-
lagen ein enormes Potenzial haben.
Welche weiteren Themen stehen 2009
auf der Agenda?
Moritz: Die LGU hat den Vorsitz der
CIPRA Liechtenstein inne und veranstaltet
in diesem Jahr die jährliche Fachtagung.
Die Tagung findet vom 17. bis 19. Sep-
tember 2009 in Gamprin statt und befasst
sich mit der — etwas ketzerischen — Frage:
«Ohne Wachstum keine Zukunft?»
Anhand von Bereichen wie Raumentwick-
lung, Verkehr und Tourismus wollen wir
gemeinsame Lösungen erarbeiten.
Widersprechen sich Wachstum und
Umweltschutz?
Moritz: Nicht zwangsläufig. Ein unge-
bremstes Wachstum steht natürlich im
Widerspruch zum Umweltschutzgedan-
ken. Wenn ständig Grünflächen verbaut
werden, konkurrenziert dies mit unserem
Anliegen, den natürlichen Lebensraum zu
erhalten. Es gibt aber auch nachhaltige
Formen des Wachstums, wie etwa die
Förderung von alternativer Energie.
Wenn ihr fünf Jahre in die Zukunft blickt,
welche Erfolge zugunsten des Umwelt-
schutzes erhofft ihr euch für die LGU?
Hansjörg: Mein persönlicher Wunsch ist,
dass wir zusammen mit den Behörden
und der Gesellschaft ein gemeinsames
Bewusstsein für die Zukunft des Landes
schaffen und konkrete Ziele festlegen, wie
sich Liechtenstein weiterentwickeln soll.
Moritz: Wir müssen neue und zukunfts-
fähige Lösungen für die Raumentwicklung
und Verkehrsplanung finden. Beide Be-
reiche werden die Zukunft unseres Landes
massgeblich beeinflussen. Hier werden
wir wir bald vor ernsthaften Problemen
stehen. Wir können unseren Wohlstand
langfristig nur absichern, indem wir die
Siedlungsfläche optimal nutzen und im
Verkehrsbereich neue Lösungen finden.
Moritz Rheinberger,
seit Dezember 2008
LGU-Geschäftführer
Eine Nordspange oder
4 Verkehr zwei unabhängige Etappen?
Von Moritz Rheinberger
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) billigt mit seinem Urteil die
nachträgliche Aufteilung des Projekts Nordspange Schaan in zwei
Etappen kurz vor dem Ende des entsprechenden UVP-Verfahrens.
Wird dieses Urteil durch den Staatsgerichtshof bestätigt, können
in Zukunft Bauvorhaben vom Projektträger beliebig aufgeteilt
werden - solange bis die Umweltverträglichkeit eines Teilprojekts
gegeben ist. Mit der Beschwerde beim Staatsgerichtshof wehrt
sich die LGU gegen dieses Vorgehen.
Seit über 30 Jahren ist die Nordumfah-
rung in Schaan im Gespräch und sorgt
für Emotionen. Nachdem sie von der
Schaaner Bevölkerung bereits zweimal
abgelehnt worden war, wurde das Projekt
dem Land übergeben. Ziel ist es, die Quar-
tierstrassen sowie die Lindenkreuzung
vom Durchgangsverkehr zu entlasten.
Tatsächlich wird der Industriezubringer
diese Entlastung jedoch nicht gewährleis-
ten können. Denn es ist erwiesen, dass
mehr Strassen mehr Verkehr anziehen. Im
Hinblick auf die Südumfahrung Feldkirch
und die weiteren geplanten Strassen in
Liechtenstein öffnen wir dem Mehrver-
kehr Tür und Tor. Ist Liechtenstein bereit,
diesen Mehrverkehr uneingeschränkt und
mit all seinen Auswirkungen wie Landver-
brauch, Luftverschmutzung, Lärm, zusätz-
lichem CO2-Ausstoss und neuen Staus
aufzunehmen? Schon heute haben wir
regelmässige Überschreitungen der Grenz-
werte zur Luftreinhaltung zu ertragen.
Das Verfahren in Kürze
Die Umfahrungsstrasse „Nordspange
Schaan" ist im Verkehrsrichtplan der Ge-
meinde Schaan als Gesamtprojekt rechts-
kräftig und damit behördenverbindlich
verankert. Auf dieser Grundlage wurde
auch der Rahmen für die Umweltver-
träglichkeitsprüfung im Einverständnis
mit den beschwerdeberechtigten Or-
ganisationen verbindlich festgelegt. So
war im Juni 2005 in der massgebenden,
den Untersuchungsrahmen definieren-
den Entscheidung der Regierung zum
Untersuchungsrahmen der Umweltver-
träglichkeitsprüfung die Rede vom Projekt
„Nordspange Schaan 1. und 2. Etappe".
Dessen ungeachtet hat die Regierung das
Projekt im März 2007 aufgeteilt und
vorerst nur über die Umweltverträglichkeit
der ersten Etappe entschieden. Nach einer
ersten erfolgreichen Beschwerde gegen
diesen Entscheid beim Verwaltungsge-
richtshof wechselt der Sprachgebrauch
der Regierung im zweiten Entscheid vom
Juli 2008 von der Nordspange Schaan hin
zum Industriezubringer Schaan.
Die Wirkung des Industriezubringers
Der Bericht der Umweltverträglichkeits-
prüfung für die Umfahrungsstrasse enthält
Prognosen über die erwartete Wirkung
des Industriezubringers. Spürbar weniger
Verkehr an der Lindenkreuzung ist durch
den Industriezubringer nicht zu erwarten.
Einzelne Strassenabschnitte der Wohn-
quartiere werden kurzfristig eine Entlas-
tung erleben. Aber wegen der Zunahme
des Autoverkehrs werden die Quartiere
bereits in wenigen Jahren wieder ähnlich
oder noch höher belastet sein als heute.
Verkehr 5
Das Ziel, die Wohnquartiere dauerhaft zu
entlasten, wird durch die Umfahrungs-
strasse nicht erreicht.
Es zeigt sich deutlich, dass das eigentliche
Problem, nämlich die Belastung durch den
stetig zunehmenden Autoverkehr in Liech-
tenstein, mit neuen Strassen nicht gelöst
werden kann. Tatsache ist aber auch,
dass bei der Berechnung der zukünftigen
Verkehrsbelastungen in Schaan der sich
im Bau befindende Lindenkreisel nicht
berücksichtigt wurde.
Was ist aus Sicht der LGU eine sinn-
volle Lösung?
Wir werden aufgrund des wachsenden
Ungleichgewichts zwischen Angebot und
Nachfrage des Erdöls schon in den nächs-
ten 10-30 Jahren mit einer immensen
Verteuerung der Energie konfrontiert sein.
Es ist daher weder ökologisch noch öko-
nomisch sinnvoll, zum heutigen Zeitpunkt
Millionen von Franken in den Strassenbau
zu investieren. Es gibt eindeutig bessere
Alternativen. Mit dem Ausbau der S-Bahn-
Linie Feldkirch-Buchs, einem intelligentem
betrieblichem Mobilitätsmanagement und
der Einsicht, dass nicht jede Strecke mit
dem eigenen Auto zurückgelegt werden
muss, können die Verkehrsstaus zu den
Spitzenzeiten entschärft werden. Diese
Lösung schont die Luft und verbessert das
Klima. Ein Drittel des CO2-Ausstosses in
Liechtenstein stammen aus dem Verkehr.
In den Alpen sind wir das Autoland Num-
mer 1, und zwar nicht nur was die Anzahl
Autos pro Kopf betrifft, sondern auch was
den CO2-Ausstoss von Neuwagen angeht.
Was es zur Lösung des Verkehrsproblems
braucht, ist die Bereitschaft der Bevölke-
rung einen Wandel mit dem Umgang des
Autos zu vollziehen, der früher oder spä-
ter zwangsweise kommen wird. Wer jetzt
handelt, verschafft sich und kommenden
Generationen einen Wettbewerbsvorteil.
Regierung und Gemeinde möchten die
Nordspange in zwei Etappen aufteilen
und die Umweltverträglichkeit getrennt feststellen
. Da sich die Umweltauswirkung
der gesamten Nordspange deutlich von
der Wirkung der einzelnen Etappen
unterscheidet, setzen sich LGU und VCL
für eine Gesamtbetrachtung ein.
Der zeitliche Überblick des Verfahrens
zeigt, dass LGU und VCL stets rasch
reagiert haben. Der Zeitaufwand von LGU
und VCL ist hellgrau markiert.
6 Naturschutz
An diesem Standort in Eschen haben sich einzelne Sträucher
des Essigbaums innert kürzester Zeit über Wurzeltriebe zu einem
monotonen Dickicht vermehrt.
Mit einem radikalen Rückschnitt über mehrere Jahre kann eine
weitere Verbreitung verhindert werden.
Blinde Passagiere und
verheissungsvolle Mitbringsel
Von Oliver Bettin
Ob absichtlich oder zufällig mit-
gereist, immer häufiger stellen
neu eingebrachte Organismen
eine direkte Gefährdung für
unsere natürliche Vielfalt an
Pflanzen und Tieren dar. So gel-
ten Neueinwanderer heute gar
als zweitwichtigste Ursache für
den weltweiten Artenschwund.
Auch in Liechtenstein spitzt sich
die Situation zu.
Die neue Gartensaison steht vor der Tür.
Voller Tatendrang und Vorfreude machen
sich landauf landab Gartenbesitzer Ge-
danken darüber, was dieses Jahr Neues
angepflanzt werden soll. Raritäten und
Neueinführungen stehen hoch im Kurs.
Das Sortiment der Gärtnereien wird von
Jahr zu Jahr grösser. Immer mehr Pflan-
zenarten finden auf diesem Weg eine
neue Heimat bei uns. Die meisten dieser
sogenannten Neophyten sind nicht ideal
an unser Klima angepasst. Sie überleben
und gedeihen nur wohl behütet unter ste-
ter Pflege durch ihre Besitzer. Unter ihnen
befinden sich jedoch auch invasive Arten,
im Schnitt jede zehnte Art. Invasiv bedeu-
tet, die Arten finden optimale Bedingun-
gen bei uns vor, verwildern und etablieren
sich dauerhaft in der freien Natur. Treten
sie in hoher Individuendichte auf, so
stehen sie in direkter Konkurrenz zu un-
serer ursprünglichen Flora — ökologische,
gesundheitliche und/oder ökonomische
Schäden sind die Folge. Beispiele gibt es
genügend. Allseits bekannt: Die Kanadis-
che Goldrute oder der Riesenbärenklau,
bei uns auch Riesenkerbel genannt. Aber
auch weniger bekannte Arten wie das
Kleine Springkraut oder das Einjährige Be-
rufskraut sind bereits landesweit anzutref-
fen. Pflanzen mit exotisch klingenden
Namen wie Topinambur haben sich längst
bei uns etabliert und hören auf Namen
wie Erdbirne oder Rosserdapfel. Altbe-
kannte Arten finden sich auf der Schwar-
zen Liste der Schweiz wieder. Sie stam-
men ursprünglich aus fernen Ländern und
gelten als hochgradig invasiv. Zu ihnen
gehören auch Essigbaum, Mahonie und
Runzelblättriger Schneeball. Eine der wohl
beliebtesten Gartenpflanzen überhaupt,
der Kirschlorbeer, stammt ursprünglich
aus Kleinasien und breitet sich bereits im
Tessin unkontrolliert in der Natur aus.
„Böse" Pflanzen sind nichts Neues
Neophyten zählen schon seit Jahrhunder-
ten zu unserer Flora. Vor allem mit der
Entdeckung von Amerika im Jahr 1492
und dem zunehmenden Handel öffnete
man Pflanzen sowie anderen Organismen
Tür und Tor. Im Bereich des Ackerbaus
beispielsweise wurden in der Folgezeit
gezielt die unterschiedlichsten Nutzpflan-
zen nach Europa eingeführt. Die meisten
dieser Arten sind auf offene Ackerböden
und die Vermehrung durch den Menschen
angewiesen. In der Natur sind sie nur
wenig überlebensfähig. Aber auch ökolo-
gisch problematische Neophyten fanden
schon früh den Weg zu uns. Florenwerke
des 17. Jahrhunderts bezeugen, dass die
aus Nordamerika stammende Kanadische
Goldrute schon damals wild in Europa
vorkam. In Liechtenstein konnte man
heute als invasiv geltende ATten wie den
Sommerflieder oder den Japanischen
Naturschutz 7
Die Goldrute verdrängt
einheimische Pflanzen aus
ihrem Lebensraum, hier
am Rheindamm.
Mit einem regelmässigen
Rückschnitt oder dem
Auszupfen einzelner Ruten
mit den unterirdischen
Rhizomen kann die Gold-
rute entfernt werden. Die-
se Massnahme muss über
mehrere Jahre konsequent
durchgeführt werden.
Staudenknöterich bereits in den 50er
bis 70er Jahren erstmals antreffen. Voll-
kommen neu und künstlich an diesem
Vorgang ist hingegen die Häufigkeit und
die immer grösser werdende Distanz,
über welche Flora und Fauna verschleppt
werden. Die Funktion natürlicher Aus-
breitungsbarrieren wird ausser Kraft ge-
setzt. Alleine in der Schweiz haben sich bis
heute über 400 eingeführte Pflanzenarten
in der Natur etabliert, ein Grossteil davon
alleine in den letzen drei Jahrzehnten.
Gelbe Goldrute statt Blauer
Schwertlilie
In Naturschutzgebieten und Naturvor-
rangflächen, also in Gebieten mit einem
hohen Anteil seltener Pflanzen- und
Tierarten, stellen Neophyten eine beson-
dere Bedrohung für unsere ursprüngliche
Artenvielfalt dar. Ganz besonders zeigt
sich dies am Beispiel der Kanadischen und
Spätblühenden Goldrute. Erst Anfang des
20. Jahrhunderts wurden sie in Liechten-
stein als Gartenzierpflanzen eingeführt,
doch bereits heute haben sie sich im Tal-
raum über das ganze Land ausgebreitet.
Mehrjährigen pflanzenkundlichen Aufnah-
men im Naturschutzgebiet Ruggeller Riet
zufolge, haben sich die beiden Arten in
zahlreiche Flächen ausgedehnt und sind
weiterhin in Ausdehnung begriffen.
Durch die stellenweise Bildung dichter
Dominanzbestände verdrängen sie immer
mehr die ursprüngliche und bedrohte
Flachmoorvegetation.
Gesundheitliche Risiken
Neben den ökologischen Problemen stel-
len einige Neophyten gar ein potenzielles
Gesundheitsrisiko für den Menschen dar.
Das Aufrechte Traubenkraut, ebenfalls ein
Neuankömmling aus Nordamerika, kam
bisher nur sporadisch in Liechtenstein vor.
Die Pollen lösen starke Allergien und Asth-
ma aus. Häufiger anzutreffen und derzeit
recht stark in Ausbreitung begriffen ist der
Riesenbärenklau. Toxische Reaktionen in
den Blättern führen bei Berührung unter
Sonneneinstrahlung zu starken Verbren-
nungen. In der Vergangenheit wurde der
Riesenbärenklau häufig in der Nähe von
Bienenstöcken gefunden. Die Vermutung
liegt nahe, dass die Pflanze als Bienenwei-
de bei uns eingeführt wurde.
Und was kann Liechtenstein
unternehmen?
Viele Neophyten sind heute als fester
Bestandteil der Liechtensteinischen Flora
anzusehen. Massnahmen zur umfassen-
den Bekämpfung eingeführter Arten mit
ökologischen, ökonomischen oder gar
gesundheitsschädigenden Auswirkungen
sind in vielen Fällen schlichtweg nicht
mehr möglich. An vorderster Stelle aller
Bekämpfungsmassnahmen ist deshalb
die Frage nach der Sinnhaftigkeit zu nen-
nen. Aufgrund dieser Voraussetzungen
und einer Abwägung des finanziellen
Aufwands mit den zu erreichenden Zielen
Ist beispielsweise eine landesweite Bekäm-
pfung der Goldrute als wenig sinnvoll zu
erachten. Eine Neuansiedlung durch ein-
fliegende Pollen dieser weit verbreiteten
Art würde Innert kürzester Zeit jegliche
Bekämpfungsmassnahme vergebens er-
scheinen lassen. Im Gegensatz hierzu kön-
nen Massnahmen in Naturschutzgebieten
und Naturvorrangflächen durchaus ge-
rechtfertigt sein. Immer häufiger erreichen
uns Meldungen aus dem nahen Ausland
über zwar arbeitsintensive aber durchaus
erfolgreiche Bekämpfungsmassnahmen,
gerade bei Goldruten in Feuchtgebieten.
Zudem könnten im Bereich der gesund-
heitsschädigenden und zum Teil noch
recht wenig weit verbreiteten Arten Kon-
zepte zur Bekämpfung mit verhältnismäs-
sig wenig finanziellem Aufwand erfolg-
reich durchgeführt werden. Doch die Zeit
drängt. Mit der Erarbeitung des Berichtes
„Neobiota im Fürstentum Liechtenstein"
im Jahr 2006 sind sehr gute Grundlagen
geschaffen worden. Nun wäre es an der
Zeit, die mit der Unterzeichnung des Über-
einkommens über die biologische Vielfalt
der Vereinten Nationen im Jahr 1998 ein-
gegangene Verantwortung wahrzuneh-
men. Im Rahmen eines Aktionsplans sind
sinnvolle Massnahmen festzulegen und
umzusetzen.
Was ich konkret für die Umwelt tue? Nachhaltiges Wirtschaften, so arbeiten und leben,
dass unsere Kinder und Kindeskinder auch unter optimalen Umweltbedingungen
leben können! Ich will kleine Beiträge dazu leisten, auch solche, die ich kaum spüre: mit
Energiesparlampen im Haus, mit Wassersparen z.B. auch beim Zähneputzen, mit
dem Einkaufen von Produkten, die nach ökologischen Kriterien hergestellt und zu fairen
Preisen gehandelt werden, mit der Bildung von Fahrgemeinschaften beim Besuch
von Veranstaltungen, mit Zugfahrten für weitere Strecken statt mit dem Auto.
Ich nehme mir vor, mehr mit dem Postauto zu fahren, und freue mich jeweils über
zufällige Begegnungen im Bus. Ganz wichtig sind mir aber die Sensibilisierung der
Jugendlichen im Unterricht und das Engagement in NGOs für unsere Mit- und Umwelt.
Josef Biedermann, LGU-Vizepräsident 1978 bis 1985
Mein Tipp für die Umwelt:
Um ein Naherholungsgebiet zu erreichen, prinzipiell
mit dem Postauto fahren oder gleich zu Fuss starten.
Das Postauto bietet neben dem umweltschonenden
Aspekt den persönlichen Vorteil, in der Wanderroute
flexibel zu sein. Man kann den Weg nach Lust und Laune
variieren, weil man nicht zurück zum Auto muss.
Wer es einmal ausprobiert, wird schnell auch Gefallen an
der Entschleunigung finden: auf einem Bänkchen sitzen
und nichts tun, ausser aufs Postauto zu warten.
Barbara Rheinberger, LGU-Präsidentin 1993 bis 1999
Ein für mich wichtiger Beitrag zu einer intakten Umwelt ist, mein tägliches Handeln
zu hinterfragen und auf Umweltverträglichkeit zu überprüfen. So achte ich u.a. beim
Einkauf möglichst auf regionale und umweltfreundliche Produkte. Ich bemühe
mich, mein sparsames Auto pro Woche ein bis zweimal regelmässig in der Garage
stehen zu lassen und immer öfter die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.
Fast alle Glühlampen in unserem Haus wurden durch Energiesparlampen ersetzt
und zur Unterstützung erneuerbarer Energien haben wir vor ein paar Jahren eine
Photovoltaikanlage eingerichtet. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels und
der beschränkten fossilen Ressourcen versuche ich weitere kleine Schritte zu gehen.
Silvy Frick-Tanner, LGU-Präsidentin 1999 bis 2005
Für unsere Umwelt
8 Umwelt
Liechtensteinische Gesellschaft für
Umweltschutz
Im Bretscha 22 • 9494 Schaan • Liechtenstein • Telefon +423 232 52 62
www.lgu.li E-Mail info@lgu.li