Berufsmaturitätsschule Liechtenstein
Satire in Liechtenstein
Eine Gratwanderung zwischen Selbstironie und Diskreditierung
Interdisziplinäre Projektarbeit
Autor: Leon Schädler
Betreuende Lehrperson 1 (Deutsch): Wilfried Müller
Betreuende Lehrperson 2 (Recht und Wirtschaft): Miriam Calörtscher
Vaduz, 06.03.2017
„Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist
schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.":
Zitat von Dr. jur. Kurt Tucholsky (1890-1935), deutscher Schriftsteller, Journalist,
Satiriker, Kritiker und Juris.? Tucholsky gilt als einer der bekanntesten
deutschsprachigen Satiriker des vergangenen Jahrhunderts. Als unerschrockener
Vorreiter des radikalen Sozialismus bekámpfte er unermüdlich den Nationalsozialismus,
Krieg, Missstánde in der Justiz aber auch das Bürgertum und Vorurteile.? 1933 wurden
seine Bücher in Deutschland verboten, ihm selbst wurde die deutsche
Staatsbürgerschaft entzogen, woraufhin er gezwungen war, ins Exil zu flüchten.
1Zitat Kurt Tucholsky im Berliner Tagblatt vom 27.01.1919, zefys.staatsbibliothek-berlin.de, (05.11.2016).
2Normeintragung Kurt Tucholsky, www.swb.bsz-bw.de, (05.11.2016).
3Biografie Kurt Tucholsky, www.munzinger.de, (05.11.2016).
Abstract
Aufgrund jüngster Begebenheiten rückte der Begriff „Satire“ im Fürstentum
Liechtenstein ins Zentrum des Öffentlichen Interesses, was den Anlass für diese Arbeit
gab. In der nachfolgenden interdisziplinären Projektarbeit werden grundlegend zwei
Fragen behandelt, welche Auskunft über die Einstellung der liechtensteinischen
Bevölkerung hinsichtlich „Satire“ geben sollen. Der erste Punkt widmet sich der Frage,
wie die Liechtensteiner bezüglich Satire grundsätzlich eingestellt sind, welchen
Stellenwert sie ihr zukommen lassen und welche Wichtigkeit sie in ihr sehen. Zweiter
Punkt befasst sich mit der Frage, ob die Liechtensteiner Themen und Werte kennen,
hinsichtlich derer sie einseitig gesinnt sind und unduldsam auf etwaige Kritik selbiger
reagieren. Um diese beiden Fragen zu klären, erfolgte eine doppelte Überprüfung,
welche aus einem Interview mit einem Experten auf dem Gebiet der Satire in
Liechtenstein und einem vom Autor durchgeführten Experiment bestand. Wie aus dem
Interview hervorging, lässt sich das Satireverständnis der Liechtensteiner beschreiben
und auch hinsichtlich allfälliger Tabuthemen lieferte das Interview Auskunft. Das
Experiment hingegen bestand aus zwei satirischen Filmen, die einem breiten Publikum
zugänglich gemacht wurden und mit denen allfällige Tabuthemen eruiert werden sollten.
Die Auswertung des Experiments erfolgte aufgrund von Beobachtung der Resonanz im
Netz, als auch durch eine Umfrage. Ziel der Umfrage war es, ebendiese Tabuthemen
ausfindig zu machen sowie einen Eindruck vom Satireverständnis der Liechtensteiner
im Allgemeinen zu gewinnen. So lassen die Ergebnisse dieses Experiments erkennen,
dass die Liechtensteiner ein zwar aufgeschlossenes Satireverständis haben, jedoch
lassen sich auch Tendenzen hinsichtlich bestimmter Themen und Werte erkennen, bei
denen die Liechtensteiner keinen Spass verstehen. Die Ergebnisse des Interviews und
des Experiments decken sich grösstenteils, womit die Frage nach dem Stellenwert der
Satire in Liechtenstein grösstenteils beantwortet wird und auch hinsichtlich der
Tabuthemen liessen sich einige kollektiv empfundenen Grenzen feststellen.
Inhaltsverzeichnis
Lulu gar M —M—— 5
ii —————— 6-8
1 Was ist ———————P——— 9-23
MITT [oT e RM 9-12
IA TETTE MEME 13-21
1.2.1 Literarische Satire ................... eese esent nnn inna nn 13-17
1.2.2 Bildliche Satire ..................... sees ssi nn nnn 17-19
1.2.3 DarstellenQ@ SALÎTE .…..….….….…nsserrasmentanentenentenentennentanentannentannentannentanen nan ss 20-21
1.3 TNEMEN MM 22-23
2 Kurze Geschichte der Satire ——— smssnssanensas 24-27
PME CHE 24-25
2.2 Mittelalter PPR 25-26
PASEAR 26-27
3 Satire in Liechtenstein —————————— 28-35
3.1 SatirelanAdSCNAft ….…....…..........rrrsesrrrserrase eee eee 28-31
3.2 Rechtliche Aspekte ……………..….….…........ccccrrrrersenaere eects errr ee ae essa 32-35
4 Selbstironie oder Diskreditierung? ............................................ cernere neeeennn 36-57
4.1 Forschungsfrage ............. sse enne nnne nennen nennen nnne ener nennen nns 36
EMIT REM een ere 37-38
4.3 Überprüfung .........sssssssssesstetetetntntntntntntntntntntntntntntntntntntntntntntntntn tete tete tete tete asd 38
4.3.1 Interview Mathias Ospelt ............... essei sess ss esses sena a nna aa an aa anna nhan sanas naa 39-48
4.3.2 Satirisches Experiment .................. esee eee eiseesesse sana aea anna nana sa asina 49-56
LE. Ma. vA RES 57
DEIJIUIU ————————————— na na 58-58
0] T= 60-65
LIteratUrVErZEICHNIS coer neers 60-61
AbbildungsverzeichNiS es e essere ee eee a senna 62
Beilagenverzeichnis DVD-ROM cc... eerste essere enna ease essen eee 63
PELO REM 64
Erklárung der Eigenstándigkeit ..................eessssssssseseseseeeee enne enne cree carence 65
Anmerkung
Um das Lesen der Arbeit zu vereinfachen, wird bei manchen Substantiven auf die
Angabe des expliziten femininen Genus verzichtet. Dies soll lediglich der Erleichterung
des Lesens dieser Arbeit dienen und nicht etwa als Verstoss gegen die
geschlechtergerechte Sprache gewertet werden. Selbstverständlich sind jeweils beide
Geschlechter gemeint.
Die vorliegende Arbeit vereinigt Ansätze mehrerer voneinander unabhängiger
Fachgebiete. Durch die Verknüpfung selbiger wird die Interdisziplinarität dieser
Projektarbeit gewährleistet. Die Interdisziplinarität zeichnet sich im Wesentlichen durch
die Einflüsse der Fachrichtungen Deutsch, Geschichte, Recht und Sozialwissenschaften
aus. Zudem werden die Forschungsmethoden des Interviews, der Umfrage und des
Experiments angewendet.
Vorwort
Satire ist eine Kunstform, die auf eine Jahrtausende alte Tradition und Geschichte
zurückblicken kann und nie an Aktualität zu verlieren scheint. Von der Antike bis in die
Gegenwart diente die Satire stets dazu, Öffentlich Kritik an gesellschaftlichen,
kulturellen, politischen und religiösen Missständen zu üben. In jüngster Vergangenheit
rückte die Satire in unseren Breitengraden mehrmals ins Zentrum des Öffentlichen
Interesses. Nach den dänischen Mohammed-Karikaturen aus dem Jahr 2006, den
verheerenden Anschlägen auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Jahr
2015 oder nach dem Spottgedicht des deutschen Satirikers Jan Böhmermann über den
türkischen Präsidenten im Jahr 2016 wurde die Frage, wo die Grenzen der Satire liegen,
mehrmals kontrovers diskutiert.
Die Frage nach den Grenzen der Satire machte unlängst auch in Liechtenstein die
Runde. Im Winter 2015 veröffentlichte eine Gruppe junger Erwachsener ein satirisches
Kurzvideo, welches für viel Aufruhr sorgte und die Gemüter erhitzte. Der Kurzfilm
„Unholy Tomato“ wurde im Innenraum der Pfarrkirche Triesenberg aufgenommen und
zeigt eine fiktive Kampfhandlung zwischen dem Protagonisten und seinem
Gegenspieler, der sich im späteren Verlauf als Liechtensteins Erzbischof Wolfgang Haas
herausstellen sollte. Zügig machte das Video die Runde im Fürstentum, womit die
Filmemacher die unterschiedlichsten Reaktionen seitens der Bevölkerung hervorriefen.
In Leserbriefen und in sozialen Netzwerken wurde heftig darüber diskutiert, ob es sich
bei diesem Video um Satire oder ein Sakrileg handelt beziehungsweise was Satire darf
und was nicht.
Aufgrund dieser jüngsten Begebenheiten interessiert mich die Frage, welchen
Stellenwert Satire im Fürstentum Liechtenstein überhaupt hat und wo die
Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner die Grenzen zwischen Humor und Anmassung
ziehen. In meiner interdisziplinären Projektarbeit werde ich versuchen festzustellen, ob
es Werte gibt, hinsichtlich derer die Liechtensteiner keinen Spass vertragen. Um dies zu
überprüfen werde ich ein Interview mit dem liechtensteinischen Satiriker Mathias Ospelt
durchführen sowie ein eigenes satirisches Experiment durchführen und auswerten.
Mittels dieser Arbeit möchte ich dem Leser vor Augen führen, inwiefern Satire im
liechtensteinischen Kulturraum Verbreitung findet und wie es um die Akzeptanz seitens
der Bevölkerung bestellt ist beziehungsweise inwiefern sie Satire als solche tolerieren
und ab wann sich die Leute in ihren Wertvorstellungen verletzt fühlen. Gleichzeitig
möchte ich mit dieser Arbeit auch die Bedeutung der Satire als demokratisches
Instrument der Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit hervorheben und den Leser für die
Wichtigkeit von Satire sensibilisieren.
Das Thema „Satire in Liechtenstein“ ist bisher nicht schriftlich erschlossen,
entsprechend ist es auch um das Literaturangebot bestellt. Zur Untersuchung dieser
Thematik beziehe ich mich hauptsächlich auf das Buch „Das LiGa“ des
liechtensteinischen Satirikers Mathias Ospelt (Ospelt, 2007) sowie auf dessen
mündliche Aussagen während des Interviews.
Meine Interdisziplinäre Projektarbeit setzt sich aus fünf Kapiteln zusammen. Um den
Leser vorab mit dem Leitbegriff „Satire“ vertraut zu machen, werden im ersten Kapitel
zunächst die Bedeutung, die Eigenschaften und Stilmittel der Satire definiert, was
lediglich dem besseren Verständnis der Thematik dient.
Im darauffolgenden Kapitel erfolgt eine geschichtliche Untersuchung der Satire im
europäischen Kulturraum von der Antike bis in die Gegenwart. Dabei werden ebenfalls
Grenzfälle beziehungsweise Werte aus den jeweiligen Epochen geschildert, bei denen
Satire nicht als solche akzeptiert, sondern geahndet wurde. Während der ersten zwei
Kapitel stütze ich mich hauptsächlich auf die Abhandlungen Joachim Stephans
(Stephan, 1964), Matthew Hodgarts (Hodgart, 1969) und Henning Venskes (Venske,
2015) zum Thema „Satire“. Das dritte Kapitel bietet dem Leser einen Überblick über die
Satirelandschaft im Fürstentum Liechtenstein. Zusätzlich werden in diesem Kapitel die
rechtlichen Aspekte der Satire gemäss liechtensteinischem Recht behandelt. Kapitel
vier widmet sich der Untersuchung der Forschungsfrage. Zur Belegung beziehungsweise
Widerlegung der These erfolgt eine zweifache Überprüfung. Zum einen werden dem
Leser mittels eines Interviews Einschätzungen zur Situation der Satire in Liechtenstein
aus der Sicht eines Experten präsentiert. Zum anderen wird ein eigens durchgeführtes
Experiment gestartet, welches aufgrund von Beobachtungen und Befragungen
ausgewertet wird. Im anschliessenden Fazit werden die Ergebnisse dieser Überprüfung
dargelegt. Im abschliessenden, fünften Kapitel werden die Ergebnisse der Projektarbeit
reflektiert und in einem persönlichen Schlusswort präsentiert.
Meinen Dank möchte ich an dieser Stelle allen aussprechen, die mich bei dieser Arbeit
unterstützten. Genannt seien Tristan Schädler für das Korrekturlesen, Mathias Ospelt
für die Bereitschaft zu einem Interview sowie Wilfried Müller und Miriam Calórtscher für
die fachliche Betreuung. Zu guter Letzt ein grosser Dank an meine Freunde, die mit bei
der Verwirklichung des satirischen Experimentes geholfen haben.
Was ist Satire?
1 Was ist Satire?
Der Begriff Satire leitet sich von dem lateinischen Wort ,satira^ ab, was
wortwórtlich übersetzt so viel bedeutet wie ,eine mit verschiedenen Früchten
gefüllte Schale“. Im übertragenen Sinne kann dies mit „einer bunten Mischung"
umschrieben werden. Das heisst, dass Satire grundsätzlich alle Themen aufgreifen
und behandeln kann. (Bibliographisches Institut GmbH)
Die Frage danach, was Satire ist, dürfte so alt sein wie die Satire selbst. Es
existieren zahlreiche Definitionen und Interpretationen, doch gibt es keine
bewährte, universelle Erklärung für den Begriff „Satire“. Zudem gibt es weder
einen Lehrstuhl, an dem Satire unterrichtet wird, noch eine offizielle Fachstelle,
welche Satire als solche bewertet. Es lässt sich also sagen, dass jeder dem Begriff
„Satire“ eine andere, subjektiv empfundene Bedeutung zuschreibt. Jedoch gibt es
Aspekte, welche kollektiv gesehen als charakteristisch für Satire gelten. Demnach
ist Satire eine Darstellungsform, bei der gezielt Personen, Zustände oder
Missstände verhöhnt, verspottet oder angeprangert werden. Dies geschieht dabei
auf eine ironische und humorvolle Weise, bei der häufig übertrieben wird und die
Zustände verzerrt werden, aber dennoch offensichtlich bleiben. Die
Darstellungsformen können so unterschiedlich ausfallen wie die behandelten
Themenbereiche.
1.1 Definition
Versucht man in der Literatur und im Netz nach einer plausiblen Definition für den
Begriff „Satire“ zu suchen, so wird man auf Anhieb mit unzähligen Auslegungen
konfrontiert, welche inhaltlich und linguistisch unterschiedlicher nicht sein
kónnten. Die Frage, was Satire eigentlich ist, kann daher nicht eindeutig
beantwortet werden, da die Definitionen zu zahlreich und unterschiedlich sind und
zumal keine allgemeingültige Definition existiert. Reduziert man diese
Begriffsbestimmungen jedoch auf ihren Kerngehalt, so wird ersichtlich, dass alle
9
Was ist Satire?
Definitionen mehrheitlich dieselben Aspekte aufweisen und behandeln. Um nun
eine gemeingültige Erklärung für den Leitbegriff „Satire“ zu bestimmen, werden im
Folgenden drei Definitionen aus unterschiedlichen Quellen zitiert, einander
gegenübergestellt und auf Gemeinsamkeiten hin analysiert.
Viele der Definitionen darüber, was Satire ist und darf, führen auf den deutschen
Literaten Friedrich Schiller zurück. In seiner Abhandlung ,Über naive und
sentimentalische Dichtung: Satirische Dichtung" aus dem Jahr 1795, formuliert
Schiller ein Schema, welches fortan der deutschsprachigen Satire zu Grunde
liegen sollte. Zwar war Schiller kein Satiriker, jedoch prägte sein Entwurf zur
satirischen Dichtung den Stil der deutschsprachigen Satire. (Stephan, 1964)
In der Satire wird die Wirklichkeit als Mangel dem Ideal als der höchsten Realität
gegenüber gestellt. [...]. Die Wirklichkeit ist also hier ein nothwendiges Objekt der
Abneigung; aber, worauf hier alles ankómmt, diese Abneigung selbst muß wieder
nothwendig aus dem entgegenstehenden Ideal entspringen.“ (Schiller)
Betrachtet man dieses Zitat, wie oben wiedergegeben, aus seinem Kontext gelöst,
so werden in der Tat einige wesentliche Elemente der typischen, satirischen
Charakteristiken erkennbar, welche sich auch in zahlreichen neuzeitlichen
Definitionen wiederfinden. Laut Friedrich Schiller richtet sich die Satire gegen die
Wirklichkeit, die als fehlerhaft oder schlecht empfunden wird. Die Wirklichkeit ist
also ein Objekt, welches Abneigung hervorruft. Schiller stellt diese suboptimale,
nicht dem Idealzustand entsprechende Wirklichkeit dem erstrebenswerten Ideal
gegenüber. Das Ideal des Satirikers beruht auf dessen Weltbild, insbesondere
seinen gesellschaftlichen, politischen und religiösen Vorstellungen. Da sich die
Wirklichkeit nicht mit der Idealvorstellung des Satirikers deckt, hinterfragt er die
Wirklichkeit kritisch beziehungsweise betrachtet sie auf eine ablehnende Weise.
Dabei wird auf eine ironisch-humoristische Weise auf die Mängel in der
Wirklichkeit hingewiesen, indem sie stets mit dem Idealzustand verglichen wird.
Diese Ablehnung der Wirklichkeit soll also nicht in der humoristischen oder
ironischen Bemerkung gipfeln, sondern gleichzeitig auch auf das
gegenüberstehende lIdealbild verweisen, im Sinne eines Lósungsansatzes oder
eines Verbesserungsvorschlages.
10
Was ist Satire?
Die zweite Definition stammt aus dem „Duden“ des Bibliographischen Instituts in
Berlin. Der Duden gilt als das Standardnachschlagewerk zur Deutschen Sprache
und bildet die massgebliche Instanz hinsichtlich Fragen rund um die deutsche
Gegenwartssprache und Rechtschreibung.
„Satire ist eine Kunstgattung (Literatur, Karikatur, Film), die durch Übertreibung,
Ironie und [beissenden] Spott an Personen, Ereignissen, Kritik übt, sie der
Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert.“ (Bibliographisches Institut GmbH)
Im Duden ist also von einer Kunstform die Rede, die in der Literatur, in Karikaturen
und Filmen angewendet wird. Satire kann jedoch auch in anderen Varianten
auftreten, von denen im Duden nichts erwähnt wird, beispielsweise in Form einer
darstellenden, schauspielerischen Inszenierung. Zweck der Satire ist es laut
Duden, auf eine spöttisch-ironische Weise Kritik an Personen oder Ereignissen zu
üben, um damit aktuelle Zustände anzuklagen und diese ins Lächerliche zu
ziehen. Bezüglich der Intention und des Ziels der Satire nennen sowohl Schiller als
auch das Bibliographische Institut die Kritikübung an bestehenden Mustern. Diese
Kritik gilt es in einer spöttischen Weise wiederzugeben und damit dem Sollzustand
gegenüberzustellen, wobei auf eine Verbesserung der Situation abgezielt werden
soll. Die Botschaft, die Satire vermittelt, sollte demnach auf Missstände hinweisen.
Im Idealfall sollte der Satire die Absicht zugrunde liegen, ebendiese Laster zu
beseitigen.
Neben den Definitionen Schillers und des Bibliographischen Instituts, welche stark
von literaturwissenschaftlichen beziehungsweise systematisch-formalen
Betrachtungsweisen geprägt sind, kommt im Folgenden eine
sprachwissenschaftliche Definition zum Tragen.
Der moderne Begriff Satire bezeichnet [...] keine Gattung, sondern vielmehr von
aggressiv-ironischer Rhetorik gepràágte ästhetische Werke. Die Satire dient
ursprünglich der didaktisch-moralischen Verspottung des Lasters, im Unterschied
zur Verspottung konkreter Einzelpersonen im Pasquill." (Ueding, 2007)
11
Was ist Satire?
Das in zwölf Bänden erschienene „Historische Wörterbuch der Rhetorik“
erschliesst systematisch das Wissen zur wissenschaftlichen Rhetorik und somit
befasst es sich unter anderem auch mit der Herkunft und der Bedeutung der
Satire. Wie in der obenstehenden Definition geschildert, wird Satire nicht als eine
eigene Gattung angesehen, sondern als ein sprachliches Werk, das sich des
rhetorischen Stilmittels der aggressiven Ironie bedient. Gemäss des Historischen
Wörterbuchs der Rhetorik dient die Satire dazu, Missstände zu verspotten, indem
diese auf eine moralisch-hinterfragende und erzieherische Weise betrachtet
werden. Die Satire steht demnach im Gegensatz zum Pasquill, einer Spottschrift,
welche sich gegen konkrete Einzelpersonen wendet und diese verspottet.
Wie sich gezeigt hat, setzen sich alle drei Definitionen mit teilweise
unterschiedlichen Gesichtspunkten des Begriffs „Satire“ auseinander, in ihrem
Kerngehalt jedoch verfügen alle über dieselbe Aussagekraft. So nennen alle drei
Definitionen die Ironie als ein wesentliches Stilmittel der Satire. Das ironische
Stilmittel findet Anwendung, indem ein Missstand auf eine spöttische Weise
angeprangert wird und gleichzeitig einem Sollzustand gegenübergestellt wird, um
damit ein Hinterfragen oder gar eine Besserung des Zustandes hervorzurufen.
Kombiniert man diese Gemeinsamkeiten aus literatur-, informations- und
sprachwissenschaftlicher Betrachtungsweisen, so lässt sich folgende Definition
ableiten:
„Satire ist eine Kunstform, die es sich zum Ziel nimmt, die menschlichen
Schwächen und die gesellschaftlichen Missstände auf eine übertrieben ironische,
gar spöttische Weise ins Lächerliche zu ziehen, um diese somit zu kritisieren und
gleichzeitig auf Veränderung abzuzielen.“
Diese, auf den Gemeinsamkeiten der behandelten Definitionen beruhende
Erläuterung des Leitbegriffs „Satire“, wird in der folgenden Arbeit als
bezugnehmende Definition verwendet.
12
Was ist Satire?
1.2 Varianten
Satire bezeichnet gemeinhin also eine Kunstgattung, die einerseits der
Unterhaltung dient, gleichzeitig aber auch über eine auf Missständen beruhende,
prägnante oder gar nachdenklich stimmende Aussagekraft verfügt. Hinsichtlich
der Darstellungsweise ist Satire jedoch nicht an ein bestimmtes Medium
gebunden, sondern kann auf zahlreiche Weisen dargelegt und vermittelt werden.
Grundsätzlich jedoch tritt Satire zumeist in literarischer, bildlicher und
darstellender Form auf.
1.2.1 Literarische Satire
Unter Literatur wird in diesem Zusammenhang nicht nur das bedruckte Medium
bezeichnet, sondern ebenfalls mündlich überlieferte Sprachzeugnisse,
beispielsweise in der Form von Verssatire oder Rhythmen. Die Satire kann nahezu
in allen literarischen Formen Verwendung finden. Es gibt jedoch Formen der
literarischen Satire, welche von Satirikern über Jahrhunderte hinweg bevorzugt
verwendet wurden.
Eine der häufigsten Darstellungsformen ist die sogenannte „Sitten-Satire“.
Charakteristisch für die Sitten-Satire sind die ungezwungene,
allgemeinverständliche Ausdrucksweise und der durch Versdichtung geprägte
Schreibstil, der sich in erster Linie an die bürgerliche Allgemeinheit richtet. In
diesem schlicht gehaltenen Monolog prangert der Dichter Missstände und Laster
sámtlicher Art an und stellt diese seinem durch die bürgerliche Sitte geprágten
Ideal gegenüber. Die Sitten-Satire sollte demnach zur Erziehung im Sinne der
bürgerlichen Sitte beitragen. Thematisiert werden hauptsáchlich Probleme des
táglichen Lebens, welche gerne durchaus realistisch geschildert werden. (Hodgart,
1969). Ein bekannter Verfasser solcher Sitten-Satire war der deutsche Dichter und
Schriftsteller Heinrich Heine. In seinem Werk , Romanzero" dichtete Heine:
13
Was ist Satire?
„Hat man viel, so wird man bald
Noch viel mehr dazu bekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
Auch das Wenige genommen.
Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben -
Denn ein Recht zum Leben, Lump,
Haben nur die etwas haben.“ (Heine, 1851)
Die Thematik des Habens beziehungsweise die Ungleichheit zwischen Arm und
Reich kommt in diesem Gedicht mit dem Titel ,Wettlauf" zum Vorschein. Heinrich
Heine kritisiert darin scharf die damalige Klassenhierarchie und die damit
einhergehende soziale Ungerechtigkeit. Indem Heine seine stark zynische
Sichtweise auf den ausbeuterischen Kapitalismus offenlegt, zieht er die
bestehenden Machtstrukturen auf satirische Weise in den Zweifel. Der Aufbau
dieses Monologs in Versform, die umgangssprachliche Formulierung und die
Thematisierung tagtáglicher Missstánde sind charakteristische Merkmale für eine
Sitten-Satire.
Eine ebenfalls weit verbreitete Variante und nebenbei die kürzeste literarische
Form der Satire, sind Aphorismen. In der Sprachwissenschaft bezeichnen
Aphorismen einen in sich abgeschlossenen, in Prosa verfassten Sinnspruch,
welcher dem Leser eine Erkenntnis oder eine Wahrheit vermitteln soll. Diese
Aussage wird dabei auf das Nótigste reduziert, was eine Generalisierung
ermóglichen und vereinfachen soll. Das Merkmal des Satirischen in den
Aphorismen zeichnet sich durch Einfachheit, Unkonventionalitát und die
Blossstellung weltlicher Laster aus. (Hodgart, 1969). Der deutsche Schriftsteller
und Satiriker Kurt Tucholsky formulierte unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel mit
folgendem Denkspruch ein Musterbeispiel für einen solchen satirischen
Aphorismus:
„Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem
Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.“ (Wrobel, 1921)
14
Was ist Satire?
Kurt Tucholsky alias Ignaz Wrobel schildert in diesem Aphorismus die
Schwierigkeit der Äusserung einer im Kontrast zur gemeingültigen Meinung
stehenden Ansicht. Es sei Zivilcourage beziehungsweise Kühnheit sowie viel
Willenssache notwendig, um Öffentlich Kritik an zeitgenössischen, etablierten
Strukturen zu üben. Diese Schilderung kommt einem Appell gleich, indem
Tucholsky auf eine Besserung des Zustandes beziehungsweise auf eine
Sensibilisierung der Leserschaft hinsichtlich der Schwierigkeit der Öffentlichen
Meinungsäusserung abzielt. Tucholskys Aussage deckt eindeutig einen
Öffentlichen, gesellschaftlichen Missstand auf, auf dessen Verbesserung er mit
diesem Denkspruch abzielen will. Indem er seine Aussage auf ihren Kerngehalt
reduziert, lässt sie sich pauschal auf praktisch sämtliche Fragen des öffentlichen
Geschehens übertragen. Mit diesem Sinnspruch formulierte Tucholsky ein
repräsentatives Beispiel für einen satirischen Aphorismus.
Neben der Sitten-Satire und den Aphorismen spielt das Epigramm ebenfalls eine
wichtige Rolle als literarisches Mittel der Satire. Ursprünglich diente das Epigramm
als eine Grabesinschrift beiziehungsweise ein Epitaph oder dazu, als Inschrift die
Beziehung zwischen einem Gegenstand und dessen Bedeutung herzustellen. In
der Satire dient das Epigramm dazu, einen möglichst kurz gehaltenen Sinnspruch
darzulegen, welcher ebenfalls Raum für Gedanken und Gefühle lässt. Das
Epigramm stützt sich in der Regel stark auf formale Strukturen wie die Versform,
jedoch kann ein Epigramm auch in Prosa verfasst sein. Nicht selten weist das
Epigramm auch Eigenschaften lyrischer Stilmittel auf, die in erster Linie aber dem
Transport einer unschönen Wahrheit oder einem Missstand dienen. Die Idee des
Epigramms ist es, einen Gedanken so effektvoll wie möglich zu präsentieren,
damit dieser so lange wie möglich dem betroffenen Missstand oder der
betroffenen Person anhaftet. (Hodgart, 1969). Ein Beispiel eines in satirischer
Form verfassten Epigramms stammt vom deutschen Epigrammatiker Christian
Wernicke:
15
Was ist Satire?
„Was fängt der Arme wol aus Ubermuth nicht an,
Wenn er mehr hat als er auff einmahl essen kan;
Der reiche Wuchrer hat hergegen niehmahls gnug,
Er denckt auff nichts als auff Betrug,
Und macht aus Unrecht thun ein Spiel.
Die schnóde Welt verübt so manche Missethat,
Die weil der Arme viel zu viel,
Der Reiche viel zu wenig hat." (Wernicke, 1909)
In diesem Epigramm schildert Christian Wernicke die unterschiedlichen
Auffassungsweisen beziehungsweise das gegensátzliche Verständnis von
Mássigkeit zwischen Arm und Reich. Reichtum, so Wernicke, kann zu Hochmut
und Masslosigkeit führen, sodass der Sinn für Genügsamkeit beeintráchtigt
werden kann. Gleichzeitig führt er dem Leser die mit der Armut einhergehenden
Gewóhnung an Entbehrungen beziehungsweise die armutsbedingte Mássigkeit vor
Augen und setzt diese in Kontrast zur mit dem Reichtum zusammenhángenden
Ungenügsamkeit. Reichtum führt zu einem verfehlten Verständnis für
Beschránkung bis hin zu Habgier, wohingegen sich Armut begünstigend auf die
Bescheidenheit auswirkt. Christian Wernicke verschleierte den unschônen
Missstand beziehungsweise die Kernaussage dieses Epigramms hinter einer
ásthetischen Fassade lyrischer Formulierungen, doch nichtsdestotrotz verfügt das
Epigramm über eine prágnante Aussagekraft.
Wie sich gezeigt hat, sind die literarischen Anwendungsbereiche und
Darstellungsweisen der Satire sehr vielfältig. Neben diesen drei behandelten
Literaturarten, kann die Satire auch in praktisch jeder anderen literarischen Form
Anwendung finden. In Allegorien beispielsweise wurden abstrakte Laster durch
eine konkrete Gestalt verbildlicht. Ähnlich wie in der Allegorie werden auch in der
Fabel menschliche Eigenschaften und Schwächen durch zumeist konkrete
tierische Gestalten verkörpert. Die satirische Fabel spielt oftmals mit der Absicht,
eben jene nichtmenschlichen Charaktereigenschaften zu enthüllen, indem sie auf
eine tierische Gestalt übertragen werden. Ebenso lassen sich auch im Roman
Elemente der Satire nachweisen. Diese können sich in Form von überraschenden
Beleuchtungen gewisser Themen oder Pointen äussern, mit welchen der Autor
16
Was ist Satire?
seine moralischen Anliegen offenbart und diesen Nachdruck verleihen will.
(Hodgart, 1969). Eine relativ neue Art der literarischen Satire bilden die
sogenannten „Fake-News“, wobei es sich um fiktive Geschehnisse oder
Meldungen handelt, welche in erster Linie über Online-Medien verbreitet werden.
1.2.2 Bildliche Satire
Satire kann nicht nur in geschriebenen Texten, sondern ebenfalls in bildlicher
Form zum Ausdruck kommen. Wie auch bei der literarischen Satire sind auch die
Darstellungsformen bildlicher Satire äusserst unterschiedlich. Es gibt jedoch auch
hier Formen und Formate, welche von Satirikern bevorzugt verwendet werden.
Die wohl häufigste Variante bildlicher Satire bilden die Karikaturen. Die Karikatur
bedient sich der satirischen Hervorhebung bestimmter Charakterzüge einer
Person oder eines Geschehnisses, welche durch übertriebene, gar abwertende
Darstellung der Lächerlichkeit preisgegeben werden. (Bibliographisches Institut
GmbH). Bereits seit dem Altertum ist die personenbezogene, karikierende
Darstellung bekannt. Erst aber mit der Erfindung des Buchdrucks, entwickelten
sich die Karikaturen zum massenwirksamen Gegenstand humoristischer
Kritikausübung. Oftmals wurde die Karikatur auch als Instrument ideologischer
oder propagandistischer Manipulation seitens staatlicher oder politischer
Institutionen genutzt. (Ahlke). Auch heute ist die Karikatur ein beliebtes Mittel, um
Kritik an bestehenden Werten oder gesellschaftspolitischen Missständen zu üben.
Ein Beispiel für eine solche gesellschaftspolitische Karikatur schuf der deutsche
Karikaturist Gótz Wiedenroth. Mit seiner Karikatur unter dem Titel ,Vom Umgang
mit scheuen Rehen*" spielt er auf die Laster des deutschen Steuersystems an:
17
Was ist Satire?
=
HIERGEBLIEZEN!
IHR WERDET IM
INLAND GEGRAUCHTI
© Gôtz Wiedenroth 2008
www.wiedenroth-karikatur.de
Die oben gezeigte Karikatur bezieht sich auf die sogenannte ,Liechtensteinische
Steueraffáre", welche im Jahr 2008 óffentlich bekannt wurde. Auslóser war die
rechtswidrige Aneignung von bankinternen Kundendaten eines Mitarbeiters der
fürstlichen | LGT-Bank und der Verkauf selbiger an den deutschen
Bundesnachrichtendienst. Infolge dessen leitete die Bundesrepublik Deutschland
breit angelegte, landesweite Ermittlungsverfahren gegen Steuerhinterzieher ein.
Durch diesen Vorfall wurden die diplomatischen Beziehungen Liechtensteins zu
Deutschland in Mitleidenschaft gezogen. In der Bundesrepublik lóste diese Affáre
Divergenzen in der Politik und Bevölkerung hinsichtlich des deutschen
Steuerrechts aus. (Eppelsheim, 2008). Die obige Karikatur schildert eben diesen
Missstand in der deutschen Steuerpolitik. Das deutsche Steuerrecht wird hier
übertrieben durch die Schlachtbank symbolisiert, was auf die enorme Steuerlast
anspielen soll. Die Rehe, welche das Kapital und den Reichtum symbolisieren,
reagieren scheu auf das deutsche Steuerrecht, umgehen dieses und flüchten sich
ins Ausland. Die Figur am linken Bildrand stellt den damaligen deutschen
Finanzminister Peer Steinbrück dar, welcher sich offensiv im Ausland befindet und
an einem üppigen Busch, welcher repräsentativ für das Image des Fürstentums
Liechtenstein als Steueroase sein könnte, zerrt und diesen Stück für Stück
entblättert beziehungsweise lichtet, um damit Transparenz herzustellen. Der
18
Was ist Satire?
Karikaturist spielt damit auf die Priorität des ehemaligen deutschen
Finanzministers an, welche darin bestand, im Ausland Transparenz zu schaffen,
anstatt beim eigenen Steuersystem anzuknüpfen und dieses zu überdenken und
zu überarbeiten. Die humoristische Darstellungsweise des Missstandes und die
übertrieben ironische Weise der Kritikausübung am deutschen Steuersystem
zeugen vom satirischen Gehalt dieser Karikatur.
Neben den Karikaturen, welche sich seit Jahrhunderten als satirisches Medium
bewährten, gibt es auch weitere Varianten der bildlichen Satire. Ähnlich wie bei
den Karikaturen verhält es sich beispielsweise mit Comics oder Illustrationen.
Auch diese können dem Transport einer satirischen Botschaft dienen. Mit dem
Aufkommen audiovisueller Medien, eröffnete sich auch der Satire eine neue
Möglichkeit der Darstellung und Verbreitung. So fand die Satire auch im Film ihren
Platz und bildet zudem einen integralen Bestandteil der Filmgeschichte. Einer der
bekanntesten Filmsatiriker überhaupt ist der Brite Charlie Chaplin. In seiner
filmischen, satirischen Parodie „Der grosse Diktator“, welche sich gegen den
Militarismus und den Faschismus richtet, definierte er eine bis anhin gänzlich
neue Art der satirischen Kritikausübung. Auch entwickelte sich der Rundfunk zu
einem wichtigen satirischen Medium. So finden sich im deutschsprachigen Raum
zahlreiche Satiresendungen im Öffentlichen Rundfunk. In Deutschland gibt es
gleich mehrere namhafte Satiresendungen, welche regelmässig ausgestrahlt
werden. Mit der ,Heute-Show“ beispielsweise werden dem Zuschauer aktuelle
Themen aus der deutschen Politlandschaft auf eine satirische Weise präsentiert,
wohingegen das Satireformat „Neo Magazin Royale“ Ereignisse aus dem Rundfunk
aufgreift und satirisch kommentiert und parodiert. Als prominente Vertreter der
Satirelandschaft des österreichischen Rundfunks sei das Duo „Stermann und
Griessmann“ genannt, welche aktuelle gesellschaftspolitische Themen aller Art
behandelten. Im schweizerischen Rundfunk wurde bis Ende 2016 die
Satiresendung „Giacobbo/Müller“ ausgestrahlt, welche sich in der Form eines
satirischen Wochenrückblicks präsentierte und mehrheitlich politische Themen
aufgriff.
19
Was ist Satire?
1.2.3 Darstellende Satire
Neben der Vielfalt an literarischen und bildlichen respektive audiovisuellen
Darstellungsweisen und Präsentationsmöglichkeiten satirischer Inhalte, gibt es
zudem die Variante, Satire auf der Bühne zu präsentieren. Wie auch bei der
literarischen und bildlichen Satire, gibt es auch bei der darstellenden Satire
unterschiedliche Formen.
Eine häufige Form der Bühnensatire ist die sogenannte „Sittenkomödie“. Die
Sittenkomódie will den Zuschauer durch satirische Blossstellung zumeist
zeitgenössischer, gesellschaftlicher Laster zum Hinterfragen selbiger hinweisen,
womit ihr insofern auch eine belehrende Funktion zukommt. Mit Hilfe des
Stilmittels der Allegorie werden dabei Missstände beziehungsweise moralische
Ideen durch einen personifizierten Charakter dargestellt. Jedoch beschränkt sich
die Sittenkomödie nicht ausschliesslich auf die Kritikausübung, indem sie
Missstände schildert, sondern sie stellt diese Laster den etablierten
gesellschaftlichen Werten, sprich Sitten, gegenüber. Die moralische Reflexion des
Geschilderten ist jedem Zuschauer selbst überlassen. Aufgrund ihrer inhaltlichen
Aktualität wird die Sittenkomödie auch als „Realistische Komödie“ bezeichnet.
(Platz-Waury, 1999). Die Geschichte der Sittensatire, so wie sie heute definiert
wird, reicht zurück bis in die Epoche der Renaissance. Bereits in den Stücken des
britischen Dramatikers William Shakespeare lassen sich satirische Elemente
erkennen. Als Beispiel sei Shakespeares Werk „König Henry der IV“ genannt,
welches auf Grund seines obrigkeitskritischen Charakters (über einen
politsatirischen Gehalt verfügt. Zudem fand in diesem Werk auch die Allegorie
Anwendung, mittels welcher Shakespeare Eigenschaften wie Vernunft und Logik
personifizierte. (Hodgart, 1969)
Theaterbesuche waren stets mit Kosten verbunden und so kam bei Weitem nicht
jeder in den Genuss, einem Schauspiel beizuwohnen. So entwickelten sich im
Laufe der Zeit auch zahlreiche Varianten des volkstümlichen Theaters. Auch diese
Darstellungsformen erwiesen sich als zweckdienlich, was die Vermittlung von
satirischen Inhalten anbelangt. Eine Variante dieser darstellenden, volkstümlichen
Kunstformen ist das Kabarett. Das Kabarett, welches seinen Ursprung in
20
Was ist Satire?
Frankreich hat, bewährte sich über die Zeit hinweg und gilt bis heute als beliebte,
satirische Unterhaltungsplattform. Das Kabarett bezeichnet gemeinhin eine kleine
Bühne, auf der die Künstler ihre Werke, welche theatralische, Iyrische oder
musikalische Elemente vereinen können, darstellen. Der Kabarettist ist dabei
nicht an bestehende Normen gebunden, sondern kann sich sowohl sprachlich als
auch stilistisch frei kundtun. Vielfach konfrontiert der Kabarettist das Publikum mit
aktuellen Themen oder Tabus aus Politik, Gesellschaft, Religion et cetera und
verpackt diese in einem satirischen Kontext. Nicht selten konzentriert sich der
Kabarettist darauf, mit seinen Werken einen „wunden Punkt“ des Publikums zu
treffen beziehungsweise die Schnittstelle zwischen Anmassung und Selbstironie zu
beschreiten und aufzuzeigen. Ausschlaggebend dabei ist, dass der Kabarettist
sich darum bemüht, das Publikum zu erreichen und ihm die Freiheit lässt, selbst
die notwendigen Schlüsse aus den Schilderungen zu ziehen und dabei die
Möglichkeit der Selbstreflexion zulässt. Sollte der Kabarettist die Schnittstelle zur
Anmassung überschreiten und das Motiv beziehungsweise seine Intention direkt
beim Namen nennen, beispielsweise durch die frontale Kritik eines Zustandes
oder einer Autorität, so hat er sein Ziel verfehlt. Das Publikum selbst wird zum
passiven Zuhörer degradiert und es findet keine Interaktion mit dem Kabarettisten
statt. Der Kabarettist wiederum würde durch dieses belehrende Verhalten an
Glaubwürdigkeit einbüssen, da er selbst jene Praktiken anwenden würde, welche
er zu kritisieren versucht. Dabei könnte er vom Publikum seinem satirischen
Status enthoben werden und als blosser Aufsässiger betrachtet werden. In einem
solchen Fall kann Kabarett auch zu Propaganda werden. (Drössler, 2008)
Anhand des Kabaretts zeigt sich, dass Satire zu einer regelrechten Gratwanderung
werden kann, auf welcher der Satiriker zwischen Selbstironie und Anmassung
balanciert. Dabei droht der Satiriker stets abzurutschen und seine Satire zu
diskreditieren, indem sie vom Empfänger entweder als Propaganda oder als
blosse Comedy betrachtet werden kann. Damit die Satire ihre volle Wirkung erzielt,
bedarf es der Beschreitung dieses diffizilen Mittelwegs und der Miteinbeziehung
des Empfängers, sodass dieser zur Reflexion veranlasst wird. Die belehrende Form
der Satire sollte darin bestehen, dem Empfänger Denkanstösse zu verpassen und
ihm die Schlussfolgerung selbst zu überlassen.
21
Was ist Satire?
1.3 Themen
Grundsätzlich basiert Satire auf Tatsachen respektive Lastern, welche sich aus
dem zeitgenössischen Umfeld eröffnen und auf verzerrte und übertriebene Weise
dargestellt werden. Diese Laster lassen sich aus sämtlichen Lebensbereichen
ableiten, sei dies aus politischer Programmatik, aus dem gesellschaftlichen
Umfeld, aus religiösen Sinnesarten oder aus zwischenmenschlichen Interaktionen.
Egal auf welches Themengebiet sie sich bezieht, der Satire liegt stets eine
gründliche Recherche der Gegebenheiten zu Grunde. Dies ist daher wichtig, da die
Satire zumeist auf Ereignisse des Zeitgeschehens und deren Hintergründe eingeht
und den Empfänger durch das Anprangern dieser Zustände zum kritischen
Hinterfragen selbiger anregen will. Die Themen, welche in der Satire Verwendung
finden sind also äusserst zahlreich und sehr vielseitig. Einige zentrale Thematiken
blieben jedoch über Jahrhunderte hinweg dieselben. So verspottete und
bekämpfte die Satire von Beginn an Glaubenssysteme, Ideologien und soziale
Hierarchien. Themen wie Krieg und Frieden, Armut und Reichtum, Macht, Religion
oder Korruption bilden seit jeher feste Bestandteile und beliebte Gegenstände der
Satire. Oftmals übt die Satire auch Kritik an menschlichen Eigenschaften wie
Aufgeblasenheit, Dummheit, Eitelkeit, Habgier oder Grössenwahn, welche durch
allegorische Typisierung oder anhand konkreter Personen geschildert werden.
Diese Art der Satire richtet sich zumeist an Menschen, welche auf Grund ihres
fehlerhaften Verhaltens oder ihrer Aktionen im Öffentlichen Blickpunkt stehen.
(Venske, 2015)
Im Wesentlichen kommen der Satire drei Funktionen zu. Als Unterhaltungskunst
verschreibt sie sich der Unterhaltung der Empfängerschaft, das Publikum soll zum
Lachen gebracht werden. Im Gegensatz zur Comedy, in der Humor zentraler Zweck
der Aussage ist, dient der Humor in der Satire lediglich dem Transport einer
zentralen Aussage. Humor, Ironie und Spott dienen also vielmehr als ein Mittel
zum Zweck. Neben dem Unterhaltungswert sollte Satire ebenfalls kritisch sein und
Missstände anprangern. Dabei bedient sich die Satire häufig der Hyperbel
beziehungsweise der Übertreibung. Dafür wird die Wirklichkeit auf übertriebene
Weise, durch verzerrte Sachverhalte oder durch den spöttischen Vergleich mit
einem Idealzustand der Lächerlichkeit preisgegeben. Mittels Ironie und harschem
22
Was ist Satire?
Spott werden diese Laster dem Empfänger übermittelt. Häufig bedient sich der
Satiriker auch der sprachlichen Instrumente des Klischees oder der Metapher.
Satire nimmt ebenfalls eine didaktische Funktion wahr. Indem sie dem Empfänger
Denkanstösse verpasst und ihn damit zur Reflexion bewegen will, kommt der
Satire eine belehrende Funktion zu. Es liegt stets im Ermessen des Empfängers
selbst, wie er auf Satire reagiert beziehungsweise was er aus ihr lernt oder aus ihr
lernen will. (Venske, 2015)
Eine weitere wichtige Thematik befasst sich mit der Rolle der Frau in der Satire.
Betrachtet man die deutschsprachige Satirelandschaft, so fállt auf, dass Satire ein
fast ausschliesslich maskulines Genre ist. Zwar finden sich Frauen häufig als
Gegenstand satirischen Spotts und Geláchters wieder, doch eher selten als
Urheber satirischer Inhalte. Die deutsche Schriftstellerin Gisela Elsner beschrieb
dieses Phánomen im Jahr 1978 wie folgt: ,Satiren galten wie Bordellbesuche
ausschliesslich als Mánnersache". Zwar sind aus der Zeit vor Gisela Elsner
tatsáchlich keine Satirikerinnen bekannt, jedoch lassen sich satirische Elemente
in einzelnen Werken der deutschen Schriftstellerin Margarete Beutler erkennen,
welche sich in Form von Gesellschafts- und Obrigkeitskritik bemerkbar machen. Im
Jahr 1903 gab Margarete Beutler einen Kabarettauftritt, bei welchem sie das
Patriarchat, die Frauenfeindlichkeit und die etablierten Rollenbilder anprangerte.
Margarete Beutler bewies schon vor rund hundert Jahren, dass auch subversiv
gesinnte Frauen Satire machen kónnen. (Venske, 2015)
Mit Abschluss des ersten Kapitels wurden die Bedeutung, die Varianten und die
Themen der Satire erláutert. Um dem Leser nun ebenfalls einen Einblick in die
Ursprünge der Satire zu gewáhren, setzt sich das zweite Kapitel mit der Geschichte
der Satire im europáischen Kulturraum, hauptsáchlich aber im deutschsprachigen
Raum, auseinander. Dem Leser soll damit die Entwicklung der Satire aufgezeigt
werden, sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Daneben soll der Leser erfahren,
welchen Stellenwert der Satire in den jeweiligen Epochen zugeschrieben wurde
und wo die Grenzen der Satire lagen.
23
Kurze Geschichte der Satire
2 Kurze Geschichte der Satire
Die Kunst der Satire kann auf eine Jahrtausende alte Geschichte und Tradition
zurückblicken. Von der Antike bis in die Gegenwart spielt Satire eine wichtige Rolle
hinsichtlich der persönlichen Meinungsäusserung und Kritikausübung an
Hierarchien und Autoritäten sowie an der Gesellschaft. Der Ursprung der Satire in
Europa lässt sich bis ins antike Griechenland zurückverfolgen. Im Laufe der
Epochen entwickelte sich die Satire stets weiter und nahm zahlreiche Formen an.
Doch nicht immer wurde Satire auch als solche geduldet und wurde gar auf
unterschiedliche Weisen geahndet.
2.1 Antike
In den Amphitheatern des antiken Griechenlands vor rund
zweitausendfünfhundert Jahren, in der Zeit, in der die Demokratie ihren Anfang
nahm, liegt der Ursprung des heutigen politisch-literarischen Kabaretts. Beim
sogenannten „Satyrspiel“ erheiterten sich die Zuschauer an spóttischen
Darstellungen. Einer der führenden Köpfe des griechischen Theaters war der
Dichter Aristophanes. Aristophanes war bekannter Zeitkritiker, mit scharfzüngiger
Ironie und hinreissendem Wortwitz beleuchtete er aktuelle Geschehnisse. Seine
Stücke weisen ebenfalls Elemente der Politsatire auf, indem sie sich teilweise
gegen zeitgenössische Politiker, Künstler und Wissenschaftler richten. Gleichzeitig
rief er in seinen Stücken auch zu Versöhnung und Frieden auf. Es lässt sich jedoch
sagen, dass Aristophanes im Grossen und Ganzen kein Weltverbesserer war und
vielmehr eine konservative Ader besass. (Venske, 2015)
Auch im antiken Rom wurde die Satire als ein Instrument zur Verkündung
unangenehmer Wahrheiten, Gesellschaftskritik und Kritik am monarchistischen
Tyrannentum verwendet. Im Vergleich zur griechischen Satire, entwickelte sich die
Satire zur Zeit des römischen Reichs laufend weiter und nahm stetig neue Formen
an. Grundsätzlich lässt sich der eigentliche Ursprung der Satire auf den römischen
Dichter Gaius Lucilius zurückführen. Indem Lucilius sich die Satire als Instrument
der harschen Kritikübung zu Nutzen machte, definierte er massgeblich die
24
Kurze Geschichte der Satire
Entwicklung und die Bedeutung der Satire. Ein weiterer namhafter Satiriker dieser
Zeit und grosser Bewunderer Lucilius war Quintus Horatius Flaccus, besser
bekannt unter dem Namen Horaz. Auch Horaz teilte den Lesern auf eine
humoristische Weise unangenehme Wahrheiten mit und machte auf soziale Laster
wie Habgier, Ehebruch oder Völlerei aufmerksam. Im Gegensatz zu Lucilius jedoch,
bemühte sich Horaz sehr um Zurückhaltung und Diskretion. Seine Werke
beschränkten sich mehrheitlich auf nicht allzu ernsthafte soziale und moralische
Probleme und sollen der breiten Allgemeinheit primär zur Unterhaltung dienen.
Horaz legte grossen Wert auf die ästhetische Gestaltung seiner Texte und auf
deren Unterhaltungswert. Rund hundert Jahre nach Horaz betrat der Satiredichter
Juvenal die Bildfläche. Juvenal gilt als gnadenloser Gesellschaftskritiker. Auf
äusserst eloquente Weise übte er Kritik an diversen Gesellschaftszuständen und
appellierte dabei stets an die Moral. Zu Zeiten Kaiser Neros propagierte der
Dichter Marcus Annaeus Lucanus gegen dessen tyrannische Herrschaft. Lucanus
oder zu Deutsch Lukan, kritisierte in seinen Schriften das Regime Kaiser Neros,
was ihm letztlich zum Verhängnis wurde. Kaiser Nero bezichtigte Lukan der
Verschwörung und zwang ihn damit in den Suizid. Auch der römische Senator und
Dichter Titus Petronius verhöhnte in seinem Roman „Satyricon“ den Lebensstil der
betuchten römischen Gesellschaft. Nero beschuldigte auch Petronius der
Konspiration, sodass auch er in den Selbstmord gezwungen wurde. (Venske,
2015)
2.2 Mittelalter
Mit dem Niedergang des römischen Reichs, verschwand auch die Satire
vorübergehend. Im Mittelalter nahmen die Narren die Stelle der Satiriker ein. Die
sogenannte Narrenfreiheit ermöglichte es ihnen, ungestraft Kritik an bestehenden
Verhältnissen und Hierarchien zu üben. An Fürstenhófen und anderen
Herrschaftsháusern fanden sich oftmals die sogenannten Hofnarren, die
persönlichen Unterhaltungskünstler des Adels. Unter der Gewährleistung der
Narrenfreiheit war es ihnen erlaubt Kritik an den Herrschern zu üben oder diese
gar zu parodieren. Die Vorstellung von Satire veränderte sich während des
Mittelalters markant. Wurde Satire im antiken Rom als Instrument der öffentlichen
25
Kurze Geschichte der Satire
Kritikübung eingesetzt, so wurde im Mittelalter schon das blosse „Nachäffen“
ohne jegliche inhaltliche Kritik für Satire gehalten. Im spáten Mittelalter
entwickelte sich der Hofnarr zunehmend zum Prestigeobjekt der Herrscher.
Demnach musste der Narr auch den wachsenden Ansprüchen nach geistreicher
Unterhaltung gerecht werden. Neben dem Unterhaltungsgescháft kam dem Narr
auch die Aufgabe eines Berichterstatters zu. Den Narren war es gestattet, den
Herrschern von den Lebensumstánden ihrer Untertanen zu berichten, jedoch nur
im Rahmen der Narrenfreiheit. Zu dieser Zeit erfreute sich die volkstümliche,
sogenannte ,Narrenliteratur" grosser Beliebtheit. In der Narrenliteratur werden
menschliche Schwächen lächerlich gemacht und auf eine übertriebene Weise
blossgestellt. Die Narrenliteratur diente in erster Linie der moralischen Belehrung
der Leserschaft. Ein Beispiel einer solchen deutschsprachigen Narrenliteratur ist
das Werk „Das Narrenschiff“ des deutschen Juristen Sebastian Brant aus dem
Jahr 1494. Auf moralsatirische Weise macht Brant in seinem Werk auf die Laster
der Welt aufmerksam und beleuchtet diese kritisch. (Venske, 2015)
2.3 Neuzeit
Während der Epoche der Aufklärung standen die Prinzipien des rationalen
Denkens und der Vernunft im Zentrum des Volkssinnes. So galt auch die Satire als
eine aufklärerische Kunstgattung. Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte sich
schliesslich die moderne Satire. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die
deutschsprachige Satire stark von gesellschaftskritischen und politischen Themen
geprägt. Satiriker wie Heinrich Heine oder Gerhart Hauptmann gelten als Vorreiter
dieser Dichtkunst. Zur Zeit der Weimarer Republik zählen Kurt Tucholsky und Erich
Kästner zu den bedeutendsten und meistzitierten deutschsprachigen Satirikern.
Nachdem die Weimarer Republik auf ihr Ende zusteuerte, erstarkte in Deutschland
der Nationalsozialismus. Damit einhergehend durchlebte die deutschsprachige
Satire eine schwierige Phase, da im nationalsozialistischen Deutschland und
Österreich kein Platz für polit- oder regimekritische Bemerkungen war. Zahlreiche
satirische Werke wurden durch die Nationalsozialisten zensiert oder fielen im
Rahmen der Bücherverbrennung den Flammen zum Opfer, viele Satiriker sahen
sich gezwungen ins Exil zu gehen. So auch Kurt Tucholsky. Tucholsky warnte
26
Kurze Geschichte der Satire
Öffentlich vor der Bedrohung durch den aufkommenden Nationalsozialismus,
wodurch er sich gezwungen sah, nach Schweden ins Exil zu gehen. Ein anderes
Schicksal ereilte den russisch-ósterreichischen Schriftsteller Jura Soyfer, seine
politisch-kritischen Stücke wurden ihm zum Verhängnis. Im Herbst 1938 wurde
Soyfer ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo er nach rund einem
halben Jahr starb. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und des
Nationalsozialismus kehrte auch die Satire zurück nach Deutschland und
Ósterreich. Besonders in jüngster Vergangenheit rückte die Satire zumeist durch
tragische Ereignisse immer wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen
Aufmerksamkeit. Im Jahr 1988 veróffentlichte der indisch-britische Schriftsteller
Salman Rushdie seine Koran-Satire ,Die satanischen Verse“ durch die er sich
folglich gezwungen sah, ein Leben in Anonymitat unter standigem Polizeischutz zu
verbringen. Die Republik Iran rief öffentlich zur Ermordung Rushdies auf, indem
der Staat rund eine Million US-Dollar Kopfgeld aussetzte. Im Jahr 2005 sorgten in
einer dänischen Tageszeitung veröffentlichte Karikaturen des islamischen
Propheten und Religionsstifters Mohammed für Aufsehen. In Folge dieser und
weiterer Veröffentlichungen kam es in vielen Staaten zu islamistisch motivierten,
gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen mehr als hundert Menschen starben.
Traurige Berühmtheit erlangte auch die französische Satirezeitschrift „Charlie
Hebdo“. Nachdem Charlie Hebdo bereits im Jahr 2011 Opfer eines
Brandanschlags wurde, gerieten die Zeitschrift und deren Urheber im Januar 2015
erneut ins Visier islamistisch motivierter Terroristen. Bei diesem Anschlag drangen
zwei maskierte Männer in die Redaktion ein und erschossen zwölf Menschen und
verletzten zwanzig weitere, einige davon schwer. Dieser Anschlag bildet vorläufig
den Höhepunkt in der modernen Verfolgung von Satirikern. Ende März des
vergangenen Jahres erlangte der deutsche Satiriker Jan Bóhmermann öffentliche
Aufmerksamkeit, indem er ein Gedicht verfasste, welches den türkischen
Prásidenten Recep Tayyip Erdof£an vehement diskreditierte. Indem Bóhmermann
zu verstehen gab, dass er mit diesem Gedicht bloss die Grenzen der Satire
aufzeigen wollte, entfachte er eine hitzige Diskussion über Zensur und
Meinungsfreiheit, welche sogar die Staatsoberhäupter Deutschlands und der
Türkei erreichte. Wie die Geschichte also zeigt, haben Satiriker immer schon
gefährlich gelebt, doch nie davor zurückgeschreckt, ihre Meinung zu äussern.
(Venske, 2015)
27
Satire in Liechtenstein
3 Satire in Liechtenstein
Vergleicht man Liechtenstein beispielsweise mit Deutschland, welches auf eine
lange Satiregeschichte zurückblicken kann und auch heute eine breite
Satirelandschaft vorzuweisen hat, so lässt sich sagen, dass Satire
beziehungsweise satirische Medien oder Plattformen in Liechtenstein eher wenig
verbreitet sind. Dennoch lassen sich auch in Liechtenstein einige satirische
Einschläge nachweisen.
3.1 Satirelandschaft
Im Vergleich zu den Satirelandschaften anderer deutschsprachiger Länder,
entwickelte sich diese in Liechtenstein verhältnismässig spät und kann
entsprechend auf eine junge Geschichte zurückblicken. Dies mag damit
zusammenhängen, dass Liechtenstein noch bis in die Mitte des zwanzigsten
Jahrhunderts ein ärmlicher Agrarstaat war und es der Bevölkerung daher nur
bedingt möglich war, sich am kulturellen Leben zu beteiligen oder dazu
beizutragen. Gelegentlich wurden in den Gemeinden Liechtensteins jedoch
volkstümlich Theaterproduktionen aufgeführt, welche zumeist auf Initiative der
órtlichen Feuerwehren, Sport-, oder Musikvereine durchgeführt wurden. Bei diesen
Produktionen handelte es sich nicht etwa um hochstehende Dramen, vielmehr um
Bauernschwánke, welche stark vom lokalen Humor geprägt waren (Goop, 1986).
Die Inhalte solcher Amateurproduktionen oder die darin auftretenden Personen
wiesen einen direkten Bezug zur lokalen Bevólkerung auf, weshalb sie besonders
beliebt waren und einen wichtigen Stellenwert im órtlichen Kulturleben innehatten.
Mit der Zeit entwickelte sich aus dieser Vielzahl dórflicher Amateurtheatern eine
professionelle Theaterkultur und in den frühen 1960er Jahren war auch die Idee
zur Gründung eines Kabaretts geboren. So initiierten die Schellenberger
Hansruedi Sele und der damalige Germanistik-Student Alois Büchel das Kabarett
Liechtenstein mit dem Namen ,Kaktus*. Bald schon fanden sie weitere motivierte
Mitstreiter und so gab das fünfkópfige Kabarett am O7. April 1964 in Vaduz seinen
ersten Auftritt. Das Drehbuch für das Kabarett wurde hauptsächlich von Alois
Büchel verfasst, welcher zudem die Regie übernahm. Inspiration für seine Texte
28
Satire in Liechtenstein
holte sich Büchel ebenfalls aus den Kabarettszenen Deutschlands, Österreichs
und der Schweiz. Die Produktionen des Kabaretts „Kaktus“ wiesen einen starken
Bezug zum Land Liechtenstein und zu seiner Bevölkerung auf und stellten diese
Aspekte stets in den Mittelpunkt. So kam es, dass auch einige sehr
gesellschaftskritische Kabarettnummern entstanden, welche zeitgenössische
Fragen in den Vordergrund stellten und auch innenpolitische Themen ins Visier
nahmen. Das Kabarett führte seine Produktionen auch gelegentlich im nahen
Ausland in St. Gallen, Vorarlberg und Graubünden auf. Nach bloss vier
Produktionen ging die Ära des Kabarett „Kaktus“ im Jahr 1970 auch schon wieder
zu Ende. (Eberle, 2016)
Im Herbst des Jahres 1993 hielten die beiden Vaduzer Brüder Mathias und Ingo
Ospelt in Ruggell eine Lesung, bei der sie satirische Texte vorlasen und ebenfalls
kleinere Sketche und Szenen vorspielten. Da sich dieses Programm unter dem
Namen ,Heimatabend" grosser Beliebtheit beim Publikum erfreute, beschlossen
sich die Brüder, dieses Format weiterzuführen und weitere satirische Produktionen
auszuarbeiten. Die Gebrüder Ospelt konnten den Triesenberger Musiker Marco
Schádler motivieren, sich ihrer Formation anzuschliessen, woraufhin sie nun
komplett und ,Das Liechtensteiner Gabarett (LiGa)" geboren war. Am 7. April 1994,
genau 30 Jahre nach dem ersten Auftritt des Kabarett ,Kaktus", gab das ,LiGa" in
Gamprin seinen ersten Auftritt. Mit wenigen Unterbrüchen führte das ,LiGa"
jáhrlich eine neue kabarettistische Produktion auf. Jedes dieser Programme
behandelte „ein bestimmtes Charakteristikum Liechtensteins in einer
Momentaufnahme“ (Ospelt, 2007). So befasste sich die erste Produktion unter
dem Namen „s’Benkli voräm Huus“ aus dem Jahr 1994 mit Fragen rund um das
liechtensteinische Brauchtum und die Heimatkunde sowie mit dem
liechtensteinischen Patriotismus im Allgemeinen. Die Produktion „Auf Wache!“ aus
dem Jahr 1998 behandelte das Thema rund um die Gründung und die Einführung
des Erzbistums Vaduz, wohingegen die Liechtensteinische Landesverwaltung
Gegenstand des Programms „HalleLiGa - Fürchtet Euch nicht“ aus dem Jahr 2003
wurde. Den Autor Mathias Ospelt interessierte dabei weniger die Schilderung
konkreter Gegebenheiten, vielmehr stellte er die Reaktionen der Liechtensteiner in
den Vordergrund beziehungsweise die Art und Weise, wie diese über die jeweiligen
Themen denken, sprechen und darauf eingehen. Damit offenbarte er dem
29
Satire in Liechtenstein
Publikum stets einen satirischen Abriss über die allgemeine Stimmung, die in
Liechtenstein herrscht, wenn ein bestimmtes Thema die Gedanken und Gemüter
des Volkskörpers beschäftigte. Auf diese Weise hielt das „LiGa“ den Zuschauern
stets den Spiegel vor und führte ihnen die Gemütsverfassung der
liechtensteinischen Gesellschaft vor Augen (Eberle, 2016). Ab dem Jahr 2009 trat
das ,LiGa“ fortan unter dem Namen „Ospelt, Ospelt, Schädler“ auf. Wie gewohnt
nahmen es sich die drei Herren zum Ziel, dem Publikum eine satirische Sichtweise
auf zeitgenössische, auf Liechtenstein bezogene Fragen zu eröffnen. Mit ihrer
letztjährigen Produktion „Image knödeln“ wurden die Eigenheiten des
liechtensteinischen Marketing beziehungsweise die Art, wie Liechtenstein sich
selbst vermarktet, parodiert und kritisiert. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 bildet
das „Liechtensteiner Gabarett“ beziehungsweise die Formation „Ospelt, Ospelt,
Schädler“ die einzige Kabarett-Gruppierung im Fürstentum und trägt damit
massgeblich zur Vielfalt und Belebung der Satirelandschaft Liechtensteins bei.
Durch den direkten Bezug zur Bevölkerung und die Behandlung zeitgemässer
Themen, erfreuten sich die kabarettistischen Produktionen der Gebrüder Ospelt
und Schädlers grosser Beliebtheit und können einen anhaltenden Erfolg
verzeichnen. (Eberle, 2016)
Neben dem Kabarett initiierten Mathias Ospelt und Marco Schädler im Jahr 2007
ebenfalls ein satirisches Abendprogramm mit dem Namen „Schlössle-TV“. Zweimal
jährlich präsentieren sie ihre Programme, bei denen aktuelle Themen aufgegriffen
und behandelt werden. Umrahmt werden diese Aufführungen zumeist von
musikalischen Darbietungen, audiovisuellen Einschüben und Gastauftritten
diverser Kleinkünstler aus Liechtenstein und der Umgebung. Mit „Schlössle-TV“
etablierte sich eine Plattform, welche sich einen festen Platz in der Kultur- und
Satirelandschaft Liechtensteins gesichert hat und aus dieser kaum mehr
wegzudenken ist.
Aufgrund dieser doch sehr positiven Resonanz seitens der Bevölkerung auf die
satirischen Darbietungen der Herren Ospelt, Ospelt und Schädler lässt sich
behaupten, dass Satire bei den Liechtensteinern relativ beliebt ist. Zuspruch erhält
diese Behauptung zudem durch das verhältnismässig reichhaltige Angebot an
kabarettistischen Veranstaltungen, die in Liechtenstein besucht werden können.
30
Satire in Liechtenstein
So bieten die liechtensteinischen Kleintheater „Theater am Kirchplatz (TAK)“ in
Schaan, der „Schlösslekeller“ in Vaduz oder das „K-Bum“ in Malbun immer wieder
die Möglichkeit, satirischen oder kabarettistischen Aufführungen beizuwohnen.
Satire mag in Liechtenstein ein relativ junges Phänomen sein, doch kann sie auch
auf einen historischen Hintergrund, wenn auch in einem anderen Zusammenhang,
zurückblicken. Die Fasnacht, welche im deutschsprachigen Raum auch als die
„Närrische Zeit“ oder „fünfte Jahreszeit“ bezeichnet wird, hat eine lange
Geschichte und ist fester Bestandteil des liechtensteinischen Brauchtums und der
Kultur. Die Fasnacht ist die Zeit der Narren, und Narren, so lehrt die Geschichte, ist
es erlaubt, im Rahmen der Narrenfreiheit ungestraft Kritik an Autoritäten und
Zuständen zu üben (vgl. Kapitel 2.2 Mittelalter). Während der Fasnacht kann sich
der Bürger dem Alltag entziehen und durch Verkleidung und Maskierung in die
Rolle eines „Narren“ schlüpfen. An den jährlichen Fasnachtsunterhaltungen und
Fasnachtsumzügen herrscht eine ungezwungene und ausgelassene Stimmung.
Einige „Narren“ nutzen die fasnächtlich-unbefangene Stimmung, um ihren Unmut
Zu gewissen aktuellen Themen kund zu tun. So zieren oftmals Karikaturen oder
satirische Botschaften die Umzugswagen, während an Büttenreden Missstände
auf eine humoristische Weise ins Lächerliche gezogen werden. Eine weitere
Besonderheit der fünften Jahreszeit stellen die sogenannten
„Fasnachtszeitungen“ dar. Dabei handelt es sich um eine Gelegenheitsschrift,
welche von órtlichen Vereinen herausgegeben wird und letztjáhrige Ereignisse aus
dem Dorf- oder Landesgeschehen in einer humoristischen Weise kritisch
kommentiert. Oftmals werden in den Fasnachtszeitungen auch namhafte
Personen karikiert. Die erste liechtensteinische Fasnachtszeitung erschien im Jahr
1920. Heute erscheint beinahe in jeder Gemeinde jáhrlich eine solche
Fasnachtszeitung. (Goop, 1986)
Wie aus diesem Unterkapitel hervorging, lassen sich in Liechtenstein durchaus
satirische Einschláge nachweisen, welche einerseits von unterhaltendem und
andererseits von kulturhistorischem Wert zeugen. Satire ist insofern auch
Bestandteil des liechtensteinischen Brauchtums und damit Bestandteil der
liechtensteinischen Kultur.
31
Satire in Liechtenstein
3.2 Rechtliche Aspekte
Wie aus dem vorherigen Unterkapitel hervorgeht, ist Satire in Liechtenstein
durchaus verbreitet, die Frage nach den Grenzen der Satire ist jedoch grösstenteils
schleierhaft. Satire hat keine eindeutige Grenze, so viel ist sicher. Vielmehr kennt
Satire sowohl eine Grenze im moralischen beziehungsweise subjektiven Sinne, als
auch eine Grenze im rechtlichen beziehungsweise objektiven Sinne.
Die Frage, was Satire darf und was nicht, ist so alt wie die Satire selbst. Kurt
Tucholsky antwortete auf eben diese Frage einst mit „alles“. Doch darf Satire
wirklich alles? Wohl kaum. Im «Dürfen» steckt eine Einschränkung, denn «dürfen»
und «alles» schliessen sich aus“. (Venske, 2015)
Henning Venske gibt damit zu verstehen, dass Satire, entgegen des gemeinhin
bekannten Zitats Kurt Tucholskys, Grenzen kennt. Diese Grenzen werden jedoch
nicht etwa durch Vorschriften oder Gesetze definiert, sondern vom Satiriker selbst
gezogen. Sollte ein Satiriker mit gesellschaftlichen und gesetzlichen Tabuthemen
brechen, wie beispielsweise Antisemitismus oder Homophobie, so diskreditiert er
sich selbst und wird seinem Status als Satiriker enthoben. Dies kann im Sinne
keines Satirikers sein und so muss der Satiriker für sich selbst entscheiden, wie
weit er mit seiner Satire gehen will. Satire ist insoweit auch Gewissenssache.
(Venske, 2015)
Das Thema „Satire“ ist aber auch Gegenstand in unterschiedlichen
liechtensteinischen Rechtsquellen. Die wichtigste und allen anderen
übergeordnete Rechtsvorschrift im Fürstentum Liechtenstein bildet die
Landesverfassung, sie ist auch Grundlage für die Gesetzgebung hinsichtlich Satire.
Durch Artikel 40 der liechtensteinischen Verfassung wird jedem Bürger das Recht
der freien Meinungsäusserung gewährt. Dies kann dabei durch Wort, Schrift,
Druck oder durch bildliche Darstellung erfolgen, wenn sich diese Darstellungen
innerhalb der Schranken des Gesetzes und der Sittlichkeit befinden (Verfassung).
Der vierzigste Verfassungsartikel schliesst die Freiheit der Kunst mit ein, worunter
der Schutz künstlerischer Ausdrucksformen gewährleistet wird. Die Freiheit der
32
Satire in Liechtenstein
Meinungsäusserung ist ebenfalls durch Artikel 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention garantiert. Liechtenstein ratifizierte die
Menschenrechtskonvention am 8. September 1982, womit diese und weitere
Grundfreiheiten auch im Fürstentum verbindlich wurden. Trotz der Grundgewähr
der Meinungsfreiheit kennt die Satire, zumindest aus rechtlicher Sicht, dennoch
Grenzen. Problematisch wird es besonders bei Satire, die sich gegen konkrete
Personen richtet. Sollte eine Person durch Satire böswillig diskreditiert werden, so
kann das sowohl strafrechtliche als auch privatrechtliche Konsequenzen haben.
Die Ehrverletzung von Personen ist im liechtensteinischen Strafrecht durch drei
Paragraphen definiert und wird demnach als Offizialdelikt geahndet. Dies hat zur
Folge, dass die Staatsanwaltschaft von Amtes wegen juristische Schritte einleitet
und den Urheber der gegen eine Person gerichteten Satire belangt. (Regierung,
1921)
So setzt sich Paragraph 111 des liechtensteinischen Strafgesetzbuchs mit dem
Gegenstand der „üblen Nachrede“ auseinander. Demnach müssen Personen, die
einem Dritten unehrenhafte oder gegen die Sitte verstossende Eigenschaften,
Gesinnung oder Verhalten unterstellen und dies an die Öffentlichkeit tragen, mit
einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von 360
Tagessätzen rechnen. Wenn diese Unterstellungen durch Rundfunk oder über
einen anderen Weg der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, so kann
dies eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zur Folge haben. Dies ist allerdings
nur dann der Fall, wenn sich die Beschuldigung als wahrheitsgetreu herausstellen
sollte. (Stotter, 2008)
Sollte die „üble Nachrede“ zur Folge haben, dass der Betroffene durch die
Anschuldigungen öffentlich blossgestellt und herabgewürdigt wird, so spricht man
von „Verleumdung“, welche im Paragraph 112 des liechtensteinischen
Strafgesetzbuchs behandelt und definiert wird. Wenn eine Person vorsätzlich
falsche Wahrheiten in Umlauf bringt und sich dessen bewusst ist, so muss mit
einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe von 360
Tagessätzen gerechnet werden. Wie auch bei der „üblen Nachrede“, muss der
Unterstellende mit einer höheren Strafe rechnen, sollte er diese über Rundfunk
oder durch andere Mittel einer grossen Menschengruppe zugänglich gemacht
33
Satire in Liechtenstein
haben. Eine Verbreitung seiner Behauptungen über einen solchen Weg kann dabei
mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. (Stotter, 2008)
Anders als bei der ,üblen Nachrede“ und der ,Verleumdung“ verhält es sich bei
„Beleidigungen“. Eine Person, die einen Dritten auf wahrnehmbare Weise
beschimpft, verspottet, körperlich misshandelt oder mit körperlicher Misshandlung
droht, muss mit Konsequenzen beruhend auf Paragraph 115 des
liechtensteinischen Strafgesetzbuchs rechnen. Hierbei kann eine Freiheitsstrafe
von bis zu einem Monat oder eine Geldstrafe von bis zu 60 Tagessätzen drohen.
Wie auch bei den Paragraphen 111 und 112 ist mit einer höheren Strafe zu
rechnen, sollte die Beleidigung, der Spott et cetera Öffentlich oder vor mehreren
Leuten begangen werden. In diesem Fall muss der Straftäter mit einer
Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 180
Tagessätzen rechnen. Der Täter hat keine juristischen Konsequenzen zu
befürchten, wenn seine Entrüstung über das Verhalten der Drittperson berechtigt
beziehungsweise allgemein begreiflich ist. Hierbei ist ebenfalls die Zeitspanne
ausschlaggebend, die zwischen dem Zeitpunkt des für Entrüstung sorgenden
Anlasses und der Äusserung der Empörung verstrichen ist. (Stotter, 2008)
Sollte der Strafbestand von offizieller Seite her nicht weiter verfolgt werden, so
kann die betroffene und durch die Unterstellung beziehungsweise Beschimpfung
leidende Person zivilrechtliche Schritte einleiten. Der zweite Abschnitt des
Personen- und Gesellschaftsrechtes des Fürstentum Liechtensteins widmet sich
dem Schutz der Persönlichkeit und bildet die Grundlage für eine Zivilrechtsklage,
sollte sich der Betroffene in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt oder
bedroht sehen. Beruhend auf Artikel 39 steht es jedem, der auf unbefugte Weise
in seiner Ehre, Geltung oder in anderen Persönlichkeitsgütern verletzt wurde, zu,
gegen die Urheber vorzugehen. Wenn seitens des Betroffenen kein Schaden
entstanden ist, so kann dieser vom Täter die Beseitigung der gegen ihn
gerichteten Störungen und eine Unterlassung fernerer Störungen verlangen (PGR,
Art. 39). Sollte die betroffene Person aus diesen Unterstellungen oder
Beleidigungen Schaden davongetragen haben, so hat diese Anspruch auf
Schadensersatz. (Gassner, 2015)
34
Satire in Liechtenstein
Wie sich also zeigt, behält Tucholsky mit seiner Aussage „Satire darf alles“ nur
bedingt Recht. Die Satire kennt sehr wohl Grenzen, rechtliche wie auch
moralische. Nichtsdestotrotz ist Satire, wenn sie von Qualität zeugt, ein Grundrecht
eines jeden Bürgers. Insoweit ist Satire auch ein Instrument, mit welcher sich ein
jeder frei ausdrücken und seinem Unmut Gehör verschaffen kann.
35
Selbstironie oder Diskreditierung?
4 Selbstironie oder Diskreditierung?
Die Satire ist im Fürstentum Liechtenstein nach wie vor ein aktuelles Phänomen.
Die Nachfrage nach kabarettistischer Unterhaltung besteht durchaus und auch um
das Angebot ist es verhältnismässig gut bestellt. Neben ihrer Funktion als beliebte
Unterhaltungsmöglichkeit, kann die Satire in Liechtenstein auch auf eine, wenn
auch junge, Tradition zurückblicken und sich daher als Teil des liechtensteinischen
Brauchtums verstehen. Betrachtet man die Satire aus der rechtlichen Perspektive,
so ist sie ein durch die Verfassung gewährtes Grundrecht. Ein jeder hat das Recht,
Satire zu machen, solange sie sich nicht explizit gegen konkrete Personen richtet
und deren Ruf in Mitleidenschaft zieht. All diese Faktoren in ihrer Gesamtheit
betrachtet lassen darauf schliessen, dass die Satire in Liechtenstein durchaus
anerkannt und geschätzt wird. Dies lässt die Behauptung zu, dass die Mehrheit
der Liechtensteiner Kritik verträgt und bis zu einem gewissen Grad selbstironisch
gestimmt ist.
4.1 Forschungsfrage
Zwar mag die Wertschätzung der Satire gegenüber in Liechtenstein grösstenteils
vorhanden sein, jedoch nur so lange sich diese im sittlichen Rahmen hält. Die
liechtensteinische Allgemeinheit kennt Werte, welche gemeinhin als unantastbar
gelten. Eine Verhöhnung dieser Wertvorstellungen kann im Volkskörper durchaus
emotionale Reaktionen hervorrufen und mancher kann dies als einen
persönlichen Angriff werten. Mit der nachfolgenden Überprüfung sollen zwei
Aspekte festgestellt und in Beziehung zueinander gesetzt werden. Zum einen wird
die Frage nach dem kollektiv empfundenen Stellenwert der Satire im Allgemeinen
untersucht und zum anderen soll festgestellt werden, ob es Tabuthemen gibt,
hinsichtlich derer die Liechtensteiner keinen Spass vertragen. Ferner wird
untersucht, ob das Alter, Geschlecht und der Bildungsstand mit ausschlaggebend
für das Satireverständnis der Liechtensteiner sind.
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Selbstironie oder Diskreditierung?
4.2 These
Im Generellen schreiben die Liechtensteiner der Satire einen hohen Stellenwert zu
und erachten diese auch als wichtig. Diese Behauptung stützt sich auf die
Tatsache, dass das Angebot an satirischer Unterhaltung im Land gefragt ist und
Satire zudem im liechtensteinischen Brauchtum verankert ist.
Doch selbstverständlich hat Satire für die Liechtensteiner auch Grenzen. Es gibt
Werte, über welche ein Grossteil der Liechtensteiner nicht spottet und die
mehrheitlich unangefochten bleiben. Ein solches Tabuthema stellt die fürstliche
Familie dar. Die Mehrheit der Liechtensteiner fühlt sich sehr verbunden mit ihrem
Fürstenhaus und reagiert dementsprechend emotional auf jegliche Kritik oder
Spott, die sich gegen die fürstliche Familie richtet. Dies wurde zuletzt bei der
sogenannten „Veto-Initiative“ aus dem Jahr 2012 deutlich. Die Initiative sah vor,
das Vetorecht des Fürsten bei Volksentscheiden abzuschaffen. Seitens der
Bevölkerung wurde dieses Vorhaben hitzig diskutiert und kritisiert. Was folgte war
eine grossangelegte, öffentliche Solidaritäts- und Loyalitätsbekundung seitens des
Volkes dem Fürstenhaus gegenüber. Durch Leserbriefe, Plakate und Statements in
sozialen Netzwerken zeigte sich die Bevölkerung solidarisch mit dem Fürstenhaus
und als es zur Abstimmung kam, fiel das Ergebnis wie zu erwarten eindeutig aus.
Mit einer gut 76 prozentigen Mehrheit sprach sich die Bevölkerung gegen die
Beschränkung des fürstlichen Vetorechts aus. Die Stimmbeteiligung lag bei knapp
83 Prozent. (Böhler, 2012)
Ein weiteres heikles Thema stellt die „katholische Kirche“ dar. Die katholische
Kirche hat in Liechtenstein bis heute den Status der Landeskirche inne und
geniesst damit einen Sonderstatus unter den Religionsgemeinschaften. Ebendiese
Thematik war Gegenstand eines satirischen Kurzfilmes aus dem Jahr 2015. Die
Urheber des Filmes spielten darin auf die Trennung von Kirche und Staat an, so
wie es schon seit geraumer Zeit in Liechtenstein diskutiert wird. Womit die Urheber
jedoch nicht rechneten, war die enorme Resonanz, die auf diesen Film folgte.
Seitens religiöser Kreise hagelte es enorme Kritik, das Erzbistum Vaduz reichte
sogar eine Klage gegen die Urheber ein. Der Film erreichte sogar den örtlichen
Gemeindevorsteher, welcher die Urheber zur Lóschung des Filmes aus der
37
Selbstironie oder Diskreditierung?
Plattform „YouTube“ aufforderte. Als die Landeszeitungen, der staatliche
Radiosender sowie auch ausländische Medien über diesen Film berichteten, war
das Video bald in aller Munde. Was folgte war eine hitzige, öffentlich ausgetragene
Diskussion in Leserbriefen und sozialen Netzwerken. Dabei liessen sich deutlich
zwei Positionen erkennen. Auf der einen Seite waren die Befürworter, welche den
Film und deren Urheber verteidigten und auf der anderen Seite die Gegner, welche
zumeist aus religiösen Kreisen stammten und den Film aufs Schärfste verurteilten.
Anhand dieses Beispiels wurde deutlich, dass sich allen voran religiös Gesinnte
Mitbürger persönlich angegriffen fühlen, wenn ihre religiösen Werte verspottet
werden.
Neben dem Fürstenhaus und der Landeskirche zeigen sich die Liechtensteiner
ebenfalls zurückhaltend, wenn es um politische Fragen geht. Das Parteidenken ist
in Liechtenstein weit verbreitet, Kritik an der eigenen Partei wird nicht gerne
gesehen.
Aufgrund dieser genannten Beispiele lässt sich die Vermutung aufstellen, dass die
Themen „Fürstenhaus“ und „Landeskirche“ sowie teilweise auch die
„Landespolitik“ Tabuthemen in der liechtensteinischen Volksmentalität darstellen
und mit Vorsicht zu behandeln sind. Entscheidend dabei ist jedoch das Umfeld,
aus dem die jeweiligen Bevölkerungsgruppen stammen. So mag es nicht weiter
verwunderlich sein, dass konservativ gesinnte Bürger demnach empfindlich auf
die Themen „Fürstenhaus“ und „Landespolitik“ reagieren, während Vertreter
religiöser Kreise sensibel auf das Thema „Landeskirche“ reagieren. Aus diesem
Grund ist es schwierig, die genannten Tabuthemen als gemeinhin verbindlich zu
betrachten.
4.3 Überprüfung
Um das Satireverständnis der Liechtensteiner generell und gesamtheitlich
wahrgenommene Tabuthemen zu eruieren, erfolgt eine zweifache Überprüfung.
Dabei wird versucht, mittels einer Experteneinschätzung und einer Befragung, die
oben genannte These zu belegen oder zu wiederrufen.
38
Selbstironie oder Diskreditierung?
4.3.1 Interview mit Mathias Ospelt
Im ersten Schritt erfolgt ein Interview mit Mathias Ospelt, einem Experten auf dem
Gebiet der Satire in Liechtenstein. Das Interview gliedert sich in drei Teile. Zu
Beginn kommt die persönliche Bewertung des Experten hinsichtlich des Themas
„Satire“ zum Tragen, um dem Leser damit einen Einblick in dessen Sichtweise zu
offenbaren. Im zweiten Teil wird der Experte mit der Frage konfrontiert, inwiefern
die Liechtensteiner Selbstironie billigen beziehungsweise welche Werte oder
Ansichten satirisch beleuchtet werden müssten, damit sie sich brüskiert fühlen. Im
abschliessenden Teil erfolgt die Einschätzung des Experten zum Satireverständnis
der Liechtensteiner generell.
Zur Person:
Name: Mathias Ospelt
Jahrgang: 1963
Tätigkeit: Autor, Studienleiter und Kabarettist
Adresse: Mareestrasse 10, 9490 Vaduz
Telefon: 00423 232 09 67
Mathias Ospelt gründete 1994 zusammen mit seinem Bruder Ingo Ospelt und dem
Triesenberger Marco Schädler die Kabarettformation «Das LiGa». Seit dem Jahr 2007
führt Mathias Ospelt zusammen mit Marco Schädler, zwei Mal jährlich das Satireprojekt
«Schlössle-TV» auf. Damit ist einer der wenigen Satiriker Liechtensteins.
39
Selbstironie oder Diskreditierung?
Teil A: Persönliche Bewertung
Gibt es etwas, was dich an der Satire besonders fasziniert?
„Gute Satire bringt verschiedene Dinge, die mir wichtig sind, zusammen: Humor,
Literatur, Gesellschaftskritik. Und dies auf intelligente Art und Weise. Es ist
bezeichnend, dass es - zumindest meines Wissens - keine (politisch) rechte Satire
gibt. Und wenn es sie gibt, ist sie nicht besonders gut. Sonst würde ich sie kennen.
Hinzu kommt ein neues Phänomen: Aktuelle Untersuchungen in den Staaten
zeigen, dass vorwiegend junge Leute am meisten satirischen TV-Sendungen
trauen, wenn es um den Wahrheitsgehalt bezüglich politischer Meldungen geht.
Herkömmliche Nachrichten, Facebook, Twitter etc. haben praktisch ausgedient.“
Was war ausschlaggebend dafür, dass du dich entschlossen hast, Satire zu
machen? Was bewegte dich dazu?
„Mir ging es zu Beginn nicht darum, reine Satire zu machen. Ich verfasste
humoristische, teils satirische Texte, um von einer Art zu Schreiben
wegzukommen, die mich, wie ich damals meinte, kaputtmachte. Lange
Geschichte. Ich bin überzeugt, dass die Art, wie man schreibt, das eigene Leben
beeinflusst. Nicht umgekehrt. Indem ich mein Schreiben änderte, änderte ich mich
selbst. Wie dem auch sei: die Texte, die damals entstanden, trug ich zu Beginn der
90er Jahre im Frohsinn in Gamprin vor, sie kamen gut an und mein Bruder und ich
beschlossen, sie für eine Theateraufführung (Kabarett) umzusetzen. Was gelang.
Exkurs: Während der Verfassungsdiskussion bildete sich eine kleine Gruppe von
Künstlern, zu denen Regina Marxer gehörte, Monika Michels, Hansjörg Quaderer,
Stefan Sprenger, Marco [Schädler], ich und wenn ich mich recht erinnere Werner
Marxer und auch Jürgen Schremser, die über die künstlerische
Auseinandersetzung mit Fürstenhaus, Verfassung, Fürstentreue zwangsläufig bei
der Satire landete: Der Trachter! Wir haben damals - wie ich finde - recht mutige
und für Liechtenstein unbekannte Dinge gemacht: Nacht- und Nebelaktion mit
Setzen eines Betontrichters vor das Regierungsgebáude, gewaltfreie, humorvolle
Demo vor dem Regierungsgebäude anlásslich einer Landtagssitzung,
40
Selbstironie oder Diskreditierung?
Thematisierung der Vorgänge rund um die Abstimmung im Rahmen einer eigenen
Ausstellung in Walenstadt, LIEWO-Sonderbeilage und satirische Inserate.“
Welche Bedeutung schreibst du der Satire persönlich zu?
(Siehe oben) „Ich halte sie für eine sehr wichtige Literaturform und sie ist, richtig
benutzt, eine wichtige Hilfe, um mit all dem Elend (politisch, sozial, intellektuell
etc.) der Welt irgendwie klarzukommen. Satire kann aufbauen. Obwohl sie dazu
schlimme Bilder benutzt. Sie kann auch aufklären. Dies besonders bei gut
recherchierter Satire.“
Warum denkst du, ist es wichtig, Satire zu machen?
(Siehe oben) „Sie macht das Leben erträglicher. Sie lädt uns ein, über die
Absurditäten, das Elend, die Schweinereien des Lebens befreit zu lachen. Lachen
ist immer noch besser als Resignieren oder Zuschlagen.“
Was zeichnet gute Satire für dich persönlich aus?
(Siehe oben) „Gute Satire verbindet Literatur, Journalismus, Gesellschaftskritik auf
humorvolle und intelligente Weise. Sie ist eine literarische Königsdisziplin, was
leider in der öffentlichen Meinung häufig untergeht. Bzw. sie wird von bestimmten
politischen Kreisen nicht ernstgenommen. Sie wird nur dann zitiert, wenn sie
gegen das verstösst, was allgemein als Moral angesehen wird.“
Teil B: Selbstironie oder Diskreditierung?
Was bewegte dich und deinen Bruder damals, das „Liechtensteinische Gabarett“
zu gründen? Was wolltet ihr mit dem Kabarett bewegen?
„Ursprünglich wollten wir keine Kabaretttruppe gründen, sondern lediglich einen
"Heimatabend" mit kabarettistischen und musikalischen (daher auch der Bezug
von Marco [Schádler]) Elementen zur Aufführung bringen. Geplant war eine Trilogie
mit zwei weiteren, nicht zwingend humorvollen Theaterabenden. Da der Erfolg vom
41
Selbstironie oder Diskreditierung?
"Bänkli" aber enorm war und wir gesehen haben, dass es in Liechtenstein ein
Bedürfnis nach politischem Kabarett gibt, haben wir mit dem Kabarett
weitergemacht. Bewegen wollten wir nicht viel. Kabarett bewegt eh nicht viel. Wir
wollten einfach die Leute dazu bringen, dass sie über sich selbst lachen können.
Das ist uns bei denjenigen, die sich darauf eingelassen haben, gut gelungen. Es
hat sich aber schon früh gezeigt, dass diejenigen, denen es mal besonders gut tun
würde, sich selbst nicht immer so ernst zu nehmen, gar nicht erst zu uns kamen.
Und ins Kabarett prügeln kann man sie leider nicht.“
Wie wurden eure kabarettistischen Produktionen von den Zuschauern im Grossen
und Ganzen aufgenommen? War die Resonanz zumeist positiv oder eher negativ?
„Bei denjenigen Leuten, die uns sahen, kamen unsere Produktionen in der Regel
sehr gut an. Zuweilen hatten wir den Eindruck, dass diese Leute es kaum erwarten
konnten, jedes Jahr einmal mit unserer Sicht der Dinge unterhalten zu werden. Die
Leute kamen aber vor allem, um zu lachen. Diejenigen aber, die von unserem
Kabarett direkt angesprochen wurden, kamen kaum bis gar nicht (Fürstenhaus,
Klerus, Treuhand). Das ist hierzulande auch eine Form, wie man mit Kritik umgeht:
man wird komplett ignoriert oder der künstlerische Wert wird lächerlich gemacht.
Dies änderte sich erst durch die Verleihung von Preisen und Aufmerksamkeit in
auslándischen Medien. Dadurch wurden wir für Einzelne zu so etwas wie
Staatsfeinden. Bei einfacheren Bürgern, die zwar nicht mit allen unseren
Ansichten einig waren, hatte ich oft auch das Gefühl, dass sie immerhin
akzeptierten, dass wir auf hohem künstlerischem Niveau arbeiteten.
Satire - zumindest nach meinem Verstándnis - greift ja allgemeine
gesellschaftliche Vorkommnisse auf und macht sich darüber lustig. Sie geht in der
Regel nicht auf den Mann. Das wáre dann eher ein Fall für Parodie. In
Liechtenstein ist es aber leider so, dass zwei gesellschaftliche Phánomene - das
Fürstenhaus und die katholische Kirche - von je einem Mann symbolisiert werden.
Mache ich mich über die Monarchie lustig, lande ich automatisch bei seinem
Sprachrohr, dem Fürsten. Ähnlich ist es beim Bistum. Auch hier ist der Bischof
Haas Mister Bistum. Ich habe also in der Regel versucht, nicht Personen auf die
Bühne zu bringen - und wenn, dann nur solche, die sich selbst in die Öffentlichkeit
drángten -, sondern Umstände, Zustände, Wirkungen, Visionen (für "SchlóssleTV"
42
Selbstironie oder Diskreditierung?
habe ich aber einen anderen Ansatz gesucht!). Grundsätzlich musste ich dabei als
Autor aber auch stets so schreiben, dass unsere Texte juristisch nicht angreifbar
waren. Ich denke, die Tatsache, dass die Texte unangreifbar waren und dass die
Umsetzung des Gebotenen auf sehr hohem Niveau erfolgte, sorgte dafür, dass
man uns "leben" liess. Ausserdem: wir waren Einheimische. Und - ganz wichtig! -
keine Frauen! Jemand, der das, was ich schreibe, nicht so toll findet, meinte
einmal: „Jetz hemmer di halt!" was wohl so eine Art Legitimations-Diplom sein
sollte.“
Wie setzte sich das Publikum mehrheitlich zusammen? Stammten die Zuschauer
grösstenteils aus einem bestimmten Umfeld?
„Zu Beginn war das Publikum sehr bunt gemischt. Da war viel Neugier dabei,
zudem waren wir damals die einzigen, die diese Theaterform anboten. Später, als
sich herauskristallisierte, was unsere Hauptthemen waren (um 2000 herum vor
allem die Verfassung), setzte sich das Publikum vor allem aus eher
fürstenkritischen Personen zusammen. Dann kamen jene hinzu, denen das, was
wir machten, einfach Spass machte (und sie hörten bei kritischeren Dingen
einfach weg). Und natürlich jene, die von Haus aus offene Ohren für allgemeine
Gesellschaftskritik hatten. Je nach Zusammensetzung der Regierung hatten wir
zuweilen auch jeweils auffallend mehr Oppositionelle in den Zuschauerrängen.
Auffallend auch: wir hatten stets weitaus mehr Frauen im Publikum als Männer!“
Wie hast du die Reaktionen aus dem Publikum mehrheitlich wahrgenommen?
Erhieltest du jeweils ein Feedback?
„Das Publikum war uns stets gut gesonnen. Es hat sich aber über die Jahre immer
wieder gewandelt. In Liechtenstein ist man es sich eher nicht gewohnt, Kritik direkt
auszusprechen. Man kommt einfach kein zweites Mal. So blieben manche Leute
irgendwann weg, dafür kamen neue hinzu. Und irgendwann tauchten die "alten"
wieder auf. Feedback war daher in der Regel stets positiv. Negative
Rückmeldungen hörten wir meistens nur über Dritte ("XY hat erzählt, es hätte ihm
überhaupt nicht gefallen" oder so ähnlich). Dann war es auch so, dass diejenigen,
die sich potentiell auf den Schlips getreten fühlten, gar nicht erst kamen. Die
43
Selbstironie oder Diskreditierung?
Quote derjenigen, denen das, was wir machten, nicht gefiel, war so von vornherein
eher klein.
Eine interessante Erfahrung machte ich aber noch bezüglich Erwartungshaltung:
Irgendwann war ich es satt, immer nur über Fürstenhaus, Bischof und Treuhand zu
schreiben, und so machten wir ein paar Programme, die nichts mit diesen Themen
zu tun hatten. Dies sorgte bei einzelnen "treuen" Kabarettbesuchern für Unmut. So
war unter anderem auch zu hören, dass man uns jetzt "gekauft" hätte. Auch der
künstlerische Wert dieser Produktionen wurde niedergemacht, obwohl sie für uns
selbst zu etwas vom Besten, was wir machten, gehörten.“
Kam es bereits vor, dass sich Leute durch deine satirischen Beitráge in ihren
Werten angegriffen sahen oder sich persönlich betroffen fühlten?
„Es kam vor, ja. Wobei zu sagen ist, dass die grösste Kritik von Leuten kam, die
uns gar nie gesehen haben. Sie haben aber gehört, dass wir uns zu diesem und
über jenes ausgelassen haben. Daher für uns grundsätzlich ärgerlich, aber
letztlich irrelevant.“
Welche Werte oder Thematiken waren dies konkret?
„Die drei Landesnóte: Fürstenhaus, Bistum, Treuhand. Gerade die
Verfassungsdiskussion war ein ausgezeichneter Boden für allerlei satirische
Auseinandersetzungen.“
Wie äusserten diese ihre Kritik und mit welcher Begründung rechtfertigten sie
diese?
„Wie oben erwähnt: Direkt ins Gesicht hat uns nie jemand etwas gesagt. Man hat
es aber gerade während der Verfassungsdiskussion sehr stark gemerkt. Gerade im
Zusammenhang mit den Aktivitäten rund um den Verein „Trachter“ wurde ein
fürstentreuer Gampriner Landtagsabgeordneter damals dahingehend zitiert, dass
man uns alle am nächsten Baum aufhängen solle. Begründung? Begründung
brauchte es keine. Es war für bestimmte Kreise selbstredend, dass alle, die gegen
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Selbstironie oder Diskreditierung?
die Verfassungsvorschläge des Fürsten waren, gegen das Fürstenhaus waren und
damit gegen Verfassung und Staat.
Einen besonderen Fall von Blödheit gab es aber noch aus dem Hause DDr.
Batliner. Ein übereifriger Journalist hatte in seiner Kabarett-Besprechung einen
Witz über Treuhänder ganz allgemein Wort für Wort zitiert, Batliner bezog den Witz
auf sich (was allein schon einiges erzählt!) und entzog unserem
Drucksachensponsor (Grössenordnung rund CHF 3.000) einen jährlichen Auftrag
von rund einer halben Million. Auf ein klarstellendes Gespräch liess sich Batliner
nicht ein.“
Warum handelt es sich deiner Meinung nach ausgerechnet um diese
Werte/Themen?
„Ich sag es mal so: Wenn man selbst keine Werte hat, sucht man sich halt welche.
Meistens wird man dabei bei autoritären Gefügen wie Monarchie oder Kirche
fündig. Sie bieten Struktur und eine kleine Hierarchie. Kurzum: Die heile Welt.
Hinzu kommt in Zeiten wie diesen eine allgemeine Verunsicherung und
Orientierungslosigkeit. Auch da kann die Hinwendung zu undemokratischen
Systemen helfen. Da wird nicht lang rumgefackelt, es gibt eine Meinung und die
wird vertreten. Basta. Was die Treuhand betrifft, so war sie lange Garant dafür,
dass es uns "gut" ging. Zumindest zu den Zeiten, als wir mit dem Kabarett
anfingen, war es noch so. Hätten wir damals den "Untergang" des Treuhandsektors
so wie er in den letzten Jahren vor sich ging vorausgesagt, man hätte uns
vermutlich an den Ohren an eine Scheunenwand genagelt. Damals war jedenfalls
die Dankbarkeit gegenüber den Treuhändern ein wesentliches Ding. Aufgrund der
Tatsache, dass in jeder Stiftung, die Gelder an die Kultur gab, Treuhänder sassen,
war es natürlich sehr einfach, jedem, der etwas Kritisches über die Treuhand zu
sagen wagte, vorzurechnen, dass er selbst über das Sponsoring davon profitierte
und daher gefälligst das Maul zu halten habe.“
Zogen einige deiner Beiträge auch schon rechtliche Konsequenzen nach sich?
„Nein. Wie schon oben erwähnt, war ich als Autor stets darauf bedacht, meine
Texte so zu schreiben, dass sie juristisch nicht angreifbar waren. Dazu gehörte
45
Selbstironie oder Diskreditierung?
dann aber auch, peinlich genau darauf zu achten, dass die Texte von meinen
Kabarettkollegen genau so zitiert wurden wie ich sie geschrieben hatte.“
Teil C: Satire in Liechtenstein
Wie beurteilst du das „Satireverständnis“ der Liechtensteiner im Allgemeinen?
Sind die Liechtensteiner tendenziell aufgeschlossen oder eher engstirnig
eingestellt, wenn sie mit Satire konfrontiert werden?
„Was mir über die Jahre aufgefallen ist: Wenn es um ausländische Politik bzw.
Politiker geht, kann es manchen Liechtensteinern nicht hart genug zu und her
gehen. Geht es aber um die eigenen Leute, sind sie etwas empfindlicher (wobei
ich hier in der letzten Zeit vor allem auf den Leserbriefseiten eine drastische
Veränderung sehe. Dies leider unter dem Deckmantel der Satire. Leider haben
diese Deppen nicht begriffen, dass Satire nicht aus der rechten Ecke kommt. Und
dass Satire nicht einfach verbales Zuschlagen bedeutet).
Ganz grundsätzlich scheint mir, dass die Liechtensteiner im Allgemeinen nach wie
vor nicht viel Erfahrung haben mit Satire, politischem Kabarett, kritischer Literatur
etc. Sie nehmen vieles eins zu eins. Das heisst: machst Du einen guten,
sympathischen Witz über den Regierungschef, bist Du automatisch ein
Regierungsgegner. Dasselbe gilt für den Fürsten oder den Bischof. Die Leute
sehen häufig nicht, dass es eine zweite "Les-Ebene" gibt. Diese entwickelt sich
erst, indem man sich häufiger auf Satire, Kabarett etc. einlässt. Andere Länder wie
die USA, Grossbritannien, Deutschland, Österreich etc. sind da schon viel weiter.
Meine Vermutung: es hängt damit zusammen, dass wir keine eigene
Fernsehanstalt haben, die hin und wieder satirische Beiträge bringt und damit die
Satire salonfähig macht.“
Welche Bedeutung hat Satire deiner Meinung nach für die Liechtensteiner?
Welchen Zweck schreiben sie der Satire zu?
(Siehe Antwort auf Frage 1)
46
Selbstironie oder Diskreditierung?
Denkst du, dass die Liechtensteiner hinsichtlich Satire sensibilisiert werden
sollten?
„ICh weiss nicht, ob sie sollten. Das tönt nach müssen. Für mich als Satiriker und
Kabarettisten wäre es sicherlich aus eigenem Interesse wünschenswert. Und
vermutlich würde die Satire die Leute auch etwas lockerer machen in der
politischen Auseinandersetzung. Wir würden etwas wegkommen von schwarz -
weiss/rot. Gerade bei hoch emotionalisierten Debatten wie damals bei der
Verfassungsabstimmung wäre es wünschenswert, wenn man die Leute hin und
wieder über den Humor etwas "runter" bringen könnte.“
Mathias, besten Dank für das Interview
„Sehr gerne!“
Vaduz, den 02. März 2017
47
Selbstironie oder Diskreditierung?
Wie das Interview mit Mathias Ospelt zeigt, erfreut sich die Satire im Fürstentum
Liechtenstein nach wie vor an Beliebtheit und die Nachfrage an satirischer
Unterhaltung ist durchaus vorhanden. Ospelt verdeutlichte dies, indem er zu
verstehen gab, dass auf seine kabarettistischen Produktionen überwiegend
positive Resonanz folgte. Kritik gab es, wenn überhaupt, bloss auf indirektem Weg
von Leuten, die die Ansichten der Kabarettisten nicht teilten. Im Grossen und
Ganzen jedoch beweisen die Liechtensteiner damit, dass sie die Fähigkeit haben,
über sich selbst zu lachen. Diejenigen, denen diese Fähigkeit fehlt, setzen sich gar
nicht erst mit Satire auseinander. Satirische Unterhaltung ist allerdings eher
weniger für die grosse Allgemeinheit gedacht, sondern für diejenigen, die entweder
die Ansichten der Satiriker teilen, die über Kritik hinwegsehen können und für
diejenigen, die ein offenes Ohr für Kritik haben. Ospelt ist der Meinung, dass die
Liechtensteiner zu wenig Erfahrung mit Satire gemacht haben und deshalb
verhalten reagieren, wenn ihnen der Spiegel vorgehalten wird. Im Generellen wird
der Satire, auch wenn sie ein relatives junges Phänomen im Fürstentum
Liechtenstein ist, durchaus Wertschätzung gezollt. Das Interview untermauert
damit die These, dass die Liechtensteiner der Satire gegenüber aufgeschlossen
sind.
Jedoch zeigte sich in diesem Interview auch, dass es in Liechtenstein durchaus
Tabuthemen gibt. So nannte Ospelt die Themen „Fürstenhaus“, „Bistum“ und
„Treuhand“ beim Namen und begründet dies damit, dass der Landesfürst
beziehungsweise der Erzbischof für manche Gesellschaftsgruppen einen
autoritären Status hat. Aus diesem Grund dulden sie keine Kritik an diesen
Verhältnissen. Hinsichtlich des Themas „Politik“ zeigt sich anhand des Interviews,
dass die Liechtensteiner nach wie vor stark vom Parteidenken beeinflusst werden:
„Je nach Zusammensetzung der Regierung hatten wir zuweilen auch jeweils
auffallend mehr Oppositionelle in den Zuschauerrángen". Kritik an der eigenen
Partei wird folglich nicht gerne gesehen, geht es jedoch um die Oppositionspartei,
so kann die Kritik gar nicht unsanft genug ausfallen. Als weiteres Tabuthema
nennt Ospelt die ,Treuhand^, da sich dies anhand eigens gemachter Erfahrungen
gezeigt habe. Die aus dem Interview hervorgehenden Tabuthemen ,Fürstenhaus“
und „Erzbistum“ beziehungsweise „Landeskirche“ sowie „Politik“ stimmen mit der
These überein. Einzig das Thema „Treuhand“ wurde als zusätzliches Tabuthema
genannt.
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Selbstironie oder Diskreditierung?
4.3.2 Satirisches Experiment
Als zweite Überprüfungsmethode wurde vom Verfasser dieser Arbeit ein
Öffentliches Experiment in Form eines satirischen Filmes durchgeführt. Damit
möglichst viele Leute erreicht werden können und die Inhalte online frei
zugänglich sind, wurde der Film als Medium für dieses Experiment gewählt. Der
Film mit dem Titel „Inside Liechtenstein“ erschien in zwei Teilen und beschäftigt
sich mit diversen zeitgemässen Thematiken aus dem Fürstentum Liechtenstein.
Über eine Länge von knapp einer Stunde hinweg wird der Zuschauer mit
grösstenteils humoristischen und satirischen Sequenzen konfrontiert, in denen auf
spöttische Weise Kritik an gesellschaftlichen, religiósen und politischen
Verháltnissen in Liechtenstein geübt wird. Ziel dieses Filmes war es, die Grenze
zwischen Selbstironie und Diskreditierung zu begehen, um damit die Werte
ausfindig machen zu kónnen, hinsichtlich derer die Liechtensteiner keinen Spass
verstehen. Damit die aus dem Film hervorgehenden Ergebnisse Aufschluss über
allfällige Tabuthemen geben, wurde ein möglichst breites Spektrum
unterschiedlicher Themengebiete abgehandelt. Viele der in diesen Filmen
behandelten Themen sind aktuell und finden sich oftmals im Zentrum Öffentlicher
Diskussionen wieder.
Nach mehrwöchigen Dreharbeiten und Videobearbeitung wurde der erste Teil des
Filmes „Inside Liechtenstein Part 1“ am Dienstag, den 17. Januar 2017 auf der
Videoplattform „YouTube“ veröffentlicht. In Umlauf gebracht wurde der Film über
die sozialen Medienplattformen „WhatsApp“ und „Facebook“, da auf diesem Weg
eine Vielzahl von Leuten problemlos erreicht werden kann. Der erste Teil widmet
sich hauptsächlich gesellschafts- und kulturpolitischen Themen sowie dem
Fürstenhaus. Während der beiden nachfolgenden Tage verbreitete sich das Video
rasant, besonders auf Facebook erzielte der Film eine hohe Reichweite. Bis zum
27. Februar 2017 verzeichnete der ursprüngliche Facebook-Beitrag, in welchem
auf das Video verwiesen wurde, laut Statistik eine Personenreichweite von 3050.
Auf der Plattform „YouTube“ wurde der erste Teil von „Inside Liechtenstein“ bis
zum 27. Februar 1770 Mal angeklickt. Die Resonanz fiel zwar mässig aus, war
dafür beinahe durchwegs positiv. Dies wurde durch die Beitragsinteraktion auf den
sozialen Medienplattformen deutlich. Der ursprüngliche Facebook-Beitrag wurde
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Selbstironie oder Diskreditierung?
mit 54 „Likes“ bewertet, einmal positiv kommentiert und zehnmal geteilt. Auf
YouTube wurde der Film mit 38 „Likes“ und einem „Dislike“ bewertet und zudem
viermal positiv kommentiert. Die zu erwartenden Meinungsverschiedenheiten
hinsichtlich der in diesem Film behandelten satirischen Elemente blieb jedoch
aus.
Der zweite Teil mit dem Namen ,lInside Liechtenstein Part 2^ wurde gut eine
Woche spáter am 25. Januar 2017 veróffentlicht. Wie der erste Teil wurde auch
der zweite auf der Videoplattform „YouTube“ veröffentlicht und über die sozialen
Medienplattformen „WhatsApp“ und „Facebook“ verbreitet. Anders als der erste
Teil widmet sich der zweite beinahe ausschliesslich dem Thema „Katholizismus“.
Auch der zweite Teil verbreitete sich hauptsächlich während der ersten zwei Tage,
erzielte im Vergleich zum ersten Teil jedoch eine deutlich geringere Reichweite. Der
ursprüngliche Facebook-Beitrag, welcher auf den zweiten Teil verwies, konnte laut
Statistik bis zum 27. Februar 2017 eine Reichweite von 2088 Personen vorweisen.
Auf der Plattform „YouTube“ wurde der zweite Teil von „Inside Liechtnestein“ bis
zum 27. Februar 2017 718 Mal angeklickt. Auch bei diesem Film fiel die Resonanz
eher bescheiden aus, war jedoch durchwegs positiv, was sich ebenfalls anhand
der Beitragsinteraktion ableiten lässt. Der Film „Inside Liechtenstein Part 2“
erziele 26 „Likes“, wurde dreimal positiv kommentiert und elf Mal geteilt. Auf
YouTube wurde der Film mit 16 „Likes“ bewertet.
Zusammen wurden die beiden Filme 2488 Mal angeklickt. Dies entspricht zwar
nicht dem gewünschten Resultat, ist aber dennoch ein ansehnliches Ergebnis. Die
eher bescheidene Reichweite des Filmes mag der Laufzeit der beiden Filme
zuzuschreiben sein, welche mit knapp einer Stunde doch recht lang ist. Die Filme
erzielten zwar nicht die gewünschte Reichweite und machten auch nicht die
gewünschte, kontroverse Meinungsverschiedenheit hinsichtlich gewisser Themen
deutlich, sie führten jedoch zu anderen Erkenntnissen.
Die Resonanz aus dem Internet fiel beinahe durchwegs positiv aus, dies alleine
mag schon darauf hindeuten, dass die Liechtensteiner der Satire gegenüber
aufgeschlossen gesinnt sind. Um neben den unmittelbaren Reaktionen auf den
sozialen Medienplattformen einen detaillierteren und aussagekräftigeren Abriss
50
Selbstironie oder Diskreditierung?
über das Satireverständnis der Liechtensteiner zu erhalten, wurde zudem eine
Umfrage gestartet. Mit Hilfe des web-basierten Online-Dienstes „Google Forms“
wurde ein Fragebogen erstellt, welcher sich in zwei Teile gliedert. Im ersten Teil
wird nach der persönlichen Bewertung des Befragten hinsichtlich des Themas
„Satire“ generell gefragt. Der zweite Teil des Fragebogens befasst sich konkret mit
den Filmen „Inside Liechtenstein“. Dabei wird der Befragte um dessen
Einschätzunig bezüglich der im Film gezeigten Inhalte gebeten. Der Fragebogen
wurde ebenfalls mittels der sozialen Medienplattformen „Facebook“ und
„WhatsApp“ sowie auch in physischer Form in Umlauf gebracht. Die Ziele dieser
Umfrage bestanden darin, den kollektiv empfundenen Stellenwert der Satire im
Allgemeinen ersichtlich zu machen und festzustellen, ob es gewisse Tabuthemen
gibt, welche bei den Liechtensteinern als unantastbar gelten. Da das Ausfüllen des
Fragebogens das Anschauen beider Filme voraussetzte, beschränkte sich die Zahl
der Umfrageteilnehmer im Voraus.
Bis zum 27. Februar 2017 wurden
88 Fragebögen retourniert, 21 in
physischer und 67 in
@ Weiblich elektronischer Form. Von den 88
© Mannich Befragten, sind 25 Prozent oder
22 Personen weiblich, und 75
Prozent oder 66 Personen
männlich. Die Altersspanne der
Befragten reichte dabei von 17 bis
63 Jahren, wobei die Altersgruppe der 20 bis 28-jährigen den überwiegenden
Anteil der Befragten ausmacht, nämlich 70 Personen. Die Zahl der unter 20-
jährigen lag bei 4 Personen, die der über 40-jährigen belief sich auf 8 Personen.
11(12,5 %)
10 (11,4 %)
10 9 (10,2 %)
8 (9.1 95)
7 (896 7(895) — T(896)
6 (6.8 95)
(5.7 %)
5
2 (2,3 95] 2 (2,3 96) 2 (2,3 96)
1 (14 (51 36) (1.1 961 (1/1 (141 (1: (151 961, (1.1 (1:11 CE (41 (431 96)
Selbstironie oder Diskreditierung?
Neben dem Geschlecht
und dem Alter wurden
® Sekundarschule die Teilnehmer zudem
® Berufsausbildung nach ihrem aktuellen
(9 Matura/Berufsmatura .
@ Fachhochschule/Universität oder hôchsten
Bildungsgrad gefragt.
Die Auswahl
beschränkte sich dabei
auf Sekundarschule,
Berufsausbildung, Maturität und tertiäre Bildungsinstitutionen. Mit Ausnahme der
4.5 Prozent oder 4 Personen, derer höchster Bildungsabschluss die
Sekundarschule bildet, erfolgte eine mehrheitlich gleichmässige Verteilung auf die
drei übrigen Bildungssektoren. Etwas mehr als ein Drittel der Befragten verfügt
demnach über eine Matura oder haben diese in Aussicht. Je 30.7 Prozent oder 27
Personen verfügen entweder über eine Berufsausbildung oder einen Hochschul-
abschluss oder befinden sich zurzeit in der jeweiligen Ausbildung.
Die Angabe des Geschlechts, des Alters und des Bildungsgrades ist für das
Umfrageergebnis nicht zwingend notwendig, sie dienen jedoch der Überprüfung
und Nachvollziehbarkeit, ob die genannten Faktoren einen Einfluss auf das
Satireverständnis der Liechtensteiner haben.
Mit dem ersten Teil der Umfrage wurde untersucht, welchen Stellenwert die
Befragten der Satire im Allgemeinen zuschreiben. Dafür wurden den Befragten
vier Fragen vorgelegt. Die erste Frage beschäftigte sich mit der subjektiven
Definition des Begriffs „Satire“. Dem Teilnehmenden standen dafür sechs Begriffe
zur Auswahl, welche er nach seinem Ermessen mit dem Begriff „Satire“ durch
Ankreuzen in Verbindung bringen konnte. Die Begriffe, die zur Auswahl standen,
waren „Kritik“, „Humor“, „Ironie“, „Kunst“, „Polemik“ und „Redefreiheit“. Die
Assoziationen fielen äusserst unterschiedlich aus. Der überwiegende Teil der
Befragten schreibt der Satire in erster Linie eine unterhaltende Bedeutung zu,
indem knapp 90 Prozent den Begriff „Humor“ und rund 60 Prozent den Begriff
„Ironie“ mit „Satire“ assoziierten. Ein Grossteil der Befragten sieht in der Satire
zudem eine belehrende Funktion. Dies zeigt sich daran, dass knapp 80 Prozent
52
Selbstironie oder Diskreditierung?
den Begriff „Kritik“ mit Satire in Verbindung setzten. Fasst man diese Ergebnisse
zusammen, So dient die Satire in erster Linie der Unterhaltung und soll gleichzeitig
Kritik an bestehenden Verhältnissen üben.
67 (76,1 %) Kritik
77 (87,5 %) Humor
55 (62,5 %) Ironie
39 (44,3 %) Kunst
8(9,1 %) Polemik
54 (61,496) Redefreiheit
0 10 20 30 40 50 60 TO
Die zweite Frage widmete sich dem Zweck der Satire. Dabei standen den
Befragten vier Antwortmóglichkeiten zur Verfügung, von welchen jeweils eine
ausgewáhlt werden konnte. Jede der vier Antworten beschreibt eine bestimmte
Funktion. Etwas mehr als die Hálfte der Befragten, rund 60 Prozent, sehen in der
Satire demnach einen belehrenden Zweck, indem Satire Missstánde aufdecken
und diese kritisieren soll. Diese mehrheitliche Bedeutungszuschreibung des
Begriffs „Satire“ deckt sich grösstenteils mit der Assoziation aus der vorherigen
Frage, bei der knapp 80 Prozent den Begriff „Kritik“ auswählten. Im Vergleich zur
letzten Frage, bei der rund 90 Prozent den Begriff „Humor“ mit Satire in
Verbindung brachten, schreiben lediglich zehn Personen der Satire eine rein
unterhaltende Funktion zu. Dies lässt darauf schliessen, dass die Mehrheit der
Befragten in der Satire eine Funktion sieht, welche über die der Unterhaltung
hinausgeht.
Q9 Satire hat keine Grenzen, sie ist
Ausdruck der Kunst-, Rede-, und
Meinungsfreiheit
@ Satire darf alles, solange sie sich
nicht gegen Personen wendet
(9 Satire muss ihre Themen auf
abstrakte und distanzierte Weise
behandeln
@ Satire ist beleidigend und gehôrt
daher verboten
53
Selbstironie oder Diskreditierung?
Mit der nächsten Frage stand das Thema der Grenzen der Satire im Zentrum. Die
Befragten konnten erneut aus vier vorgegebenen Antwortmöglichkeiten
auswählen, wovon jede eine bestimmte Grenze der Satire definiert.
Bemerkenswert hierbei ist, dass 78.4 Prozent der Befragten oder 69 Personen der
Ansicht sind, dass Satire keine Grenzen kennt, zumal sie durch die Kunst-, Rede-,
und Meinungsfreiheit einen Status als Grundrecht besitzt. Keiner der Befragten
empfindet Satire jedoch als entbehrlich.
MIEL Q9 Satire sollte auf Missstände
aufmerksam machen und diese
kritisieren
Satire sollte Missstände offenlegen
und Verbesserungsvorschläge liefern
(9 Satire muss in erster Linie
unterhaltend sein, der Inhalt ist
nebensächlich
@ Satire soll mich nachdenklich stimmen
und zu meiner Meinungsbildung beitragen
Nachdem der Zweck und die Grenzen der Satire behandelt wurden, stellt sich die
Frage nach der Wichtigkeit der Satire in den Mittelpunkt. Der Befragte wählte
hierbei aus einer von vier vorgegebenen Antworten aus, jede davon schreibt der
Satire eine andere Wichtigkeit zu. Auch bei dieser Frage fiel das Ergebnis eindeutig
aus. 46 Personen sehen in der Satire ein wichtiges Instrument, um Missstände
Öffentlich zu kritisieren. Erneut stimmt auch dieses Resultat mit den Ergebnissen
aus der ersten und zweiten Frage überein. Die Mehrheit der Befragten sieht in der
Satire demnach ein Mittel, das der Kritikäusserung dient.
Q9 Satire ist ein wichtiges Instrument der
öffentlichen Kritikäusserung
Q9 Satire ist wichtig für die
Meinungsvielfalt und die
Meinungsbildung
(9 Satire ist wichtig für die künstlerische
Vielfältigkeit
Q Satire erfüllt keinen wichtigen Zweck
54
Selbstironie oder Diskreditierung?
Mit dem ersten Teil des Fragebogens wurde die Frage nach dem Stellenwert der
Satire im Fürstentum Liechtenstein im Allgemeinen untersucht. Wie die Umfrage
ergeben hat, hat jeder Befragte seine eigene Vorstellung von „Satire“
beziehungsweise von ihrem Zweck, ihren Grenzen und ihrer Wichtigkeit. Rund die
Hálfte der Befragten sieht in der Satire jedoch ein Medium, welches zum einen
unterhaltend sein muss und zum anderen der óffentlichen Kritikáusserung dient.
Die Mehrheit der Teilnehmer gab zudem an, dass die Satire keine Grenzen kennt
und Ausdruck der Kunst-, Rede-, und Meinungsfreiheit ist. Damit wird die Satire
indirekt mit einer Kunstform gleichgestellt. Vergleicht man diese aus der Umfrage
hervorgehenden, kollektiv empfundenen Eigenschaften mit der anfänglich
aufgestellten Definition des Begriffes „Satire“ (vgl. Kapitel 1.1 Definition), so
stimmen diese teilweise überein. Neben ihrem Status als Kunstform, wird auch die
Kritik an Missständen als Eigenschaft der Satire genannt.
Um herauszufinden, ob es spezifische Tabuthemen gibt, auf welche die
Liechtensteiner empfindlich reagieren, befasst sich der zweite Teil des
Fragebogens mit dem Experiment an sich. Der Umfrageteilnehmer wurde dabei mit
drei Fragen konfrontiert. Die erste Frage widmete sich der Untersuchung nach den
Tabuthemen an sich, wohingegen die Fragen zwei bis drei in erster Linie Auskunft
über die Zweckdienlichkeit des Experimentes geben. Auf die Frage, welche der in
den Filmen behandelten Themen als besonders unangebracht oder grenzwertig
empfunden wurden, antworteten 85.2 Prozent oder 75 Personen mit „Keine“,
Lediglich 10 Personen empfanden die Thematik „Fürstenhaus“ als unangebracht,
10 (11,4 36) Fürst
0 (0 %) Gesellschaft
4 (45%) Religion
2 (2,3%) Politik
75 (85,2 %) Keine
55
Selbstironie oder Diskreditierung?
während vier Personen die Thematik „Religion“ beziehungsweise „Katholizismus“
als grenzwertig einstuften. Überdies erachteten zwei Personen die Thematik
„Politik“ als unangemessen. Keine der befragen Personen schätzte jedoch die
Thematik „Gesellschaft“ als unpassend ein, was darauf schliessen lässt, dass die
Liechtensteiner durchaus fähig zur Selbstironie sind.
Wie sich anhand des Experiments und der Umfrage gezeigt hat, sind die
Liechtensteiner der Satire gegenüber durchaus positiv eingestellt. Zwar sind die
Ergebnisse der Umfrage nicht als repräsentativ für die Bevölkerung des
Fürstentums Liechtenstein zu betrachten, zumal die Filme in erster Linie eine
bestimmte Bevölkerungsgruppe von 20 bis 28jáhrigen erreichten. Zudem
stammten nicht alle Umfrageteilnehnmer aus dem Fürstentum Liechtenstein selber,
was eine pauschale Einschätzung des liechtensteinischen Satireverständnisses
zusätzlich erschwert. Auch konnten mittels der Umfrage keine direkten
Zusammenhänge zwischen dem Satireverständnis und dem Alter, Geschlecht und
Bildungsgrad des Befragten festgestellt werden. Nichtsdestotrotz bilden die
Ergebnisse einen ungefähren Querschnitt des liechtensteinischen
Satireverständnisses und lassen einige kollektiv empfundenen Ansichten zum
Vorschein kommen. Nach Einschátzung der Befragten, soll Satire auf eine
unterhaltende Weise Kritik an bestehenden Missstánden üben. Zudem wird Satire
mehrheitlich als ein wichtiges Instrument der Meinungsáusserung angesehen und
da sie sich im Rahmen der Kunst- und Redefreiheit befindet, kennt sie auch keine
Grenzen. Diese Ansichten an sich machen deutlich, dass Satire von den
Liechtensteinern grósstenteils anerkannt und geachtet wird, womit sich die These
bestátigt.
Betrachtet man die Meinungen hinsichtlich allfálliger Tabuthemen, so zeigen sich
die Liechtensteiner unbefangen. Ein überwiegender Teil der Befragten gab zu
verstehen, dass die in den Filmen behandelten Themen weder unangebracht,
noch grenzwertig seien. Zwar deckten sich die Umfrageergebnisse teilweise mit
der These, zumal explizit dieselben Themen ,Fürstenhaus^, ,Landeskirche" und
„Landespolitik“ erwähnt wurden, jedoch zeigt sich die Mehrheit
unvoreingenommen.
56
Selbstironie oder Diskreditierung?
4.4 Fazit
Die zweifache Überprüfung führte zu dem Schluss, dass die Liechtensteiner
empfänglich für Satire sind und ihr Wertschätzung entgegenbringen. Wie aus dem
Interview hervorging, erfreut sich satirische Unterhaltung grosser Beliebtheit und
die Nachfrage an selbiger ist durchaus vorhanden. Satire ist bei den
Liechtensteinern demnach eine gerngesehene Form der Unterhaltung, doch wird
sie nicht auf ihren Unterhaltungswert reduziert. Wie das Experiment zeigte, wird
Satire als eine Kunstform betrachtet, welche auf eine unterhaltsame Weise Kritik
an zeitgemässen Mängeln übt. Damit kommt der Satire neben ihrem
unterhaltenden Wert zudem eine belehrende Funktion zu, die insoweit auch zur
Meinungsvielfalt und Meinungsbildung sowie zur Aufklárung des Publikums
beitrágt. Sei es zur Kritikausübung, für die Meinungsbildung oder als Beitrag zur
künstlerischen Vielfalt, Satire wird von der überwiegenden Mehrheit als wichtig
erachtet. Der Stellenwert, welcher der Satire damit beigemessen wird, zeugt von
Aufgeklärtheit und einer aufgeschlossenen Werthaltung der Liechtensteiner. Die
These besagt, dass die Liechtensteiner der Satire einen hohen Stellenwert
zukommen lassen, diese Annahme kann aufgrund der zweifachen Überprüfung
und den daraus hervorgegangenen Resultaten als bestátigt angesehen werden.
So wichtig und grenzenlos die Satire auch sein mag, sie kann auch wehtun. Dies
ist besonders dann der Fall, wenn der Empfánger nicht an direkte Kritik gewohnt
ist und mit dieser schlecht umgehen kann und wenn Themen behandelt werden,
welche einen starken Bezug zum Empfánger aufweisen. Wie das Interview
enthüllte, handelt es sich dabei vor allem um die Themen ,Landesfürst",
„Landeskirche“, „Treuhand“ und „Landespolitik“ - Themen und Werte, mit denen
sich ein Grossteil der Bevölkerung stark identifiziert. Bestätigung erhält diese
Behauptung teilweise auch durch das Experiment, bei welchem beinahe dieselben
Themen eruiert werden konnten. Die Frage, ob die Liechtensteiner im Grossen und
Ganzen solche Tabuthemen kennen, kann folglich mit einem „Ja“ beantwortet
werden, womit sich die These bestätigt. Gleichwohl es heikle Thematiken gibt, mit
denen lieber nicht zu spassen ist, beweisen die Liechtensteiner dennoch die
Fähigkeit, empfänglich für Kritik zu sein und dabei über sich selbst zu lachen.
57
Schlusswort
5 Schlusswort
Die vorliegende interdisziplinäre Projektarbeit lieferte Erkenntnisse, welche in dieser Form
bisher nicht überprüft wurden. Sie gab Aufschluss über das Satireverständnis der
Liechtensteiner im Generellen und offenbarte die Themen, welche grösstenteils als
unantastbar betrachtet werden. Vom historischen Standpunkt aus betrachtet, haben die
Liechtensteiner bisher nicht viel Erfahrung mit Satire gemacht, umso erfreulicher ist es
daher zu sehen, dass der Satire dennoch ein hoher Stellenwert zugeschrieben wird. Es
bleibt zu hoffen, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird und die Bevölkerung im
Umgang mit Satire weiterhin sensibilisiert wird, sodass allfällige Tabuthemen, wie sie
heute existieren, in Bälde ein Phänomen der Vergangenheit sein werden. Die Wichtigkeit
der Satire ist, selbst in einem kleinen Staat wie Liechtenstein, von herausragender
Bedeutung. Sie dient nicht nur der Unterhaltung und der Kritikausübung, sondern sie
zeugt noch von ganz anderen Qualitäten.
Ob als Unterhaltungsmedium, als Methode der Kritikausübung oder als Mittel zur
Aufklärung, die Funktionen, welche Satire wahrnimmt, sind sehr vielfältig. Vielfältiger
noch als ihre Funktionen, ist ihre Bedeutung für den Einzelnen, für die Gesellschaft, gar
für die Demokratie. Indem sie Missstände offenlegt und ins Lächerliche zieht, wirkt sie
korrigierend. Nicht der Missstand an sich wird lächerlich gemacht, sondern die Absurdität
desgleichen wird offenbart und dem Gelächter der Allgemeinheit preisgegeben. Satire
wirkt sich damit befreiend auf die geistige und moralische Gesinnung aus, indem sie ihr
Ausdruck verleiht und gleichzeitig die Möglichkeit bietet, über absurde Tatsachen zu
lachen. Satire appelliert dabei an die Moral des Empfängers, sodass es im Ermessen des
Einzelnen liegt, wie er die gegebenen Inputs verarbeiten und interpretieren will. Indem die
Satire den Empfänger selbst Schlüsse ziehen lässt, trägt sie massgeblich zur
Meinungsbildung der Allgemeinheit bei. Damit sensibilisiert Satire ihre Empfänger zudem
auf ihre Fähigkeit hin, Informationen zu bewerten. Die Wichtigkeit der Satire ist in
mancher Hinsicht unermesslich. Als Informationsmedium unterrichtet sie den Empfänger
über aktuelle Zustände und kritisiert diese. Als Lehrmittel schärft sie den Empfänger auf
dessen Informationskompetenz hin und sensibilisiert ihn auf seine Fähigkeit der freien
Meinungsbildung. Als Schutzmechanismus dient sie der Erkennung von Propaganda und
bewahrt den Empfänger damit vor Hörigkeit.
58
Schlusswort
Leider gerät die Satire immer wieder ins Kreuzfeuer der Medien und ist Ursache
Öffentlicher Verdrossenheit. Indem sich manche Personen durch Satire direkt angegriffen
fühlen und Genugtuung fordern, beweisen sie damit lediglich ihre Unfähigkeit, sich selbst
Kritik einzugestehen. Solche Personen können dabei nicht Gesagtes von Tatsachen
unterscheiden, welche durch die Satire in Zweifel gezogen werden, ein Dialog mit ihnen
ist folglich nicht möglich. Die Borniertheit und Intoleranz, mit welcher manche Personen
auf Satire reagieren, veranlassten diese auch schon zur Ausübung von Gewaltakten, wie
sich beispielsweise im Januar 2015 in Paris zeigte. Infolge solcher Verbrechen mag sich
mancher aus Angst vor Repression zur Selbstzensur veranlasst sehen, um eine weitere
Provokation und Eskalation zu verhindern. Doch ebendieses Denken und Handeln birgt
eine reale Bedrohung für die Meinungsfreiheit und damit für die Demokratie selbst.
Indem Satire aus Rücksicht auf bestimmte Gruppen in ihrem Inhalt zensiert wird, verfehlt
sie ihr eigentliches Ziel und wird ihrerseits zu Propaganda. Sollten gewisse Themen
ausgeklammert werden, so erfolgt damit eine Manipulation des Inhaltes, womit dem
Empfänger die Sichtweise auf einen Missstand vorenthalten wird. Um zu verhindern, dass
sich Satire zu einem Instrument der Indoktrination entwickelt, soll und muss sie
uneingeschränkt und unvoreingenommen Kritik an Missständen aller Art üben können,
ohne dabei Rücksicht auf bestimmte Gruppen zu nehmen. Satire sollte, nur weil sie von
manchen nicht als Kritik verstanden wird, nicht Anlass für Konflikte sein. Niemandem
wird vorgeschrieben, die Ansichten des Satirikers zu teilen, ebenso sollten andere dem
Satiriker nicht vorschreiben, was er zu sagen hat und was nicht. Genau dort nämlich, wo
Menschen aufeinandertreffen, welche nicht in der Lage sind, sich selbst, ihre Ansichten
oder ihre Traditionen zu hinterfragen, kommt die Satire ins Spiel. Sie führt ihnen die
Lächerlichkeit ihrer Standpunkte vor Augen und will sie damit zum kritischen Hinterfragen
anregen. Satire verhilft ihnen damit zur Reflexion gewisser Umstände und hilft ihnen
damit, diese nicht allzu ernst zu nehmen. Satire will niemandem schaden, sie will
lediglich ihren Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände aller leisten. Satire ist nicht
zuletzt deswegen ein Grundrecht, das durch die Rede-, Kunst- und Meinungsfreiheit
geschützt ist. Satire ist, kurzum, ein Geschenk der Demokratie und als solches sollte sie
auch wahrgenommen werden.
59
Anhang
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61
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vom Umgang mit scheuen Rehen / Gótz Wiedenroth .................................... 18
Abbildung 2: Portrait Mathias OSpelt are RRRRRRRRERKRRRERERKRREERRRREEKKRREEKEEG 19
Abbildung 3: GeschlechterverteilunS see RRRRRRRERRRRERKRRRERERKRREERRRREEKKRREEKEEG 19
Abbildung 4: Altersverteilung...................esssssesssseeesee eene nennen nnne nennen 19
Abbildung 5: Verteilung nach BildUNGSErad.........ou eure eee eee etree eee eens 19
Abbildung 6: BegriffsassoOZziatiON ee ERRRRRERRRREERKRREERKRRREKERKRREERRRREEKKRREEKEEG 19
Abbildung 7: Zweck der Satire .................. sse ennemis 19
Abbildung 8: Grenzen der Satire ee RRREERERRRRRERRRREERKRREERKRRREKERKRREERRRREEKKRREEKEEG 19
Abbildung 9: Wichtigkeit der Satire .................. essere eres eens 19
Fao) 01 Ko TUT aF =a 0 AN = oT Lu 11 0 T= o 19
62
Anhang
Beilagenverzeichnis DVD-ROM
1. Planungsdossier
I. Planungsdossier (docx)
ll. Planungsdossier (odt)
Il. Planungsdossier (pdf)
IV. Beilagen Planungsdossier
2. Schlussfassung
I. Schlussfassung (docx)
II. Schlussfassung (pdf)
3. Materialsammlung
l. Literatur
II. Bilder
Il. Grafiken
4. Dokumentation Interview
I. Fragen Interview (docx)
Il. |. Antworten Interview (docx)
5. Dokumentation Experiment
|. Fotodokumentation Dreharbeiten
l. Inside Liechtenstein Part 1 (mp4)
|
l. Inside Liechtenstein Part 2 (mp4)
IV. Inside Liechtenstein Outtakes (mp4)
6. Dokumentation Umfrage
I. Fragebogen leer (docx)
I. Fragebogen leer (pdf)
I|. Fragebögen analog retrodigitalisiert (pdf)
IV. Fragebögen digital (xlsx)
63
Anhang
DVD-ROM
64
Anhang
Erklärung der Eigenständigkeit
Ich erkläre hiermit, dass die vorliegende Arbeit auf Eigenständigkeit beruht und keine
unerlaubten Hilfsmittel zum Einsatz kamen. Sämtlich aus physischen, verbalen oder
elektronischen Quellen stammenden Wortlaute oder im Wesentlichen übernommenen
Inhalte, Formulierungen und Konzepte wurden gemäss Vorgabe zitiert und durch
Quellenverweise als solche kenntlich gemacht. Die in dieser Arbeit behandelten und
untersuchten Fragestellungen, sei dies in gleicher oder ähnlicher Weise, bilden insoweit
nicht Gegenstand einer anderen Überprüfung. Ausser dem Verfasser waren keine weiteren
Personen an der geistigen oder schriftlichen Herstellung der vorliegenden Arbeit beteiligt.
Ort, Datum Unterschrift
65