JAHRBUCH
DES HISTORISCHEN VEREINS
FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN
BAND 96
J A H R B U C H
DES HISTORISCHEN VEREINS
FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN
BAND 96
VADUZ, SELBSTVERLAG DES HISTORISCHEN
VEREINS FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN, 1998
Zum Bild auf dem Einband
sowie auf dem Vorsatz:
Zu sehen sind Ausschnitte
aus einer Quelle zu den
Vaduzer Hexenprozessen
des Jahres 1679. In der
Quelle ist eine Auflistung
der verdächtigten Per-
sonen zu finden, gegen die
Untersuchungen einge-
leitet wurden, die dann
teilweise zu Anklagen und
zu Todesurteilen führten.
Das deutlich vermerkte
Kreuz weist auf ein ver-
hängtes Todesurteil hin.
Zwei Namen sind auf der
vergrösserten Darstellung
des Einbandbildes deutlich
zu erkennen. Es handelt
sich um die Denunzianten
Kaspar Schreiber und
Susanna Schreiberin.
Kaspar Schreiber sowie
Georg Wolf aus Vaduz
belasteten mit ihren Aus-
sagen Heinrich Ospelt, der
im Verdacht stand, zwei
Schweine verhext und
durch Zauberei getötet zu
haben. Susanna Schreibe-
rin und ihr Vater Kaspar
Schreiber denunzierten
Barbara Maurerin und
Anna Ospeltin. Bei ihrer
Folterung gestand Barbara
Maurerin, dass sie
Susanna Schreiberin
verzaubert hätte, so dass
diese krumm und lahm
geworden sei. Die Aussage
gegen Anna Ospeltin ist
nicht überliefert.
Während Barbara Maure-
rin für schuldig befunden
und als Hexe hingerichtet
wurde, kamen Anna Os-
peltin und Heinrich Ospelt
mit dem Leben davon.
Interessant ist, dass es
sich bei Georg Wolf und
Kaspar Schreiber um
Landammänner handelte,
also um Vertreter der
dörflichen Oberschicht.
Die Tochter von Kaspar
Schreiber, Susanna Schrei-
berin, war zum Zeitpunkt
der Denunziation erst
15 Jahre alt. Es war ihre
Aussage gegen Barbara
Maurerin, die zur Ver-
urteilung und Hinrichtung
dieser als Hexe verdäch-
tigten Person führte. Ihr
Vater, Kaspar Schreiber,
war selbst auch davon
überzeugt, dass Hexenper-
sonen seinen Familien-
besitz und die Gesundheit
seiner Tochter geschädigt
hatten.
Auslieferung:
Historischer Verein für das
Fürstentum Liechtenstein,
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chlorfrei, 135 g/m 2
© 1998 Historischer
Verein für das Fürstentum
Liechtenstein, Vaduz
Alle Rechte vorbehalten
Gedruckt in Liechtenstein
ISBN 3-906393-20-8
IV
Inhaltsverzeichnis
«Der Teufel und die Hexen müssen aus
dem Land ...»
Frühneuzeitliche Hexenverfolgungen
in Liechtenstein
Manfred Tschaikner 1
Liechtensteinische Quellen zum
Zigeunerrecht
Peter Putzer 199
Siedlungs- und Bauformen der
Liechtensteiner Walser
Thomas Zwiefelhofer 211
«... Pflanzt Gärten an und esst ihre
Frucht . . .»
Mittelalterliche Birnenfunde aus der
«Unteren Burg» in Schellenberg
Ulrike Mayr
Wissenschaftliche Mitarbeit:
Marlu Kühn 253
Denkmalschutz in Liechtenstein:
Aus der Chronik des Jahres 1996
Hansjörg Frommelt 267
Rezensionen 285
Jahresbericht des Historischen Vereins
für das Fürstentum Liechtenstein 1996 297
Liechtensteinisches Landesmuseum 1996 333
Vaduz um 1850 - Ein neuentdecktes
Aquarell von Moriz Menzinger
Norbert W. Hasler 351
V
Die Liechtensteinische
Landesbank Aktiengesell-
schaft, Vaduz ermöglichte
durch den Ankauf des
Manuskriptes die Publika-
tion der Arbeit von Man-
fred Tschaikner in diesem
Jahrbuch.
Der Historische Verein für
das Fürstentum Liechten-
stein verfolgt den Zweck,
die vaterländische Ge-
schichtskunde einschliess-
lich der Urgeschichte zu
fördern und die Erhaltung
der natürlichen und ge-
schichtlich gewordenen
liechtensteinischen Eigen-
art zu pflegen.
Art. 1 der Statuten des
Historischen Vereins für
das Fürstentum Liechten-
stein
Für den Inhalt der einzel-
nen Beiträge zeichnen die
Verfasserinnen und Verfas-
ser allein verantwortlich.
«DER T E U F E L
U N D DIE H E X E N
MÜSSEN A U S D E M
L A N D ...»
FRÜHNEUZEITLICHE HEXENVERFOLGUNGEN IN
LIECHTENSTEIN
MANFRED TSCHAIKNER
Inhalt
VORWORT 5
EINLEITUNG 7
Quellen 7
Gerichtswesen 9
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 10
DER VERLAUF DER VERFOLGUNGEN 12
Hexenverfolgungen im 16. Jahrhundert 12
Hexenverfolgungen in den dreissiger Jahren
des 17. Jahrhunderts 14
Die Verfolgung um die Jahrhundertmitte 15
Hexenverfolgungen in den sechziger Jahren
des 17. Jahrhunderts 19
Förderung des Verfolgungseifers durch die
Geistlichkeit? 20
Verfolgungen und Prozesse in den Jahren
1675 bis 1678 20
Die «Brüglerischen Prozesse» von 1679 und
der Widerstand der Stände 22
Neue Regelungen im Jahre 1679 23
Die «Walserischen Prozesse» von 1680 24
Neuer Widerstand gegen die Hexenprozesse
im Dezember 1680 25
Pfarrer Valentin von Kriss
und das Schicksal der Gassnerin 28
Die Erwirkung einer kaiserlichen
Kommission 30
Das Vorgehen der Kommission 1681 32
Streit um die Rückkehr der Geflohenen und
neue Hexenverfolgungen 1681 34
Geforderte Wiedergutmachung nach
Abschluss des Rechtsgutachtens von 1682 35
Die weiteren Ereignisse bis zur Absetzung
des Grafen 1684 38
Weiteres Hexentreiben in den Jahren nach
dem Ende der Prozesse 40
Neue Versuche zur Eindämmung des
Hexentreibens um 1685 41
Exkurs: Auswirkungen des liechtensteini-
schen Hexentreibens nach Vorarlberg 45
DER VOLKSMAGISCHE ALLTAG
ALS HINTERGRUND DER H E X E N -
VERFOLGUNGEN 48
Die Alltagsprobleme 48
- Hexensippen 48
- Lebenswandel und Verhalten 48
- Unterlassene Verteidigung und indirekte
Selbstbezichtigung 49
- Umgang mit verdächtigen Menschen 49
- Speisen und Getränke 50
- Probleme mit Kindern 50
- Rache, «Eintränken» 51
- Eingetretene Ankündigungen 52
- Vergebliche Brautwerbung 52
- Besitz-und Weidestreitigkeiten 52
- Bewundern und Berühren von Tieren 52
- Probleme beim Schmalzen 53
- Vergleich mit Nachbarn 54
- Mitleid und Neugier 55
- Bannen 55
- Tierverwandlungen und die Wundertiere 55
- Sodomie 56
- Magische Gegenstände und Alltags-
gebräuche 56
Die volksmagischen Spezialisten
und ihre Mittel 56
2
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
DAS GERICHTSVERFAHREN 60
Die Inquisition und Formierung der
Anklage 60
Möglichkeit des Loskaufs 60
Der Prozess und die Hinrichtung 60
Die Richter, Beisitzer und Protokollisten bei
den Prozessen von 1679 und 1680 61
- Landvogt Dr. Romaricus Brügler von
Herkelsberg 61
- Landvogt Andreas Joseph Walser 62
- Rechtskonsulent Lizentiat Johann
Büchele 62
- Ammann Kaspar Schreiber 64
- Ammann Georg Wolf 64
- Ammann Georg Bürkle 64
- Die Ammänner Hans Öhre und Jakob
Schreiber 64
- Die Protokollisten 66
Die Bezahlung der Richter 66
Die Folterung 66
Die Geständnisse 71
- Die Geständnisse bei den Hexen-
prozessen in der Mitte des 17. Jahr-
hunderts 72
- Der Sonderfall Ursula Tannerin 74
- Die Geständnisse bei den Prozessen von
1679 und 1680 75
- Hexentanzplätze 76
- Die Frageliste von Dr. Thomas Welz 77
DIE RECHTLICHEN GRUNDLAGEN 80
Die Lindauer Rechtsgutachten 80
- Zur Person des Rechtsgutachters Dr.
Thomas Welz 80
- Die Gutachtertätigkeit von Dr. Thomas
Welz für das Vaduzer Gericht 81
- Grundsätzliche Einstellungen zum
Flexenwesen 82
- Prozessanleitungen von Dr. Welz im
Jahre 1679 84
- Prozessanleitungen von Dr. Welz im
Jahre 1680 87
Prozesskritik von Dr. Franz Gugger,
Feldkirch 88
Prozesskritik von Dr. Johann Heinrich
Mahler, Feldkirch 89
Das Rechtsgutachten der Universität
Tübingen 89
Das Rechtsgutachten der Universität
Salzburg 89
- Zur Person des Rechtsgutachters Dr.
Johann Baptist Moser 89
- Die Prozesskritik Dr. Johann Baptist
Mosers 90
- Zur Charakterisierung des Salzburger
Rechtsgutachtens 91
- Mängel des Salzburger Rechtsgutachtens 92
- Die Argumentationsstrategien des
Salzburger Rechtsgutachtens 94
DIE OPFER UND IHRE DENUNZIANTEN 97
Verhalten der Bevölkerung bei den Hexen-
jagden 97
Die Zahl der Todesopfer in der Literatur 99
Chronologische Auflistung der dokumen-
tierten Todesopfer 100
Dokumentierte Zahl der Todesopfer
und realistische Schätzungen 103
Soziale Schichtung und Anteil der
Geschlechter 106
Regionale Verteilung 107
Herkunft der nicht hingerichteten
Inquirierten 110
Die Denunzianten 112
Die Denunzianten aus der Grafschaft Vaduz 112
Die Denunzianten aus der Herrschaft
Schellenberg 114
ZUR LITERATUR URER DIE LIECHTEN-
STEINISCHEN HEXENPROZESSE 116
Abergläubisches Volk und Sieg des Rechtes 116
Böse Obrigkeit und heldenhafte Mütter 117
Verblendete Folterknechte und gute
Geistlichkeit 118
ANHANG
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Register
Bildnachweis
185
185
186
190
197
DIE LIECHTENSTEINISCHE H E X E N -
VERFOLGUNG IM SAGENGUT 121
SCHLUSSREMERKUNGEN 123
DOKUMENTATION DER VERFOLGUNGEN
VON 1675 RIS 1680 126
Inquirierte Personen aus der Herrschaft
Schellenberg 126
Die im Jahre 1680 hingerichteten Personen
aus der Herrschaft Schellenberg 134
Überlebende bei den Verfahren von 1680
gegen Personen aus der Herrschaft
Schellenberg 147
Inquirierte Personen aus der Grafschaft
Vaduz 150
Um 1680 neu inquirierte Personen aus der
Grafschaft Vaduz 159
Bei den Vaduzer Prozessen von 1679
hingerichtete Personen 164
Bei den Vaduzer Prozessen von 1680
hingerichtete Personen 174
- Erste Prozess-Serie 174
- Zweite Prozess-Serie 178
Überlebende der Vaduzer Prozesse von
1679 und 1680 180
Verfahren vor dem geistlichen Gericht
in Chur 184
4
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Vorwort
Wie ist daß ein armes ding, wie miesen wür unser
leben anfangen, ich ivais nit, wo aus noch ahn
Michael HiLbi vor seiner
Gefangennahme und der
darauf folgenden Ver-
brennung im Jahre 1678
Nur wenige Dokumente überliefern uns unmittel-
bar die Verzweiflung derjenigen Menschen, die von
den Hexenverfolgungen betroffen waren. Die Unge-
heuerlichkeit der Lebenslage, in der sie mitunter
lange Jahre hindurch ihr Leben fristeten und die
allzu oft ein schreckliches Ende nahm, verbirgt sich
grösstenteils hinter mehr oder weniger nüchter-
nem behördlichem Aktenmaterial. Mit ein wenig
Einfühlungsvermögen erkennt man jedoch dahin-
ter die menschliche Not, die eine Epoche prägte,
welche der Historiker Otto Seger wohl zurecht als
«die furchtbarste Zeit» der liechtensteinischen Ge-
schichte bezeichnete.1
Die Hexenprozesse, deren historische Dimensio-
nen im folgenden nachzuzeichnen sein werden, en-
deten in Liechtenstein im Jahre 1681. Aber noch
mehr als zwei Jahrhunderte später, 1902, wünsch-
te sich Johann Baptist Büchel in seiner Geschichte
der Pfarrei Triesen: «Möchte nur auch die Erinne-
rung daran aus den abergläubischen Ideen der
Menschen verschwinden!» 2 Bis wieder Friede zwi-
schen den Familien herrschte, die einander bei
den Hexenverfolgungen gegenübergestanden wa-
ren, dauerte es viele Generationen.
Heute, nach über dreihundert Jahren, sind die
alten Gegensätze zwischen den Nachkommen der
«Tobelhocker», der ehemaligen Denunzianten, und
den Kindeskindern von Opfern der Hexenverfol-
gungen nur noch historische Reminiszenz. Die Er-
innerung an die Vorgänge muss nicht mehr ver-
drängt oder moralisch überfrachtet dargestellt
werden.
Unter diesen Voraussetzungen entstand die vor-
liegende Arbeit über die frühneuzeitlichen Hexen-
verfolgungen in der Grafschaft Vaduz und in der
Herrschaft Schellenberg. Den Anstoss dazu bildete
die Einladung durch Herrn lic. phil. Arthur Brun-
hart, darüber einen Artikel für das «Historische Le-
xikon des Fürstentums Liechtenstein» zu verfas-
sen. Die Ausführungen Otto Segers über die liech-
II Seger, Hexenprozesse, S. 48; vgl. auch Ospelt,
Wirtschaftsgeschichte. S. 47 f.
2) Büchel, Pfarrei Triesen. S. 68.
5
tensteinischen Hexenprozesse, die für dieses The-
ma grundlegend waren, liessen bald Zweifel an
manchen seiner Einschätzungen aufkommen,
zunächst vor allem bezüglich der Zahl der Hinrich-
tungen. Ein kleiner Artikel für die «Balzner Neu-
jahrsblätter 1997», in dem ich mich nur textimma-
nent mit Segers Darlegungen befasste,3 wurde zum
Auftakt für eine umfassendere Aufarbeitung der
liechtensteinischen Hexenverfolgungen vor dem
Hintergrund erweiterter Fragestellungen und auf
der Basis von bereits bekanntem, aber auch von
neu entdecktem Quellenmaterial.
Dabei musste ich mich fast ausschliesslich auf
jenen Bereich des Hexenwesens beschränken, der
mit gerichtlichen Verfolgungen zusammenhing. Vor
das Gericht kam jedoch gewöhnlich nur ein gerin-
ger Teil der Hexereibezichtigungen. Im Alltagsle-
ben dienten solche Vorwürfe in Form von Beschel-
tungen sehr häutig den Ausgrenzungsstrategien
der Konfliktparteien bei den unterschiedlichsten
Streitigkeiten. Die Beschimpfung von Frauen als
huer, hex undt unholt gehörte zum Standardreper-
toire der volkstümlichen Streitkultur. Es hiess
dann, dieser oder jener habe jemanden gehuret
und gehexet.* Ohne dass eine klare Grenze zu zie-
hen ist, lassen sich doch die Hexereibeschimpfun-
gen oder -beschuldigungen, die nicht oder nur als
Injurienklagen gerichtskundig wurden, von jenen
Anschuldigungen unterscheiden, die zu Hexenpro-
zessen oder zu deren Vorbereitung in Form von In-
quisitionen führten. Die vorliegende Untersuchung
befasst sich fast ausschliesslich mit letzteren.
Im Umfeld der gerichtlichen Verfolgungen stösst
man bald auf die verschiedenen Wurzeln der He-
xenvorstellungen: Während die volkstümlichen
Auffassungen die Hexen vor allem mit dem Scha-
denzauber in Verbindung brachten, verbreitete
sich zu Beginn der frühen Neuzeit über Vermittlung
der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten auch im
Volk die theologisch-juristische Hexendoktrin, bei
der die Hexen als Verbündete des Teufels galten.
Zu den wesentlichen Merkmalen dieses Hexenbil-
des zählte, dass sie einen Pakt mit dem Teufel ge-
schlossen hatten, mit ihm geschlechtlichen Um-
gang (Buhlschaft) pflegten, zu Hexenversammlun-
gen (Sabbate, Tänze) flogen und am dortigen Trei-
ben teilnahmen sowie im Auftrag des Teufels der
Christenheit schadeten, wo sie nur konnten. Über
das Hexenwesen allgemein steht dem Leser um-
fangreiche Literatur zur Verfügung. 5
Das Titelzitat stammt von Michael Eberle aus
Planken. Er erklärte Anfang September 1681 bei
einer Auseinandersetzung in einem Gasthaus zu
Nendeln, der teüfel und die hexen müessen ausm
landt, sie werden niemandt nichts mehr verderben
könden.6 Was sich wie ein Ausspruch eines Hexen-
verfolgers anhört, drückte jedoch die Hoffnung aus,
dass der Glaube an Teufel und Flexen in der Graf-
schaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg
bald keine Probleme mehr verursachen könne. Das
Titelzitat kann auf zwei sehr unterschiedliche Wei-
sen verstanden werden. Es bezeichnet dabei je-
weils die Situation vor und nach der Unterbindung
der gerichtlichen Hexenprozesse.
An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn lic.
phil. Arthur Brunhart nicht nur für die Einladung
zur Bearbeitung des Themas, sondern auch für sei-
ne sehr wertvollen arbeitstechnischen Unterstüt-
zungen herzlich bedanken. Ohne sie hätte das
Buch nicht entstehen können. Für die Publikation
der Arbeit danke ich dem Vorstand des Histori-
schen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein
unter Vorsitz von Herrn Dr. Rupert Quaderer. Bei
den Endkorrekturen am Text unterstützten mich
dankenswerterweise wiederum Dr. Hubert Wei-
tensfelder, Wien, und meine Frau Theresia. Ein
herzlicher Dank gilt auch dem Redaktor des Jahr-
buches, Flerrn lic. phil. Klaus Biedermann.
6
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Einleitung
QUELLEN
Die wichtigsten Quellen zu den liechtensteinischen
Hexenverfolgungen bilden
- die Dokumente im Staatsarchiv Augsburg, Fürst-
stift Kempten, Archiv Nr. 2968 bis 2972 (früher im
Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, Kopien
im Liechtensteinischen Landesarchiv),
- die Unterlagen im Faszikel «Denegata antiqua
96» im Österreichischen Staatsarchiv, Abteilung
Haus-, Hof- und Staatsarchiv, in Wien,
- das dort und im Salzburger Landesarchiv vorlie-
gende Rechtsgutachten der juristischen Fakultät
der Universität Salzburg (eine Kopie der Salzbur-
ger Fassung liegt im Liechtensteinischen Landes-
archiv),
- die Verhörprotokolle des 17. Jahrhunderts im
Liechtensteinischen Landesarchiv, Vaduz,
- die Notizen in der ehemaligen oberösterreichi-
schen Hofregistratur im Tiroler Landesarchiv in
Innsbruck und
- einige Unterlagen im Vorarlberger Landesar-
chiv, Bregenz.
Wichtige Dokumente wie die vaduzischen Inqui-
sitionsprotokolle und die Prozessakten fehlen in
den Archivbeständen. Bereits der 1679 geflohene
Landvogt Dr. Brügler hatte manche Unterlagen mit-
genommen und nicht mehr zurückgestellt. Der kai-
serlichen Kommission standen schon nicht mehr
alle Gerichtsakten zur Verfügung.
Nach der Beendigung der Hexenprozesse forder-
ten die Nachkommen der Opfer in den achtziger
Jahren des 17. Jahrhunderts ausdrücklich die Zer-
störung der entsprechenden Gerichtsaufzeichnun-
gen als Teil einer Wiedergutmachung.7 Obwohl Otto
Seger schreibt, «die Akten der Hexenprozesse» sei-
en 1712 wieder nach Vaduz zurückgekommen, 8
nachdem sie 1681 von der kaiserlichen Kommissi-
on ausser Landes gebracht worden waren, wurde
dem Ansinnen der Untertanen vielleicht teilweise
entsprochen. Wie und von wem Akten vernichtet
wurden, lässt sich aus den vorliegenden Quellen
nicht mehr feststellen.
Paul Vogt führte als wahrscheinlichsten Grund
für eine gezielte Akten Vernichtung an, «daß die
Richter, die Denunzianten und die Zeugen ge-
schützt werden sollten». Von einem Schutz der
Nachkommen von Opfern durch die Zerstörung
der Akten, den Johann Baptist Büchel und Otto
Seger ebenfalls in Erwägung gezogen hatten, hielt
Vogt wenig, weil der «üble Ruf nicht aufgrund der
Akten, sondern aufgrund der mündlichen Überlie-
ferung tradiert wurde». 9 Diese Aussage trifft zwar
zu, die Möglichkeit einer weiteren Belastung durch
Hinweise auf Eintragungen in Gerichtsbüchern
spielte mitunter jedoch durchaus eine bedeutsame
Rolle bei den Hexenverfolgungen.1 0
Aufgrund der Aktenverluste in den letzten an-
derthalb Jahrhunderten wurde mittlerweile auch
Peter Kaisers «Geschichte des Fürstenthums Liech-
tenstein» zur Primärquelle. Für seine 1847 erschie-
3) Tschaikner, Hexenland Liechtenstein.
4) Z. B. LLA RA 144/173, S. 12; L L A AS 1/ 2, fol. 41b. 128b; vgl. zu
der Thematik ausführ l icher Tschaikner: «Damit das Böse ausgerottet
werde» , S. 23-34, und ders.; Magie und Hexerei, S. 105-128.
5) Eine sehr gute Übersicht über die allgemeine Entwicklung des
Hexenwesens bietet die kommentierte Quellensammlung «Hexen
und Hexenprozesse», herausgegeben von Wolfgang Behringer. Zu
den Hexenverfolgungen allgemein und speziell im schwäbischen
Raum vgl. den Aufsatzband «Hexen und Hexenverfolgungen im
deutschen Südwesten», herausgegeben von Sönke Lorenz. Bei mei-
nen Arbeiten über die Hexenverfolgungen in Vorarlberg (siehe Lite-
raturverzeichnis) finden sich auch einige Ausblicke auf die benach-
barten schweizerischen Landstriche (Prättigau, Rheintal), deren
Hexenwesen einer Aufarbeitung nach neueren Gesichtspunkten
harrt.
6) ÖStA Deneg. Ant. 96.
7) Gezielte Vernichtungsaktionen kamen auch anderenorts vor, z. B.
in Graubünden (Bader, Hexenprozesse, S. 170) oder im Kurfürsten-
tum Trier (Rummel, Exorbitantien. S. 37). In Bludenz legte jemand
den überl iefer ten Akten in den Jahrzehnten um 1800 ein Gedicht
bei, in dem er antiklerikalen Gefühlen im Zusammenhang mit den
Hexenprozessen Luft machte. Der Text ist abgedruckt bei Tschaik-
ner: «Damit das Böse ausgerottet werde» , S. 14 f.
8) Seger, Hexenprozesse, S. 66.
9) Vogt. Hexenprozesse, S. 1 f.; Büchel. Protokolle, S. 109. Paul Vogt
schreibt irrtümlich, Büchel und der ihn zitierende Seger hät ten
ebenfalls gemeint, «daß die Prozeßakten von den Richtern und
ihren Nachkommen vernichtet wurden» : Vogt, Hexenprozesse, S. 2.
A n m . 2 (Hervorhebung d. d. Verf.). Büchel spricht jedoch von der
«Rücksicht auf die Richter und auf die Nachkommen der Hingerich-
teten»: Büchel, Protokolle, S. 109.
10) Vgl. z. B. Tschaikner, Magie und Hexerei, S. 173 f.
7
Titelblatt der schellen-
bergischen Inquisitions-
protokolle i m Staatsarchiv
Augsburg
nene Arbeit lagen ihm noch Unterlagen von den
Prozessen um die Mitte des 17. Jahrhunderts vor.
Auch dem Vorarlberger Sagensammler Franz Josef
Vonbun standen um 1860 «einige vereinzelte pro-
cesse aus dem archive zu Vaduz zu geböte»." Über
das spätere Schicksal dieser Dokumente ist eben-
falls nichts bekannt.
Bei den erhaltenen Schellenberger Inquisitions-
protokollen muss berücksichtigt werden, dass sie
keine chronologisch geordneten Originalmitschrif-
ten bildeten, sondern für die Prozesse der Jahre
1679/80 neu zusammengeschrieben wurden. Nur
so konnte man schon in der Einleitung zur Inquisi-
tion über Simon Nigg aus Triesen, die am 6. August
1677 erfolgte, auf die Hinrichtung von dessen Bru-
der Martin hinweisen, die 1680 stattfand.12 Wenn
die erste Inquisitionsaussage über Katharina
Wangnerin auf den 10. Februar 1679, die dritte je-
doch auf den 19. August 1676 datiert ist, 1 3 zeugt
dies nicht von Unordentlichkeit, sondern vom kom-
pilatorischen Charakter der Aufzeichnungen.
Dem Schreiber, der die Schellenberger Inquisi-
tionen neu zusammenstellte, unterlief ein Datie-
rungsfehler, der bislang nicht aufgefallen ist. Bei
der ersten Eintragung, auf deren Datumsangabe
sich noch etliche andere beziehen,1 4 müssen die
letzten beiden Zahlen der Jahresangabe vertauscht
und ein Siebener mit einem Einser verwechselt
worden sein. Die ersten Inquisitionen fanden nicht
am 16. November 1651, sondern wohl am 16. No-
vember 1675 statt. Dass es sich bei der Jahreszahl
1651 um einen Irrtum handelte, erweist ein Blick
auf die Zeugen und die betreffenden Altersanga-
ben: Am 13. September 1675 sagte die 30-jährige
Zeugin Anna Negelin, Ehefrau Andreas Strals, ge-
gen Johanna Walserin aus. Die Negelin und ihr
Ehemann scheinen auch als Zeugen im Protokoll
über Margaretha Marxerin auf. Hätte diese Einver-
nahme wirklich 1651 stattgefunden, wäre die Ehe-
frau Andreas Strals sechs Jahre alt gewesen und
hätte dabei schon - wie aus den Aussagen hervor-
geht - einen fünfjährigen Sohn gehabt.15
Bei den Zitaten aus den archivalischen Quellen
wurde im folgenden ausser bei den Namen und den
Satzanfängen die Kleinschreibung verwendet und
8
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
die Interpunktion zugunsten einer besseren Les-
barkeit der heutigen Schreibweise angepasst. Die
Personennamen sind möglichst originalgetreu wie-
dergegeben. Da sie aber oft in derselben Quelle un-
terschiedlich geschrieben wurden und das Register
eine Vereinheitlichung erforderte, erfolgte zwar
nicht in den Quellenzitaten, aber im darstellenden
Text auch bei Vor- und Familiennamen eine gewis-
se Normalisierung. 1 6
GERICHTSWESEN
Die Grafschaft Vaduz und die Herrschaft Schellen-
berg bildeten zwei getrennte Gerichtssprengel, die
aus mehreren Gemeinden bestanden. Vorsitzender
des Gerichts war der jeweilige Landammann, der
gewöhnlich alle zwei Jahre von den wahlberechtig-
ten Gemeindemitgliedern aus einem Vorschlag von
drei Männern mit einfacher Mehrheit gewählt wur-
de. Das Vorschlagsrecht lag bei der Obrigkeit. Die
Landammänner standen nicht nur den Gerichten
vor, ihnen oblagen darüber hinaus zahlreiche Ver-
waltungsangelegenheiten und besonders auch das
Steuerwesen. Die verschiedenen Bereiche des öf-
fentlichen Lebens waren also noch nicht wie heute
getrennt.
Das Gericht bestand theoretisch aus dem Land-
ammann und zwölf Gerichtsbeisitzern, die dieses
Amt ohne zeitliche Begrenzung innehatten. Allfäl-
lige Nachbesetzungen erfolgten, indem das Gericht
der Herrschaft drei geeignete Männer zur Auswahl
vorschlug. Die Vereidigung erfolgte durch den
Landammann. Der Gerichtswaibel und der Land-
schreiber wurden von der Herrschaft allein be-
stellt.17
Zu den Aufgaben der Dorfgeschworenen zählte
es, «argwöhnische oder malefizische Personen, wo
solche erfunden würden, anzuzeigen, sie gefäng-
lich einzuziehen und an das Gericht zu liefern». 1 8
Die Gerichte der Landammänner hatten zwar
auch die Hochgerichtsbarkeit inne, die Hexenpro-
zesse zumindest der siebziger und achtziger Jahre
des 17. Jahrhunderts wurden jedoch wie andere
heiklere Fälle - zu denen damals sogar Injurien
zählten 1 9 - vor dem Hofgericht in Vaduz abge-
handelt. Dort richteten die herrschaftlichen Beam-
ten gewöhnlich zusammen mit den beigezogenen
Landammännern und deren Gerichtsleuten.20 Das
Hofgericht galt auch als Appellationsinstanz.2 1 Sein
Vorsitzender war der jeweilige Landvogt. Von 1664
bis 1677 waltete Johann Christoph Köberle als
solcher.22 Bis spätestens August 1678 wirkte Mat-
thias Christoph Bildstein als sein Nachfolger.23
Unter ihm war Johann Georg Baumgartner als
Landschreiber tätig. Er blieb mindestens bis Sep-
tember 1679 im Amt. 2 4 Von Jänner 1679 an ist Dr.
11) Vonbun, Beiträge, S. 89 A n m .
12) SRg. fol. 236b.
13) StAAug 2968, fol. 12a u. 13a.
14) Datiert ist nur die erste Inquisition über Hans Jerglin Marxer.
Die folgenden von Margaretha Marxerin und Maria Walserin enthal-
ten nur die Bemerkung eodem anno et die: StAAug 2968, fol. 2a, 3a
u. 5a.
15) StAAug 2968, fol. 7a u. 3a-4a.
16) Z. B. Christa - Christian; Bascha - Sebastian; Stoffel - Christoph;
Thoma - Thomas; Jörg - Georg; Enderle - Andreas; Johannes -
Hans; die Familiennamen auf - l in und -Ii [Kindlin, Eberlin, Bürklin.
Eglin, Köberli, Jehli etc.] wurden in der männl ichen Form auf-le
vereinheitlicht; Schreibungen mit «ckh» [z. B. bei Blenckh] sind mit
einfachem k angeführ t ; die Familiennamen «Ueli» und
«Oschwald»/«Oschpalt» sind zu Jehli und Ospelt normalisiert; da
aber «Hopp» stets einheitlich geschrieben ist, wurde dieser Namen
nicht der heutigen Schreibweise angepasst. «Danner» scheint stets
unter «Tanner», «Murer» immer unter «Maurer» , «Ruosch»,
«Ruesch» unter «Rusch» auf. Die verschiedenen Formen des Na-
mens «Maier» wurden ebenfalls vereinheitlicht.
17) Kaiser, Geschichte, S. 336, 392 u. 453; Ospelt, Verfassungsge-
schichte, S. 12-17; Büchel. Eschnerberg, S. 29 f.
18) Kaiser, Geschichte, S. 393; vgl. auch Schädler, Rechtsgewohnhei-
ten, S. 74.
19) Büchel, Protokolle.
20) Kaiser, Geschichte, S. 394 f.; vgl. z. B. L L A AS 1/1, fol. 2a.
21) Ospelt, Gerichtswesen, S. 227.
22) Büchel, Schaan, S. 80. Nach seinem Abgang musste er offiziell
seine Aussage widerrufen, dass Gräfin Maria Jakobe Eusebia zu
Hohenems «aus den jährl ich eingehenden gräll ichen Gefällen nicht
wenig Geld in ihren eigenen Säckel gespielt habe»; Schädler, Rege-
sten, S. 136, Nr. 155.
23) LLA AS 1 / 2, fol. 2a u. 30b.
24) L L A AS 1/ 2, fol. 2a u. 42b.
9
Romaricus Brügler von Herkelsberg2 5 als Landvogt
bezeugt.26 Nach dessen Flucht scheint im August
dieses Jahres wieder Johann Christoph Köberle -
wohl interimistisch - in dieser Funktion auf.27 Vom
folgenden Monat an bis zum Ende der Hexenpro-
zesse wirkte daraufhin Andreas Joseph Walser als
Landvogt.28 Zwischen September 1679 und Mai
1680 wurde der Landschreiber Baumgartner
durch Franz Karl Kurz abgelöst. 2 9 1684 fungierte
übrigens Johann Christoph Köberle neuerlich als
Landvogt, Franz Karl Kurz war noch Landschrei-
ber.30 1685/86 gerieten beide wegen ihrer Amts-
führung in Schwierigkeiten.3 1
WIRTSCHAFTLICHE RAHMENREDINGUNGEN
Die (bislang bekannten) Hexenprozesse in Vaduz
fanden gerade in jenen Zeiten statt, als im deut-
schen Raum allgemein Häufungen der Hexenver-
folgungen festzustellen waren. 3 2 Sie decken sich
auffällig mit den Krisenzeiten, die Peter Kaiser in
seiner «Geschichte des Fürstenthums Liechten-
stein» anführt . 3 3 So folgten die Hexenverfolgungen
der frühen dreissiger Jahre auf eine Zeit schwerer
wirtschaftlicher Not. Dem Landesherrn, Graf Kas-
par von Hohenems, kam 1628 rückblickend als das
schlechteste Jahr vor, das er je erlebt hatte. 1629
dachte er sogar daran, Vaduz an den Abt von Wein-
garten oder an jenen von St. Gallen zu verkaufen. 3 4
Damals wütete im Land die Pest; die Bewohner lit-
ten zusätzlich unter dem Kriegsvolk. Aufgrund der
häufigen Truppendurchzüge in den folgenden Jah-
ren konnte sich das Land kaum erholen. Die allge-
meine Not und die Einquartierungen von Soldaten
dauerten an. Dazu kamen klimatische Unbilden.
1630 fiel noch zu Pfingsten so viel Schnee, dass Re-
ben und Bäume unter der Last brachen. Man er-
wartete ein schlechtes Jahr. «1634 war große
Theuerung.» 3 5 Genau in diesen beiden Jahren fan-
den gerichtliche Hexenverfolgungen statt.
Die Prozess-Serie in der Mitte des 17. Jahrhun-
derts hatte einen ähnlichen Hintergrund: «Die
Landschaften Vaduz und Schellenberg waren gänz-
lich verarmt: die lezten Jahre waren wenig ergiebig
gewesen und brachten kaum das zum kümmerli-
chen Unterhalt Nothwendige. Der Schwedenüber-
fall vollendete das Elend.» 1647 waren die schwe-
dischen Truppen bis nach Liechtenstein vorge-
drungen und hatten eine Brandschatzung von
8 000 Talern erpresst, eine schwere Last für das
ausgemergelte Land. 3 6 Im folgenden Jahr publizier-
te der Bischof von Chur ein Mandat wegen der Tür-
kengefahr. «Eine mehrtägige Andacht mit Ausstel-
lung des Hochwürdigsten, mit Prozessionen, Fa-
sten und Almosen an die Armen, ward angeordnet.
Zur Vertheidigung des Glaubens, Ausrottung der
Ketzerei, Eintracht der christlichen Völker und
Fürsten solle eifrig gebetet werden und wer dies
thue, erhalte Ablaß, wie an einem Jubeljahr.» 3 7 Die
erlebten Übel - dazu zählte auch die grosse Unge-
zieferplage, die durch Felder-Benediktionen nicht
wirksam bekämpft werden konnte - wurden auf
den Zorn Gottes zurückgeführt. Der Klerus deutete
die bedrohlichen Zeichen der Zeit und rief zur Um-
kehr, zu Fasten und Busse auf. Der Kampf gegen
das Böse musste verschärft werden. 3 8
Besonders drückend waren die stets steigenden
finanziellen Belastungen der Untertanen durch die
Obrigkeit. Sie waren bald nicht mehr in den Griff
zu bekommen und führten schliesslich zum Zusam-
menbruch der hohenemsischen Herrschaft. 1577
leisteten die Stände der Landschaften Vaduz,
Schellenberg und Blumenegg, das ebenfalls zum
Herrschaftsbereich der Herren von Sulz gehörte,
aufgrund der drohenden Türkengefahr zum ersten
Mal einen Beitrag zu den Reichskosten, und zwar
für sechs Jahre. 1584 forderte die Obrigkeit erneut
eine solche Sondersteuer. Aus den ursprünglich
freiwilligen Beiträgen zu den Reichsanlagen ent-
wickelte sich zusehends eine reguläre Abgabe. Man
einigte sich schliesslich auf bestimmte feststehende
Zahlungen unter der Bedingung, dass die Unterta-
nen dafür zu keinen weiteren Ausgaben im Zusam-
menhang mit den Reichs- oder Kriegslasten heran-
gezogen werden durften. 3 9
Mit diesen ausgehandelten Zuwendungen fan-
den die Landesherren bald kein Auslangen mehr.
Nachdem die Landschaften immer wieder, aller-
dings stets unter Wahrung der Rechte, freiwillige
10
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Zahlungen gewährt und auch Bürgschaften für
hohe Summen übernommen hatten, nahmen die
Kosten für Einquartierungen im Zuge der Kriege
Ludwigs XIV. stark zu. Unter dem jungen Grafen
Ferdinand Karl (1662-1686), in dessen Regie-
rungszeit die Hexenprozesse ihren Höhe- und Wen-
depunkt erfuhren, erlebte auch die Verschwendung
ihren Gipfel. Der Graf neigte darüber hinaus zu Ge-
walttätigkeiten und Willkür. Schon gleich nach sei-
nem Regierungsantritt 1675 wollte er sich über die
alten Abmachungen und Verträge hinwegsetzen.40
In den Jahren 1675 bis 1678 bezahlten die Unter-
tanen wieder hohe Summen für die Einquartierung
von Soldaten.41 Anfang 1679 übernahmen die
Landschaften die Bürgschaft über 12 700 Gulden,
die zur Deckung von Kriegskosten bei Graubünd-
ner Geldleihern aufgenommen worden waren, was
eine verhängnisvolle Entwicklung mit schweren
Konflikten weiter verschärfte. 4 2
Die wirtschaftlichen Belastungen wurden wei-
terhin durch die verschiedenen Nöte und Ängste
potenziert. «1680 gab es sehr starke Donner- und
Hagelwetter. Im August regnete es 30 Stunden
lang; die Wasser schwollen mächtig an und der
Rhein trat über seine Ufer. Darnach, im November,
kam ein Komet mit einem <entsezlich langen
Schweift, daß den Leuten große Furcht ankam.» 4 3
In den Jahren vor dem Höhepunkt der Hexen-
verfolgungen war die Alpe Lawena durch einen
Bergsturz und durch Wolkenbrüche schwer in Mit-
leidenschaft gezogen worden, was in Triesen
langjährige soziale Konflikte auslöste bzw. ver-
stärkte. 4 4 1676 grassierte im nahen Sarganserland
die Pest.45 Alle diese Erscheinungen bewirkten
zwar keine Hexenverfolgungen, förderten ihre Aus-
führung jedoch massgeblich.
30) L L A AS 1/2, fol. 128a.
31) STAAug, Eürststift Kempten, Hohenems.-Repert. Nr. 1974.
32) Schormann, Hexenprozesse, S. 55.
33) Vgl. zu Person und Werk: Brunhart, Peter Kaiser, passim.
34) Welti, Kaspar, S. 275 f.
35) Kaiser, Geschichte. S. 424-428 u. 474.
36) Kaiser, Geschichte, S. 430; Welti. Reichsgrafschaft. S. 118.
37) Kaiser, Geschichte, S. 438 f.
38) Ebenda, S. 439 f. u. 442 f.
39) Ebenda. S. 369-372, 398 u. 404 f.
40) Ebenda. S. 441-447.
41) LLA RA 144/143, fol. 3b; Vgl. Schädler, Regesten. S. 135 f.,
Nr. 148-150, Nr. 152-154.
42) Schädler, Regesten, S. 136, Nr. 157. S. 137 f.. Nr. 160, 162-164.
43) Kaiser, Geschichte, S. 475.
44) Brunhart, Apparat, S. 470, Anm. 450.
45) Geschichte der Gemeinde Mels. S. 164.
25) StAAug 2972. fol. 65b; StAAug 2968. fol. 12a, 42b u. 50b; den
Hinweis auf den akademischen Grad Brüglers verdanke ich Herrn
Dr. Burmeister, vgl. S. 61 f.
26) LLA AS 1/2, fol. 36b.
27) LLA AS 1/ 2, fol. 38b.
28) LLA AS 1/ 2, fol. 42b. Zu seiner Person siehe auch S. 61 f.
29) LLA AS 1/ 2, fol. 42b u. 46b.
11
Der Verlauf der Verfolgungen
HEXENVERFOLGUNGEN IM
16. JAHRHUNDERT
Während sich Hexenverfolgungen im benachbar-
ten Vorarlberg bereits in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts nachweisen lassen,4 6 fehlen entspre-
chende Unterlagen für die Grafschaft Vaduz und
die Herrschaft Schellenberg. Die zunehmende Be-
deutung des Hexenwesens auch in diesem Raum
spiegelt sich jedoch in den gesetzlichen Bestim-
mungen. In den Verordnungen Graf Rudolfs von
Sulz (1478-1535) um 1531 waren noch keine di-
rekten Hinweise auf Magie und Hexerei zu finden.
Eine Erbschafts- und Testamentsordnung des Gra-
fen Karl Ludwig von Sulz (1560-1616) hingegen
ermöglichte ausdrücklich die Enterbung von Kin-
dern, die «mit Zauberei und Hexerei umgehen». 4 7
Für das Jahr 1598 - am Ende einer Phase, in der
die Verfolgungen in weiten Teilen des Reichs und
darüber hinaus einen Höhepunkt erlebten48 - liegen
auch für Liechtenstein Unterlagen über Hexen-
prozesse vor. Die nur spärlich überlieferten Nach-
richten dokumentieren das grosse Interesse be-
stimmter Teile der Bevölkerung an der Verfolgung
von vermeintlichen Hexen, die nicht eines theolo-
gisch-juristischen Verbrechens geziehen, sondern
als Verursacher ungewöhnlicher klimatischer Er-
scheinungen, von Krankheiten bei Mensch und Tier,
von wirtschaftlichen Schwierigkeiten und ähnli-
chem belangt werden sollten. Den Hexenpersonen
wurden Verwandlungen in Tiere und nächtliche
Flüge zugeschrieben. In den ältesten Quellen zu den
liechtensteinischen Hexenverfolgungen begegnet
uns weiters die grosse Bedeutung des Wetterläu-
tens, einer wichtigen Aufgabe der Mesner,4 9 sowie
die hohe magische Kraft von Gürteln. 5 0 Die Tat-
sache, dass man zumeist Personen, die aus dem
eigenen Ort oder aus anderen Dörfern der Herr-
schaft Vaduz stammten, - also keine Landfremden -
der Hexerei bezichtigte, verweist auf das interne
Konfliktpotential der ländlichen Gesellschaft der
frühen Neuzeit.
Am 5. Oktober 1598 brachten die Geschworenen
aus den Gemeinden der oberen Landschaft (Graf-
schaft Vaduz) auf einem Audienztag, den sie eigens
erbeten hatten, vor dem Landvogt, den Landam-
12
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
männern beider Landschaften und dem Land-
schreiber ihre Klagen gegen diejenigen Personen
vor, die der Hexerei verdächtigt wurden.
Die Geschworenen aus Schaan erklärten:
«Elsa, die Tochter des Klaus Mariß, sei zum Meß-
mer gegangen und habe zu ihm gesagt: <Du magst
heut wohl schlafen.) Es sei aber die Nacht schön
gewesen und am Himmel hätten gar viele Sternlein
geschienen bis eine Stund vor Tag. Da sei ein grau-
sam ungestüm Hagelwetter eingefallen, das vielen
Schaden gethan, und sei nirgends sonst ein Wetter
gewesen als zu Schan und sobald er zu läuten an-
gefangen, sei es wieder vergangen. Anna, das Weib
des Aristoteles Duntel, habe bei der Ernte die Magd
des Christa Ganzmann gefragt: <ob sie nicht gehört
habe, daß sie auch angegeben worden.) Die Magd
habe geantwortet: <Du bist angegeben.) Hierauf
habe die Anna gesagt: <Man wird bald von dem las-
sen und ein ander Weib anklagen.) Unlang darnach
sei der grausamlich große Luft aufgestanden, der
Bäume umgerissen und gar großen Schaden ge-
than habe. Die Elsa sei ferner zu Vest Meyer ge-
kommen, um Weizen zu entlehnen; er habe es ihr
aber abgeschlagen, weil er noch nicht gedroschen
gehabt. Da sei ihm bald darnach ein Kalb und ein
Maststier erkrankt und abgangen.»
Die Vaduzer Geschworenen sagten aus: «Dem
Hans Maurer sei eine Kuh erkrankt, weil etwa 10
Tage zuvor das Weib Greta derselben mit der Hand
über den Rücken gefahren sei. Das gleiche Weib sei
zu einem andern Landmann in den Stall gekom-
men und habe gesagt: Er habe viel Milch und
Schmalz. Tags darauf sei demselben die Kuh er-
krankt und in 8 Tagen abgangen.»
Die Triesenberger brachten vor: «Große Klage
sei am Berge, daß die Leute nicht Schmalz machen
könnten. Leute und Vieh er[k]ranken, solches gehe
nicht mit rechten Dingen zu. Sie wollen gebühren-
de Anzeige machen, damit man diejenigen greife,
welche daran Schuld seien. <Im Erbli), 5 1 so erzählte
hierauf einer der Geschworenen vom Berg, sei ihm
ein Fuchs entgegen gekommen und als er nach ihm
habe schlagen und werfen wollefn], sei er nicht ge-
wichen, sondern habe sich allmälig erhoben und
sei zu einem Menschen geworden. Da habe er
gesehen, daß es das Weib Greta sei und er habe zu
ihr gesagt: <Ich habe nie glauben wollen, daß so
etwas hinter Dir stecke, ich werde Dich aber anzei-
gen.) Da habe sie ihm entgegnet: <Es wird Dir eine
schlechte Ehre sein, wenn Du mich an den Galgen
bringst; wir sind ja Geschwisterkinder.»)
Von den Triesner Geschworenen wurde folgende
Erklärung abgegeben: «Bei Lienhard Barvier sei
ein Weib von Schan über Nacht gewesen und da er
sich mit seiner Frau zu Bett gelegt, so sei dasselbe
Weib im Haus und der Stube umhergerutscht und
habe gegrunzt wie ein junges Schwein. Leztlich sei
sie zu dem Fenster hinausgefahren. Lienhard habe
ihr nachgesehen und noch eine Frau bei ihr be-
merkt. Gegen Tag am Morgen sei sie wieder zum
Fenster hereingefahren. Auch sei einigen Bauern
das Vieh erkrankt und hätten nicht schmalzen kön-
nen. Einem sei eine Kuh wüthend worden, über
alle Zäu[n]e weg und leztlich in den Rhein gesprun-
gen. Man habe deßhalb das Weib Nesa in Ver-
dacht.»
Die Geschworenen aus Balzers sagten aus: «Das
Kirchenwachs wolle sich nicht zu Kerzen formen
lassen. Die Ursache sei das Weib Ottilia. Als der
Kirchenpfleger das Wachs von Feldkirch gebracht,
habe sie ihren Gürtel zu demselben gethan. Ferner,
als das Weib Rosina vom Triesnerberg in Balzers
gewesen und Abends wieder heim gegangen, seien
zwei Schweine aus dem Stall des Jos Fritsch ihr auf
den Berg nachgelaufen und drei Tage ausgeblie-
ben.»
46) Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde» , S. 47-49.
47) Kaiser, Geschichte, S. 360 f. u. 374 f.; Schädler, Rechtsgewohn-
heiten, S. 54; Grabherr, Blumenegger Landsbrauch, S. 127.
48) Schormann, Hexenprozesse, S. 55; Behringer, Bayern, S. 97;
Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde» , S. 64-78. Die
Hexenprozesse in Vorarlberg und Liechtenstein in den Jahren von
1595 bis 1598 widersprechen Behringers These von der Verlagerung
der Hexenverfolgungen im süddeu tschen Raum von Süden nach
Norden in Richtung Franken (Behringer, Bayern, S. 165).
49) Vgl. dazu HDA Bd. 5, Sp. 939 f.
50) Vgl. HDA Bd. 3, Sp. 1210-1213.
51) Heute «im Erbi», Rodungsinsel zwischen Fromahus und Prufa-
tscheng an der Gemeindegrenze zu Vaduz: LNb Triesenberg, S. 28 f.
13
Begegnung einer F rau mit
dem Teufel
Den Gerichtstag hatten zwar die Vertreter der
oberen Landschaft gefordert, dennoch wurde dort
auch eine Anzeige aus dem Kirchspiel Eschen vor-
gebracht. Man beschuldigte eine alte Frau aus Nen-
deln, «einen <großen Pfön> angerichtet zu haben,
der merklichen Schaden gethan».
Laut den Akten, die Peter Kaiser noch vorlagen,
wurden gegen die Beschuldigten des Jahres 1598
Prozesse geführt, die mit der Verbrennung «mehre-
rer» Delinquenten endeten.52
HEXENVERFOLGUNGEN IN DEN DREISSIGER
J A H R E N DES 17. JAHRHUNDERTS
Peter Kaiser standen noch Unterlagen von Hexen-
prozessen um 1634 zur Verfügung, aus denen her-
vorgeht, dass schon vier Jahre früher einige Ge-
richtsverfahren stattgefunden hatten.
Am 26. Jänner 1634 wurde ein Mann namens
Thomas vom Triesenberg gefangengenommen; am
12. und 13. März desselben Jahres folgten zwei
Frauen mit Namen Maria und Elsa. Von letzterer
ist bekannt, dass sie ebenfalls aus Triesenberg
stammte. Die drei Verdächtigten wurden im Zuge
der Prozesse unter Anwendung der sogenannten
«peinlichen Frage» (Folter) einvernommen. Da sie
nichts Belastendes gestehen wollten, rasierte man
ihnen alle Haare vom Leib und kleidete sie in ein
neues Hemd, damit sie keine Abwehrzaubermittel
verbergen konnten. Zur Austreibung der Teufel
und um ihre vermeintlich magisch bewirkte Wider-
standskraft zu brechen, gab man den angeklagten
Personen Weihwasser zu trinken, hängte ihnen ein
Agnus dei 5 3 um, wusch sie mit «sonderbarlich hie-
zu geweihtem Wasser» und beräucherte sie mit
gesegneten Substanzen. Bereits zuvor hatte das
Gericht durch Kapuziner alle Räume des Vaduzer
Schlosses benedizieren lassen. Aber selbst nach
Anwendung dieser geistlichen Mittel waren die Ge-
fangenen zu keinen Bekenntnissen des Teufelsbun-
des zu bringen.
Thomas N. gestand überhaupt nichts. Maria N.
bekannte nur, sie habe zweimal die Ehe gebrochen.
Elsa N. hingegen geriet mit ihrer Aussage bereits in
14
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
gefährliche Nähe des erwarteten Teufelsbundes.
Sie erklärte nämlich: «Als sie vor etwa 10 Jahren
an der Kirchweihe in Lavadina bei Mondschein
dem Tanz beigewohnt, sei Einer, gerade so gestal-
tet, wie ihr Liebster, zu ihr gekommen und habe sie
angesprochen, mit ihm zu tanzen, und da sie seine
Hand in die ihrige genommen, habe sie gesagt:
Gesegne mich[.] Gott, wie hast Du so kalte Fländ',
worüber ihr Tänzer verschwunden sei. So viel sie
habe wahrnehmen können, habe er Geißfüße ge-
habt und sei vermuthlich der Teufel gewesen; sie
sei aber von da an seiner nicht mehr ansichtig wor-
den.»
Der Rechtsgelehrte, dem die Prozessakten zur
Begutachtung übersandt wurden, bestätigte die
Rechtmässigkeit der Examination und der Folte-
rung. «Weil aber kein Geständniß erfolgt, die Ange-
schuldigten auch der Flexerei, ungeachtet starker
Anzeigen, nicht überwiesen seien, und die ausge-
standene lange Gefangenschaft und Folter hinläng-
liche Strafe sei, so seien sie wieder in Freiheit zu
setzen, jedoch unter der Bedingung, daß sie das
Land nicht verlassen, auf jede Aufforderung sich
vor Gericht stellen und daß der Mann Thomas die
Kosten des Prozesses für seinen Antheil trage.»
Das Urteil ist nicht überliefert. 5 4
Der Rechtsgutachter plädierte also nicht für ei-
nen Freispruch, sondern für eine sogenannte «ab-
solutio ab instantia» (Entbindung von der Gerichts-
instanz), die in der Constitutio Criminalis Carolina
von 1532 nicht vorgesehen war. Dabei wurde der
Verdächtigte weder verurteilt noch freigesprochen,
deshalb hatte er auch stets dem Gericht für ein
mögliches weiteres Verfahren zur Verfügung zu
stehen. Solche Urteile kamen im südwestdeutschen
Raum um 1600 auf.55 Ein Beispiel dafür ist in der
Herrschaft Bludenz schon für die neunziger Jahre
des 16. Jahrhundert überliefert. 5 6
Das Verfahren gegen die drei genannten Perso-
nen aus der Grafschaft Vaduz fand unter dem Gra-
fen Kaspar von Ems (1573-1640) statt, der kurze
Zeit davor (1630/31) auch in Hohenems einen He-
xenprozess geführt und sich dabei vom erfahrenen
Bregenzer Amtmann Dr. Diethelm Ülin beraten las-
sen hatte.57 Dr. Ülin, der bei Hexenprozessen für
eine vergleichsweise milde Vorgangsweise ein-
trat,58 war vermutlich auch der Verfasser des
Rechtsgutachtens zu den Vaduzer Prozessen von
1634.
Ausser den drei angeführten Verdächtigten sol-
len 1634 noch weitere Personen vor Gericht ge-
standen sein. Einige davon hatten sich schon vier
Jahre davor «in Untersuchung» befunden, dürften
aber 1634 nicht mehr gefoltert worden sein. 5 9
DIE VERFOLGUNG UM DIE
J A H R H U N D E R T M I T T E
Peter Kaiser konnte noch ein Dokument zitieren, in
dem «die Gerichtsleute und Geschwornen der Graf-
schaft Vaduz» den Grafen Franz Wilhelm von
Ems (1627-1662) ersuchten, «dem Gericht und den
Amtleuten Gewalt [zu] geben, das Uebel zu strafen
und zu verhindern, damit das Volk an Ehr, Lei[b]
und Früchten gesichert bleibe». 6 0 Es ist davon aus-
zugehen, dass dieses Ansuchen den Auftakt zu der
Reihe von Hexenprozessen zwischen 1648 und
1651 bildete, von denen ebenfalls keine ausführli-
cheren Unterlagen mehr überliefert sind. Unklar
bleibt bei Kaisers Darlegungen, ob die Untertanen
der Obrigkeit damals mit der Zurücknahme des
Huldigungseides gedroht hatten, «wenn das He-
xenwesen nicht ausgerottet würde». 6 1
52) Kaiser, Geschichte, S. 386-388.
53) Geweihtes Lamm Gottes als Wachsfigur, ein besonders häufig
verwendetes kirchliches Heil- und Schutzmittel: Heiß, Propaganda,
S. 126 f.
54) Kaiser, Geschichte. S. 434 f.
55) Gehring. Hexenprozeß, S. 41 f.
56) Tschaikner, Ilexenverfolgungen und Hexenprozesse in Bludenz,
S. 28.
57) Welti, Graf Kaspar, S. 502-509.
58) Vgl. Tschaikner. «Damit das Böse ausgerottet werde» ,
S. 166-168.
59) Kaiser, Geschichte, S. 434.
60) Ebenda, S, 431.
61) Ebenda, S. 437.
15
Die Gerichtsleute blieben auf alle Fälle auch
nach der Einleitung der Verfahren von Seiten
bestimmter Leute einem starken Druck ausgesetzt,
die gerichtlichen Verfolgungen fortzusetzen. Laut
einem Injurienverfahren des in Vaduz wohnhaften
Ammanns Thomas Hilt i 6 2 gegen Sebastian Walser
vom September 1648 hatte sich letzterer gerühmt,
er habe dem fendrich Krantzen ins maul gesagt,
wan sey mit denen armmen leüthen nit weiter forth
fahren werden, sollen sey guet achtung auf sich
geben und guete laterna nemmen. Sogar dessen
bereits inhaftierter Vetter Flans Walser habe er-
klärt, man solte nur nit Inhalten, sondern weiters
mit den armmen leüthen fortfahren und niemandts
verschonen. Dahinter steckte ein gefährliches Be-
dürfnis nach Rache, welche auch das Gericht nicht
verschonte. Hans Walser erklärte nämlich auch,
der über ihne den stab brechen werde oder richten,
seye so schlecht alß er selbsten.63
Über das Ausmass der damaligen Prozessserie
sind wir nur vage unterrichtet. Der Chronist Hans
Keyser (1594-1674) aus Zizers berichtet in seinen
Aufzeichnungen, «dass in Jaren 1648 sind zu Va-
duz in die 14 Personen, darunter 2 Mann, das
andere Weiber mit dem Schwerd gerichtet worden
und dann alsbald auf ein Haufen Holz und Stroh
gelegt und zu Aschen verbrannt worden, von we-
gen dass sie sich Gottes verleugnet und Hexenwerk
getrieben. In den Jahr 49 und 50 sind zu Vaduz
und Eschenberg6 4 mehr denn 100 personen in
gemelter Form gericht worden.» Die Prozesse von
1651 berücksichtigte Hans Keyser nicht mehr, da
er in diesem Jahr seine Eintragungen beendete.65
Der Herausgeber seiner Chronik charakterisierte
ihn als einen einfachen «Landmann, der trotz sei-
ner dürftigen Schulbildung wertvolle, zeitgenössi-
sche Begebenheiten lokalhistorischen Charakters
hinterlassen hat», die sich «mit überraschender
Genauigkeit» in die bekannten historischen Ab-
läufe einfügen. 6 6 Dennoch ist die Verlässlichkeit der
Zahlen für die Jahre 1649 und 1650 skeptisch zu
betrachten, zumal die Angabe «mehr als hundert»
noch heute landläufig oft einfach «viel» bedeutet.
Ein Rückschluss von den wenigen quellenmässig
gesicherten Zahlen zu den Todesopfern auf den Ge-
samtumfang der Hexenprozesse spricht aber im
grossen und ganzen für das Ausmass, das Hans
Keyser anführte. Die Gerichtsverfahren, die in der
Herrschaft Schellenberg nachweisbar vom 25. Juni
bis zum 11. Juli 1650 stattfanden, endeten mit der
Hinrichtung von acht Personen; die Prozesse in der
Grafschaft Vaduz dauerten vom 11. August bis zum
23. September und forderten 18 Menschenleben.6 7
Nimmt man an, dass die Verfahren von 1649 und
1651 in ähnlicher Intensität geführt wurden, so ist
bei den gerichtlichen Hexenverfolgungen von 1648
bis 1651 tatsächlich von einer Gesamtzahl von un-
gefähr 100 Todesopfern auszugehen.
Von dem ad 1651 gehaltenen malefiz process
erfahren wir nur aus spärlichen Quellen.6 8 Eines
der damaligen Opfer war der Triesner Nikolaus
Tanner, der in den örtlichen Matrikenbüchern mit
dem Beisatz «ehemals verbrannt» vermerkt ist.6 9
Über das Ende der Hexenprozessserie um die
Mitte des 17. Jahrhunderts wusste schon Peter Kai-
ser nichts mehr zu berichten. Vielleicht spielte
damals - wie häufig auch anderswo 7 0 - der Um-
stand eine gewisse Rolle, dass im Zuge der Verfah-
ren die Gerichtsleute selbst oder Personen aus
ihrer Verwandtschaft der Flexerei bezichtigt wur-
den. Dafür spricht jedenfalls die Tatsache, dass
sich die Ammänner Thomas Hilti aus Vaduz und
Adam Kranz aus Schaan 7 1 im August 1651 juri-
stisch gegen Ursula Maurerin zur Wehr setzten
mussten, die erklärt hatte, die Ammänner und ihre
Verwandten seyen alle in dem laidigen hexenwes-
sen behafft.72
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass
1645, 1649 und 1651 auch in der benachbarten
Stadt und Herrschaft Feldkirch Hexenprozesse
stattfanden.73 Der von Ludwig Rapp unterstellte
Zusammenhang des Verfahrens gegen die Rank-
weiler Pfarrersköchin Martha Lochbühlerin mit
den Vaduzer Prozessen lässt sich bislang nicht
belegen.74 Auch in der Grafschaft Hohenems, wo
Graf Karl Friedrich (1622-1675), ein Bruder des
Vaduzer Landesherrn Franz Wilhelm, regierte, fan-
den um die Jahrhundertmitte umfangreiche He-
xenverfolgungen statt.75 Am 30. Dezember 1650
erliess Karl Friedrich von Hohenems ein Mandat
16
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
«gegen das verfluchte Laster der Flexerei», auf das
vor allem Missernten und Viehkrankheiten zurück-
geführt wurden. 7 6
So wichtig die Darlegungen Peter Kaisers als
Quelle für die liechtensteinischen Hexenverfolgun-
gen geworden sind, bedürfen sie doch bezüglich
der finanziellen Seite der Prozesse einer Korrektur.
Kaiser schrieb: «Die Obrigkeit lieh dem schreck-
lichen Treiben ihren Arm, weil sie hier Mittel fand,
ihren zerrütteten Finanzen ein wenig aufzuhelfen;
denn das Vermögen der Verurtheilten fiel ihr zu.» 7 7
Da die Behörde jedoch nicht das Vermögen der
Familien, sondern allein jenes der Delinquenten
einzog,7 8 wurden mitunter schwierige Besitzerhe-
bungen und -teilungen notwendig. Für die Obrig-
keit war es einfacher, wenn die Familienmitglieder
den zu konfiszierenden Besitz der Opfer sozusagen
«auszahlten». Kaisers Darlegung, dass man es als
Gnade ansehen musste, «wenn es den Erben der
Hingerichteten erlaubt ward, die Confiskation des
ganzen Vermögens um eine bestimmte Summe
loszukaufen», verzerrt den wahren Sachverhalt.
Unter der Redewendung «mit der Herrschaft ab-
kommen» ist kein dubioses «Geschäft» zu verste-
hen, sondern sie bedeutete einfach, dass man vor
der Obrigkeit Rechnung legte und mit ihr ein Zah-
lungsübereinkommen traf.79
Stark irreführend wirkt es weiters, dass Kai-
ser die Gefangennahme Hans Eberles von Planken,
die erst 1681 - also nach dem Ende der Hexenpro-
zesse - erfolgte,80 im Zusammenhang mit den He-
xenprozessen um die Jahrhundertmitte als typi-
sches Beispiel für das vom Volk gewünschte Hexen-
treiben anführt . 8 1 Harald Wanger verwendet des-
halb gerade das Beispiel Hans Eberles in seinem
Geschichtslesebuch zur Veranschaulichung der He-
xenverfolgungen insgesamt und datiert dessen Ge-
fangennahme auf den November 1648. 8 2
Während aus der Flerrschaft Schellenberg keine
entsprechenden Unterlagen vorliegen, sollen sich
die Einnahmen aus den Prozessen in der Graf-
schaft Vaduz im Jahr 1648 auf weit über 12 000
Gulden belaufen haben. 8 3 Wenn um 1680 von 20
Angehörigen der Pfarrei Triesen (zu der damals
auch der grösste Teil der heutigen Pfarrei Triesen-
berg gehörte) etwa 7 000 Gulden Konfiskationsgel-
der bezahlt werden mussten,8 4 dürfte es sich bei
den 14 Personen, die laut Hans Keyser 1648 hinge-
richtet wurden, also eher um finanzkräftige Delin-
quenten gehandelt haben.
Bei den Prozessen um die Mitte des 17. Jahr-
hunderts holte das Vaduzer Gericht vorschrifts-
mässig Rat bei Rechtsgelehrten ein. Es erkundigte
sich, ob man auf drei oder vier Denunziationen hin
eine Person, gleich ob sie einen guten oder schlech-
ten Leumund habe, gefangennehmen und foltern
dürfe; oder ob man Personen, die von anderen bei
rechtmässig durchgeführten Folterungen angege-
ben worden waren, ebenfalls fangen und foltern
62) Vgl. Ospelt, Landammänner-Verze ichnis , S. 44.
63) LLA AS 1/1, fol. 2a-3a.
64) Die Herrschaft Schellenberg wurde auch Eschnerberg genannt.
65) Meng, Hans Keyser. S. 290.
66) Ebenda, S. 273.
67) L L A RA 146/21.
68) SRg, fol. 122a; Tschaikner, Feldkirch, S. 114.
69) Büchel, Pfarrei Triesen, S. 64; Feger, Pfarrbücher, S. 43.
70) Vgl. z. B. Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde», S. 57
u. 122.
71) Vgl . Ospelt, Landammänner-Verze ichnis , S. 45.
72) L L A AS 1/1, fol. 43b-44a; Seger, Hexenprozesse, S. 54, bezieht
wohl diese Äußerungen auf die «Brüglerischen Prozesse».
73) Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde» , S. 116-118 u.
120-122.
74) Rapp, Beschreibung, S. 690.
75) V L A HoA 76/4-12, 76/14+15.76/18 u. 97/4.
76) Welti, Entwicklung, S. 87.
77) Kaiser, Geschichte, S. 432.
78) Vgl . Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde», S. 166 f.
79) Kaiser, Geschichte, S. 432.
80) Büchel, Protokolle, S. 118 u. 141.
81) Kaiser, Geschichte, S. 437.
82) Wanger, Bilder, S. 127-129.
83) Kaiser, Geschichte, S. 432.
84) StAAug 2971, fol. 22b.
17
dürfe. Beide Fragen wurden in einem Rechtsgut-
achten verneinend beantwortet.85 1651 heisst es,
dass sich Dr. Johann Jakob Dilger, der Oberamt-
mann des adeligen Damenstifts zu Lindau, und Dr.
Johann Jakob Härder, kaiserlicher Freilandrichter
zu Rankweil, 8 6 bei den Hexenprozessen in der Graf-
schaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg
nicht ohne sonderbahre frucht gebrauchen lassen
hatten.87 Dr. Härder war nachweisbar im Sommer
des genannten Jahres bei einem Prozess in Vaduz
eingesetzt.88 Die harte Vorgangsweise, die Dr. Dil-
ger wohl auch bei den Vaduzer Hexenprozessen
vertrat, ist bei den entsprechenden Verfahren in
Wasserburg anschaulich dokumentiert.89
Aus einer Rechnung vom 26. September 1650
geht hervor, dass der Bregenzer Scharfrichter Mei-
ster Christoph Hirt für seine Mühen mit den Schel-
lenberger Delinquenten einschliesslich des Henker-
mahls 53 Gulden 21 Kreuzer, für seine Tätigkeiten
bei Personen aus der Grafschaft Vaduz 129 Gulden
39 Kreuzer, insgesamt also 183 Gulden erhielt. Von
dieser Summe wurden etliche Posten abgezogen,
unter anderem auch wegen deß mr. Jacoben von
Sarganß und wegen zweier Bestrafungen in Folge
von ausgestossenen Scheltworten.9 0
Der Scharfrichter hatte sich nicht nur verschie-
dener Beschimpfungen schuldig gemacht, sondern
musste sich am 8. Juli 1650 auch gegen schmach-
reden des Ammanns Thomas Hilti gerichtlich zur
Wehr setzen. Dieser soll seiner eigenen Frau, Ma-
ria Jägerin, vorgeworfen haben, mit Meister Chri-
stoph in Unehren zue thuen gehabt zu haben. Die
Zeugenaussagen ergaben unter anderem, dass die
beiden im oberen Stüblein des Gasthauses des
Fähnrichs Haug Kranz haimlich getrunkhen und
sich dabei eingespert hatten. Plans Walser habe
einmal zu seiner Frau gesagt: Wan du mit dem
henckher also essen und trinckhen thetist wie deß
amman Hiltins fraw, wolte ich dich halb verwür-
gen. Es hiess, Hiltis Frau habe den Scharfrichter
ursprünglich aufgesucht, um ihren Arm mit salben
behandeln zu lassen. Vom Gericht wurde sie ver-
mutlich wegen ihres Umgangs mit dem Scharfrich-
ter zu einer Geldstrafe verurteilt.91
Aus der Mitte des 17. Jahrhunderts sind nur
wenige Delinquenten namentlich bekannt. Dazu
zählen der 1651 hingerichtete Nikolaus Tanner aus
Triesen und der ebenfalls bereits erwähnte Hans
Walser aus Vaduz, 9 2 der am 25. Juli 1648 verbrannt
wurde. 9 3 Von ihm erklärte Hans Ulrich Schindelin
aus Feldkirch 1650 gegenüber dem Hofschneider
und der Ehefrau des Wirts Haug Kranz, der Johan-
nes Walser sie ein finer man gewesen, man hette
nit vermeint, daß er ein solcher schlechter gesel
wer gewessen. Diese Aussage wurde aktenkundig,
weil Schindelin weiters zu Kranzens Frau, Barbara
Thönin, gesagt hatte, man habe ihre eltren ver-
brendt und wer dt sie auch verbrendt werden.'34
Wie die Eltern der Barbara Thönin war mögli-
cherweise auch die Ehefrau Christian Ospelts aus
Vaduz um die Jahrhundertwende hingerichtet wor-
den. Jedenfalls warf er 1660 Hans Kindle aus Trie-
sen vor, er sei schuld, dass seine Frau vor Jahren
hingerichtet worden sei. Undt weilen er zuvor auch
umb sie gebuhlet, hätte er ihro schon verschonen
könden.95
Im Jahre 1648 wurden darüber hinaus ein oder
mehrere Familienmitglieder der «Pulvermacher»
in Schaan hingerichtet.96 Wahrscheinlich handelte
es sich dabei um Verwandte des 1677 verbrannten
Pulvermachers Matthias Beck.
Peter Kaiser glaubte, dass die Schaaner Familie
der Mariss bei den Hexenverfolgungen ausgerottet
worden war. 9 7 Das müsste spätestens bei den Pro-
zessen um die Jahrhundertmitte erfolgt sein, denn
später scheint der Name Mariss in den Hexenpro-
tokollen nicht mehr auf. Gerne würde man sich
dem Urteil Alexander Fricks anschliessen, dass der
gewissenhafte Forscher Peter Kaiser diese Behaup-
tung wohl nicht aufgestellt hätte, wenn ihm nicht
entsprechende Unterlagen vorgelegen wären. 9 8 A l -
lerdings irrte sich Kaiser nachweislich, als er der in
Schaan ansässigen Familie Dintl dasselbe Schicksal
wie den Mariss attestierte.99
18
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
HEXENVERFOLGUNGEN IN DEN SECHZIGER
JAHREN DES 17. JAHRHUNDERTS
Von Peter Kaiser erfährt man, dass das Übel des
Hexenwesens nach den Verfolgungen um die Jahr-
hundertmitte wieder seit 1666 «wüthete». 1 0 0 Quel-
lenmässig sind bislang für 1666 ein Injurienverfah-
ren und ab 1667 auch gerichtliche Zeugeneinver-
nahmen (Inquisitionen) über einige verdächtigte
Personen belegt.
Wenn die Zeitangaben im Ansuchen der ledigen
Maria Beckin, einer Tochter Martin Becks aus
Triesenberg, aus dem Jahr 1682 richtig sind, fand
sogar schon im Winter 1663 oder 1664 ein Hexen-
treiben statt. Zu dieser Zeit sollte die damals
27- oder 28-jährige Beckin auf bloße ahnklag der
Ursula Beckin, der Witwe Erhard Becks, als Flexe
gefangen genommen werden, weil sie Ursulas Sohn
Hans ein Kalb verdorben habe. Als der Waibel
samt den Geschworenen Maria Beckin aus der Alpe
holen wollte, sei sie aus Angst vor der grausamen
Folter aus dem Land geflohen und habe sich - wie
übrigens vül hundert anderen disländigen ledigen
leüthen - 18 Jahre lang in der Nachbarschaft mit
ihrer schwehren arbaith unnd dienen erhallten. Ihr
Vermögen in der Herrschaft Vaduz in der Höhe von
238 Gulden war daraufhin eingezogen worden.
1682 suchte sie um Rückgängigmachung der Kon-
fiskation an, unter anderem mit dem Hinweis, dass
sich Hans Beck der Beschuldigung gäntzlich ent-
schlagen habe.1 0 1
Zwischen Jänner und März 1666 verhandelte
das Stadtgericht in Feldkirch an vier Terminen ei-
nen Streit zwischen Theiß Wanger, der seine Ehre
dem leben gleich achtete, und Jakob Buocher.
Wanger beklagte sich, dass Buocher in Ruggell dem
vernemben nach ... geredt habe, er unternembe
sich des gloggenhenckhens,]m und anderer vihler
Sachen, die er nit gelernet habe. Es habe sich einß-
mahl einer auch dergleichen sovilerley ohne mei-
ster gelerneter künsten unterfangen, mann habe
aber denselben umb den khopf khürzer gemacht.
Damit meinte er einen hingerichteten Esch-
nerberger. Wanger werde es wohl auch noch so er-
gehen, darauf deutent, alß wann er ein hexenmei-
ster were. Der Beklagte, dem überdies vorgeworfen
wurde, er hätte dergleichen worth auch zue Blu-
dentz geredet, berief sich auf Aussagen des Am-
manns Jos Thöni aus Eschen, 1 0 3 der von Wanger
und von dem erwähnten Eschnerberger, der auch
sovihl khünsten gewüst, nicht viel hielt. Ausser
dem Ammann wurden noch andere Zeugen vor das
Gericht geladen, das schliesslich die Ehre des Ver-
leumdeten wiederherstellte und den Beklagten zum
Kostenersatz verurteilte.1 0 4
Im Frühjahr 1667 fanden Inquisitionen über et-
liche Personen statt, die der Hexerei verdächtigt
wurden. Darunter befanden sich die verheiratete
Maria Schleglin vom Rotaboda am Triesenberg
sowie ihre Kinder Hans und Greta Gassner. Späte-
stens 1669 wurde einigen anderen Personen, die
der Hexerei bezichtigt waren, der Prozess gemacht.
Darüber liegen keine Dokumente mehr vor. Es ist
85) Kaiser, Geschichte, S. 436 f.
86) Welti, Freilandrichter, S. 149.
87) V L A H o A 4 7 , 3 .
88) Tschaikner, Feldkirch. S. 114.
89) Wiedemann, Hexenprozesse, passim.
90) LLA RA 146/21.
91) L L A AS 1/1, fol. 21b-22b.
92) Er war der Vater Daniel Walsers.
93) StAAug 2971, fol. 4a,
94) L L A AS 1/1, fol. 25b.
95) L L A AS 1/1, fol. 152a.
96) Kaiser, Geschichte, S. 432.
97) Ebenda, S. 433.
98) Frick. Mariss, S. 99.
99) Kaiser, Geschichte, S. 433. Vgl. Christoph Dintl auf S. 150.
100) Kaiser, Geschichte, S. 437.
101) StAAug 2971, fol. 24a+b; StAAug 2969, fol. 37b.
102) Über die Tätigkeit eines Glockenhängers vgl. Somweber. Georg
Hauser, S. 40-42.
103) Vgl . Ospelt, Landammänner-Verze ichnis , S 49.
104) Stadtarchiv Feldkirch. Ratsbuch 1666-1669, fol. 6b+7a. 12a+b,
14b+15au. 22b+23a.
19
nur bekannt, dass damals Hans Hopp, genannt
Pfeifer, aus Ruggell und seine Mutter Katharina
Büchlin, 1 0 5 möglicherweise auch Martin Hopp aus
Ruggell und sein Sohn Andreas, 1 0 6 hingerichtet
wurden.
FÖRDERUNG DES VERFOLGUNGSEIFERS
DURCH DIE GEISTLICHKEIT?
Wie stark der Glaube an die Wirksamkeit der Hexe-
rei im Volk und bei seinen gewählten Vertretern
wirklich verankert war, lässt sich nicht mehr fest-
stellen. Man muss jedenfalls davon ausgehen, dass
auch im 17. Jahrhundert manche Leute an den ver-
meintlichen Fähigkeiten der Hexen zweifelten. Ent-
sprechende Äusserungen waren aber gefährlich.
Als etwa Hans Kaufmann vom Triesenberg 1676
erklärte, das hexenwerch, deßgleichen schade ei-
nem nichts, wurde er schnell verdächtigt, selbst ein
Hexenmeister zu sein.
Vor diesem geistigen Hintergrund bildet eine
von Peter Kaiser überlieferte Schrift, deren Er-
scheinungsort, -zeit und Autor(en) unbekannt sind,
ein bedeutsames Zeitdokument. Die Publikation
war - vermutlich von den seit 1649 in Feldkirch
ansässigen Jesuiten, die sich in zahlreichen Schrif-
ten hervortaten1 0 7 - «den ehrsamen, wohlacht-
baren und weisen Herren Landammännern Georg
Wolf aus Vaduz, Georg Bürkle von Schan und Jakob
Schreiber von Eschen» gewidmet und mahnte
vor dem Abfall vom katholischen Glauben, dessen
schlimmste Art bekanntlich der Teufelsbund, die
Hexerei bildete. Gleichzeitig empfahl die Schrift
Mittel, «wie die tödtlichen Glaubenswunden eines
abfallenden Menschen zu heilen seien, ob man sich
darob zu ärgern, oder nicht vielmehr und eben
darum an der katholischen Kirche sich desto hefti-
ger stärken und zu halten habe». 1 0 8 Diese gegen-
reformatorische Publikation, die mit hoher Wahr-
scheinlichkeit Bezüge zu den Hexenverfolgungen
enthielt, kann mittels der Landammänner-Listen 1 0 9
nicht genauer datiert werden. Diese ermöglichen
nur eine grobe Zuordnung zum Zeitraum zwischen
1669 und 1679. Als Terminus ante quem dient die
Tatsache, dass der erst im Jahre 1680 1 1 0 massgeb-
lich an den Hexenprozessen beteiligte Ammann
Hans Öhre aus Schellenberg in der Widmung nicht
erwähnt ist.
Selbst wenn kein direkter Zusammenhang der
Schrift mit den Hexenverfolgungen besteht, so
verweist sie doch eindringlich auf die meinungsbil-
dende Rolle eines einflussreichen Teils der Geist-
lichkeit, der gegenüber dem Hexenwesen zumeist
keine allzu konziliante Haltung vertrat.1 1 1 Jedenfafls
ist bislang nicht bekannt, dass die Jesuiten etwas
gegen die ausufernden Hexenverfolgungen in ihrer
unmittelbaren Nachbarschaft unternommen hät-
ten.
VERFOLGUNGEN UND PROZESSE IN DEN
J A H R E N 1675 RIS 1678
Otto Seger führt ein Verzeichnis der Einkünfte der
Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg
von etwa 1662 bis 1681 an und erklärt die beson-
ders hohen Einnahmen im Jahr 1675 mit Konfiska-
tionen im Gefolge von Hexenprozessen.1 1 2 Für diese
Zeit sind jedoch in den Quellen bislang keine Pro-
zesse fassbar. Der einzige Hinweis darauf besteht
darin, dass im Rechtsgutachten von Dr. Welz vom
März 1679 erwähnt ist, Anna Maria Negelin aus
Schaan sei 1675 denunziert worden. 1 1 3 Dabei könn-
te es sich aber auch um eine Denunziation im Zuge
der zahlreichen Inquisitionen gehandelt haben, die
damals vorgenommen wurden. Ob es 1675 zu ei-
nem Hexenprozess oder zu Vorbereitungen für ein
solches Verfahren gekommen ist, lässt sich mit den
vorliegenden Unterlagen nicht bestimmen. Hexen-
prozesse um die Mitte der siebziger Jahre bleiben
somit eine schwach belegte Vermutung.
In den Schreiben der Feldkircher Beamten von
1681 heisst es zumeist, die gerichtlichen Hexenver-
folgungen in Vaduz und Schellenberg hätten nun-
mehr bey vier jähren hero stattgefunden.114 Dabei
wurde das Jahr 1681 wohl mitgezählt, denn in der
Denkschrift der Landammänner und Gerichte an
den Kaiser von Ende 1683 bestehen nur Hinweise
auf Prozesse in den Jahren 1678 und 1679. 1 1 5 Das
20
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Jahr 1677 ist nicht erwähnt . 1 1 6 Auch die vorliegen-
den Gerichtsakten belegen erst für 1678 einen
Hexenprozess.
In einer Injurienklage vom 29. April 1678, die
der Burgvogt Hans Rusch, welcher im folgenden
Jahr verbrannt wurde, gegen Udo Kranz zu Vaduz
führte, erfahren wir, dass dieser gegenüber dem
Korporal Heinrich Hoffmann erklärt habe, so baldt
ain gn. herrschafft außer landt sei, man den hexen
prozeß wider anfangen und under den ersten der
burgvogt verbrendt werden solle.1" Demnach hat-
ten bereits zu Beginn des Jahres 1678 Gerichtsver-
fahren wegen Hexerei stattgefunden, an deren
Fortsetzung der Herrschaft wenig gelegen war.
Dass den Hexenprozessen des Jahres 1679 nicht
viele andere vorangegangen waren, ergibt sich
auch daraus, dass in den Akten des genannten Jah-
res ständig nur auf einen letsten proceß Bezug
genommen wird, von dem jedoch schon 1680 keine
Unterlagen mehr vorlagen. 1 1 8
Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich
beim Gerichtsverfahren von 1678 um jenes, das
in den Quellen einmal «Dr. Christians Prozesse»
genannt wird. 1 1 9 Dr. Georg Christian, der aus St.
Gerold im Grossen Walsertal stammte, vor 1665
Feldkircher Stadtschreiber und dann bis 1680 kai-
serlicher Freilandrichter in Rankweil war, 1 2 0 hatte
schon 1667 und 1675 unter Landvogt Köberle an
Inquisitionen über der Hexerei Verdächtigte teil-
genommen. Nach dem Abgang Köberles im Jahre
1677 dürfte Dr. Christian Prozesse gegen etliche
Personen - vielleicht auch nur zu Ende - geführt
haben.
Namentlich bekannte Todesopfer der Prozesse
von 1678 waren Jakob Rig aus Triesen, 1 2 1 Michael
Hilbi, der vielleicht aus Eschen stammte,1 2 2 Magda-
lena Eglin aus Mauren 1 2 3 und Katharina Föhrin,
wohl ebenfalls aus Mauren. 1 2 4 Aus einem späteren
Ansuchen um Wiedererstattung von Konfiskations-
geldern geht hervor, dass 1678 Matthias Beck, Pul-
vermacher in Schaan, wegen einer geringen denen
ambtleuthen verdrissigen red eingezogen und ver-
brannt worden sein soll . 1 2 5 Weitere Todesopfer, de-
ren Namen nicht überliefert sind, waren der Bru-
der, die Mutter, deren Schwester und die Stiefmut-
ter der Maria Walserin aus Mauren. Sie selbst wäre
ebenfalls verbrannt worden, wenn sie sich nicht für
schwanger ausgegeben hätte; als der wahre Sach-
verhalt aufkam, war der Prozess bereits eingestellt
worden. 1 2 6
105) StAAug 2968, fol. 10b. In StAAug 2970, fol. 4b, u. StAAug
2971, fol. 4b, lautet der Vorname der Büchlin Anna Katharina. In
den Inquisitionsprotokollen wird sie als «ahna» (Grossmutter)
Silvester Hopps angeführ t . Dass es sich bei der Büchlin nicht um die
Schwiegermutter Hans Hopps handelte, schliesse ich daraus, dass
seiner Ehefrau Katharina Wangnerin keine schlechte Herkunft
vorgeworfen wird.
106) SRg, fol. 75a.
107) Burmeister, Feldkirch, S. 199.
108) Kaiser, Geschichte, S. 431,
109) Ospelt, Landammänner-Verze ichnis , S. 41-51; Büchel, Eschner-
berg, S. 35.
110) Ospelt, Landammänner-Verze ichnis , S. 47.
111) Behringer, «Vom Unkraut unter dem Weizen», S. 29-31.
112) Seger, Hexenprozesse. S. 58.
113) Welz 1. S. 48.
114) StAAug 2972, fol. 71b; StAAug 2969, fol. 4a.
115) LLA RA 144/143, fol. 4a; anders als bei Kaiser, Geschichte,
S. 447, zu lesen ist, heisst es im Originaldokument nicht, dass
es sich dabei um Zauberei- oder Hexenprozesse handelte. Dies ist
jedoch sehr wahrscheinlich.
116) Es ist nicht bekannt, auf welchen Hexenprozess sich die Aus-
sagen der Maria Wagnerin (Witwe Ulrich Blenks in Schaan) bezogen,
die bei einer Inquisition im Jahre 1677 zu Protokoll genommen
wurden; SRg, fol. 224a+b, und Welz 1, S, 45.)
117) LLA AS 1/2, fol. 25a.
118) SRg, fol. 60a.
119) StAAug 2971, fol. 19b.
120) Welti, Freilandrichter, S. 149.
121) StAAug 2971, fol. 19b.
122) StAAug 2968, fol. 22b.
123) Ebenda, fol. 26a u. 39a.
124) Ebenda, fol. 39a.
125) Er war mit Katharina Dintlin verheiratet und der Vater
von Michael, Anna, Mar ia und Katharina Beck: StAAug 2971,
fol. 34a+b.
126) StAAug 2968, fol. 5a.
21
Die Prozesse Dr. Christians fanden gegen Perso-
nen sowohl aus der Herrschaft Schellenberg als
auch aus der Grafschaft Vaduz statt. Sie forderten
nachweislich mindestens neun Todesopfer, ihr Zahl
könnte sich jedoch auch auf ein Vielfaches belaufen
haben.
DIE «BRÜGLERISCHEN PROZESSE» VON 1679
UND DER WIDERSTAND DER STÄNDE
Unter Landvogt Dr. Brügler wurden 1679 in der
Grafschaft Vaduz Hexenprozesse geführt, die 20
Personen das Leben kosteten. Wie aus den Unter-
lagen hervorgeht, fanden die ersten Verhaftungen
Mitte März statt. Die Beisitzer - die Landammän-
ner Wolf und Bürkle sowie der Zoller Kaspar
Schreiber - wurden für 80 Tage bezahlt, das heisst,
die Verfahren dauerten mindestens bis Ende Mai.
Die Inquisitionen über die Delinquenten waren
zum Teil schon vier Jahre früher vorgenommen
und aufgezeichnet worden.
Vor dem Beginn der Verfahren legte das Gericht
die entsprechenden Unterlagen vorschriftsgemäss
einem Juristen, und zwar Dr. Thomas Welz in Lin-
dau, zur schriftlichen Begutachtung vor. Die folgen-
den Prozesse stiess jedoch bald auf Widerstand bei
breiten Kreisen. Der Graf und seine Beamte wur-
den deshalb öffters gewahmet und gleichsamb
gebetten .... in dergleichen schweren malefiz Pro-
cessen behuetsamer fürzufahren.127
Trotzdem sollen die Prozesse so geführt worden
sein, dass die Grafschaft Vaduz und die Herrschaft
Schellenberg - laut Aussage der Feldkircher Beam-
ten - in der ferne undt nähe in einen sehr üblen Ruf
kamen, der zur Sorge Anlass gab, dass man sogar
in publicis commercijs ein abscheuen tragen undt
dardurch ein unwiederbringlicher schaden erfol-
gen möchte. In Schwaben und in anderen Nachbar-
ländern sage man schon, dieser oder jener seye
auß dem hexenlandt. Schuld an dem schlechten
Ruf seien einerseits der Graf selbst mit seinen dif-
famierenden Reden in der Öffentlichkeit, anderer-
seits die Vaduzer Beamten, welche die Gerichtspro-
tokolle schlecht verwahrten, nicht die erforderliche
Verschwiegenheit an den Tag legten und die Pro-
zesse unordentlich führ ten. 1 2 8
Manche Personen führten den Widerstand gegen
die Hexenprozesse darauf zurück, dass nun auch
immer stärker die Machtelite von den Verfolgungen
betroffen wurde. Der Maurer Christian Zindt aus
Schaan zum Beispiel war der Meinung, es werde
das hexen prennen bald aufhören, dann der aman
Wolff hab khain lust mer darzue, weil es ime zu
nachendt in sein freindtschafft khome.129
Was auch immer die Gründe für die Unzufrie-
denheit waren: Durch die «Brüglerischen Prozes-
se» fühlten sich sowohl die Geistlichkeit als auch
die gesambte diese landtschafft veranlasst, zusam-
men mit den Beamten des Feldkircher Vogteiamts
und den Feldkircher Stadtdeputierten vom Grafen
zu verlangen, dass die Prozessakten zur Begutach-
tung an eine Universität übersandt würden, nach
deren Urteil man sich richten solle. 1 3 0
Die Hexenprozesse hatten eine breite Front des
Widerstandes hervorgerufen, deren Entstehung
anhand der vorliegenden Dokumente nicht genau-
er nachvollziehbar ist. Sogar der Churer Bischof
hatte den Vaduzer Landesherrn ermahnt. Zur Ver-
hinderung von künftigen inconvenienzen wandte
sich der Bischof schliesslich am 1. Juni 1679 - also
unmittelbar am Ende der Prozesse - mit einem
Beschwerdeschreiben sogar an Kaiser Leopold in
Wien. Darin sprach von den grosse[n] beschwer-
nussen und Ungleichheiten, welche die Untertanen
vom Grafen zu erleiden hatten. Der Bischof erklär-
te auch, dass die Hoffnung auf Besserung ver-
gebens sei, ganz im Gegenteil: Der Graf habe nun
auch vor den Geistlichen den Respekt ganz verlo-
ren. 1 3 1 Wenn man von der Beschwerde der gräf-
lichen Geschwister im Jänner 1679 absieht, die
vornehmlich innerfamiliäre Hintergründe hatte,132
setzte der Bischof von Chur mit seiner Eingabe den
ersten Schritt zur Involvierung des Kaisers in die
verhängnisvolle Entwicklung zu Vaduz. Kurzfri-
stige Veränderungen waren davon allerdings nicht
zu erwarten.
Zunächst sah es ohnehin so aus, als ob die Pro-
bleme ohne grösseres Aufsehen gelöst werden
könnten. Nachdem man dem Landesherrn nämlich
22
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
die Rechtswidrigkeiten dargelegt und auch erklärt
hatte, dass sein Landvogt Dr. Brügler sogar aufsein
des herrn graffen aigne persohn inquiriret unndt
die arme einfeltige gefangene darüber examinirt
habe, zeigte sich Ferdinand Karl mit einer Über-
prüfung der Vorgänge einverstanden.1 3 3
Nun wurden die Inquisitions- und Konstitutions-
protokolle ex abpruto ausgehoben und dem Feld-
kircher Hubmeister Dr. Franz Gugger zwecks einer
juristischen Überprüfung übergeben. Seiner Mei-
nung nach waren die Indizien, die zur Gefangen-
schaft und zur Folterung führten, nur schlechtlich
erwogen. Weiters habe es an den erforderlichen
untadelhaften Zeugen gemangelt. Das Gericht habe
sich zuviel auf die Denunziationen verlassen und
den Corporibus delicti zu wenig nachgeforscht.
Nach den Brandherden des Hexenverbrechens hin-
gegen sei von dorff zu dorff von statt unndt landt,
von hauß zu hauß, von gaßen zu gaßen gefragt
worden. Die Fragestücke waren laut Dr. Gugger
verfänglich und suggestiv formuliert; die Folterung
habe das Gericht auf unrechtmässige Weise vorge-
nommen. 1 3 4
Sobald der Landvogt bemerkt hatte, daß seine
geführte proceß examinirt werden wollen, war er
von Weib und Kindern geflohen und hatte in der
freyung (kirchliches Asyl) von Chur Zuflucht ge-
sucht.1 3 5 Laut Angaben Rupert von Bodmans aus
dem Jahre 1685 soll der ehemalige Landvogt
befürchtet haben, dass er wegen des vermessenen
Unterfangens, auf seines aignen graffens und her-
rens persohn in pto. maleficij zu inqiriren, gefan-
gengesetzt werde. 1 3 6
Mit der Flucht Dr. Brüglers endeten die Prozes-
se, die im März begonnen hatten. Deren nachträg-
liche Überprüfung durch Juristen einer Universität
lehnte der Graf gegenüber einer Abordnung, die
vom Klerus, den Ständen, dem Vogteiamt und der
Stadt Feldkirch entsandt worden war, mit der
Begründung ab, dass im Fall einer Annullierung
der Verfahren seine reputation mit zuruckgebung
der empfangenen confiscationen gröblich laedirt
würde.137
Immerhin hatte der breite Widerstand gegen die
Hexenprozesse dazu geführt, dass 1679 gegen jene
18 Personen aus der Herrschaft Schellenberg, über
die bereits ein Rechtsgutachten vorlag, das ihre
Verhaftung und Folterung befürwortete, 1 3 8 nicht
mehr gerichtlich vorgegangen wurde. Vielen von
ihnen blieb aber nur eine «Galgenfrist» bis zum
nächsten Jahr.
NEUE REGELUNGEN IM J A H R E 1679
Der Konflikt um die unrechtmässig geführten
Hexenprozesse wurde schliesslich dadurch bei-
gelegt, dass der hoch verschuldete Landesherr den
Ständen den Anspruch auf die 8 700 Gulden über-
trug, die ihm aus dem Nachlass der Personen
zustanden, welche in den Jahren 1678 und 1679
gerichtet worden waren. Weiters überliess er ihnen
zur Verzinsung und Abzahlung ihrer Kredite sämt-
liche ordentlichen und ausserordentlichen Herr-
schaftseinkommen. 1 3 9 Nun fielen also nicht nur die
Einnahmen aus künftigen Hexenprozessen, son-
dern auch die Konfiskationsgelder aus den ehemals
heftig kritisierten «Brüglerischen Prozessen» an
die ständische Kasse. 1 4 0 Hätten sich die Stände
weiterhin für eine rechtliche Untersuchung dieser
Verfahren eingesetzt, so hätten sie sich vermutlich
127) ÖStA Deneg. Ant. 96.
128) StAAug 2972, fol. 72a, 65b+66a.
129) L L A AS 1/ 2, fol. 39a u. 40a.
130) StAAug 2972, fol. 66a.
131) ÖStA Deneg. Ant. 96.
132) L L A RA 144/128; Kaiser, Geschichte. S. 444,
133) StAAug 2972, fol. 68a.
134) Ebenda, fol. 68a-69a.
135) Ebenda, fol. 67a, Bei Seger, Hexenprozesse, S. 57, falsch
gelesen.
136) ÖStA Deneg. Ant. 96.
137) StAAug 2972, fol. 66a+b.
138) Welz 2.
139) Kaiser, Geschichte, S. 447; L L A RA 144/143, fol. 4a.
140) StAAug 2972, fol. 66b.
23
selbst um ihre finanziellen Ansprüche gebracht.
Unter diesen Umständen scheint die Empörung
über die «Brüglerischen Prozesse» rasch abgeklun-
gen zu sein.
Ein Beispiel dafür, wie stark die Möglichkeit von
Konfiskationen das Rechtsempfinden vieler mass-
geblicher Leute korrumpiert hatte, bildete der neue
Landvogt Andreas Joseph Walser. In seiner frühe-
ren Funktion als Feldkircher Stadtammann hatte
er die Prozessführung seines Vorgängers Dr. Brüg-
ler scharf getadelt; als Landvogt leitete er jedoch
die Gerichtsverfahren gegen die vermeintlichen
Hexenpersonen in ähnlicher Weise, obwohl ihm
eigens der Jurist Johann Büchele zur Seite gestellt
worden war. 1 4 1
Beim weiteren Widerstand gegen die Hexenpro-
zesse blieben die Betroffenen - mit Ausnahme der
anfänglichen Unterstützung durch einen mutigen
Geistlichen - auf sich selbst gestellt. Gegen die
«Walserischen Prozesse» des Jahres 1680 gab es
bezeichnenderweise nicht nur keine Proteste von
S e i t e n der Stände; laut Angaben des designierten
Feldkircher Vogteiverwalters Dr. Gugger hatten
diese nun sogar die Initiative dazu ergriffen. Als
nämlich der Landesherr von ihnen abermals
widerrechtlich die Bezahlung des Winterquartiers
verlangte, hätten sie sich unter der Bedingung dazu
bereit erklärt, dass der Graf mit den Prozessen
fortfahre und ihnen die Konfiskationsgelder über-
lasse. Daraufhin seien die Hexereiverfahren wei-
tergeführt und dabei nur die reichste[n] exequiert
worden.' 4 2
Dr. Gugger stellte damit die Vaduzer Hexenpro-
zesse einseitig als Folge der behördlichen Geldgier
dar. Laut Katharina Wagnerin aus Schaan war es
landtkhündig .... das die ambtleuth die reichen aus
begürd ihres gueths, die armen aber aus allerhand
neyd, haß unnd raachgürighaith aus dem weeg ge-
raumbt haben, dahero niemand wissen khönde,
welcher schuldig oder unschuldig gestorben}42 Be-
güterte Leute dürften allerdings zu den bevorzug-
ten Opfern gezählt haben. Das Gericht drohte An-
dreas Reinberger noch Ende 1681 eine Strafe an,
weil er Hans Straub gegenüber bezeichnenderwei-
se behauptet hatte, wann er so reich were gewest
alß der Johannes Walßer, so wehre er auch schon
lengst verbrent worden."4
Das ausgeprägte Interesse der Stände an den
Geldern aus den Konfiskationen im Gefolge von
Hexenprozessen veranschaulichen die Aufzeich-
nungen vom 1. April 1680 über die noch ausste-
henden Summen. Dort heisst es, die Schuld der
Erben Florian Lamparts in der Höhe von 4 300
Gulden sei auf gned. herrschaft ratification hin um
1 300 Gulden moderiert worden. Der Landvogt
Walser, die Ammänner Georg Wolf und Kaspar
Schreiber sowie der Aktuar Franz Anton Braun
setzten jedoch fest, dass die bereits bezahlten 292
Gulden bei diesem Abschlag nicht berücksichtigt
werden sollten. 1 4 5 Selbst von den Nachkommen des
unbegüterten Peter Ospelt aus Triesenberg, dem
der Graf die confiscation geschenkht hatte, erpress-
ten die criminalisten noch 18 bzw. 21 Gulden. 1 4 6
DIE «WALSERISCHEN PROZESSE» VON 1680
Die Schellenberger Ammänner Jakob Schreiber
und Hans Öhre stellten die Vorgeschichte der Pro-
zesse, die unter dem Landvogt Walser geführt wur-
den, gegenüber dem kaiserlichen Kommissar im
Jahre 1685 folgendermassen dar: Schon lange
führten Untertanen gegen bestimmte Personen
Klage und suchten Hilfe bei der Obrigkeit. Manche
Leute vertraten die Meinung, die Ammänner un-
ternähmen deshalb nichts gegen die Verdächtigten,
weil sie besorgen, es möchte ihre nechste bluets-
freünd treffen. Aufgrund des verbreiteten Wun-
sches nach gerichtlichen Hexenverfolgungen wur-
den die Schellenberger Ammänner schliesslich vor
den Landvogt zitiert. Sie konnten dort aber der
Einleitung von Hexenprozessen nicht ohne weite-
res zustimmen, da solche Verfahren Geld kosteten
und man deshalb Kredite aufnehmen musste. Dazu
benötigten sie die Zustimmung der Gerichtsver-
sammlung. Diese sprach sich später für die Einlei-
tung von Hexenprozessen aus.
Daraufhin wurden die Kläger vom Oberamt -
also nicht von den Ammännern - vorgeladen, ihre
Aussagen aufgezeichnet, die Zeugen verhört und
24
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
indicia darauß gezogen. Sowohl die Klagen als
auch die Indizien sandte die Behörde in der Folge
an einen Rechtsgelehrten in Lindau, der juristische
Gutachten darüber verfasste. Bevor die Hexenpro-
zesse eingeleitet wurden, erklärte der Landvogt
den Ammännern, das notwendige Vorgehen sei
von unparteiischen Rechtsgelehrten erfragt wor-
den, denen wür ammäner nichts ein oder wider
reden sollen noch können. Gemeint war damit das
Rechtsgutachten des Lindauer Juristen Dr. Thomas
Welz, der allem Anschein nach von Dr. Daniel
Rehm unterstützt worden war. 1 4 7
Die Ammänner betonten später, dass sie weder
Klagen eingebracht noch die Prozesse begonnen
hätten. Auch die Gefangennahmen seien auf Befehl
des Oberamts erfolgt. Dass sie dann während des
Prozesses hart vorgegangen wären, sei eine Ver-
leumdung durch die Opfer und deren Nachkom-
men, denn die Ammänner hätten die Delinquenten
nicht examiniert, sondern seien nur Beisitzer ge-
wesen. Den Prozess zue verfüehren, seien abson-
derliche leüth bestellt und selbigen alles ledigklich
überlassen worden. Die Ammänner hätten das Ver-
fahren auch gerne den Rechtsgelehrten überlassen,
da sie von den rechtlichen Grundlagen der Hexen-
prozesse nichts verstanden. Der kaiserliche Kom-
missar Rupert von Bodman konnte nach ausführ-
lichen Nachfragen vor Ort später bestätigen, dass
sich die Ammänner nicht als instigatores oder aut-
hores (Betreiber oder Urheber) der Hexenprozesse
betätigt hatten.1 4 8
Landvogt Walser begann im April 1680 zwei
grosse Prozessserien in der Grafschaft Vaduz und
in der Herrschaft Schellenberg. Die Vaduzer Ver-
fahren wurden nach einer Unterbrechung teils erst
im November weitergeführt und kosteten insge-
samt 13 Personen das Leben. Die letzte bekannte
Einvernahme einer Delinquentin bei den vaduzi-
schen Prozessen erfolgte am 14. Dezember 1680,
ihre «Besiebnung» (Bestätigung der Geständnisse
vor sieben Zeugen149) zwei Tage darauf. Die letzte
Hinrichtung dürfte wenige Tage danach vorgenom-
men worden sein. 1 5 0 Die Prozesse führte Landvogt
Walser mit Unterstützung von Lizentiat Johann
Büchele. 1 5 1 Beisitzer bei den Verfahren gegen die
Delinquenten aus der Grafschaft Vaduz waren die
Landammänner Georg Wolf und Georg Bürkle
sowie Kaspar Schreiber. Franz Anton Braun fun-
gierte als Aktuar. 1 5 2
An den Prozessen gegen der Hexerei Verdächtig-
te aus der Herrschaft Schellenberg, die zwischen
April und August 1680 geführt wurden und mit
12 Hinrichtungen endeten, waren ausser Walser,
Büchele und Braun die Landammänner Hans
Öhre und Jakob Schreiber als Beisitzer beteiligt.153
NEUER WIDERSTAND GEGEN DIE H E X E N -
PROZESSE IM DEZEMBER 1680
Wie bereits erwähnt, regte sich von S e i t e n der
Stände kein merklicher Widerstand mehr gegen die
«Walserischen Prozesse» des Jahres 1680. Nun
waren die Verfolgten gezwungen, sich selbst zu
wehren. Den ersten bislang bekannten Schritt dazu
unternahm Maria Eberlin von Planken, nachdem
ihr die Flucht aus dem Schloss Vaduz gelungen
war. Sie war dort durch ein Ofenloch gekrochen
und nach manchen Mühen auf das Dach gelangt,
141) Ebenda, fol. 67a u. 69a.
142) StAAug 2969, fol, 36a+b; StAAug 2971, fol. 2b+3a.
143) StAAug 2971, fol. 36a.
144) LLA AS 1/2, fol. 71b.
145) StAAug 2969, fol. 49b.
146) StAAug 2971, fol. 22b.
147) Vgl. S. 62-64.
148) ÖStA Deneg. Ant. 96.
149) Vgl. dazu Gehring, Hexenprozesse. S. 27 f.
150) ÖStA Deneg. Ant. 96 (Tübinger Rechtsgutachten).
151) Im Jahr 1682 spricht vermutlich der Triesner Pfarrer in seinen
Aufzeichungen von den Verfahren des Jahres 1680 als
Büecheüns processe: StAAug 2971, fol. 18a.
152) V L A HoA, Delinquentenliste von 1682 und Sitzungsgelderliste.
Über Franz Anton Braun erklär ten die Beamten des Feldkircher
Vogteiamts 1681, er habe vor seinem Einsatz in Vaduz noch nicht
einmal ein gewöhnliches Protokoll verfasst: StAAug 2972, fol. 67b.
153) V L A HoA, Delinquentenliste von 1682 und Sitzungsgelderliste.
25
Erste Seite des Schrei-
bens von A d a m Hil t i aus
Schaan, in dem er 1682
sein Schicksal und das-
jenige seines ebenfalls
geflohenen Bruders
Sebastian der kaiserlichen
Kommiss ion darlegt
/Tttul /
^ "* /̂ 45fâ 4̂ ~̂ Xij Gf-*-*jf S O « » « . j * / « C f ~ i
TL/yß*, sSy du9p SL^S//ex KC/W Sa
^ Cut Tüzt wia^ja i c lin m bu Qnr/kn ^em^S'i ZALPL (aJ*
26
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
indem sie einige Ziegel entfernte. Von dort hatte
sie sich mit einigen zusammengebundenen Lein-
tüchern an der Mauer hinabgelassen.1 5 4
Nach der Flucht aus dem Schloss, das sich übri-
gens in einem schlechten Bauzustand befand, 1 5 5
liess sie den in Feldkirch ansässigen kaiserlichen
Notar Johann Conrad Haim zu ihrer ehren defen-
dierung am 4. Dezember 1680 eine revocation,
protestation, contradiction, provocation und reser-
vation verfassen und am nächsten Tag dem Vadu-
zer Landvogt sowie seinen Beamten zustellen. 1 5 6
Bald darauf wurde Valentin von Kriss, Kämme-
rer des Kapitels unter der Landquart und von 1664
bis 1692 Pfarrer zu Triesen, 1 5 7 vor Ort gegen die
Hexenprozesse aktiv. Nachdem er erfahren hatte,
dass Katharina Gassnerin aus seiner Pfarrei zu-
sammen mit vier oder fünf anderen Delinquenten
in den Tagen nach ihrer «Besiebnung», welche am
16. Dezember erfolgt war, auf dem Richtplatz ver-
brannt werden sollte, rief er den Ehemann der
Gassnerin sowie zwei ihrer Brüder zu sich und ver-
langte von ihnen, dass sie sich für das Leben der
Frau einsetzten. Zu diesem Zweck übergab er
ihnen einen Brief mit etwas Geld, den sie zum kai-
serlichen Notar nach Feldkirch 1 5 8 bringen sollten.
Die Männer weigerten sich jedoch und baten ihn
dreimal um Verzeihung, sye köndten undt wolten
sich der sach nicht annemmen, indem sye in groß
unglückh gerathen möchten. Der Pfarrer hingegen
antwortete, sie sollten seiner Aufforderung nur
nachzukommen, wan eß gefehlet seye, so wolle ers
selbs verantworten. Er habe den handel angefan-
gen, wolle es auch außmachen.
Der Feldkircher Notar verfasste daraufhin ein
Protestschreiben gegen die Prozesse und Exekutio-
nen, weilen der Pfarrer erweisen wolle, daß sie
Catharina Gassnerin sine fundamento ad captu-
ram gezogen, wider alle recht torquirt und umb
unschuldt zum todt condemniret werde. Weiters er-
bot sich Valentin von Kriss, ihre unschuldt sonnen-
clar an tag zuegeben. Dieses Dokument übergaben
der Notar und zwei Verwandte der Gassnerin dem
Vaduzer Gericht gerade zu dem Zeitpunkt, als man
die Verurteilten zur Richtstätte führen wollte.
Pfarrer von Kriss soll ursprünglich auch noch
noch proprio nomine wegen aller ibrigen malefi-
canten protestieren wollen haben. Wegen einer
dafür verlangten caution, mit der er die dadurch
verursachenden cösten hätte abdecken müssen,
habe er davon schweren Herzens abgesehen. Des-
halb wurde schliesslich mit denen ibrigen ad exe-
cutionem geschriten. Bei diesen letzten Todesop-
fern, welche die vaduzischen Hexenverfolgungen
forderten, handelte es sich um Christina Wagne-
rin aus Schaan, Georg Nigg aus Triesen sowie Peter
Ospelt, Maria Ospeltin und Maria Schleglin vom
Triesenberg. Für sie kam der einsetzende Wider-
stand zu spät. Die Gassnerin aber liess man cum
reprotestatione zur abwendung aller ungleichen
reden im Gefängnis. 1 5 9
Am 17. Dezember 1680 1 6 0 - also praktisch zur
selben Zeit, als der Einspruch gegen die Hinrich-
tung der Gassnerin veranlasst wurde - wandten
sich Valentin von Kriss und fünf weitere Personen,
die aus Angst vor der grausamen Tortur sich von
weib undt kindern in daß elend zubegeben getrun-
gen worden waren, in zwei gesonderten Eingaben
an die Oberösterreichische Regierung in Innsbruck.
Sie baten darum, ihre Beschwerden über die unge-
bührliche Vorgangsweise bei den Hexenprozessen
in der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schel-
lenberg zuerröttung sovil unschuldigen blueths an
den Kaiser weiterzuleiten. Darüber hinaus ersuch-
ten die fünf Geflohenen um die abstellung der
geclagten Inquisition und um die Gewährung
der landtssicherhait auf österreichischem Territo-
154) StAAug 2969, fol. 37a.
155) StAAug 2972, fol. 55b+56a; Kaiser, Geschichte, S. 448; Ulmer,
Burgen, S. 908.
156) StAAug 2971, fol. 26a.
157) Zu seiner Person vgl. Büchel, Pfarrei Triesen, S. 65-74.
158) Im Original wird Vaduz angegeben. Aus einer anderen Stelle
geht eindeutig hervor, dass nur Feldkirch gemeint sein konnte.
159) ÖStA Deneg. Ant. 96; StAAug 2971, fol. 18a+b.
160) Datierung nach Seger, Hexenprozesse, S. 57.
27
rium. 1 6 1 Mit den Schreiben an die Regierung wurde
ein Prozess eingeleitet, der eine andere Wirkung
als die Empörung der Stände zeitigen sollte.
Bei den erwähnten fünf Untertanen handelte es
sich um Maria Eberlin aus Planken, die waghalsig
aus dem Gefängnis im Schloss Vaduz entwichen
war, um Michael Gassner aus Triesenberg, dessen
Bruder Florian noch auf dem Weg ins Gefängnis
den Häschern entfliehen konnte, sowie um An-
dreas Reinberger aus Vaduz, dessen Vater als
Hexenmeister hingerichtet worden war und der
selbst bereits in grosser Gefahr stand, eingezogen
zu werden. Weiters zählten zu dieser Gruppe
Adam und Sebastian Hilti aus Schaan, deren Bru-
der Christian 1679 hingerichtet worden war. Davor
hatte man schon die Mutter und einen Onkel ver-
brannt. Anders als gegen Sebastian Hilti war gegen
seinen Bruder Adam von der Obrigkeit noch nicht
inquiriert worden. Nach seiner Flucht konfiszierte
sie allerdings aus dessen Besitz 620 Gulden, wovon
sie bis 1682 etwas über die Hälfte einziehen konn-
te. Wie für den ebenfalls nicht inquirierten Michael
Gassner bestand also auch für Adam Hilti ein un-
mittelbares materielles Interesse, gegen die gröste
bluethvergiessung der vadutzischen underthanen
aktiv zu werden. 1 6 2
Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass
ausser den angeführten noch etliche weitere Perso-
nen aus dem Land geflohen waren, ohne sich aber
für eine Beendigung der Hexenprozesse einzuset-
zen. 1 6 3
Dass sich Untertanen im Konflikt mit «tyranni-
schen» Obrigkeiten an den Kaiser beziehungsweise
an die Reichsgerichte wandten, bildete in der
Frühen Neuzeit keine aussergewöhnliche Erschei-
nung. In zahlreichen anderen Fällen suchte man
Unterstützung bei der «kaiserlichen Gerechtigkeit»
im Konflikt mit Landesfürsten. 1 6 4
PFARRER VALENTIN VON KRISS
UND DAS SCHICKSAL DER GASSNERIN
Die Eingaben an die Innsbrucker Regierung bezie-
hungsweise an den Kaiser führten zu keinem ab-
rupten Wandel bei den gerichtlichen Hexenver-
folgungen. Einschneidender wirkte zunächst die
notarielle «Protestation» des Triesner Pfarrers Va-
lentin von Kriss: Vor der Weiterführung der Hexen-
prozesse musste nun das Schicksal der gefangenen
Gassnerin geklärt werden. Und dies erwies sich als
ziemlich schwierig.
Dem Pfarrer gelang es nicht, wie er angekündigt
hatte, den Beweis für die Unschuld der Gassnerin
zu führen. Stattdessen begann er - aus der Sicht
seiner Gegner - wider die gnädige herrschafft, daß
oberambt, die gerichte, die bauren zue verhexen
und nicht allein mit einer kayl. commission zuetro-
hen, sondern auch mit 1000 iniurien und cavilla-
tionibus [Sticheleien] umb sich zuewerffen. Das
führte schliesslich so weit, dass er auf anhalten von
seiner geistlichen obrigkeith dazu gezwungen wur-
de, allerseits Abbitte und Widerruf zu tun, die
uncosten der action abzueführen und sich 3 mo-
nath von seiner pfarr in exilium zubegeben.
Die Aktivitäten des Pfarrers zur Rettung der
Gassnerin und die damit verbundenen Unterneh-
mungen zur Beendigung der Hexenprozesse wur-
den also auch von von seinen geistlichen Vor-
gesetzten - dem Churer Bischof und seiner Behör-
de - als Verunglimpfungen und Gehässigkeiten
gewertet. Sie zwangen ihn deshalb zum Widerruf
und zu einer Entschuldigung, liessen ihn die seinet-
wegen angefallenen Unkosten bezahlen und be-
straften ihn für seinen Einsatz zugunsten der Gass-
nerin und wohl auch anderer Verfolgten mit einer
dreimonatigen Verbannung aus seiner Pfarrei.
Im Exil scheint Pfarrer von Kriss der Mut verlas-
sen zu haben. Im Apri l 1681 schrieb er nach Va-
duz, daß er die unschuldt der Catharina Gaßnerin
nicht zueverificiren begehre, auch dem notario ein
solches in seinem namen zuthun nicht befohlen
hete. Dies bedeutete, dass sich der Pfarrer von sei-
ner «Protestation» distanzierte, die er zuvor allein
zu verantworten gedachte.
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«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Da die Obrigkeit die Gassnerin nicht unbegrenzt
gefangenhalten konnte, sie aber auch nicht einfach
freilassen wollte, übersandte man Ende April sämt-
liche Akten über sie zur Begutachtung an die juri-
stische Fakultät der Universität Tübingen. Vaduz
lag an und für sich weit ausserhalb des Region,
innerhalb der man sich in Hexenangelegenheiten
an diese württembergische Universität wandte. 1 6 5
Wahrscheinlich war Tübingen auf Grund einer
Empfehlung des Lindauer Rechtsgutachters Dr.
Thomas Welz, der dort studiert hatte, ausgewählt
worden. Das Gutachten für Vaduz wurde am 7. Mai
1681 abgeschlossen und sprach sich für die Frei-
lassung der Gassnerin aus. 1 6 6
Obwohl die criminalisten - wie die Hexenverfol-
ger von ihren Gegnern abwertend genannt wurden
- das Rechtsgutachten schon um Pfingsten, also in
der zweiten Hälfte des Monats Mai, erhalten hat-
ten, Hessen sie die Gassnerin noch mehr als vier
Wochen lang in ihrem sehr unbequemmen kerckher
liegen, bis sie Anfang Juli durch die gnad gottes
entfliehen konnte. Während ihrer siebenmonatigen
Haft war sie durch den damaligen grim kalten Win-
ter und bey nahe uberstandenen grausammen tor-
turen undt kummers umb die leibs gesundheit ge-
bracht worden. Ihr Mann und ihre Mutter sollen in
dieser Zeit vor kummer gestorben sein. Deshalb
mussten ihre vier unerzogne[n] kinder vom Ge-
meinwesen unterstützt und verdingt werden. 1 6 7
Auch Pfarrer von Kriss wurde durch das Tübin-
ger Gutachten rehabilitiert, denn durch seine An-
kündigung, die Unschuld der Gassnerin zu erwei-
sen, hatte er sozusagen den Stein der Gerechtigkeit
ins Rollen gebracht. Er musste deshalb die Kosten,
die während der Gefangenschaft der Gassnerin
angefallen waren, und jene für das Rechtsgutach-
ten nicht übernehmen. Bezüglich der anderen De-
linquenten, die Mitte Dezember 1680 verurteilt
worden waren, aber nicht mehr gerettet werden
konnten, gestand man dem Pfarrer zu, dass nicht
leicht ein privatus, wan er auch gleich defectus in
processu observirt, solche einer obrigkeith auff sei-
ne costen und mit seiner hechsten ungelegenheit
außzueführen sich underfangen wurdt.
Die Tübinger Juristen rechtfertigten weiters die
Weigerung des Ehemannes und der Brüder der
Gassnerin, sich für ihr Recht einzusetzen. Es sei
nicht zu erwarten, daß solche gemeine von gerin-
gen mitlen leüth sich unterstünden, einer eifrig in-
quirierenden Obrigkeit Fehler vorzuhalten. Solche
Verfahren nähmen gewöhnlich erst dann ein Ende,
wenn reiche und verständige Leute davon betroffen
würden. {Wannenhero per experientiam observie-
ret, daß begangene fähler in dergleichen proceß
durch forthbrennen gemeiner leüth solang forthge-
sezet werden, biß es an vermögliche und verstän-
dige leüth mit der Inquisition kombt, da dan sel-
bige an tag gebracht und solche proceß gleichsamb
in der mitte deß eyfers gestellet werden.16S)
Über die Motive, die Pfarrer von Kriss zu seinen
Unternehmungen zugunsten der Gassnerin ver-
anlassten, liegen bislang keine Angaben vor. Mög-
licherweise bestand eine verwandtschaftliche Ver-
bindung über seine Schwester Ursula, die mit
einem Gassner verheiratet war. Vielleicht war sein
Unrechtsbewusstsein auch durch die Verschwäge-
rung mit der Familie Rig aus Triesen, die von den
Verfolgungen stark betroffen war, besonders aus-
geprägt. 1 6 9 Nicht auszuschliessen ist ein schlechtes
Gewissen der Gassnerin gegenüber, hatte der Pfar-
rer doch bei der Behandlung des kranken Kindes
Hans Kindles die Entdeckung eines schwerwiegen-
den Corpus delicti gegen die verdächtigte Frau in
Form eines Federknäuels im Kinderbett veranlasst.
161) StAAug 2972, fol. 71a; T L A . Regierungskopialbuch 229, fol.
83a-90b.
162) StAAug 2971, fol. 15a+b.
163) Dazu gehörte zum Beispiel Wilhelm Sele: StAAug 2969, fol.
47b.
164) Blickle, Unruhen, S. 86.
165) Gehring, Hexenprozess, S. 370.
166) ÖStA Deneg. Ant. 96.
167) StAAug 2971, fol. 18a+b.
168) ÖStA Deneg. Ant. 96.
169) Büchel, Pfarrei Triesen, S. 65.
29
Von einiger Bedeutung dürfte darüber hinaus
eine theoretische Beschäftigung mit der Hexenthe-
matik gewesen sein, die möglicherweise schon in
die Studienzeit an der Universität Dillingen zurück-
reichte.1 7 0 In der Bibliothek des Pfarrers standen
jedenfalls etliche Bücher von Autoren, die bei der
Auseinandersetzung um das Hexenwesen in Bay-
ern von grosser Bedeutung waren. 1 7 1 Darunter
befanden sich unter anderem die eifrigen Verfol-
gungsbefürworter Ägidius Albertinus und Jeremias
Drexel SJ , 1 7 2 aber auch der bedeutende Verfol-
gungsgegner Paul Laymann SJ, der wiederum Fried-
rich von Spee beeinflusste.1 7 3 Weiters war Valentin
von Kriss im Besitz von Werken aus der Feder der
gemässigten Jesuiten Leopold Manzin, Georg Go-
bat, Christoph Haunold 1 7 4 sowie von Samuel Pufen-
dorf, dem Begründer der aufklärerischen Natur-
rechtslehre.
Wie entsprechende Eintragungen im Triesner
Totenbuch dokumentieren, glaubte Pfarrer von
Kriss - zumindest ursprünglich - durchaus an das
Wirken von Hexen. Beim Tode einer achtzigjähri-
gen Witwe hielt er 1667 fest, dass sie «in den letz-
ten Jahren ihres Lebens infolge Verhexung des
Gebrauches ihrer Glieder beraubt war. Die gleiche
Bemerkung findet sich von derselben Hand an
einer zweiten Stelle, wo eine 25 Jahre lang dauern-
de Krankheit gleichfalls dem Einflüsse von Hexen
zugeschrieben wird.» 1 7 5
DIE ERWIRKUNG EINER KAISERLICHEN
KOMMISSION
Die erwähnten Memoriale, die der Triesner Pfarrer
und fünf aus der Herrschaft Vaduz geflohene Per-
sonen über die Missstände bei den dortigen Hexen-
prozessen verfasst und unter dem Datum des
17. Dezember 1680 den Beamten des Feldkircher
Vogteiamts übergeben hatten, wurden von diesen
bald darauf, mit einem krefftigen repraesenta-
tionsschreiben aus ihrer Hand versehen, an die
Innsbrucker Regierung weitergeleitet. Laut Rupert
von Bodman, dem späteren kaiserlichen Kommis-
sar, erwarben sich die Beamten dadurch bei der
Durchsetzung der Gerechtigkeit zue ihrem ohn-
sterblichen nachrumb hohe Verdienste.1 7 6
Nachdem die Innsbrucker Regierung die Schrift-
stücke an den Kaiser übersandt hatte, erhielt sie
am 7. Jänner 1681 per decretum den Auftrag, der
Sachen halber fürderliche Information einzuhoh-
len.ul Zwei Tage später wies sie die Beamten des
Vogteiamts in Feldkirch an, sich zu informieren
und mitzuteilen, was zu unternehmen sei und wie
den vaduzischen Untertanen geholffen werden
möchte.™
In einem ausführlichen Bericht vom 30. Jänner
schilderten die Beamten die Umstände der Hexen-
verfolgungen in der Grafschaft Vaduz und in der
Herrschaft Schellenberg aus ihrer Sicht. Im An-
schluss daran vertraten sie die Meinung, es sollte
durch einen actum publicum eine solche demon-
stration wider die directores diser übell formirten
Processen vorgenohmen werden, dass damit nicht
nur die Unschuldigen künftig unangefochten blei-
ben, sondern auch das gesamte Land und seine
Nachbarschaft in wollhergebrachten guten rueff,
bedürfftigen wohlstandt undt ruhe leben undt ver-
bleiben mögen. Als geeignete Massnahme schlugen
die Beamten vor, die bereits gegen die Grafen von
Hohenems und Vaduz eingesetzte Inquisitions-
Kommission, die auf Franz Johann, Bischof von
Konstanz, und den Stadtkommandanten von Kon-
stanz, den Obristen Ferdinand Freiherr von Sta-
del, oder einen Grafen von Montfort dekretiert war,
per extensionem die Hexenakten unvermerckt er-
heben und überprüfen zu lassen. Daraufhin wären
sowohl die Ehre der unschuldigen Prozessopfer
wiederherzustellen als auch ihre konfiszierten Gü-
ter zurückzuerstatten beziehungsweise die Erben
zu entschädigen. Davor noch sollte aber auf alle
Fälle die Weiterführung der Prozesse untersagt und
den flüchtigen Untertanen nicht nur in den öster-
reichischen Territorien, sondern auch in der Graf-
schaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg
freies Geleit gewährt werden. 1 7 9 Die Regierung in
Innsbruck schloss sich der Meinung der Feldkir-
cher Beamten an und sandte ihre Stellungnahme
unter dem Datum des 8. Februar 1681 nach
Wien. 1 8 0
30
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Mit der Überprüfung der Flexenprozesse sollte
also ursprünglich keine neue, sondern die bereits
am 12. September 1680 vom Kaiser in Linz einge-
setzte Kommission mittels eines erweiterten Auf-
trags betraut werden. Deren Aufgabe bestand von
Anfang an nicht allein in der Untersuchung des
Zustands der hohenemsischen Festungen und ihrer
Bedeutung für die österreichische Verteidigung
gegenüber Frankreich; die Kommission hatte sich
darüber hinaus der harten betrangnusen gegen-
über den Untertanen, der vergebenden scandalen
und des ybl hausens des Grafen anzunehmen. 1 8 1
Damit waren noch nicht ausdrücklich die Flexen-
prozesse gemeint.
Die im September genehmigte Kommission wur-
de frühestens zum Jahreswechsel 1680/81 tätig. 1 8 2
Damals verfasste ein gewisser Oberst Kreiss einen
Bericht über die schlechte Wirtschaft des Vaduzer
Grafen und seines Bruders. Erzherzog Karl emp-
fahl daraufhin im Februar dem Kaiser, einen Ver-
walter für den Landesherrn einzusetzen.1 8 3
Die Beschwerdeschriften des Triesner Pfarrers
und der geflohenen Vaduzer Untertanen vom De-
zember 1680 belasteten also den Grafen zu einer
Zeit, als er sich bereits in einer bedenklichen poli-
tischen Lage befand. Bildeten die Klagen wegen
der unrechtmässigen Flexenverfolgungen zunächst
nur ein Randthema, wurden sie bald zu einem
Schwerpunkt in der Auseinandersetzung zwischen
der habsburgischen Politik und dem Vaduzer Lan-
desherrn.
Nachdem die Innsbrucker Regierung den Be-
richt am 8. Februar 1681 an den Kaiser nach Wien
übersandt hatten, wurde den geflohenen vaduzi-
schen Untertanen unter dem Datum vom 22. Feb-
ruar der salvus conductus, das freie Geleit, zu-
nächst bis zur Ausfertigung einer entsprechenden
kaiserlichen Resolution gewährt . 1 8 4 Da die beste-
hende Kommission des Konstanzer Bischofs wenig
unternahm, wandten sich die geflohenen Unterta-
nen etwa vier Monate nach ihrer ersten Eingabe,
am 19. April, ein zweites Mal mit der Bitte an die
Innsbrucker Regierung, dass sie ihr Anliegen beim
Kaiser unterstütze. 1 8 5
In diesem Sinn sprach sich die Oberösterreichi-
sche Hofkanzlei in einem Schreiben vom 2. Mai an
die Reichshofkanzlei dafür aus, daß diesem so
gefährlichen und hochschädlichen werck zeitlich
vorgebogen und denen wieder alle recht so sehr
gravierten klügeren an die hand gegangen werden
möchte. Man solle dem Grafen die Fortsetzung der
Inquisitionen und Prozesse untersagen, den Bitt-
stellern aus der Grafschaft Vaduz (endgültig) freies
Geleit gewähren und eine «Extensions-Kommis-
sion» unter Leitung des Bischofs von Konstanz ein-
richten. 1 8 6
Laut Verfügung vom 12. Mai 1681 entschied sich
der Kaiser jedoch für eine selbständige Kommis-
sion zur Untersuchung der vaduzischen Hexenpro-
zesse. Eine Subdelegation sollte diesen Entschluss
schon bald dem Grafen von Flohenems übermitteln
und die Auslieferung der Originalakten der Hexen-
170) Neumayr, Stiftungstätigkeit, S. 3.
171) Ebenda, Anh . 4; Büchel, Bücher-Verzeichnis.
172) Behringer, Bayern, S. 27, 233-235, 249, 406 u. 429. Zu den
Verfolgungsbefürwortern ist wohl auch Heinrich Wangnereckh SJ zu
zählen: Behringer, Bayern, S. 410 Anm. 20.
173) Ebenda, S. 257 A n m . 124. 280, 332 f., 408 u. 417 Anm. 39.
174) Ebenda, S. 234, 257 A n m . 124 u. 333.
175) Feger, Pfarrbücher , S. 43; Büchel, Pfarrei Triesen, S. 67.
176) StAAug 2969, fol. 9ab(!).
177) StAAug 2972, fol. 71a+b.
178) Ebenda, fol. 65a u. 71b.
179) Ebenda, fol. 67b-70a. Zu Baron von Stadel vgl. Welti, Reichs-
grafschaft, S. 148, und Welti, Entwicklung, S. 68.
180) StAAug 2972, fol. 71a-73b.
181) T L A , Oberösterreichische Hofkanzlei-Kopialbücher, Ausgegan-
gene Schriften 1680, T l . 2, Nr. 108, fol. 1260b-1263a; Welti, Reichs-
grafschaft, S. 147 f.
182) TLA, Hofregistratur, Geheimer Rat - Journale/Protokolle -
Eingekommene Schriften 1680, Nr. 182, S. 378.
183) Büchel. Beiträge, S. 65.
184) T L A , Regierungskopialbuch 229, fol. 381a-382a.
185) TLA, Oberösterreichische Hofkanzlei-Kopialbücher, Ausgegan-
gene Schriften 1681, Tl . 1, Nr. 109, fol. 430a+b.
186) StAAug 2972, fol. 77a+b.
31
Der Kemptner F ü r s t a b t
Rupert von Bodman
(1646-1728)
prozesse fordern, damit sie an die juristische
Fakultät einer Universität zur Begutachtung über-
sandt werden könnten. 1 8 7 Die damals geplante
Kommission kam aber nicht zustande. Ende Juni
und Anfang Juli war wieder von einer Extensions-
Kommission des Konstanzer Bischofs die Rede. 1 8 8
Am 11. Juni fertigte der Kaiser in Ödenburg den
fünf vaduzischen Untertanen, die sich an ihn ge-
wandt hatten, einen kaiserlichen Schutzbrief aus,
der ihnen im Juli übergeben wurde. 1 8 9 Die vom Kai-
ser im Mai verfügte eigenständige Kommission
wegen der Hexenprozesse wurde im August 1681
dem Kemptner Fürstabt Rupert von Bodman über-
tragen. 1 9 0 Die Vorbereitungen dazu waren in Vaduz
übrigens kein Geheimnis geblieben, so dass dort
genug Zeit zur Verfügung stand, sich darauf vor-
zubereiten.1 9 1
DAS VORGEHEN DER KOMMISSION 1681
Der neue Kommissar erkundigte sich zunächst ver-
sehentlich bei der Stadt Feldkirch und daraufhin
bei den Beamten des Feldkircher Vogteiamts, wie
man die vaduzischen Hexenprozessakten unbe-
merkt in die Hand bekommen könne. Aus Feld-
kirch wurde ihm erklärt, dass deren geheime Ent-
wendung aus dem Vaduzer Archiv unmöglich war.
Man empfahl dem Fürstabt deshalb, deren Heraus-
gabe über einen kaiserlichen Befehl zu erwirken,
dem der Graf gewiss Folge leisten würde . 1 9 2
Gleich Anfang September sandte Ruprecht von
Bodman die Lizentiaten beider Rechte und Land-
richter der fürstlichen Grafschaft Kempten Hofrat
Johann Adam Ernst von Bürk und Johann Jakob
Motz als Subdelegierte zum Grafen. 1 9 2 Bei ihrer An-
kunft am 4. September 1681 in Feldkirch war die-
ser gerade im Garten beim Kegeln. Er liess ausrich-
ten, dass man den Kommissionsbefehl den Amtleu-
ten in Vaduz einhändigen solle, denn er wolle für
vier oder fünf Tage ins Schwabenland verreisen.
Nachdem sich die Subdelegierten beim gerade ta-
genden Stadtrat erkundigt hatten, eröffneten sie
dem Grafen um ein Uhr nachmittags persönlich
das kaiserliche Kommissionsmandat vom 12. Mai
32
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
1681, damit er der Subdelegationskommission
nicht entgehen undt mithin denen zue Vadutz an-
heimbgelassnen gräflichen beambten wegen abfol-
gung der acten defectum instructionis vorzue-
schützen ahnlaß gegeben werde. Der Graf erklärte
daraufhin, den kaiserlichen Anordnungen als Va-
sall nachkommen zu wollen. Gleichzeitig meinte er,
dass ihn die sach nichts angehe; diese hätten ande-
re zu verantworten. Dann stellte er den Kemptener
Abgesandten eine schriftliche Ermächtigung für
seine Beamten in Vaduz aus. Die entsprechenden
Anordnungen liess der Graf - gegen den Willen der
Subdelegierten - durch eigene Diener nach Vaduz
melden. 1 9 4
Bald darauf begaben sich auch die beiden
Kemptener Juristen auf den Weg zum Schloss Va-
duz. Schon auf halber Strecke kam ihnen der Land-
vogt Walser entgegen, dem bereits vom Grafen die
volle Verhandlungsgewalt übertragen worden war.
Walser liess sich durch die Subdelegierten nicht zur
Umkehr nach Vaduz bewegen, sondern wollte bei
seinem Herrn noch detailliertere Anordnungen ein-
holen. Unter Protest mussten sich die Subdelegier-
ten mit der dadurch bedingten Verzögerung ihres
Unternehmens um einen Tag abfinden.
Am 6. September weigerten sich die Beamten in
Vaduz zunächst, die Originalakten herauszugeben.
Sie wollten Abschriften derselben anfertigen las-
sen. Als die Unterkommissare aus Kempten aber
auf der Auslieferung der Originalakten bestanden,
da sonst ein schlechter Verdacht auf die Behörde
falle, gaben die gräflichen Beamten schliesslich
nach. Sie erklärten jedoch, dass sie nicht dafür bür-
gen könnten, dass die Unterlagen vollständig seien,
denn der frühere Landvogt Dr. Romaricus Brüg-
ler habe bei seiner heimlichen Flucht ein guten
theil der acten mit sich hinweg gefürt. Allerdings
sei viel davon wieder von dem Rechtskonsulenten
in Lindau, vom Pfarrer von Triesen sowie aus Chur
zurückgebracht worden.
Am nächsten Tag, dem 7. September 1681, leg-
ten die Subdelegierten die in Vaduz ausgehobenen
Akten dem Feldkircher Vogteiverwalter Dr. Johann
Fleinrich Mahler, dem Hubmeister Dr. Franz Gug-
ger und dem Hofschreiber vor. Diese stellten fest,
dass jene Inquisitionsprotokolle fehlten, die Dr.
Gugger auf Begehren des Grafen über die von
Landvogt Dr. Brügler geleiteten Prozesse geführt
hatte und die für die Beurteilung der Verfahren
notwendig seien. Die Feldkircher Beamten hielten
es weiters für dienlich, dass die Beisitzer und Pro-
tokollisten bei den Prozessen sowie bei den Folte-
rungen examiniert und inquiriert würden. Darüber
hinaus solle man den Bericht, den der Pfarrer von
Triesen über die Hexenprozesse verfasst hatte,
und das Tübinger Rechtsgutachten den Akten bei-
schliessen. Auch bei den Kapuzinern in Feldkirch
seien wichtige Informationen einzuholen. Dr. Mah-
ler brachte am 7. September überdies eine kurze
Zusammenstellung der wesentlichsten rechtlichen
Mängel bei den vaduzischen Prozessen zu.Papier.1 9 5
Einen Monat später, am 7. Oktober, liess Rupert von
Bodman die Unterlagen zu den Hexenprozessen
von Kempten aus an die juristische Fakultät der
Universität Salzburg senden. 1 9 6 Diese war von ihm
wohl deshalb ausgewählt worden, weil er dort stu-
diert hatte.197
Die gegen die Hexenprozesse engagierten Unter-
tanen hatten sich bei Rupert von Bodman kurz
nach der Versendung der Akten vergeblich darum
bemüht, dass er damit so lange warte, bis der kai-
187) Ebenda, fol. 2a+b, 64a+b.
188) T L A , Oberösterreichische Hofkanzlei-Kopialbücher, Ausgegan-
gene Schriften 1681, T l . 2. Nr. 110, fol. 740b-741a.
189) StAAug 2972. fol. 62a-63b; TLA, Oberösterreichische Hofkanz-
lei-Kopialbücher, Ausgegangene Schriften 1681, Tl . 2, Nr. 110, fol.
740b-741a.
190) StAAug 2972, fol. 82a-83a; StAAug 2970, fol. 17a+b.
191) StAAug 2969, fol. 29a.
192) Ebenda, fol. 2a-4b u. 44a-46a.
193) ÖStA Deneg. Ant. 96.
194) StAAug 2969, fol. 23a-29b; StAAug 2972, fol. 83a-84b; Ab-
schrift der kaiserlichen Befehle: Ebenda, fol. 64a+b u. 76a-77b.
195) StAAug 2969, fol. 7a+b u. 25b-29a; StAAug 2972, fol.
84b-85b.
196) StAAug 2970, fol. 2a+b u. 17a-19b; StAAug 2969, fol. 41a.
197) Seger, Hexenprozesse, S. 61.
33
serliche Auftrag für den Kommissar auf eine Zeu-
geneinvernahme über die gesamten Vorgänge aus-
gedehnt sei. 1 9 8
STREIT UM DIE RÜCKKEHR DER
GEFLOHENEN UND NEUE HEXENVER-
FOLGUNGEN 1681
Im bereits erwähnten Geleitbrief vom Juni 1681
hatte der Kaiser den geflohenen vaduzischen Un-
tertanen das freie Geleit in unsern territorio undt
sonderlich in unsern vier arlberg[ischen] herr-
schafften undt selbiger enden sowie in gedachten
unserm benanten district, auch sonsten hin undt
wider aller ohrten garantiert.1 9 9 Das bedeutete,
dass die Flüchtlinge im Sommer 1681 auch wieder
nach Hause zurückkehren konnten. Schwierigkei-
ten dabei waren voraussehbar. Da daraus vil unge-
mach erfolgen könte, bemühten sich der Graf und
seine Beamten schon bei den ersten Unternehmun-
gen der Subdelegierten in Vaduz darum, dass den
geflohenen Untertanen der Aufenthalt in ihrer Hei-
mat nicht gestattet würde . 2 0 0 Am 23. September bat
der Graf selbst den Kommissar Rupert von Bod-
man, dass er ihm helfe, die bei den Hexenpro-
zessen entflohenen Untertanen wegen allerhand
besorgenden undt theils schon eraigneten unge-
machs, bis auf weitere kaiserliche Anordnungen
aus der Graf- und Herrschaft zu weisen und aus-
zueschaffen. Der Landesherr glaubte, es werde
zwischen den Untertanen und den zurückgekehr-
ten Flüchtlingen immerzu gefarliche händl abge-
ben. Das zeige sich bereits verdrüeslich genug. Er
wollte nicht umb so schlechter leüthe willen mit
Klagen überhäuft werden und grosse Unruhe unter
die Untertanen bringen lassen, denn er befürchtete
grössere Ungelegenheiten, ja sogar Totschlag. Die
Beamten stünden Tag und Nacht in Lebensgefahr.
Gerne wollte der Graf das freie Geleit in den Nach-
barterritorien respektieren. Rupert von Bodman
weigerte sich jedoch, dem Wunsch nach Auswei-
sung der ehemals Landflüchtigen nachzukom-
men. 2 0 1
Bei den Befürchtungen des Grafen handelte es
sich keineswegs um blosse Verunglimpfungen der
zurückgekehrten Untertanen. 2 0 2 Es bestand viel-
mehr berechtigter Anlass zur Sorge, denn im Land
herrschte auf Grund der neuen politischen Situa-
tion eine angespannte Atmosphäre. Davon zeugen
etwa die folgenden Ereignisse:
Als Anfang September 1681 der Hofschneider
Hans Huchler dem heimgekehrten Adam Hilti in
einem Gasthaus zu Nendeln Wein spendiert hatte,
verwahrte sich der Schuhmachermeister Otmar
Boss dagegen, dass man sich so freundlich gegen-
über einem ehemals Landsflüchtigen verhalte.
Daraufhin erklärte Michael Eberle, ein Bruder der
ebenfalls geflohenen Maria Eberlin aus Planken, er
werde sich nicht hindern lassen, morgen seiner
Schwester in Planken zu helfen, das Futter einzu-
tun. Er kümmere sich dabei weder um den Grafen
noch um den Landvogt; es gebe jetzt andere, die
über diesen stehen und mehr zu sagen hätten.
Gleichzeitig äusserte er die Ansicht, man werde
jetzt die hexen und den teuffei aus dem landt trei-
ben; in drei oder vier Wochen werde es anders, der
teüfel und die hexen müessen ausm landt, sie wer-
den niemandt nichts mehr verderben könden. Zu
Thomas Beck, der den schlechten Obstwuchs in
Folge des kalten Windes auf das Wirken der Hexen
zurückführte, sagte Eberle, er habe früher auch
gemeint, dass es Hexen gebe. Seit er jedoch sehe,
gegen welche Leute man vorgehe, glaube er nicht
mehr, das hexen seyen, absonderlichen weilen
man mit Ihme selbst also umbgangen.2"3
Die Anhänger der Hexenverfolgungen wollten
jedoch weiterhin die Hexen und den Teufel im
wörtlichen Sinn aus dem Land treiben. Sie fanden
sich mit der bestehenden Situation nur schwer ab.
Dies zeigte gerade am Beispiel von Michaels Bru-
der Hans Eberle aus Planken. Er wurde im Septem-
ber 1681 vom Landammann Georg Bürkle gebun-
den ins Schloss geführt, nachdem ihn Ulrich Nege-
le als landsflüchtig angezeigt hatte. Laut Eberle
hatte Ulrich aber gewusst, dass er für drei Tage in
die Herrschaft Schellenberg sowie nach Feldkirch
gegangen war und am Sonntagabend wieder heim-
kommen würde. Das habe er gegenüber einem an-
34
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
deren Nachbarn, der Eberles Vieh fütterte, auch
ausdrücklich erwähnt. Trotzdem habe er ihn nicht
nur angezeigt, sondern sogar fangen und binden
geholfen.
Das Unternehmen war ein schlimmer Missgriff.
Der Landammann Bürkle musste in der Folge Hans
Eberle öffentlich vor dem Oberamt, vor den Ge-
richtsleuten und vor anderen Zeugen um Verzei-
hung bitten, eine schriftliche Urkunde ausstellen
lassen und - auch für die beteiligten Geschworenen
- in zwei Raten 75 Gulden Schadenersatz bezahlen.
Ausserdem hatte er noch eine Strafe von der Obrig-
keit zu gewärtigen.
Obwohl die Brüder Hans und Michael Eberle die
Ungerechtigkeiten der Hexenverfolgungen am eige-
nen Leib erfahren hatten, scheuten sie sich nicht,
ihrerseits andere Leute mit Einzelheiten, die ihnen
aus dem Prozess gegen ihre Schwester bekannt
waren, zu belasten. Ja, selbst als Hans Eberle
gebunden ins Schloss gebracht werden sollte und
gerade in der Taferne in Schaan lag, sagte er zu
Ulrich Negele von Planken, «er sei kein Hexenmei-
ster, aber des Ulrich Schwester sei eine Hexe. Dar-
auf habe Ulrich geantwortet, wenn seine Schwester
eine Hexe sei, wolle er sie selbst auf das Schloß
liefern.» 2 0 4 Die bitteren Erfahrungen, die er und
seine Familie mit den Hexenverfolgungen gemacht
hatten, hinderten ihn nicht daran, eine andere Per-
son als Hexe zu verrufen. Hier verwischt sich die
Grenze zwischen Verfolgten und Verfolgern, unab-
hängig davon, ob Hans Eberle tatsächlich an die
Existenz von Hexen glaubte oder den Begriff nur
zynisch verwendete.2 0 5
Auch Andreas Reinberger - einer der fünf Vadu-
zer Untertanen, die sich im Dezember 1680 an die
Innsbrucker Regierung und an den Kaiser gewandt
hatten - machte seinen Gemeindegenossen Se-
bastian Conrad nicht nur für die unrechtmässige
Hinrichtung seines Vaters verantwortlich, sondern
hielt ihm auch vor, dass seine leüth undt seine wei-
ber wie er (Reinberger) in den Hexenprotokollen
verzeichnet seien. 2 0 6
Die Vaduzer Obrigkeit war 1681 grundsätzlich
bemüht, dass mit den Hexenprozessen kein Auf-
sehen mehr erregt wurde. Dazu gehörte auch, dass
die ehemaligen Flüchtlinge, wenn sie schon ins
Land zurückgekehrt waren, wieder ein geordnetes
Leben führten. Das fiel Maria Eberlin zum Beispiel
schwer, fand sie doch ihr Haus in Planken nach den
Konfiskationen leerstehend vor, so dass sie dort
nach eigenen Aussagen weder zuehaussen noch
mich vil weniger zueernehren gewüsst. Deshalb be-
gab sie sich zu Verwandten in der Flerrschaft
Schellenberg. Dies wollte die Obrigkeit jedoch nicht
dulden, da sie sich dadurch neue Verbitterung und
Schwierigkeiten erwartete. Die Eberlin wurde des-
halb sowohl 1681 (wohlgemerkt nach der kaiser-
lichen Bestätigung ihres freien Geleits) als auch im
April 1682 von Musketieren aus der Herrschaft
Schellenberg nach Planken zurückgebracht. 2 0 7
GEFORDERTE WIEDERGUTMACHUNG
NACH ABSCHLUSS DES RECHTSGUTACHTENS
VON 1682
Die juristische Fakultät der Universität Salzburg
benötigte für die Erstellung des Gutachtens über
die vaduzischen und die schellenbergischen He-
xenprozesse ein ganzes Jahr. Der umfangreiche
Abschlussbericht unter dem Datum des 15. Okto-
ber 1682 umfasste 567 Seiten (ohne Vorbericht
sowie Index)2 0 8 und kostete 150 Gulden. 2 0 9
198) StAAug 2972, fol. 87b.
199) Ebenda, fol. 62a-63b.
200) StAAug 2969, fol. 29a+b.
201) ÖStA Deneg. Ant. 96; StAAug 2972. fol. 86b+87a.
202) Vgl. dazu Seger, Hexenprozesse, S. 61 f.
203) ÖStA Deneg. Ant. 96; Seger, Hexenprozesse, S. 98.
204) L L A AS 1/ 2, fol. 66a-67a; ÖStA Deneg. Ant. 96; Seger. Hexen-
prozesse, S. 98; Büchel, Protokolle, S. 118 u. 141.
205) Vgl. dazu Schwerhoff, Hexerei. S. 348 f.
206) L L A AS 1/ 2, fol. 71a.
207) StAAug 2971, fol. 27a.
208) SRg, fol. 283b.
209) StAAug 2969, fol. 55a; StAAug 2970, fol. 12a.
35
Liste derjenigen Personen
aus der Pfarrei Triesen,
die bei den Hexenprozes-
sen von 1679 und 1680
hingerichtet oder geflohen
waren
5 v c
36
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Die Ergebnisse des Rechtsgutachtens waren ein-
deutig: Sämtliche Verfahren der Jahre 1679 und
1680 wurden für rechtswidrig und damit für ungül-
tig erklärt. Die Konfiskationen waren deshalb
zurückzuerstatten, und den unschuldigen Prozess-
opfern oder ihren Erben stand ein Schadenersatz
zu. Obwohl den betroffenen Untertanen trotz ihres
ausdrücklichen Wunsches, den sie zum Beispiel in
einem Schreiben vom 6. Juni 1684 äusser ten, 2 1 0 die
detaillierten Ergebnisse des Rechtsgutachtens ver-
mutlich nie zur Kenntnis gelangten, veränderten
die Erkenntnisse der Salzburger Juristenfakultät
die Lage in der Grafschaft Vaduz und in der Herr-
schaft Schellenberg deutlich.
Noch im Sommer 1682 hatten sich die impe-
trantischen underthanen, wie die Kläger gegen die
ungerechten Hexenprozesse oft genannt wurden,
mit der Bitte an die kaiserliche Kommission wen-
den müssen, dass sie den vaduzischen Amtleuten
verbiete, ihnen die Rechtsmittel zu sperren. Auch
von den Konfiskationsgeldern versuchte die Obrig-
keit trotz der ungeklärten Rechtssituation und ent-
gegen einem kaiserlichen Befehl noch so viel wie
möglich einzutreiben, um damit die drückende
Schuldenlast zu mildern. 2 1 1
Nach dem Abschluss des Rechtsgutachtens hatte
sich jedoch die Situation endgültig zugunsten der
«impetrantischen» Partei gewandelt. Sie vertrat die
Interessen der Nachkommen von Hingerichteten
und anderer durch die Hexenprozesse Geschädig-
ten, deren Zahl sich nach eigenen Schätzungen auf
über 300 persohnen belief.2 1 2 Der führende Kopf
der «Impetranten» war der Triesner Pfarrer Valen-
tin von Kriss. Weitere Hauptvertreter waren - spä-
testens 1684, wohl aber schon von Anfang an -
Christian Gassner aus Triesen, Michael und Florian
Gassner vom Triesenberg, Tobias Frick aus Bal-
zers, Andreas Reinberger aus Vaduz und Adam
sowie Sebastian Hilti aus Schaan. 2 1 3 Bemerkens-
werterweise stammten alle aus der Grafschaft
Vaduz, die Herrschaft Schellenberg war unter den
führenden Gegnern der Hexenverfolgung nicht ver-
treten.
Eine Ende 1682 verfasste Liste, in der sämtliche
Personen aus der Pfarrei Triesen 2 1 4 mit den jewei-
ligen Konfiskationssummen verzeichnet waren,
stammt mit grösster Wahrscheinlichkeit von Valen-
tin von Kriss. 2 1 5 Im Anschluss daran sind auch die
Forderungen der Impetrantenpartei verzeichnet.
Sie lauten:
1. Die criminalisten und dero helffer sollen, je
nach der Art des Vergehens, an leib, ehr und guet
abgestrafft werden. Unter dem Begriff der «Krimi-
nalisten» verstand man nicht nur die Gerichtsleute,
sondern auch die ohrenblaser, klüger, indicia tra-
ger, zeügen etc., so sich gerüembt, daß sie einen
oder anderen helfen auß dem weg raummen.2'6
2. Die Kommissionskosten sind durch die «Kri-
minalisten» abzustatten. Sie haften auch für die
Wiedererstattung der Konfiskationsgelder und für
die Wiedergutmachung anderer Schäden.
3. Die Asche der Verbrannten ist auf dem Fried-
hof zu begraben.
4. Die Gerichtsprotokolle sollen verbrannt wer-
den.
5. Die Ehre übel beleumundeter Personen ist
wiederherzustellen.
6. Es dürfen keine Prozesse ohne die Aufsicht
des Fürstabts zu Kempten geführt werden.
7. Ein öffentliches scharf mandat wider die ehr-
abschneidung soll publicirt werden.
8. Die Namen der Hingerichteten sind in die
Bruderschafts- und Jahrzeitbücher sowie ähnliche
Unterlagen einzutragen; für die Opfer wird ein
ewiger Jahrtag gehalten.
9. Solhes soll in 3 sprachen publicirt werden.
Auf diese Weise werde den Hingerichteten, den
Hinterbliebenen, den unschuldig Verleumdeten wie
210) ÖStA Deneg. ant. 96.
211) StAAug 2969, fol. 36a+b; StAAug 2970, fol. 12a; StAAug 2971,
fol. 2b+3a.
212) StAAug 2971, fol. 22b.
213) ÖStA Deneg. Ant. 96.
214) Wie bereits e rwähnt , gehörte dazu auch der grösste Teil der
heutigen Pfarrei Triesenberg.
215) StAAug 2971, fol. 17a-22b. Die Triesner Liste wurde im No-
vember 1682 eingereicht: StAAug 2969, fol. 37a.
216) Falsch verstanden von Seger, Hexenprozesse, S. 103.
37
auch dem ganzen Land samt den nachbarten pro-
vinzen geholffen und die schuldige abgestrafft.
Über die bereits eingezogenen Konfiskations-
gelder heisst es im Triesner Schreiben von 1682,
dass sie zum Teil vom Graf verschwendet worden
seien. Einen anderen Teil hätten die «Kriminali-
sten» für die Führung der Prozesse verwendet oder
unter sich alß Vergeltung ihrer mühwaltung aufge-
teilt. Weiters habe man das Geld zur Verzinsung
derjenigen Summe in Höhe von mehr als 12 000
Gulden verwendet, welche die Stände für den Gra-
fen entlehnt hatten und für die ihnen ja die confis-
cation versprochen und angewisen worden war.
Die «Impetranten» beklagten sich ausser über
die rigorosen Konfiskationen auch über die erpress-
ten Verehrungen, das unnötige fressen und sauffen
der fahenden und über deren zwakhe und Stelen.
Die faher waren oft mit ungestümigkheit in die
heüser der suspecten hineingerumplet. Manchmal
hatten sie die suspicion vermehrt, indem sie sich
heimlich in die Häuser schlichen, um auszukund-
schaften, ob man sich fürchte oder fliehen wolle.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Konfis-
kationen herrschte im übrigen eine grosse Kluft. In
der Pfarrei Triesen forderte die Obrigkeit etwa
7 000 Gulden, konnte aber letztlich nur 2 480 - also
etwas mehr als ein Drittel der verlangten Beträge -
tatsächlich einziehen. Obwohl Valentin von Kriss
gar nicht mehr genau wusste, wann die Hexenpro-
zesse angefangen hatten {vor ohngefart 32 jahrn,
heisst es), bestand für ihn kein zweifl, dass sich die
Summe der Konfiskationen seit Beginn der Verfah-
ren auf über 100 000 Gulden belief.2 1 7 Das hätte
beinahe dem Kaufbetrag der Herrschaft Schellen-
berg im Jahr 1699 entsprochen.2 1 8
Das wahre Ausmass der Konfiskationen lässt
sich bislang mangels Unterlagen nicht mehr fest-
stellen. Für 1680/81 ermöglicht jedoch die Rent-
amtsrechnung211' einen punktuellen Vergleich mit
anderen Einkünften, von denen neben den Gesam-
teinnahmen beispielhaft das Umgeld (eine Art von
Getränkesteuer) sowie der Weinmost- und Weinze-
hent angeführt sind. Die Beträge wurden dabei auf
Gulden gerundet.220
Grafschaft Vaduz:
Gesamteinnahmen
Zehent
Umgeld
Konfiskat ionen
Herrschaft Schellenberg:
Gesamteinnahmen
Zehent
Umgeld
Konfiskat ionen
8 837 f l .
2 409 f l .
733 f l .
2 345 f l .
(= 26,5 Prozent der
Gesamteinnahmen)
3 423 fl.
1 348 f l .
287 fl.
228 fl.
(= 6,7 Prozent der
Gesamteinnahmen)
Die Konfiskationen erfolgten laut Rupert von Bod-
man in den meisten Fällen nicht in Form einer
Beschlagnahme des Besitzes, sondern darin, dass
man sich mit den Hinterbliebenen abfindig ge-
macht hatte, eine bestimmte Summe zwischen 500
und 1 000 Gulden zu bezahlen. Dafür jedoch hatten
die Untertanen Güter verkaufen oder Kredite auf-
nehmen müssen, was schliesslich die Rückerstat-
tung der Konfiskationen sehr kompliziert machte
beziehungsweise stark behinderte.2 2 1
War bei einem Delinquenten nichts einzuziehen,
verbrannte man ihn mitunter - wie es bei Martin
Nigg, dem Rädermacher in Triesen, hiess - umb
gottes willen (um Gotteslohn).222
DIE WEITEREN EREIGNISSE RIS ZUR
ABSETZUNG DES GRAFEN 1684
Im November 1682, kurz nach der Fertigstellung
des Salzburger Rechtsgutachtens, verbot der kai-
serliche Kommissar Fürstabt Rupert von Bod-
man noch einmal ausdrücklich, dass Konfiskati-
onsgelder eingezogen würden, bevor der Reichs-
hofrat in Wien eine entsprechende Entscheidung
getroffen hatte.2 2 3 Die angespannte Situation des
Landes, die dadurch zusätzlich verschärft wurde,
bewirkte, dass sich 1683 der Widerstand der
38
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Untertanen gegen den Grafen stärker formierte.
Anfang Jänner 1684 brachten sie ein langes Be-
schwerdeschreiben beim Kaiser ein, das zur Folge
hatte, dass die kaiserliche Kommission im März
dieses Jahres auch die Kontrolle über die gesamte
Verwaltung übernahm. 2 2 4
Nachdem Rupert von Bodman im April 1683 das
Salzburger Rechtsgutachten dem Reichshofrat zur
weiteren Beschlussfassung übersandt hatte, war
dem Grafen wegen der festgestellten Verstösse
gegen die Rechtsordnung mittels eines kaiserlichen
Dekrets vom 22. Juni 1684 aus Linz die Kriminal-
jurisdiktion formell aberkannt worden. Der Kaiser
verfügte, dass eine Rückerstattung der Konfiskatio-
nen an die Geschädigten bzw. deren Erben ohne
Schädigung anderer Betroffener erfolgen sollte.
Weiters seien die Beamten und Richter, welche die
unrechtmässigen Prozesse geführt hatten, zu ver-
haften und ihr Besitzstand festzustellen.2 2 5 Gleich-
zeitig wurde dem Grafen anbefohlen, innerhalb
von zwei Monaten vor dem kaiserlichen Gericht zu
erscheinen.2 2 6
Der Graf suchte sich vergeblich damit zu recht-
fertigen, dass er erklärte, die excessus undt exorbi-
tantien bei den Hexenprozessen seien ohne sein
Wissen und ohne seine Schuld geschehen. Er habe
in die Beamten, die er von seinem früh verstorbe-
nen Vater übernommen hatte, so viel Vertrauen
gesetzt, dass er nicht an ihrer Fähigkeit zweifelte,
Kriminalprozesse ordentlich zu führen. 2 2 7
Gleichzeitig beschwerten sich übrigens auch des
Grafen Bruder Jakob Hannibal von Hohenems-
Vaduz und der Bischof von Chur aufs höchste über
ihn. Die langen Schilderungen seines schlechten
Lebenswandels, seiner Unfähigkeit und seines
üblen Charakters enthalten einige Bezüge auf die
Hexenverfolgungen. So soll der Graf auf ein Mahn-
schreiben des Bischofs so rabios reagiert haben,
dass er noch in der Nacht um zehn oder elf Uhr
under den galgen in aller deufels nahmen ganz
allein geritten und mit continuirlichem fluechen
wieder zurückgekommen war. Die Beschwerdefüh-
rer erklärten, die unheilvollen Hexenprozesse seien
darauf zurückzuführen, dass sich der Graf auf-
grund seines verkommenen Charakters nur um
liederliche und gewissenlose statt um tüchtige Be-
amte bemüht habe. Die zwei Kapläne zu Vaduz
meldeten sogar, während die wegen Hexerei Ge-
fangenen im Schloss lagen und gefoltert wurden,
habe der Graf zur Musik von Spielleuten getanzt.
Als man die Delinquenten in der scharpfen tortur
erbärmlich schreyen hörte, habe sie der Graf aus-
gelacht und spöttisch erklärt: Wie schön künden
dise vogel singen, lasset sie nur singen.
Im Juni oder Juli 1684 behinderte er die Tätig-
keit der kaiserlichen Kommission stark, indem er
die mit ihr zusammenarbeitenden Untertanen und
Gerichtsleute als Rebellen bezeichnete und manche
von ihnen einzuschüchtern versuchte. Gegenüber
Christoph Anger habe er sogar einmal gedroht,
sobald die Kommission weg sei, werfe er ihn in
einen Turm, daß ihn die sonn nicht vihl mehr
bescheinen werde.
Nach Rücksprache mit dem Geheimen Rat zu
Innsbruck wurde der Graf daraufhin verhaftet und
in der Festung Neuburg südlich von Götzis gefan-
gengesetzt. Auf Ansuchen seiner beiden Brüder
überführte man ihn später gegen ein genügsames
deputat nach Kempten, 2 2 8 wo er nach zwei Jahren
1686 im Arrest auf Schloss Kemnat bei Kempten
verstarb. 2 2 9
217) StAAug 2971, fol. 22b.
218) Seger, Hexenprozesse, S. 102; Ulmer, Burgen, S. 908.
219) Nach diesem Zeitpunkt sollen auf Grund der Misswirtschaft des
Grafen keine Rentamtsrechnungen mehr angefertigt worden sein:
StAAug 2972, fol. 55a.
220) ÖStA Deneg. ant. 96.
221) Ebenda.
222) StAAug 2971, fol. 19b.
223) LLA RA 144/140.
224) L L A RA 144/143; Kaiser. Geschichte, S. 445-450; Schädler,
Regesten, S. 137 f., Nr. 163.
225) StAAug 2972, fol. 43a-47b. Vgl . dazu StAAug 2969, fol.
14a-18a.
226) StAAug 2972, fol. 4a-8b.
227) Ebenda, fol. 21a-28b.
228) Ebenda, fol. 50a-58b.
229) Seger, Hexenprozesse, S. 65.
39
WEITERES HEXENTREIBEN IN DEN J A H R E N
NACH D E M ENDE DER PROZESSE
Es war nicht zu erwarten, dass die politischen
Schwierigkeiten im Gefolge der Hexenprozesse und
deren juristische Ungültigkeitserklärung grundle-
gende Veränderungen in den Beziehungen zwi-
schen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen und
in ihrer Einstellung zum Hexenwesen bewirkten.
Die Situation blieb weiterhin verfahren. Nach Aus-
sage Andreas Reinbergers waren in Vaduz Ende
1681 mehr per söhnen verschreit, als es Haushal-
tungen gab. Nicht mehr als zwei oder drei Häuser
im Vaduzer Oberdorf und nur etwa ein Drittel aller
anderen Haushalte im Dorf seien frei vom Hexerei-
verdacht. Wenn es so weitergehe wie bislang,
khumme nit mehr der dritel darvon.230 Obwohl die
Hexenprozesse keine Fortsetzung mehr fanden,
blieben die alten Denk- und Wahrnehmungsmuster
weiterhin wirksam.
Dazu gehörte, dass sogar Leute, welche die
Mühlen der Hexenprozesse mit einem Freispruch
überlebt hatten, vom Grossteil der Bevölkerung
keineswegs als unschuldig angesehen wurden. Das
galt selbst dann, wenn ihre Unschuld durch ein
päpstliches Dokument bestätigt wurde. Der Schaa-
ner Kaplan Gerold Hartmann konnte nach einem
langjährigen Verfahren wegen Zaubereiverdachts
trotz seiner offiziellen Rehabilitierung nicht mehr
auf seine Kaplaneipfründe zurückkehren. Der
Schaaner Pfarrer Hans Öhre erklärte in einem Brief
an den kaiserlichen Kommissar vom 17. Septem-
ber 1682, «es sei sehr zweifelhaft, ob seine Gegner
den Entscheidungen Roms gehorchen werden. Die
Pfarreiangehörigen seien vom Landvogt aufgefor-
dert worden, sich der Wiedereinstellung zu wider-
setzen, vier Soldaten bewachten ständig das Haus
des Kaplans und hätten Auftrag, ihn vom Betreten
der Kirche abzuhalten, wenn er erscheine. Der
Landvogt habe erklärt, er kümmere sich nicht um
den Bischof oder den Papst und auch nicht um die
Exkommunikation. Und wenn der Graf wegen
Gerold Hartmann exkommuniziert werde, dann
werde er ihn töten. Einem reichsfreien Grafen kön-
ne auch der Kaiser nicht widersprechen und ihn
nicht hindern. Gerold Hartmann sei und bleibe ein
Hexenmeister. Pfarrer Öhre berichtet weiter, dass
der Landammann das Volk aufgehetzt habe, so
dass es glaubt, die Entscheidungen aus Rom seien
erschlichen und erschwindelt. Zum Schlüsse be-
klagt der Pfarrer die Verhältnisse im Lande, am
meisten aber in seiner Pfarrei, und erklärt sich
ausserstande, die Wiedereinsetzung von Kaplan
Hartmann zu erreichen.» 2 3 1 Im November 1686 gab
dieser schliesslich seine Schaaner Pfründe auf, die
er seit 1671 innegehabt hatte.232
Noch viel weniger akzeptierten zahlreiche Leute
die Unschuld derjenigen Personen, die gar nie frei-
gesprochen worden waren, sondern nur aufgrund
der geänderten politischen Lage nicht mehr ge-
richtlich verfolgt werden konnten. Bei einem Streit
zwischen Hans Kaufmann vom Triesenberg und
Georg Beck im Frühjahr 1684 scheute sich letzterer
nicht, gegenüber dem Grafen zu erklären, er solle
ihm beistehen und es nemme ihme wunder, das er
disem Kauffmann, der doch ain hexenmaister seye,
so vil glaube. Bei der folgenden Verleumdungskla-
ge führte Georg Beck die häufig verwendete Ent-
schuldigung an, er habe den Kläger nur bedin-
gungsweise - also in Form einer Retorsion 2 3 3 - ei-
nen Hexenmeister gescholten, und zwar wann er,
der Kauffmann, ihme sein gueth anspreche. Aus-
serdem habe Kaufmann behauptet, dass Becks Va-
ter im dobel size.234 Hier begegnet man zum ersten
Mal der Bezeichnung von Hexenverfolgern als «To-
belhocker».
Das Muster von bedingungsweisen oder retorsi-
ven Hexereibeschimpfungen, die leicht zu Beschul-
digungen werden konnten, veranschaulicht ein
Vorfall, der von Lena Lampartin aus Schaan aus-
gelöst wurde. Deren Ehemann Hans Beck, dessen
erste Ehefrau und etliche seiner Kinder waren ver-
brannt worden; über die Lampartin hatte die Ob-
rigkeit 1680 inquiriert. Im Jahre 1684 bezichtigte
nun Lena Lampartin die Töchter Jörg Conrads und
des Färbers Christoph (Stoffel) Quaderer, sie hätten
in Adam Maiers Haus so gesoffen, dass sie hinten
und vorne «gehustet» (oder gekherzet) hätten. Dar-
auf erklärten die beiden Frauen, die in ihrer Ehre
verletzt worden waren, beim Dorfbrunnen, were
40
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
solches auf sie rede, seye gewiß ain hex oder
hexenmaister. Als dies die Lampartin in ihrem
Haus gehört habe, sei sie herausgesprungen und
habe erklärt: Wenn das wahr wäre, seien des Stof-
fel Quaderers Töchter sowohl hexen kinder alß
ihre. Nun sei auch noch Stoffels Ehefrau, Lisa Hart-
mannin, herausgeloffen und [habe] die Lena ge-
fragt, ob sie dann meihne, mann habe ihnen ver-
schont. Diese Frage bejahte Lena Lampartin: Ia,
mann habe ihr verschonet, sonst wären ihre kinder
hexen kinder, wie des Hanns Beckhen. Die Lampar-
tin habe die Familie des Färbers weiters ain hexen
fasel gescholten, und wann [man] nach der leüthen
reden gangen, hette sie wohl aine hexenfaßel als
sie. 2 3 5 Ausser der Tatsache, dass sogar Personen,
deren Familien von den Hexenverfolgungen stark
in Mitleidenschaft gezogen worden waren, den-
noch weiterhin andere Leute durch Flexereibezich-
tigungen in Schwierigkeiten brachten, begegnet
man in diesem Fall abermals dem Vorwurf, be-
stimmte Personen seien aufgrund ihrer sozialen
Beziehungen von den Prozessen verschont geblie-
ben.
NEUE VERSUCHE ZUR EINDÄMMUNG DES
HEXENTREIRENS U M 1685
Mit der Absetzung des Grafen im Sommer 1684
waren auch die wirtschaftlichen Probleme der Un-
tertanen beileibe nicht gelöst, ganz im Gegenteil.
Peter Kaiser schrieb: «Graf Ferdinand Karl war
nun der Regierung entsezt und die Landschaft von
seinen Gewaltthätigkeiten befreit; aber die Gläubi-
ger waren nicht bezahlt: sie hielten sich an die
Landschaft, der ihre Reverse und Schadloshaltun-
gen wenig halfen, da die kaiserliche Commission
nicht auch auf Mittel dachte, die herrschaftlichen
Schulden zu tilgen. Zu den übrigen Kosten der
Verwaltung und zum Unterhalt der gräflichen Fa-
milie kamen nun noch die Kosten der kaiserlichen
Commission. Die Reichs- und Kreisanlagen häuften
sich.» Die Stimmung im Land war alles andere als
gut und hatte auch in den folgenden Jahren wenig
Grund für einen Wandel. 2 3 6
Nachdem im Gefolge der nullitets declaration
sämtlicher Prozesse durch den Reichshofrat in
Wien 1684 zumindest theoretisch die Rückgabe
von Konfiskationsgütern in die Wege geleitet wor-
den war, erklärten die Nachkommen der unrecht-
mässig Verurteilten Anfang Februar 1685, dass sie
den so teüren verlurst unser und unserer posteritet
durch solche unbilliche gefüehrte famose proceß
entzognen ehren und gueten leumunts höcher alß
allerwelt haab und güeter aestimiren. Deshalb
stellten sie über die Restitution ihrer Güter hinaus
untertänigst folgende weitere Forderungen:
1. Weilen durch der gleichen theils öffentliche
executiones und schimpfliche hinricht: und vergie-
sung so vilen unschuldigen bluets, theils aber
durch widerrechtlich vorgenohmmene schmächli-
che inquisitiones den Betroffenen publica infamia
und quasi indelebilis caracter irrogiert und ahn
gethan worden sei, solle nun ihnen gleich meßig
per actus publicos allß nemblich mit öffentlicher
verbrenn: oder anderwertiger dergleichen gänz-
licher caßierung aller schrifftlichen proceßen und
inquisitiones Protokollen begegnet werden. Sie ver-
langten also, dass die öffentlich angetane Schmach
durch den öffentlichen Akt einer Verbrennung oder
einer ähnlichen Vernichtung der Prozessunterlagen
einschliesslich der Inquisitionsprotokolle aufgeho-
ben werde.
2. Die Asche oder Gebeine der Hingerichteten
seien unter Beteiligung der Öffentlichkeit auszugra-
230) L L A AS 1/ 2, fol. 71a-72a.
231) Seger, Hexenprozesse, S. 106.
232) Büchel, Schaan. S. 46.
233) Vgl . dazu Tschaikner, Magie und Hexerei, S. 111-117.
234) L L A AS 1/ 2, fol. 128a.
235) Die Lampartin erklär te spä ter weiters, Stoffels Tochter sei im
Keller und in der Färbere i bei Hans Hilti gelegen und habe den Hüte
in die färb über den rechen hineingezogen. Davor jedoch habe Qua-
derers Tochter diejenige der Lampartin bezichtigt, sie habe den
knecht die ganz nacht in der gautschen gehabt. Die Lampartin
musste ihre Gegner um Verzeihung bitten, alle Unterstellungen
widerrufen, eine Strafe bezahlen und die Verfahrenskosten überneh-
men: L L A AS 1/2, fol. 128b-130a.
236) Kaiser, Geschichte, S. 450 f., 456 u. 466.
41
Mandat der kaiserlichen
Subdelegation vom
1. März 1685, in dem
wegen fortgesetzter Hexe-
r e ivo rwür f e und anderer
üb le r Nachreden die
Unschuld der 1679/80
verurteilten Person her-
vorgehoben und künf t ige
Verleumdungen unter
Strafe gestellt werden
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«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
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&ß,*6fi¥$.., Aim«iiÄ( ^ t t f ^ M
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4 3
ben und auf feierliche christliche Weise in geweih-
ter Erde zu bestatten. Dabei sollte ausdrücklich
erlaubt, ja befohlen werden, dass deren Namen
gleich andere ...237
Hier brechen die Unterlagen ab. Gefordert wur-
de im zweiten Punkt wohl - wie schon 1682 durch
Pfarrer von Kriss - die Eintragung der Namen der
Getöteten in Jahrzeit-, Matriken- oder Bruder-
schaftsbücher. Punkt eins der Forderungen bietet
eine Erklärungsmöglichkeit für den grossen Akten-
verlust bei den vaduzischen Hexenprozessen. Dem-
nach könnten entsprechende Dokumente als Teil
einer symbolischen Wiedergutmachung an den
unschuldig verbrannten Opfern in den achtziger
Jahren des 17. Jahrhunderts öffentlich vernichtet
worden sein.
Kurz nachdem die «impetrantischen Unterta-
nen» diese Forderungen verfasst hatten, publizier-
te die kaiserliche Kommission unter dem Datum
des 1. März 1685 ein öffentliches Mandat gegen die
immer noch andauernde Verunglimpfung von Per-
sonen durch Hexereianschuldigungen. Einige ver-
biterte gemüetter erklärten damals öffentlich, die
Hexenprozesse seien zwar nicht recht geführt wor-
den, dennoch seien die Hingerichteten mit dem
abscheulichen Laster der Hexerei behafftet gewe-
sen. Durch diese under den einfälthigen leüthen
eingewürzleten meinung würden ganze Geschlech-
ter und Verwandtschaften auch künftig merckhli-
chen leiden und unter denen untherthanen eine
grosse verpitterung und confusion entstehen. Des-
halb stellte die Kommission in Form eines Mandats
nochmals klar, dass alle Delinquenten in den Pro-
zessen von 1679 und 1680 laut eines Rechtsgut-
achtens und eines kaiserlichen Reskripts unrecht-
mässig zum Tod verurteilt worden waren. Allen
anderen verdächtigten Personen, gegen die sowohl
innerhalb als auch ausserhalb des Landes gericht-
lich vorgegangen worden war, sei ebenfalls daß
gröste unrecht beschechen, denn sie wurden der
Zauberei keineswegs für schuldig befunden. Des-
halb könne die Ehre und der gute Name der Hinge-
richteten, der Überlebenden oder ihrer Geschlech-
ter nicht befleckt worden sein. 2 3 8
In einem Entwurf vom 10. Februar 1685 wurde
die Veröffentlichung des Mandats damit begründet,
dass sich under den ein und anderentails interes-
sierten underthanen allerhand nachdenckhlich ...
discurs, nachreed und Verbitterung eraignen. Die
kaiserliche Kommission fürchtete, dass diese bee-
derseits underlauffend hitzige nachreden und be-
schuldtigungen entlichen gar zu einer würckhli-
chen thättlicheit führen könnten. Deshalb fühle sie
sich genötigt, dem drohenden Unheil bei Zeiten zu
begegnen und obrigkeitliche Abhilfe zu schaffen.
Schliesslich sei die Hauptaufgabe der Kommission
die restabilierung [!] der in diser gravschafft einige
zeit hero fast ganz zerfallenen guten nachbarl. ver-
standtnus und widerbringung hiebevoriger be-
glückhten wolstandtes.
Zu diesem Zweck wurden die Untertanen nun
ernstlich und mit Androhung von Strafen ermahnt,
von den nachdenckhlichen undt verbitterten ree-
den und betrohungen abzulassen, die Arbeit der
Kommission in friden und mit gezimmender be-
schaidenheit abzuwarten und dem Wirken der
heilsamen justitz ihren gebürenden lauf zu las-
sen. 2 3 9
Ein Exemplar des Mandats vom 1. März 1685,
das von den subdelegierten Kommissaren Markus
von Schonberg, Johann Adam Ernst von Pürckh
und Johann Jakob Motz unterzeichnet ist, liegt im
Gemeindearchiv von Schaan. 2 4 0 Otto Seger meinte,
dass durch dieses Schriftstück «die Ehre der armen
Opfer ... endgültig gerettet» war. Wahrscheinlicher
ist jedoch, dass es auf der ideellen Ebene nicht bes-
ser aussah als auf der materiellen: 1699 einigte
man sich nämlich beim Verkauf der Herrschaft
Schellenberg mit vielen Hinterbliebenen der Opfer
darauf, dass sie sich mit der Hälfte ihrer Forderun-
gen zufriedengaben. 2 4 1
4 4
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
EXKURS: AUSWIRKUNG DES LIECHTEN-
STEINISCHEN HEXENTREIBENS NACH
VORARLBERG
Es ist davon auszugehen, dass die Vorgänge in der
Nachbarschaft von breiten Schichten der Bevölke-
rung in den österreichischen Herrschaften vor dem
Arlberg wahrgenommen wurden. Zahlreiche Un-
tertanen werden sich dabei - zumindest zeitweise -
ähnliche Hexenverfolgungen wie in Vaduz und
Schellenberg gewünscht haben. 2 4 2
Bei den «Brüglerischen Prozessen» vom Früh-
jahr 1679 kam es sogar zu einer direkten Ausdeh-
nung der vaduzischen Verfolgungen auf öster-
reichisches Territorium. Ungefähr am 20. Mai hat-
ten nämlich der Frastanzer Waibel und die örtli-
chen Geschworenen von der Obrigkeit den Befehl
erhalten, Gerold und Christian Negele an orth und
endt, wo solche zu betretten, gefenckhlich anlzu]-
nemen, damit weitere gebür gegen ihnen vorge-
nommen werden khonne. Gerold Negele war wegen
Hexereiverdachts in Vaduz gefangen gewesen, hat-
te sich aber mit der flucht ledig gemacht; sein Vet-
ter Christian war vor der Verhaftung geflohen. 2 4 3
Die Fahndung, an der sich zahlreiche Leute betei-
ligten, konzentrierte sich auf die Häuser der Ge-
schwister Jakob, Christian und Magdalena Hart-
mann, denn Christian Negele war der Sohn Magda-
lena Hartmanns und Gerold Negele der Sohn ihrer
Schwester. Beide Frauen waren Schwestern des
Schaaner Kaplans Gerold Hartmann, den man der
Zauberei beschuldigte.
Nachdem man eines frühen Morgens bei der
Suche in allen gemachem der pargen (Heustadel)
der Umgebung niemanden gefunden hatte, kam es
auf Gafardura244 im Haus der Magdalena Hartman-
nin zu einem schweren Zwischenfall: Lorenz
Nigg, einer der Fahnder, hatte die Hausherrin mit
dem blossen Säbel bedroht, ihren Kopf auf einen
Trog niedergedrückt, den blanken Säbel daraufge-
halten und gesagt: Du bist ein hex. Ich het ein lust,
ich hawte dir den khopf ab. Die verschreckte Hart-
mannin floh in den nahen Wald. Daraufhin bedien-
ten sich die Fahnder im Haus an Gerätschaften,
Geld und Lebensmitteln wie Fleisch und alpkheß;
ja sie kochten sich sogar eine khrazete, warfen Eier
herum, erbrachen Laden, zerschlugen das Weih-
wasserkesselchen und nahmen noch etliches mit.
Mang Müller konnte auch bezeugen, dass Nigg al-
les das wiederholt habe, was die obern von Schaan
von den Hartmanischen ehrlez: und spötlich geredt
hatten.
Diese Angelegenheit kam auf Betreiben Christi-
an Hartmanns und seiner Schwester Magdalena
am 3. Juni 1679 vor das Gericht des Bludenzer
Vogteiverwalters Johann von Grenzing. Da Nigg
fast die ganze Schuld auf Christoph Anger und Tho-
mas Lampart abwälzte, wurde eine zweite Zeu-
geneinvernahme zu einem anderen Termin nötig,
von der keine Unterlagen mehr vorliegen. 2 4 5
In einem anderen Fall im Sommer 1679 sahen
sich die adeligen Familien von Furtenbach und von
Pappus aus Feldkirch gezwungen, sich durch einen
Anwalt des Stadtammanns Andreas Fröwis auch in
dessen Namen vor dem Vaduzer Gericht gegen eine
Verstrickung in die Hexenverfolgungen zur Wehr
zu setzen. Er klagte gegen den Schaaner Maurer
Christian Zindt, der von einer Verdächtigung der
Elisabeth Hartmannin, der Ehefrau des Färbers
Christoph Quaderer, gehört und kräftig für ihre
Verbreitung gesorgt hatte. Als ein Teil des Kirch-
volks nach dem Kreuzgang am Agathentag (5. Feb-
237) V L A HoA 76,17.
238) Ebenda; der zitierte Mandatsentwurf ist nur unvollständig
erhalten.
239) V L A HoA, 76,17.
240) Gemeindearchiv Schaan, Urkunde Nr. 145.
241) Seger, Hexenprozesse, S. 66; vgl. auch Seger, Bodman, S,
193-195.
242) Vgl. dazu Tschaikner, Magie und Hexerei, S. 223, und ders.,
Herrschaften vor dem Arlberg, S. 644.
243) Er wurde spä ter bei der Rückkehr nach Hause in Feldkirch
gefangengenommen und 1680 hingerichtet.
244) Gavidura. auf der Ostseite des Saminatals hinter Bazora: Vor-
arlberger Flurnamenbuch, S. 170, Nr. 168. Er wurde später bei der
Rückkehr nach Hause in Feldkirch gefangengenommen und 1680
hingerichtet.
245) V L A Vogt.arch. Bludenz 47/519.
45
ruar) von Schaan nach Triesen beim Wein sass, sei
Zindt herfür gebrochen und zu inen allen gesagt, er
habe ain newe mähr, und man sage des Stoffel
Quaderers weib Elisabeta Hartmänin seye ain hex
und sy werde nit die letste sein beim verprennen.
Damals sei ihm der alte Wirt Andreas Conrad übers
maul gefahren, er soll von solchen Sachen schwei-
gen. Zindt erklärte später, er habe die Verdächti-
gung ursprünglich von ihm gehört.
Zindts Schwiegervater, der 79-jährige Meister
Bartie Conrad, reagierte verwundert auf die Hexe-
reianschuldigung gegenüber der Hartmannin. Er
äusserte sich mit grossem Bedauern: Das got
erbarm, ich hab gemaint, es sey ain ehrliches
mentsch, und ist von ehrlichen ältern von aller
seits ehne und ahna geboren, und wann sy ain hex
solte sein, miest sy es in wehrender zeit, das sy
gedient, gelernet haben. Durch diese Annahme ge-
riet die verstorbene Frau Susanna Papussin, ver-
heiratete Furtenbachin, und ihre gesamte adelige
Verwandtschaft in Misskredit. Wiederum sorgte
Zindt für die Verbreitung der Verdächtigung. Als
einige Leute bei Frau Maria Schreiberin, der Ehe-
frau Klaus Bruders, im Zollhaus zu Vaduz beisam-
men sassen, redeten sie durcheinander von denen
eingezognen hexen persohnen und meinten dabei,
es fresse starkh umb sich. Da sagte die Schreiberin,
es möchte ain weib betreffen, das ir laid währe.
Zindt antwortete darauf, er wolts leicht erraten,
wer sy seye, dann man zeiche des Stoffel Quade-
rers weib Elisabeta Hartmänin, daß sy daß hexen-
werch von der fraw Catharina Pappusin, alwo sy
vil jar gedient, gelernet habe. Die Schreiberin, eine
Vetterin Stoffel Quaderers, hatte daraufhin sehr la-
mentiert, das got erbarm, es wiert ob got wil nit
wahr sein.146 Wie bereits weiter oben dargelegt,
wurde die Hartmannin zwar nicht mehr eingezo-
gen, sie musste sich jedoch später mit dem Vorwurf
auseinandersetzen, dass sie ihr Leben der Protek-
tion durch einflussreiche Leute verdanke. 2 4 7 Über
weitere Verdächtigungen der Frau Susanna Papus-
sin oder ihrer Verwandtschaft liegt nichts mehr vor.
Eine andere Verleumdungsklage, die am 2. April
1683 vor den Feldkircher Vogt kam, enthielt Bezü-
ge auf die beiden Hexenjagden, die als die grössten
dieser Zeit im deutschsprachigen Raum gelten,
nämlich die Verfolgungen in Vaduz und Schellen-
berg sowie die Zauberer-Jackl-Prozesse im Hoch-
stift Salzburg, 2 4 8 bei denen zwischen 1677 und
1681 etwa 140 Personen ihr Leben verloren. 2 4 9
Dass ihr vermeintlicher Anführer, der Zauberer
Jackl, nach dem seit 1678 in ganz Österreich, Bay-
ern und Teilen Schwabens steckbrieflich gefahndet
wurde, 2 5 0 auch im Vorarlberger Raum ein Begriff
war, geht aus den Aussagen Jakob Starks, Gabriel
Walchs und Hans Köchlins aus Bangs hervor. Sie
erklärten, ein Soldat namens Antoni Gulmann 2 5 1
habe Leonhard Wohlwend gefragt, warumben er
noch nit weihen thüe. Darauf habe dieser geant-
wortet, er wüste wohl aine, seye aber nit recht,
vermaine seyen hexen, worüber der soldath Ihne
Wohlwenden gefraget, wer die seye. Habe er Wohl-
wendt gesagt, daß eß deß Zauber Jackhlinß, den
Jacob Schächlin mainendt, töchter seye. Er wäre
zwar gern zu des Schächlins töchter zur stubet
gangen, habe aber geforchten, sie möchte sein alß
wie ihr mueter schwöster. Vor Gericht erklärte
Wohlwend, er habe nur gesagt, daß mann sein
Schächlins weibs schwöster in der graffschafft ver-
brendt, und also ain bösen fleckhen habe. Wohl-
wend wurde jedoch auf Grund der Zeugenaussagen
dazu verurteilt, öffentliche Abbitte zu leisten, die
Unkosten des Gerichtsverfahrens abzustatten und
strafweise ad opus publicum in dem bettelsteig den
weeg zu repariern. Die Strafe leistete er in der Fol-
ge jedoch in dem huebhaus und garten ab. 2 5 2
Dass Wohlwends Verdächtigungen einen breiten
Hintergrund hatten, zeigt die Tatsache, dass Jakob
Schechle trotz dieses Gerichtsurteils bei den Nach-
barn weiterhin in schlechtestem Ruf stand. Einer
von ihnen versetzte sogar sein Haus an einen ande-
ren Ort, weil er sich von Schechle auf magische
Weise geschädigt fühlte. 2 5 3
Die engen personellen Verbindungen zwischen
dem Raum an der Illmündung und der Herrschaft
Schellenberg spiegeln sich auch darin wider, dass
Katharina Wangnerin aus Ruggell in den siebziger
Jahren mit dem Tod Jos Maders aus Matscheis,
einer Fraktion des linksrheinischen Teils der Altge-
meinde Altenstadt, in Verbindung gebracht wurde.
46
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Von den früheren Hexenverfolgungen ist bislang
nur bekannt, dass 1651 die ledige und mittellose
Anna Rietmannin aus Lustenau, die längere Zeit
am Eschnerberg gedient und einige uneheliche
Kinder geboren hatte, in ihrer Heimat schwer ver-
dächtigt wurde, weil sie von einer Vaduzerin unter
der Folter als ihre Lehrmeisterin in Sachen Flexerei
angegeben worden war. 2 5 4
246) L L A AS 1/ 2, fol. 38b-40a.
247) Vgl. dazu S. 90 f.
248) Behringer, «Erhob sich das ganze Land», S. 167 f,
249) Nagl, Zauberer-Jackl-Prozess. S. 522.
250) Behringer, Bayern, S. 347 u. 458.
251) Ich korrigiere die Namensform bei Tschaikner. Herrschaften
vor dem Arlberg, S. 664.
252) V L A Vogt.arch. Feldkirch, Hs. u. Cod. 2, fol. 252b-254a .
253) Ebenda, fol. 342a-343b.
254) Welti, Lustenau, S. 242 f.
Der volksmagische Alltag
als Hintergrund der Hexen-
verfolgungen
Bei den überlieferten Quellen zum Hexenwesen ist
grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Aussa-
gen, die während der Verfahren zumeist unter Ein-
wirkung der Tortur erfolgten, und den mehr oder
weniger freiwilligen Äusserungen vor den Inqui-
sitoren, die vor Ort belastendes Material über
bestimmte Personen sammelten. Obwohl sich zwi-
schen den beiden Ebenen keine klare Grenze
ziehen lässt, ist doch festzustellen, dass in den
grossteils erfolterten Geständnissen vor Gericht die
theologisch-juristischen Auffassung vom Hexenwe-
sen, in den Aussagen vor den Inquisitoren jedoch
volkstümliche Vorstellungen überwogen.
Die Angaben bei den Inquisitionen ermöglichen
aufschlussreiche Einblicke ins Alltagsleben der
Menschen und besonders in diejenigen Problem-
bereiche, die einen fruchtbaren Nährboden der He-
xenverfolgungen bildeten. Ihre Darstellung erfor-
dert Kategorisierungen, die allerdings nur als Hilfs-
konstruktionen gelten können, da sich die meisten
Fälle nicht leicht abgrenzen lassen. Ausserdem ist
bei den einzelnen Beispielen oft das Verhältnis zwi-
schen Ursache und Wirkung nicht klar fassbar. Wir
wissen nicht, inwieweit die geschilderten Verhal-
tensmuster schon Verdächtigungen voraussetzten
beziehungsweise erst solche erzeugten. Eine wich-
tige Rolle spielten auch im hier untersuchten Raum
die volksmagischen Spezialisten, die Segner und
Heiler.
DIE ALLTAGSPROBLEME
HEXENSIPPEN
Eine Grundlage der Hexenverfolgungen bildete der
schlechte Ruf, in dem bestimmte Familien über
Generationen hinweg standen. Bei anderen Sippen
hingegen, deren Abstammung als «rein» galt,
konnte man es nur schwer glauben, dass sie etwas
mit dem Hexenwerk zu tun haben sollten. Wie im
vorigen Kapitel dargelegt wurde, liess sich der Fle-
xereiverdacht, in den Elisabeth Hartmannin aus
Schaan geraten war, für manche Leute nur so
erklären, dass sie das Laster während ihrer Dienst-
zeit in Feldkirch gelernt haben musste.
Das Bewusstsein des Rufs, in dem die eigene
Familie stand, wirkte tief ins Alltagsleben hinein.
So weigerte sich Rosina Beckin aus Schaan, eine
Kuh gemeinsam mit einer anderen Familie zu hal-
ten und sie abwechselnd zu melken. Wenn dem
Tier etwas geschehe, würde es nämlich gleich heis-
sen, sie sei eine Beckin. Als das Tier bald darauf
tatsächlich erkrankte, wurde ihr aber trotzdem die
Schuld daran gegeben, und zwar ohne dass sie es
angerührt hatte.
Zwischen der Bevölkerungsgruppe der «Reinen»
und dem «Flexenvolk» bestanden auch Heiratsbar-
rieren, die man selbstverständlich nur von der
einen Seite aufrechtzuerhalten trachtete und die
mitunter für böses Blut sorgten. Die Trennungslinie
zwischen den beiden Gruppen deckte sich nicht mit
der sozialen Schichtung der Bevölkerung. Maria
Stegnerin etwa stand in einem derart schlechten
Ruf, dass die männlichen Heiratskandidaten eine
Eheschliessung mit ihr trotz ihres hohen Vermö-
gens gescheut haben sollen.
LEBENSWANDEL UND VERHALTEN
Der schlechte Ruf der meisten Personen gründete
nicht allein auf ihrer familiären Herkunft. So
stammte zum Beispiel Jakob Blaicher aus Eschen
nicht nur von einem liederlichen und verdächtigten
48
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Spielmann ab; auch alle seine Gebärden bezeugten
für die meisten Leute nichts Gutes. Ihm wurde vor-
gehalten, dass er in der Kirche nur das halbe Kreuz
machen konnte und niemanden recht anzuschauen
pflegte.
Bei Hans Walser, dem Knecht des Waibels in
Eschen, wurde der schlechte Ruf mit seiner Physio-
gnomie in Zusammenhang gebracht. Man schloss
vom Aussehen auf den schlechten Charakter des
Menschen. Von den heutzutage viel kolportierten
roten Haaren oder ähnlichem ist dabei jedoch nir-
gends die Rede.
UNTERLASSENE VERTEIDIGUNG UND
INDIREKTE SELBSTBEZICHTIGUNG
Gegen die Entstehung eines schlechten Rufs muss-
ten sich die Betroffenen, wenn dies möglich war,
sofort zur Wehr setzen. Unterliessen sie eine Ent-
gegnung auf eine Beschimpfung oder einen Vor-
wurf, konnten sie dadurch später schwer belastet
werden. So galt es etwa als sehr verdächtig, wenn
jemand «Saureiter» genannt wurde, ohne dass er
sich dagegen wehrte.
Selbst wenn man sich nur defensiv gegen Be-
schuldigungen verteidigte, konnte dies mitunter
gefährlich werden. Maria Lampartin zum Beispiel
hatte auf eine Bezeichnung als Hexe damit geant-
wortet, dass dann auch die Frau des krummen
Schneiders Michael Walser und die Frau Hans
Becks - gemeint war wohl Lena Lampartin - Hexen
sein müssten. Indirekt bezichtigte sich Maria Lam-
partin dadurch selbst.
Ein klarer Fall von Selbstbezichtigung bildete für
Jakob Heb aus Ruggell eine Reaktion der Euphemia
Hopp. Als sie darauf angesprochen wurde, dass
sich Hebs Frau auf deren Hochzeit eine Krankheit
geholt hatte, habe sie die Hoppin zu dem teüffel
gewisen, der ihr helffen solle, worüber daß weib
auch genesen sei.
UMGANG MIT VERDÄCHTIGEN MENSCHEN
Stand jemand im Ruf der Hexerei, wurde er als
Urheber verschiedenster Unglücksfälle verdächtigt.
Der Kontakt mit solchen Leuten war besonders
dann gefährlich, wenn man ihnen wie beim Lausen
Zugriff auf den eigenen Körper gewährte. Eine
Frau, die sich von der suspekten Elsa Schedlerin
am Kopf lausen lassen hatte, soll dadurch ganz
närrisch geworden sein. Auch Maria Kaiserin aus
Eschen musste es bereuen, dass sie eine Frau im
Kindbett gelaust hatte. Von dieser wurde sie näm-
lich später, wie es gegenüber Hexen üblich war, ge-
beten, das verursachte Übel wieder zu «wenden».
Die Kaiserin verwies die Kranke jedoch an die Ka-
puziner, die allein ihr helfen könnten. Als sich
durch deren Wirken tatsächlich eine Besserung
einstellte, wurde die Kaiserin nicht minder stark
verdächtigt.
Probleme, die auf den Umgang mit zauberischen
Personen zurückgeführt wurden, mussten nicht
unmittelbar nach dem Kontakt mit ihnen eintreten.
Magdalena Millerin soll erst vier Tage danach
nächtens im Bett von Mäusen überfallen worden
sein, die sich nicht vertreiben Hessen, sondern sich
sogar bis zu ihrem Kopf vorarbeiteten. Erst das
Gelöbnis, eine Messe für die ärmste Seele im Fege-
feuer zu bezahlen, soll sie dann schlagartig von der
Qual erlöst haben.
Dem Umgang mit verdächtigen Leuten wurden
nicht nur körperliche Schäden zugeschrieben. Eine
Frau aus Eschen war zum Beispiel vollkommen
überzeugt - sie wollte sogar darauf sterben -, dass
ihr Garn auf dem Webstuhl nach dem Besuch der
Maria Blaicherin reihenweise auf Grund magischer
Einwirkung gebrochen sei. Nachdem sie ihn aus-
segnen lassen hatte, soll er nicht mehr abgerissen
sein. Der Ausdruck «man wolle auf etwas sterben»
verstärkte eine Anschuldigung, denn eine belasten-
de Aussage galt als besonders schwerwiegend,
wenn sie jemand selbst auf dem Totenbett nicht
wieder zurückzog.
49
SPEISEN UND GETRÄNKE PROBLEME MIT KINDERN
Speisen und Getränke, die man von verdächtigen
Menschen erhalten hatte, boten häufig Gründe für
Unterstellungen. Man vermutete oft, dass die Le-
bensmittel von den Hexenleuten vergiftet worden
waren. Bezeichnenderweise lautete der oft ge-
brauchte lateinische Ausdruck für Hexe «venefica»,
also Giftmischerin.
Aus Angst vor magischer Schädigung verzehrte
mancher geschenkte Speisen - wie etwa Küchle
oder Brote - lieber nicht, sondern warf sie den Tie-
ren vor. Wenn dann die Hühner eingingen oder die
Katze erkrankte, war der Beweis gegen die ver-
dächtigte Person erbracht.
Manchmal war man jedoch gezwungen, be-
stimmte Getränke oder Lebensmittel zu konsumie-
ren. Wurde jemand zum Trinken eingeladen, hätte
die Ablehnung mitunter eine schwere persönliche
Kränkung bedeutet. Diese Situationen galten als
besonders heikel. Folgte auf die Einnahme eines
Getränkes, die auf diese Weise erzwungen worden
war, eine Krankheit oder ein anderer ausserge-
wöhnlicher Zustand, lag der Argwohn nahe. Einen
besonderen Fall führte Ulrich Walch an. Er soll ein-
mal seinen Wein mit demjenigen Michael Becks aus
Schaan gemischt haben, woraufhin er so bezecht
gewesen sei wie sein Lebtag zuvor und danach
nicht mehr.
Auch der Brauch, dass man Frauen Speisen und
Wein zur Stärkung ins Kindbett brachte, hatte bis-
weilen schlimme Folgen. Gefährlich war es vor al-
lem, wenn die Besucherin - wohl aus guter Absicht
- selbst nicht vom mitgebrachten Wein trank und
sich bei der Kindbetterin nach dessen Genuss ge-
sundheitliche Probleme einstellten.
Umgekehrt entstanden ebenfalls bedrohliche
Situationen, wenn man jemandem bestimmte Le-
bensmittel nicht gerne oder gar nur unter Zwang
überlassen hatte. Wenn daraufhin eine Krankheit
auftrat, bildete diese für viele Leute eindeutig eine
Folge der Missgunst.
Ähnlich wie die Kindbetterinnen stellten auch die
Kinder besonders gefährdete Opfer von vermeintli-
chen Hexenpersonen dar. Sie konnten dadurch ge-
schädigt werden, dass man ihnen magische Mittel
ins Bettchen legte. Katharina Gassnerin vom Trie-
senberg soll dort einen Gegenstand in der Länge
eines männlichen Fingers versteckt haben, der aus
Haaren sowie schwärzlichem Federflaum bestand
und wie ein gefatschtes Kindlein aussah.
Sehr gefährlich war es, wenn eine bestimmte
Person ein Kleinkind in den Arm oder auf den
Schoss genommen hatte und dieses bald darauf
erkrankte. Auch wenn man sich über ein Kind
lobend ausgesprochen hatte und diesem bald dar-
auf etwas zustiess, entstand schnell der Verdacht,
es sei von der betreffenden Person aus Neid ge-
schädigt worden.
Kinder galten jedoch nicht nur als Objekte magi-
scher Schädigung, sondern bildeten selbst die
Ursache mannigfacher Schwierigkeiten. Sogar un-
bedachte Äusserungen und Handlungen kleiner
Kinder, die im Zusammenhang mit magischen
Belangen standen, wurden mitunter sehr ernst ge-
nommen. Wegen des vierjährigen Hans Jörg Mar-
xers aus Ruggell wandten sich die Dorfgenossen
mit der Vermutung an einen Gerichtsmann, das
Kind habe etwas von seiner verbrannten Gross-
mutter gelernt, denn es hatte sich auf einen Pflug
gesetzt und erklärt, so ritten die Hexen. Das Kind
blieb auch bei den heiligen Messen nicht in der Kir-
che, sondern lief hinaus und trieb allerhand Pos-
sen. So war es beispielsweise zum Gespött der
ganzen Gemeinde auf einem Schwein geritten.
Ein anderes Kind erklärte, es habe gute Milch
von einer Maus gemolken. Ein weiteres erzählte
herum, dass die Mutter Mäuse machen könne. Der
Ausdruck «Mäuse machen» bezeichnete ursprüng-
lich nicht die Produktion von Tieren, sondern lei-
tete sich vom mittelhochdeutschen «misel» her,
was eine Abkürzung von «miselsucht» (Aussatz)
bildete. 2 5 5
50
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Sogar Streitigkeiten von Kindern untereinander
sollen mitunter magische Folgen gehabt haben. In
einem Fall erkrankten daraufhin zwei Ferkel.
RACHE, «EINTRÄNKEN»
Als zwei Knaben einmal Kirschen stahlen und da-
bei auch Äste abrissen, schlug der Besitzer des
Baumes einen der kleinen Diebe. Kurz darauf wur-
de sein eigenes Töchterchen lahm. Der Verdacht
auf magische Rache bestätigte sich, als die Mutter
des geschlagenen Kindes als einzige Nachbarin
kein Mitleid mit dem erlahmten Mädchen zeigte.
Solche vermeintlichen Rachemassnahmen muss-
ten oft nicht erst aus bestimmten Umständen gefol-
gert werden. Manchmal wurden sie im Zorn laut-
hals angekündigt. Er hiess, man werde jemandem
«eine Letzi lassen», man wolle es ihm schon
«machen» oder es ihm noch «eintränken». Folgten
darauf Krankheit, Milchverlust bei Kühen oder
ähnliches, bestand über die Gründe dafür meist
kein Zweifel mehr.
Der Ausdruck «jemandem etwas eintränken»
bedeutete soviel wie «jemandem etwas heimzah-
len, vergelten». Der ursprüngliche Sinn war «ei-
nem einen Trank zu trinken geben», wobei mit
dem verhüllend verwendeten «es» etwas Schlim-
mes, vor allem Gift, gemeint war. 2 5 6
An eine Drohung mit dem Eintränken erinnerte
man sich lange Zeit. Manch einer wartete geradezu
auf das angekündigte Unglück, so dass sich die Pro-
phezeiung fast erfüllen musste. Wegen einer ver-
meintlichen Anzeige in Vaduz hatte zum Beispiel
eine Frau aus Eschen einem Nachbarn mit dem
Eintränken gedroht. Als diesem ein halbes Jahr
später (!) eine Kuh verendete, bildete dies in seinen
Augen eine Folge der angesagten Schädigung.
Oft wurde eine solche zeitliche Verzögerung der
Rache ausdrücklich angekündigt. Katharina Gass-
nerin etwa drohte Sebastian Becks Frau: Dein
mann hat mir meine mutter verthan, aber ich will
ihme noch wohl eine leze laßen, und zwar zur zeit,
wann er nicht daran gedenckhen wirdt.
Hatte jemand einem Gegner nicht schon anläss-
lich eines Streits mit dem Eintränken gedroht,
konnte er dies dadurch nachholen, dass er einen
später auftretenden Schaden als Rache erklärte. In
diesem Sinn äusserte sich etwa Katharina Hop-
pin gegenüber Plans Brendlin, als sie zu ihm sagte:
Het er mir nit also gethan, so were ihme dises nit
begegnet.
Racheakte erwartete man nicht nur nach expli-
ziten Drohungen. In einem Fall wurde jemand
krank, nachdem er das Durchfahrtsverbot eines
Nachbarn missachtet hatte. Derjenige, dessen
Recht verletzt worden war, wurde daraufhin des
Schadenzaubers verdächtigt. Eine ähnliche Situa-
tion lag bei einer Frau vor, welche die Katze einer
Nachbarin bei einer guten Gelegenheit unbemerkt
ertränkt hatte, weil ihr das Tier junge Hähne, die
sie verkaufen wollte, getötet hatte. Als Vergeltung
für die Tötung der Katze soll die Nachbarin ein
Vierteljahr später ein Schwein zauberisch geschä-
digt haben.
Zu den Verfehlungen, bei denen man sich die
Rache des Betroffenen erwartete, zählten auch Ver-
stösse gegen die Sitten und Bräuche der ländlichen
Solidargemeinschaft. Als Vergeltung für die Ver-
weigerung einer Hilfeleistung, die ihrer Meinung
nach nicht verweigert werden konnte, sei Magda-
lena Spaltin aus Ruggell mit einem Fuss auf dem
Feld desjenigen herumgefahren, den sie vergeblich
um Hilfe gebeten hatte. Daraufhin hätten die
Mäuse seine Saat aufgefressen, während sie dieje-
nige in den Nachbarfeldern nicht anrührten. Dem
«Scherenfänger» gelang es damals auffallender-
weise nicht, einen einzigen Schädling zu fangen.
255) Röhrich, Lexikon, Bd. 3, S. 638.
256) Röhrich, Lexikon, Bd. 1, S. 229.
51
EINGETRETENE ANKÜNDIGUNGEN VERGEBLICHE BRAUTWERBUNG
Ähnlich wie die bewusst angekündigten oder im
nachhinein entsprechend ausgelegten Äusserun-
gen der Rache wirkten allgemeine Aussagen, die
sich in überraschender Weise erfüllten. Ein Bei-
spiel dafür bot Silvester Hopp aus Ruggell. Als er
von der Dorfjugend verspottet wurde, weil er ein
verendetes Kitz selbst vergraben und nicht wie
üblich dem Wasenmeister übergeben hatte, entgeg-
nete er, er wolle auch lachen, wenn einem ein Tier
umfalle; schon am nächsten Morgen verendete ein
schönes Ross. Das konnte für die meisten Men-
schen kein Zufall sein.
Dasselbe galt für eine Aussage Andreas Egles
aus Mauren. Gegenüber einem Nachbarn, der
Egles Egge ohne dessen Erlaubnis verwendet hatte,
hatte er geäussert, er hätte nicht gedacht, dass
nach der Bearbeitung des Ackers mit diesem Gerät
das Korn so gut aufgehe. Tatsächlich starb es bald
darauf in voller Blüte ab. Die Erklärung dafür hatte
Egle selbst geliefert.
Florian Lampart aus Triesen neckte einen Nach-
barn mit dessen schönen Rüben auf dem Acker und
versicherte ihm ausdrücklich, es geschehe ihnen
nichts. Acht Tage daraufhatten die Würmer jedoch
alles weggefressen, während auf den Nachbar-
äckern keine Schäden zu verzeichnen waren.
Als einmal ein besonders guter Weinstock von
den Umstehenden gerühmt wurde, prophezeite der
ebenfalls anwesende Jakob Blaicher ein Unwetter,
das später tatsächlich alle Trauben verdarb. Damit
hatte er sich in den Augen der meisten Dorfgenos-
sen endgültig entlarvt.
Als sehr verdächtig galt es überdies, seinen Neid
zu deutlich zu äussern. Jakob Hopp aus Ruggell
zum Beispiel hatte sich laut gefragt, ob sein Dorf-
genosse Stachus Marxer wohl auch noch am kom-
menden St. Johannestag stolz auf seinem teuren
Pferd einherreite. Bis zum angekündigten Zeit-
punkt war das Pferd völlig erblindet. Über den
Grund für das Unglück bestand für viele Leute kein
Zweifel mehr.
Einen besonderen Grund für die Krankheit kurz
nach ihrer Verheiratung ortete Maria Rigin aus
Triesen: Noch zwanzig Jahre später war sie davon
überzeugt, dass an den damaligen Schmerzen Mar-
tin Nigg schuld war, denn sie habe ihr «Schapele»
(Brautkrone, Haarzier der Jungfrauen an ihrem
Hochzeitstag257) nicht ihm, sondern einem anderen
gegeben, obwohl es der Nigg gern gehabt hätte.
Von der zauberischen Verursachung ihrer Krank-
heit war sie auch deshalb überzeugt, weil das Übel
durch geistliche Mittel vertrieben werden konnte.
BESITZ- UND WEIDESTREITIGKEITEN
Zahlreiche Schäden bei Tieren und manche Unge-
zieferplage auf den Äckern wurden darauf zurück-
geführt, dass ihre Besitzer das Vieh trotz Mahnun-
gen und Verboten weiterhin auf fremdem Grund
weiden lassen hatten. Aber auch Leute, die andere
von ihrem Besitz gewiesen hatten, fühlten sich
später magisch geschädigt. Selbst wenn man nur
Nachbars Hennen vom eigenen Grundstück ver-
trieben hatte - ganz zu schweigen davon, wenn
man ihm ein Hühnlein auch nur Versehens getötet
hatte - , musste man sich sorgen, dass die eigenen
Tiere auf zauberische Weise Schaden nahmen. Die
Hühner sollen dann zum Beispiel keine brauchba-
ren Eier mehr gelegt haben.
Kam zu einem Streit um Wegrechte noch die
Tatsache, dass jemand auf einer bestimmten Acker-
fläche mehr erntete als andere, lag die Annahme
einer magischen Praxis nahe. Ideale Streitbedin-
gungen und Anlässe für solche Verdächtigungen
boten zum Beispiel auch Nussbäume, deren Ertrag
nach einem bestimmten Schlüssel unter verschie-
denen Leuten aufgeteilt werden musste.
BEWUNDERN UND BERÜHREN VON TIEREN
Der Umgang mit dem Vieh war nicht zuletzt auf-
grund seiner hohen wirtschaftlichen Bedeutung
52
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
eine besonders heikle Angelegenheit. Für die Ent-
stehung des Verdachts auf Schadenzauber bedurfte
es keines unmittelbaren Kontakts mit den Tieren.
Es genügte mitunter, wenn jemand ein solches in
auffälliger Weise bewundert oder gelobt hatte und
es dann erkrankte. Bestimmten Personen wie Anna
Reinbergerin wurde schon vorgeworfen, dass sie
einer Kuh mit einem schönen Euter nachgesehen
hatten. Gleich darauf habe die Kuh nämlich abge-
nommen. Jakob Panzer und seine Frau machte
man mit ähnlicher Begründung für die erlahmten
Hinterbeine eines Ziegenbocks verantwortlich,
denn nur sie hätten dabei zugesehen, wie die Kin-
der Leonhard Kindles ihn zuvor im Freien springen
lassen hatten.
Hielt sich eine Person ohne ersichtlichen Grund
vor einem fremden Stall auf, wurde sie leicht mit
einer Erkrankung des Viehs in Zusammenhang
gebracht. Der Verdacht lag noch näher, wenn sich
jemand sogar uneingeladen in einem fremden Stall
umgesehen oder ein Tier berührt hatte. Sehr ge-
fährlich konnte es sein, wenn jemand - entweder
aus guter Absicht ohne Wissen des Eigentümers
oder auf dessen Aufforderung hin - fremde Kühe
molk und diese daraufhin erkrankten oder ver-
endeten. Zauberischen Einflüssen schrieb man es
auch zu, wenn Tiere zu wüten begannen oder sich
zu Tode tobten.
Eine Kuh, die beim Melken ein bisschen Milch
verschüttet hatte, soll drei Tage lang keine Milch
mehr gegeben haben, nachdem sie der Melker des-
wegen eine Hexenkuh genannt und ihr mit dem
«Eintränken» gedroht hatte.
PROBLEME BEIM SCHMALZEN
Vielfältig waren die Verdächtigungsanlässe beim
Zubereiten von Butter, beim sogenannten Schmal-
zen. Auch das Käsen war beizeiten mit solchen
Schwierigkeiten verbunden, dass man dafür keine
natürlichen Erklärungen finden konnte oder wollte.
Gründe für Probleme sah man unter Umständen
257) Haberlandt, Taschenwör te rbuch , S. 28.
Hexe beim Schaden-
zauber: Aus dem Bei l -
schaft melkt sie die
M i l c h einer Nachbarskuh
53
schon darin, dass eine verdächtige Person in den
Schmalzkübel geschaut hatte oder unaufgefordert
in die Milchkammer einer Alpe gekommen war.
Als sehr problematisch galt es, zum Schmalzen
notwendige Arbeitsgeräte zu entlehnen. So konnte
jemand, nachdem er ein Butterfass nur ungern
hergeliehen hatte, drei oder vier Tage nach dessen
Rückgabe trotz guter Milch selbst in anderen But-
terfässern auf Dauer kein Schmalz mehr erzeugen.
Auch nachdem ein anderer ein Sieb entlehnt hatte,
sei es lange nicht mehr möglich gewesen zu
schmalzen. Ähnlich konnte es sich auswirken,
wenn man jemandem Schmalz lieh. Einem Tries-
ner wurde am nächsten Morgen seine Kuh krank.
Hatte jemand die Vermutung geäussert, man
könne gut schmalzen, weil man eine vorzügliche
Kuh besitze, und folgten kurz darauf Probleme
eben beim Schmalzen, wurden diese als zauberi-
sche Folgen des Neides verstanden. Kaum ohne
Argwohn zu erklären war es für viele Leute, wenn
jemand nicht schmalzen konnte, wenn dann aber
eine Nachbarin, die gerade im Haus anwesend war,
zweimal umrührte und so viel Schmalz gewann,
wie man weder davor noch danach je bekommen
hatte.
Nach Schwierigkeiten beim Schmalzen hatte
Jakob Batliner von seinen Nachbarn am Eschner-
berg folgenden wirksamen Rat erhalten: Nachdem
er festgestellt habe, ob der Rahm auf dem Feuer
wie gewöhnlich überlaufe oder nicht, müsse er
einen Kessel voll Wasser sieden, geweihtes Salz
hineingeben, das Geschirr damit fest ausbrühen
und mit geweihten Rauten, die am Dreissigsten -
also zu Mariä Himmelfahrt (15. August) oder Mariä
Geburt (8. September) - geweiht worden waren, 2 5 8
stark ausreiben.
Im übrigen galt auch bei diesem Problembereich
der zauberische Einfluss zumeist erst recht als
erwiesen, wenn die Schwierigkeiten durch den
Einsatz geistlicher Mittel behoben werden konnten.
VERGLEICH MIT NACHBARN
Verdächtig erschien es, wenn sich der eigene wirt-
schaftliche Erfolg bei vergleichbaren Voraussetzun-
gen über längere Zeit - mitunter auch über Jahre
hindurch - von demjenigen der Nachbarn oder
eines bestimmten Nachbarn merklich unterschied.
Es war für viele Leute unverständlich, dass Kühe
verschiedener Besitzer im selben Stall unterschied-
liche Milchleistung erbrachten. Wie konnte es ge-
schehen, dass von zwei Bewohnern desselben Hau-
ses, die ihre Tiere im gleichen Stall hielten, der eine
immer Glück hatte, dem anderen jedoch nichts
gelang? Warum vermochte jemand aus seinem ei-
genen Tierbestand weder Pferde noch Kühe gross-
zuziehen, während die Jungtiere fremder Leute im-
mer gediehen?
Auch dass der Nachbar gut schmalzen konnte,
man selbst jedoch nicht, führte manch einer darauf
zurück, dass ihm der Ertrag auf magische Weise
entzogen wurde. Den Beweis dafür fand ein Schaa-
ner Bauer darin, dass ein Nachbar, der ursprüng-
lich mit derselben Zahl an Kühen drei- oder vier-
mal mehr Schmalz gewonnen hatte, nach dem Ein-
satz geistlicher Mittel viel weniger als er erzeugen
konnte.
Eine andere Möglichkeit, den grossen Schmalz-
ertrag eines Nachbarn zu erklären, bestand in der
Annahme, dass sich dieser übersinnlicher Kräfte
bediente, ohne anderen Leuten zu schaden. So er-
zählte Lena Ospeltin von Maria Beckin am Triesen-
berg herum, sie habe ein verdächtiges Wesen in
Haus, das ihr schmalzen helfe. Laut Salzburger
Rechtsgutachten handelte es sich dabei um ein
schwarzes Männlein hinter dem Herd; Dr. Welz be-
richtete vom höchst seltsamen Wirken eines
schwachen maidlin[s], daß ihr schmalzen helffe.
Auf magische Ursachen führte man es unter
Umständen zurück, wenn eine gute Kuh nach der
Verpachtung weniger Milch gab, nach der Rück-
kehr zum Eigentümer jedoch wieder die alte Lei-
stung erbrachte. Leicht erklärbar erschienen übri-
gens allerlei Serienunglücke bei Leuten, die in der
Nachbarschaft suspekter Personen lebten.
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«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
MITLEID UND NEUGIER
Gegenüber geschädigten Nachbarn kein Mitgefühl
zu zeigen, machte verdächtig. Aber auch das Mit-
leid einer Person zurückzuweisen, konnte schlim-
me Folgen zeitigen, zum Beispiel wenn dieser kurz
darauf in eigenen Stall ein ähnliches Unglück wi-
derfuhr.
Selbst Äusserungen der Anteilnahme - die frei-
lich nicht immer von Neugier zu unterscheiden wa-
ren - bewirkten manchmal das Gegenteil. So fragte
eine Frau die Magd einer Nachbarin, als diese ein-
mal aussergewöhnlich früh unterwegs war, ob sie
«etwas Krankes» zu Hause habe. Es ist leicht vor-
zustellen, worauf die Magd das Unglück zurück-
führte, als sie danach im Stall entdeckte, dass
tatsächlich ein Ross schwer erkrankt war.
Bei bestimmten Personen erschien es schon ver-
dächtig, wenn sie nur fragten, ob an einem gewis-
sen Ort ebenfalls ein schlimmes Gewitter niederge-
gangen sei, und dann auf eine bejahende Antwort
nichts mehr sagten.
BANNEN
Manchen Leuten wurde die Fähigkeit zugeschrie-
ben, Menschen oder Tiere zu bannen. Darunter
versteht man den «Zwang, den ein Mensch mittelst
eines Zauberwortes oder einer Zauberhandlung
auf andere Wesen (Menschen, Tiere, Geister u. a.)
ausübt, meistens mit dem Zweck, den Gebannten
unschädlich oder unfähig zu machen, seinen Wil-
len zu betätigen». 2 5 9 Der Vaduzer Burgvogt Hans
Rusch zum Beispiel soll durch blosses Umkreisen
ein Pferd so weit gebracht haben, dass es sich nicht
mehr von Fleck bewegte.
TIERVERWANDLUNGEN UND DIE
WUNDERTIERE
Zauberischen Personen wurde zugemutet, dass sie
sich in Tiere verwandeln konnten. So erzählte man
sich vom Schaaner Wirt Bernhard Beck, dass er
sich während einer Pause beim Kornjäten in das
Ährenfeld begeben, sich dort in einen Fuchs ver-
wandelt habe und dann als solcher um seine Ge-
schwister herumgehüpft sei. Nachdem der Fuchs
verschwunden war, sei Beck wieder aus dem Korn-
feld herausgekommen.
Viele Leute waren davon überzeugt, dass es sich
bei einem aggressiven Hund in Matscheis, an des-
sen Bissen ein junger Mann gestorben war, um Ka-
tharina Wangnerin aus Ruggell gehandelt hatte.
Den Beweis dafür sah man darin, dass das Tier bei
einer Auseinandersetzung an der Schnauze verletzt
worden war und die Wangnerin zur selben Zeit mit
einer Wunde im Gesicht aus Matscheis heimkehrte.
Ihre Erklärung der Verletzung mit einem Sturz galt
als Ausrede.
Für viele Nachbarn bildete es keinen Zufall, dass
ein Bewohner von Mauren, der auf der Flur vor
dem Dorf mit dem Schrotgewehr eine Elster schies-
sen wollte, gerade die verdächtigte Katharina Bre-
genzerin getroffen hatte. Elstern galten als Hexen-
tiere. 2 6 0
Auch die Haltung von aussergewöhnlichen Tie-
ren machte suspekt. Maria Kaiserin aus Eschen
zum Beispiel liess ihre Katze die Vögel von einem
Acker vertreiben. Dafür wurde diese reichlich mit
Fressen belohnt. Vor herannahenden Leuten habe
sich das Tier jedesmal auf einem nahen Baum ver-
borgen. Danach habe die «Wachkatze» stets beflis-
sen den Dienst wieder aufgenommen. Dr. Welz
nannte die Katze der Kaiserin doch auch eine
rarität. Seiner Meinung nach war deren Verhalten
jedoch für eine natürliche abrichtung aus zu deü-
ten.
258) Vgl. dazu HDA Bd. 2, Sp. 1775, Bd. 5, Sp. 444, Bd. 7,
Sp. 542-548.
259) HDA Bd. 1, Sp. 874.
260) Ebenda. Sp. 1639.
55
SODOMIE
Ähnlich wie bei der Tierverwandlung überschritten
die zauberischen Menschen auch bei der Sodomie,
beim Geschlechtsverkehr mit Tieren, die Grenzen
der menschlichen Spezies und erwiesen sich da-
durch als nicht mehr würdig, für ein Ebenbild Got-
tes zu gelten. In diesem Sinn diente die Bezeich-
nung einer Person als Ketzer - was soviel wie
Sodomist bedeutete - im Standardrepertoire der
volkstümlichen Beschimpfungen 2 6 1 dem Ziel der
Ausgrenzung einer unliebsamen Person. So wurde
etwa Krispin Marogg aus Triesen, der einst ein
Dachshündchen aus Graubünden mitgebracht hat-
te, 1677 von der mit ihm verfeindeten Ehefrau Kas-
par Senns als hündlin macher gescholten. Er habe
die Jungen seines Hundes alle selbst gemacht.262
Spätestens um die Mitte des 17. Jahrhunderts
verwendete man die aus der theologisch-juristi-
schen Hexendoktrin stammende Vorstellung von
der Teufelsbuhlschaft auch bei volkstümlichen Be-
schimpfungen in derselben Absicht wie den Sodo-
mievorwurf. Die Ehefrau eines Spenglers hielt da-
mals Hans Ospelts Frau vor, dass ihr voriger Mann,
der Schmied Jörgle, mit dem bösen gaist zu schaf-
fen gehabt und den selben gebrautet habe; umge-
kehrt sei auch er vom teüffel gebrautet worden.263
Ulrich Schlegl glaubte, dass er Elsa Schedlerin
tatsächlich bei einer sodomitischen Handlung
überrascht hatte, als er sie auf dem Flur völlig
nackt neben ihrer Geiss antraf. Sie erklärte jedoch,
sie habe sich gerade «flöhen», also von den Flöhen
befreien wollen.
MAGISCHE GEGENSTÄNDE UND ALLTAGS-
GEBRÄUCHE
Der Schmied Michael Schechle zog einem Pferd
einen Nagel aus dem Huf und weigerte sich, diesen
dem Eigentümer des Tieres herauszugeben. Da-
durch entstand der Verdacht, dass es sich dabei um
einen besonderen Nagel gehandelt hatte, der magi-
schen Zwecken diente.2 6 4
Eine Verwandte Michael Schechles, Katharina
Bregenzerin, machte sich durch ihre Gewohnheit,
kein ganzes Brot auf den Tisch zu legen, selbst bei
ihrem Mann verdächtig. Er erklärte, während ihrer
gesamten Ehezeit sei kein einziges unangeschnitte-
nes Brot auf den Tisch gekommen. Dem voran-
gehenden Anschneiden mit dem Messer - meist
verbunden mit dem Kreuzzeichen - kam apotropäi-
sche (das Unheil abwendende) Bedeutung zu. Wei-
ters hütete sich die Bregenzerin davor, das Brot auf
dem Rücken liegen zu lassen; dem wurde nämlich
eine üble Vorbedeutung beigemessen. Auch stellte
sie den Besen stets umgekehrt hinter die Türe. Das
sollte allgemein Schutz bewirken, im speziellen
aber vor Hexen. 2 6 5 Bemerkenswert erscheint, dass
der Ehemann der Bregenzerin diese Sitten - wenn
auch möglicherweise nicht ganz ernsthaft - als
Hexerei bezeichnete. Selbst bei gewöhnlichen Leu-
ten war das volksmagische Denken unterschiedlich
stark ausgeprägt.
DIE VOLKSMAGISCHEN SPEZIALISTEN
UND IHRE MITTEL
Waren die Probleme des Alltags mit den weit ver-
breiteten traditionellen Mitteln nicht mehr zu lö-
sen, konsultierte man volksmagische Spezialisten.
Dazu zählten zunächst Dorfgenossen, denen be-
sondere magische Fähigkeiten zugeschrieben wur-
den. Man nannte sie deshalb auch «Künstler».
Einer von ihnen war Christian Thöni, der sich als
Wahrsager betätigte. Wollte man erfahren, wer
einem «das Schmalzen genommen» habe, wandte
man sich an Hans Marogg, der laut Gutachter Dr.
Moser mit underschidlichen teufelsbossen umb-
gangen war. Bei grossen Schmerzen suchten Be-
wohner von Triesen Rat beim Metzger Fridli
Nigg, der im Haus Hans Kindles wohnte und mit
«Arzneien» umgehen konnte, ohne dass man wuss-
te, woher er die wissenschafft habe. In Mauren
dürfte Adam Schipfer auf ähnliche Weise gewirkt
haben. Wie weit die Künste Simon Rigs aus Triesen
allgemein geschätzt wurden, ist nicht klar. Er be-
hauptete jedenfalls von sich, wenn er durch einen
56
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Ärmel schaue, wisse er, wer das Vieh auf der Alpe
ruckhig gemacht habe. Stecke er eine Nadel ober-
halb der Stalltüre hinein, so müssten sich alle Tiere
von ihren Ketten losreissen und herauskommen.
Auch mancher Geistliche erfüllte eine wichtige
Funktion im volksmagisch geprägten Heilwesen. 2 6 6
So gab Pfarrer Valentin von Kriss aus Triesen
einem Mann für sein Kind, das an der Mutterbrust
nicht mehr richtig saugen wollte, sozusagen als
geistliches Amulett einen Benediktus-Pfennig,2 6 7
den die Mutter umhängen sollte. Als eine vermeint-
lich verzauberte Kuh keine Milch mehr gab, schnitt
ihr Fidelis Matt aus Mauren eine Wandelkerze
(wahrscheinlich Prozessionskerze268) des Pfarrers
unter das Futter.
Grosse Bedeutung bei den Hexenverfolgungen
kamen neben den Scharfrichtern oder Wasenmei-
stern manchmal auch den örtlichen Metzgern zu,
die mit der Beseitigung oder Untersuchung von
Tierkadavern beschäftigt waren. Dabei lieferten
sich mitunter anschauliche Bestätigungen dafür,
dass das Vieh von schlechten Leuten auf magische
Art geschädigt worden sei. Durch ihre Beobachtun-
gen wurde mancher Zaubereiverdacht konkreti-
siert und auf bestimmte Personen kanalisiert.
Ähnlich wie die einheimischen «Künstler» wirk-
ten auch Zigeuner. In Ruggell zum Beispiel Hessen
sie einen Bauern, der vom Unglück heimgesucht
wurde, in seinem Stall graben, wo er dann einen
eigrossen Haarbüschel mit einem Knochen eines
Neugeborenen fand. Eine Zigeunerin erklärte dar-
aufhin, sie müsse das ausgegrabene Requisit dort-
hin tragen, woher es stammte, und brachte es zum
Haus der Katharina Wangnerin, die nur durch
ihren Tod 1679 der Hinrichtung entging.
Für die Bewohner der Grafschaft Vaduz und der
Herrschaft Schellenberg waren darüber hinaus
manche volksmagische Spezialisten jenseits der
Grenzen wichtig. Dazu zählten die Kapuziner, de-
nen manche Leute die in der Feldkircher Apotheke
gekauften Heilmittel, besonders Purgationen, zum
Benedizieren brachten, damit die Wirkung erhöht
würde. Wenn er anders nichts ausrichten konnte,
liess auch der Feldkircher Balbierer (Wundarzt)
Peter Wolf seine Medikamente von den Patres seg-
nen. Zahlreiche Personen, die sich auf magische
Weise geschädigt fühlten, wandten sich gleich um
sogenannte «geistliche Mittel», zum Beispiel zum
Ausräuchern, an die Kapuziner. Diese vertrieben
aber nicht nur Gegenmittel, sondern halfen mitun-
ter, die Verursacher vermeintlichen Schadenzau-
bers zu identifizieren.
Ausser den Leuten, welche sich auf magische
Art bedrängt fühlten, suchten bei den Kapuzinern
auch Personen Rat, die in schlimmem Verdacht
standen und sich durch eine Beichte aus ihrer ver-
hängnisvollen Situation zu lösen versuchten. Dabei
wurden die Patres nicht immer ihrer verantwor-
tungsvollen Rolle gerecht. Im Fall des Vaduzer
Burgvogts Hans Rusch hatte ein Kapuziner sogar
nachweislich das Beichtgeheimnis gebrochen und
damit nicht wenig zu dessen schrecklichen Schick-
sal im Zuge eines Hexenprozesses beigetragen.
Nicht allein die Kapuziner in Feldkirch, sondern
auch diejenigen zu Mels bei Sargans 2 6 9 waren in die
vaduzischen Hexenverfolgungen verstrickt. Im Jah-
re 1680 sprachen die Meiser Ordensleute, die in
der Grafschaft Vaduz beizeiten seelsorglich aushal-
fen, 2 7 0 für etliche grose guettetter ihres Klosters aus
der Pfarrei Balzers vertraulich bei Lizentiat Büche-
le vor, der als Rechtskonsulent an den Hexenpro-
zessen mitwirkte. Sie bewirkten dadurch, dass ihre
gefährdeten Wohltäter nicht aus dem Land flohen
und so bey haus, hoff undt ehren blieben. 2 7 1 Viel-
261) Tschaikner, Magie und Hexerei, S. 155-172.
262) L L A AS 1/ 2, fol. 5a.
263) L L A AS 1/1. fol. 37b.
264) HDA Bd. 4, Sp. 446 f. Über magische Nägel vgl. auch
Tschaikner, Magie und Hexerei. S. 84 f.
265) HDA Bd. 1, Sp. 452, 1653 u. 1135.
266) Vgl. Tschaikner, Magie und Hexerei, S. 85-88.
267) Vgl. dazu HDA Bd. 1, Sp. 1035-1038.
268) Vgl. Vorarlbergisches Wör terbuch , Bd. 2, Sp. 1524.
269) Zur Geschichte des Klosters vgl. Geschichte der Gemeinde Mels,
S. 162.
270) Z. B. Büchel, Pfarrei Triesen, S. 62.
271) StAAug 2969, fol. 62b.
57
leicht hängt der auffallend niedere Anteil der Opfer
aus Balzers bei den Hexenprozessen auch mit dem
Wirken der Meiser Kapuziner zusammen.
Dennoch gilt für die Grafschaft Vaduz und die
Herrschaft Schellenberg, was schon für das süd-
liche Vorarlberg festgestellt werden konnte:2 7 2 Die
Kapuziner, denen im volksmagischen Bereich gros-
se Bedeutung zukam, spielten bei den Hexenverfol-
gungen allgemein keine rühmliche Rolle.
Grosse Nachfrage von sehen der vielfach be-
drängten Menschen erfuhr zumindest in den sieb-
ziger Jahren des 17. Jahrhunderts der sogenannte
Doktor am Hirschensprung, einem Weiler der Ge-
meinde Rüthi auf der Schweizer Seite des Rheintals
etwa in der Höhe der Illmündung. 2 7 3 Er war wohl
identisch mit dem ebenfalls erwähnten Doktor in
Oberriet. Der Heiler am Hirschensprung blickte
mitunter nur in die Hand eines Patienten und wus-
ste schon Bescheid. Er wurde bei allen möglichen
Schwierigkeiten konsultiert. So suchte etwa Georg
Anger bei ihm Rat, weil er von seinen vier Hühnern
keine Eier bekam, obwohl sie jeden Tag legten. Zur
Bekämpfung einer magisch verursachten Mäuse-
plage gab der Heiler einem Ratsuchenden ein Mit-
tel, das er an allen vier Ecken des Ackers an einem
Freitag vor Sonnenaufgang zu vergraben hatte,
wobei er an jeder Ecke fünf Vaterunser und Avema-
ria beten musste. Laut Aussage des Geschädigten
hatte dieses Mittel gewirkt, nachdem der Scheren-
fänger völlig erfolglos geblieben war.
Der Lindauer Jurist Dr. Welz kritisierte den Dok-
tor am Hirschensprung in seinem Rechtsgutachten
vom 12. März 1679 scharf. Er schrieb, dass der
Heiler durch viele selzame monieren, welche er bei
seinen euren wider dergleichen zauberej zu ge-
brauchen pfleget, das gelt auß dem beütel feget,
durch seine nichts taugende ceramonies den aber-
glauben deß gemeinen manns nicht umb ein weni-
ges vermehret und die teüfel durch Beelzebub auß-
zutreiben pflege. Weiters verdächtigte Dr. Welz den
Heiler, selbst mit dem Teufel im Pakt zu stehen. Er
stellte es der Vaduzer Obrigkeit anheim, ob es nicht
angebracht wäre, durch ein expresses verbott dem
einfältigen underthanen diese an leib und seel ge-
fährliche nebenwege abzuschneiden und selbigen
an statt dergleichen abergläubischen mittein zu
dem von gott eingesezten und in seinem beruf
lebenden medico hinzuweisen.274
Andere vom Volk konsultierte Heiler waren Dr.
Rusch von Appenzell und ein Doktor in Weiler, der
vielleicht identisch war mit dem oft erwähnten Dr.
Weiler. Vom ihm ist belegt, dass er sich den «Brun-
nen» (Urin) der Patienten ansah. 2 7 5 Auch er war mit
seinen Behandlungen oft erfolgreich. Dabei ver-
stärkte er nicht selten bestehende Verdächtigun-
gen, indem er erklärte, die Schwierigkeiten rührten
von bösen Leuten her. Als sich Adam Walser aus
Schaan in seiner Not an Dr. Weiler wandte, soll ihm
dieser Christina Wagnerin als seine Schädigerin in
einem Spiegel gezeigt haben.
Als ein weiterer auswärtiger Fachmann in volks-
magischen Belangen wurde der Freimann (Scharf-
richter) unter dem Kapf in Feldkirch auch von Be-
wohnern der Herrschaft Schellenberg manchmal
konsultiert. Um 1680 hatte Meister Roni Oberhol-
zer dieses Amt inne. 2 7 5
An magischen Mitteln sind ausser bestimmten
Medikamenten, mehr oder weniger wirkungsvollen
Sälblein oder Pülverchen, dem altbewährten Wun-
dermittel Theriak 2 7 7 - das laut Dr. Welz das gemei-
ne bauren medicament darstellte2 7 8 - , ausser Räu-
cherkraut und anderen geweihten Sachen «Oster-
tauf» und «Malefizwasser» oder das «Malefiz-Trän-
kle» erwähnt. «Ostertauf» hiess das Wasser, das an
den Vorabenden des Osterfestes als Taufwasser
geweiht wurde und wegen der ihm zugeschriebe-
nen vielfältigen wunderbaren Wirkungen begehrt
war. 2 7 9 Als «Malefizwasser» wurde wohl Weihwas-
ser verwendet, das von jeher als Schutzmittel vor
Behexungen und als Heilmittel gegen magisch ver-
ursachte Krankheiten geschätzt war. 2 8 0 Jedenfalls
soll es Würmer aus dem Mund getrieben haben, die
ellenlang waren, zwei Köpfe besassen und sich auf
der Erde noch aufgestellt hätten; andere Kranke
hätten nestelglimpfen (Blechbesätze an den Enden
von Schuhschnüren 2 8 1 ) und fliegenähnliches Mate-
rial oder eine grüne, zähe, abscheuliche Materie
erbrochen, die wie Krötenlaich aussah und auf der
Erde gezittert habe, ja einmal sogar auf der Erde
hin- und hergehüpft sein soll.
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«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Ausser den verschiedenen Mitteln empfahlen die
Heiler zur Identifizierung der Schädiger hin und
wieder auch eine Abschirmung der Kranken von
der Aussenwelt. Der Verursacher der Krankheit
könne dann identifiziert werden, wenn er bald dar-
auf komme und nach dem Zustand des Patienten
frage. Besonders auffällig sollte es dann sein, wenn
jemand mehrmals nach dem Kranken fragte. Auch
andere Neugier bei Krankheiten machte verdäch-
tig.
272) Tschaikner. Magie und Hexerei, S. 214.
273) Der Ortsname erscheint demnach älter zu sein, als angenom-
men wird: Rüthi (Rheintal), S. 2; Rüthi im St. Galler Rheintal,
Bildteil, S. 2.
274) Welz 2, S. 10-12.
275) Vgl. dazu für das f rühe 19. Jahrhundert: Weitensfelder, «Fünf
Minuten mit Venus», S. 220.
276) Vgl, dazu Scheffknecht, Scharfrichter, S. 146, 150 u. 156 f.
277) «Theriak (griech.): altes Universalarzneimittel in Form einer
Latwerge, angeblich vom Leibarzt des Kaisers Nero, Andromachus,
erfunden und in einem Gedicht beschrieben, das durch Galenus in
seiner Schrift <De antidotis> erhalten ist. Es bestand aus 70 Stoffen
und wurde bis in die neuere Zeit in den Apotheken Venedigs,
Hollands, Frankreichs mit gewissen Feierlichkeiten und unter Auf-
sicht von Magistratspersonen gefertigt. Jetzt wird es nur noch als
Volksheilmittel benutzt. Nach der <Pharmacopoca germanica Ed. I >
bereitete man T. aus 1 Teil Opium, 3 Teilen spanischem Wein, 6
Teilen Angelikawurzel. 4 Teilen Rad. Serpentariae, 2 Teilen Baldri-
anwurzel, 2 Teilen Meerzwiebel, 2 Teilen Zitwerwurzel, 2 Teilen
Zimt, 1 Teil Kardamom, 1 Teil Myrrhe, 1 Teil Eisenvitriol und 72
Teilen gereinigtem Honig.» (Meyers Großes Konversa t ions lex ikon .
19. Bd., S. 474.)
278) Welz 4, S. 2.
279) HDA Bd. 6, Sp. 1356 f.
280) HDA Bd. 9, Sp. 286-288.
281) Vorarlbergisches Wörterbuch. Bd. 1. Sp. 1200.
Das Gerichtsverfahren
DIE INQUISITION UND FORMIERUNG
DER A N K L A G E
Vor dem eigentlichen Gerichtsverfahren fand die
sogenannte Inquisition statt. Dabei verhörte die
Gerichtsbehörde entweder geheim oder auf einem
öffentlichen Aufruf hin Zeugen über bestimmte
verdächtigte Personen. Die Inquisition konnte auf
Grund von Anzeigen aus der Bevölkerung oder
selbständig von Amts wegen vorgenommen wer-
den. Die entsprechende Tätigkeit nannte man «in-
quirieren».
Nach der Erhebung und Sammlung der Vorwür-
fe legte das Gericht die gewonnenen Indizien vor-
schriftsgemäss einem oder mehreren Rechtsge-
lehrten zur fachlichen Begutachtung vor. Bei den
Prozessen in der Mitte des 17. Jahrhunderts hatten
sich dazu Dr. Johann Jakob Dilger, Oberamtmann
des adeligen Damenstifts zu Lindau, und Dr. Jo-
hann Jakob Härder, Landrichter zu Rankweil,
nicht ohne sonderbahre frucht gebrauchen las-
sen.2*'1 Die Rechtsgutachten für die «Brüglerischen»
und «Walserischen Prozesse» in den Jahren 1679
und 1680 wurden von Dr. Thomas Welz aus Lindau
verfasst.
Nach der Beurteilung der vorliegenden Indizien
durch die Juristen und der Verhaftung der Ver-
dächtigten wurde der Hexenprozess eingeleitet.
Schwangere Frauen blieben in der Regel davon
verschont.
MÖGLICHKEIT DES LOSKAUFS
Der designierte Feldkircher Vogteiverwalters Dr.
Gugger erklärte im Sommer 1682 auf eine entspre-
chende Anfrage hin, es hätten sich bei den letzten
Gerichtsverfahren wegen Hexereiverdachts etliche
Leute, über die inquiriert worden war, mit gelt
redimiert, was bedeutet, dass sie sich von den Pro-
zessen oder Strafen freigekauft hät ten. 2 8 3 Als der
Verfasser des Salzburger Rechtsgutachtens diesem
Vorwurf nachging, erhielt er aus Vaduz eine ab-
schlägige Antwort. Es habe nur Fälle gegeben, bei
denen Personen mit Geld abgestraft worden seien;
im übrigen möchte mann wol wüssen, wer sich des-
sen beklagt hetteP4
Aus den Unterlagen über Gerold Negele, den
Ministranten des Schaaner Kaplans Gerold Hart-
mann, geht jedoch eindeutig hervor, dass man sich
bei den Vaduzer Amtleuten «auskaufen» konnte.2 8 5
Negele hatte dies aber nicht vor einer weiteren Ver-
haftung bewahrt. Als er dem Gericht anbot, sich
um 400 Gulden nochmals freizukaufen, ging dieses
nicht darauf ein. 2 8 6 Auf Grund der vorgesehenen
Konfiskation wäre das Geld ohnehin der Obrigkeit
anheimgefallen.
Weiters ist überliefert, dass sich die Urgrossmüt-
ter der Maria Hoppin aus Vaduz und der Marga-
retha Fromoltin aus Schaan vor längerer Zeit um
1 000 respektive um 500 Gulden freigekauft hätten.
Bei letzterer sei dies sogar erst nach der «Besieb-
nung», also nach der endgültigen Bestätigung der
Geständnisse vor sieben Zeugen, geschehen.287
Die Mutter der Anna Maria Negelin aus Schaan
soll wegen eines Hexereivorwurfs des Landes ver-
wiesen worden sein, denn ein Mann sei verstorben,
ohne dass er vorher seine Behauptung widerrufen
hatte, sie habe ihm einen Stier verritten. 2 8 8 Der
Landesverweis, die sogenannte Relegation, lässt
sich in den vorliegenden Akten aus Liechtenstein
zwar nicht nachweisen, er wurde jedoch zum Bei-
spiel in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts
nicht selten im Württembergischen als Strafe für
Hexerei verhängt . 2 8 9
(In den Aktenauszügen Johann Baptist Büchels
ist irrtümlich von einer «ausgewiesenen Katharina
Gfassnerin]» 2 9" statt von der im September 1681
ausgerißnen Cathrina Gasnerin die Rede.291)
DER PROZESS UND DIE HINRICHTUNG
Zumindest die Hexenprozesse von 1678 bis 1680
fanden - anders als es in den Landsbräuchen
für die Malefizverfahren vorgesehen war 2 9 2 - im
Schloss Vaduz unter dem Vorsitz des Landvogts,
des obersten herrschaftlichen Beamten, statt. Bei-
sitzer waren je nach der Herkunft der Angeklagten
entweder die Ammänner der Herrschaft Schellen-
60
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D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
berg oder jene der Grafschaft Vaduz und verschie-
dene gewöhnliche Gerichtsleute, die jedoch alle
kein Stimmrecht bei der Urteilsfindung besassen.2 9 3
Das Gericht bestand damals nicht nur aus Laien-
richtern, sondern wurde von einem Juristen gelei-
tet beziehungsweise vor Ort beraten. 1678 stand
der kaiserliche Landrichter Dr. Georg Christian
dem Gremium vor, 1679 der Jurist Dr. Romaricus
Brügler von Herkelsberg, und bei den Prozessen
von 1680 wurde der Landvogt Andreas Joseph
Walser von einem Rechtskonsulenten, dem Lizen-
tiaten Johann Büchele, unterstützt. Zudem holte
sich das Gericht vor den Verfahren von 1679 und
1680 Rechtsauskünfte bei Dr. Welz aus Lindau ein.
Der erste Akt im Verfahren waren die «Exami-
nierungen», die Einvernahmen des Gefangenen
ohne Anwendung der Tortur. Obwohl dabei mitun-
ter wie etwa bei Anna Reinbergerin ein Exorzismus
vorgenommen wurde, erreichte man bei den Ex-
aminationen in den meisten Fällen kein «brauch-
bares» Ergebnis, so dass oft noch am selben Tag
zur «Torquierung», zur Folterung, geschritten wur-
de. Davon handelt das folgende Kapitel.
Nach dem erzwungenen Geständnis, das stets
die wesentlichen Bestandteile der gelehrten Hexen-
vorstellung umfassen musste, erfolgte die soge-
nannte «Besiebnung». Dabei hatte der Delinquent
seine Aussagen formal vor sieben Zeugen noch ein-
mal endgültig zu bestätigen. Das daraufhin gefällte
Urteil lautete bei den Hexenpersonen auf lebendige
Verbrennung. Es wurde jedoch zumeist in einem
zweiten Schritt durch eine Begnadigung zur Ent-
hauptung mit anschliessender Verbrennung des
Leichnams abgemildert.2 9 4
Danach führte man die Delinquenten zum Hin-
richtungsplatz und exekutierte sie. Es ist davon
auszugehen, dass auch die Malefikanten aus der
Herrschaft Schellenberg beim Vaduzer Galgen hin-
gerichtet wurden, obwohl die Herrschaft Schellen-
berg über die gesamte hohe Gerichtsbarkeit mit
der Gerichtsstätte Rofenberg sowie über einen
eigenen Hinrichtungsort auf Güdingen verfügte. 2 9 5
Der Galgen der Grafschaft Vaduz stand südlich des
Vaduzer Ortskerns, laut Josef Büchel ungefähr in
der Mitte der Südfront des heutigen Gebäudes der
Firma Lova. Diese Örtlichkeit lag früher nahe oder
unmittelbar am alten Rheinuferbord. 2 9 6 Die Flin-
richtungen bildeten wie anderenorts wohl auch in
der Grafschaft Vaduz und in der Herrschaft Schel-
lenberg ein Art von Volksfest mit grosser Anteil-
nahme der Bevölkerung.
DIE RICHTER, REISITZER UND
PROTOKOLLISTEN REI DEN PROZESSEN
VON 1679 UND 1680
LANDVOGT DR. ROMARICUS BRÜGLER VON
HERKELSBERG
Über die Person des Landvogts Romaricus Brügler
von Herkelsberg war bislang fast nicht bekannt.
Vor kurzem konnte Karl Heinz Burmeister eru-
ieren, dass er um 1640 in Ensisheim im Elsass
geboren wurde, 1651 in Freiburg studierte und
später den akademischen Grad eines Doktors bei-
der Rechte erwarb. Er könnte ein Sohn des kaiser-
lichen Flofpfalzgrafen sowie vorderösterreichi-
282) V L A HoA 47.3.
283) StAAug 2971. fol. 2b.
284) Ebenda, fol. 4b+5a.
285) Ebenda, fol. 32a.
286) SRg, fol. 259a.
287) SRg, fol. 214a u. 213a.
288) SRg. fol. 230b.
289) Gehring, Hexenprozesse. S. 39.
290) Büchel, Protokolle. S. 1 18.
291) L L A AS 1/2, fol. 66a.
292) Schädler. Rechtsgewohnheiten, S. 60 f.; Schamberger, Malefiz-
gerieht, S. 23-27.
293) ÖStA Deneg. Ant. 96; zur Teilnahme der Gerichtsleute vgl. zum
Beispiel die Aussage Leonhard Kindles bei Georg Nigg aus Triesen.
294) Vgl. Seger. Hexenprozesse, S. 107 f.
295) Ospelt. Gerichtswesen, S. 226 f.; vgl. auch den Flurnamen «bim
Galgabrünnili»; LNb Eschen. S. 22-25.
296) Büchel, Gemeinde Triesen, S. 910.
61
sehen Kammerrates und Kanzleiverwalters Johann
Christoph Brügler gewesen sein. Romaricus Brüg-
ler, der selbst ebenfalls kaiserlicher Hofpfalzgraf
war, verfasste mehrere Bücher, unter anderem
zwei Anleitungen «zu rechten Christlichen Regier
und Staadts=Künsten». Nach seiner Flucht aus
Vaduz gelangte er über Zwischenstationen nach
Laibach, wo er als juristischer Ratgeber des Lan-
deshauptmanns von Krain, des Grafen bzw. Für-
sten Johann Seyfried von Eggenberg (1644-1713),
wirkte. 2 9 7
Nachdem er im Gefolge der problematischen Fle-
xenprozesse des Frühjahrs 1679 auch die Gunst
des Landesherrn verloren hatte, floh er heimlich
von Frau und Kindern aus dem Land in die freyung
nach Chur. Später soll er heimblicher weiß auf dem
landt seinem Beruf nachgegangen sein. 2 9 8 Das
heisst wohl, dass er sich als Winkeladvokat betätig-
te. Der kaiserliche Kommissar Rupert von Bod-
man konnte bis 1685 nicht in Erfahrung bringen,
wo sich Dr. Brügler aufhielt. 2 9 9
Johann Baptist Büchel meinte, dass Dr. Brügler
später zu denjenigen Leuten zählte, «denen über
jenen Wahn ein Licht aufging, und die ein vernünf-
tiges Urteil darüber gewannen». Dafür soll er auch
noch «getadelt und bestraft» worden sein. 3 0 0 Auch
Otto Seger schreibt: «Er, der doch selbst genug der
ungerechten Prozesse geführt hat, scheint zum
Schlüsse seine Schuld und die Schuld der Herr-
schaft eingesehen zu haben.» 3 0 1 Diese Auffassung
beruht auf einem falschen Verständnis einer Ent-
schuldigung, die Andreas Reinberger aus Vaduz
1681 in Zuge eines Injurienverfahrens vorbrachte.
Er erklärte seine unbedachten Äusserungen über
die vergangenen Hexenverfolgungen damit, dass er
vom gewesten landtvogt Brügler dahin hinderführt
und betrogen worden sei. 3 0 2 Das heisst nicht, dass
sich Brügler als geläuterter Mensch wieder im
Land aufhielt. Reinberger münzte vielmehr seine
Kritik an den Hexenprozessen auf die «Brügleri-
schen Verfahren», wobei ihm auch von der Obrig-
keit nicht widersprochen werden konnte.
LANDVOGT ANDREAS JOSEPH WALSER
Rupert von Bodman schrieb, dass es mit Landvogt
Andreas Joseph Walser eine ähnliche Beschaffen-
heit habe wie mit seinem Vorgänger Dr. Brügler: Er
habe nur die Familie und Schulden hinterlassen.3 0 3
Walser war 1635 in Feldkirch als Sohn des Ober-
wachtmeisters Johann Jakob Walser geboren wor-
den. Seine Mutter heiratete später Zacharias Pap-
pus von Tratzberg. Andreas Joseph Walser stu-
dierte um die Jahrhundertmitte in Dillingen und
amtierte 1671, 1675 und 1677 als Stadtammann
von Feldkirch. 3 0 4 Er war nachweislich kein Jurist. 3 0 5
Walser verstarb im November 1684 in Feldkirch. 3 0 6
Neben dem Haupteingang des dortigen Rathauses
erinnert heute noch sein Wappen an ihn. 3 0 7 Im
benachbarten Liechtenstein hat er sich ein weniger
ehrenhaftes Andenken verdient.
RECHTSKONSULENT LIZENTIAT JOHANN
BÜCHELE
Der Lizentiat beider Rechte Johann Büchele, aus
Hard bei Bregenz gebürtig, war im Mai und Juni
1679 «als eine Art Oberamtmann in Ems» tätig. 3 0 8
Im folgenden Jahr diente er dem Vaduzer Landvogt
Walser als Rechtskonsulent bei den Hexenprozes-
sen. Die Feldkircher Beamten erklärten 1681,
Büchele sei damals noch ein junger Praktikant
gewesen, der davor kaum jemals einen Kriminal-
prozess geführt habe. 3 0 9 Seit 1682 war er Besitzer
der Mittelweiherburg bei Hard und stand damals
als Rat und Kanzleiverwalter in gräflich styrumbi-
schen Diensten zu Illereichen (zwischen Memmin-
gen und Ulm). 3 1 0
Im Zuge der Untersuchungen der kaiserlichen
Kommission geriet auch er in Schwierigkeiten, weil
er sich bei den vaduzischen Prozessen vornemblich
gebrauchen, sich auch davon nit abwendig machen
lassen habe. Er wurde deshalb 1685 vor die kai-
serliche Kommission nach Vaduz zitiert, erschien
jedoch nicht. 3 1 1 Noch vom 26. März 1697 ist ein
Brief erhalten, in dem sich Büchele gegen Anschul-
digungen im Zusammenhang mit den Vaduzer Pro-
62
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
zessen zur Wehr setzte. Er erklärte, dass er dort
der unmassgeblichste Beisitzer gewesen sei und
dass er nie an einer Inquisition in Vaduz teilgenom-
men habe. Das könne man anhand der Akten fest-
stellen. Die Inquisitionen in der Grafschaft Vaduz
seien vielmehr von Landvogt Walser sowie von den
Landammännern Wolf und Bürkle vorgenommen
worden. Büchele erwähnte jedoch wohlweislich
nicht, dass er an den Inquisitionen in der Flerr-
schaft Schellenberg beteiligt gewesen war, und
zwar gegen Anna Marxerin, 3 1 2 gegen Katharina
Bregenzerin 3 1 3 und gegen Anton Flopp. 3 1 4 Laut
Büchele waren die Aufzeichnungen, die im Zuge
der Inquisition angefertigt worden waren, gleich
darauf zur rechtlichen Begutachtung an Dr. Welz
und Dr. Rehm nach Lindau übersandt worden. Die
oben genannten Verdächtigten seien in der Folge
nach deren Ratschlag gefangen und an die Folter
geschlagen worden.
Weiters erklärte Büchele, er habe nachweislich
nichts mit den Konfiskationen zu tun gehabt. Er
habe allein an den Examinationen teilgenommen,
wo er eher als ein Advokat für die Angeklagten
agiert habe. Einige (!) Leute, die noch in der Pfarrei
Triesen wohnten, habe er sogar beim leben erhal-
ten, obwohl sie schon zum Tod verurteilt worden
waren und exekutiert werden hätten sollen. Das
könne Herr Braun aus Feldkirch bezeugen, der
damals in Vaduz Aktuarius und Protokollist war.
Mit den erwähnten Personen aus der Pfarrei Trie-
sen, die er gerettet haben wollte, konnte allein Kat-
harina Gassnerin gemeint sein. Büchele rechnete
es sich wohl als Verdienst an, dass er dem Ein-
spruch des Triesner Pfarrers stattgegeben hatte.
Die übrigen Delinquenten, die bereits verurteilt
waren, wurden bekanntlich hingerichtet.
Büchele schrieb 1697, die Kapuziner von Mels
hätten ihm einst im Vertrauen mitgeteilt, dass etli-
che grose guettetter ihres Klosters aus der Pfarrei
Balzers aus dem Land zu fliehen beabsichtigten,
weil sie von Hingerichteten als Teilnehmer an den
nächtlichen Hexentänzen angegeben worden wa-
ren. Auf die Frage der Patres, was ihre Wohltäter
tun sollten, habe er ihnen aus mitleiden zum trost
davon abgeraten, dass sich diese durch die Flucht
verdächtig machten, und damit geholfen, sie bei
Flaus, Hof und Ehren zu halten. Möglicherweise
hatte sich die Intervention der Meiser Kapuziner
auch andersweitig auf die Eindämmung der He-
xenverfolgungen in Balzers ausgewirkt.
In seinem Brief von 1697 hob Büchele weiters
hervor, er habe etliche Frauen aus der Pfarrei
Eschen, die in die Fronfeste nach Vaduz gekom-
men waren, bey ihrem leben erhalten, indem er
dagegen protestierte, dass sie über die Gebühr hart
gefoltert würden; er sei aufgestanden und willens
gewesen, die Gerichtssitzung zu verlassen. Nach-
dem ihm daraufhin aber der Landvogt und die
Beisitzer diese Frauen überlassen hatten, habe er
sie nach Ausstellung einer Urfehde nach Hause zu
ihren lieben kindern geschickt. Diese «etlichen»
Frauen aus der Pfarrei Eschen, die Büchele durch
seinen energischen Protest vor dem Tod bewahrt
297) Diese Angaben stammen aus den Vorarbeiten zu einem Artikel
über Brügler im «Historischen Lexikon für das Fürs tentum Liechten-
stein», den Herr DDr. Karl Heinz Burmeister gerade verfasst. Ich
bedanke mich an dieser Stelle herzlich für die Möglichkeit, einige
Informationen schon in der vorliegenden Publikation zu verwerten.
298) StAAug 2972, fol. 67a. Bei Seger. Hexenprozesse, S. 57, falsch
gelesen.
299) ÖStA Deneg. Ant. 96.
300) Büchel, Protokolle, S. 109.
301) Seger, Hexenprozesse, S. 62.
302) LLA AS 1/ 2, fol. 72a; Büchel, Protokolle, S. 119.
303) ÖStA Deneg. Ant. 96.
304) Vallaster, Stöckli, S. 25.
305) StAAug 2972. fol. 67a.
306) ÖStA Deneg. Ant. 96.
307) Somweber, Bilder, S, 9.
308) Welti, Entwicklung, S. 98.
309) StAAug 2972, fol. 67a. Hier wird Büchele wohl irr tümlich als
Doktor bezeichnet.
310) Welti, Geis terbeschwörungen, S. 106; Welti, Residenzort, S. 98.
311) ÖStA Deneg. Ant. 96; StAAug 2969, rol. 9a-13b u. 56a-59b.
312) StAAug 2968, fol. 54a+b.
313) Ebenda, fol. 35a.
314) Ebenda, fol. 20b.
63
haben wollte, konnten nur Katharina Bregenze-
rin und Barbara Moratin gewesen sein.
Welche Rolle Büchele bei den Prozessen wirklich
gespielt hatte, lässt sich anhand der vorliegenden
Dokumente nicht mehr feststellen. Auf alle Fälle
wurde er nach eigener Einschätzung für seine
Mühewaltung nur schlecht entlohnt. Mehr als
100 Gulden, auf die er einen Anspruch zu haben
glaubte, waren immer noch ausständig. Die bösen
Gerüchte über ihn stammten von misgöhnnern,
deren er nicht wenige hatte. Er bat den kaiser-
lichen Kommissar abschliessend, kheine weitere
ungnadt diser processen halber auf ihn zu werf-
fen.™
AMMANN KASPAR SCHREIBER
Kaspar Schreiber, ehemaliger Zolleinnehmer zu
Vaduz und Landammann, 3 1 6 verstarb im Juni 1681.
Da sich seine Verlassenschaft auf etwa 15 000 Gul-
den belief, wurden seine Erben mit den An-
sprüchen der Opfer der Hexenverfolgungen kon-
frontiert, über deren Höhe aber keine Angaben
vorliegen. 3 1 7
Kaspar Schreiber glaubte selbst, dass Hexenper-
sonen seinen Besitz und die Gesundheit seiner
Tochter geschädigt hätten.
AMMANN GEORG WOLF
Ammann Georg Wolf aus Vaduz (1619 bis 16833 1 8)
hinterliess bei seinem Tod etwa 5 000 Gulden. Die
kaiserliche Subdelegation einigte sich 1685 mit den
Nachkommen der Opfer sowie den Erben des Va-
duzer Landammanns darauf, dass letztere als pau-
schale Wiedergutmachung 2 000 Gulden bezahl-
ten. 3 1 9
Ammann Wolf hatte sich durch Burgvogt Rusch
einmal selbst auf zauberische Weise geschädigt ge-
fühlt.
A M M A N N GEORG BÜRKLE
Ammann Georg Bürkle aus Schaan, geboren 1616
oder 1617, machte 1682 Konkurs 3 2 0 und wurde
öffentlich vergantet. Daraufhin zog er aus der Graf-
schaft Vaduz weg zu einem Bruder, der Geistlicher
war. 3 2 1
DIE AMMÄNNER HANS ÖHRE UND JAKOB
SCHREIBER
Die Schellenberger Landammänner Hans Öhre (ge-
storben am 8. September 1687) und Jakob Schrei-
ber, beide aus Eschen, 3 2 2 waren die einzigen Ver-
antwortlichen, die von der kaiserlichen Kommis-
sion persönlich zur Rechenschaft gezogen hätten
werden können. Man sah jedoch davon ab. Dafür
mussten sie sich Anfang 1685 mit ihrem gesamten
Hab und Gut verpflichten, für Schadenersatzzah-
lungen bereit zu sein. 3 2 3 Beide Ammänner waren
allerdings laut Bericht des kaiserlichen Kommis-
sars von sehr geringen mittlen.324
Hans Öhre hatte sich um 1675 übrigens selbst
auf magische Weise massiv geschädigt und bedroht
gefühlt. In dieser Meinung war er sowohl vom
Scharfrichter als auch von den Kapuzinern be-
stätigt worden. 3 2 5
315) StAAug 2969. Ibl. 62a-63a.
316) Nicht in Ospelts Landammänner-Verze ichnis angeführ t .
317) ÖStA Deneg. Ant. 96; V L A HoA 76,17.
318) Ospelt. Landammänner-Verze ichnis , S. 51; laut Schaaner
Pfarrbuch von 1647-1694 (Film im LLA) wurde er am 17. März
1683 begraben.
319) V L A HoA 76,17; ÖStA Deneg. Ant. 96.
320) Büchel, Protokolle, S. 144.
321) ÖStA Deneg. Ant. 96; Ospelt. Landammänner-Verzeichnis ,
S. 42.
322) Ospelt, Landammänner-Verze ichnis , S. 47 u. 49.
323) V L A HoA 76,17.
324) ÖStA Deneg. Ant. 96.
325) Vgl. die Angaben bei Maria Kaiserin aus Eschen.
64
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
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il „ ' i r / X -^«s> y/>
Schreiben vom 21 . Feb-
ruar 1685, in dem sich die
beiden Schellenberger Alt-
A m m ä n n e r Hans Öhre und
Jakob Schreiber gegen-
ü b e r den kaiserl ichen
Subdelegations-Kommis-
s ä r e n mit ihrem gesamten
Hab und Gut v e r b ü r g e n ,
f ü r weitere Gerichtsverfah-
ren in der Folge der auf-
gehobenen Hexenprozess-
urteile zur Ver fügung zu
stehen
65
DIE PROTOKOLLISTEN
Unter Landvogt Dr. Brügler wirkte der Landschrei-
ber Johann Georg Baumgartner als Aktuar und
Protokollist bei den Hexenprozessen.3 2 6 Er blieb bis
spätestens September 1679 in seinem Amt als
Landschreiber.3 2 7
Bei den Hexenprozessen des Jahres 1680 war
Franz Anton Braun als Protokollist tätig. 3 2 8 Lizen-
tiat Büchele verwechselte später seinen Namen mit
dem seines Sohnes Zacharias, 3 2 9 des Bürgermei-
sters der Stadt Bludenz. 3 3 0
DIE BEZAHLUNG DER RICHTER
In einem Schreiben der Feldkircher Beamten vom
Jänner 1681 heisst es, es haben auß dem uber-
meßigen eyffer in fortsetzung solcher unordentli-
chen processen die examinatores unndt beysitzern
gleichmeßig sich eines particular interesse nicht
wenig suspect gemacht, in deme sie täglich ... ihre
sportulas pro qualitate personarum haben und
ihnen selbst assigniren.331 Otto Seger wollte später
sogar beweisen, dass der Eifer der Beamten bei
den Hexenprozessen «zum großen Teil daraus zu
erklären» sei. 3 3 2
Die Landammänner wurden für ihre Tätigkeit
als Beisitzer bei den Gerichtsverfahren nicht
schlecht bezahlt, die ausbezahlten Summen dürfen
jedoch nicht überschätzt werden. Wie bereits ange-
führt, waren zum Beispiel die Ammänner Georg
Bürkle, Hans Öhre und Jakob Schreiber durch die
Hexenprozesse von 1680 keineswegs zu Reichtum
gelangt. Allein die Erben Georg Wolfs und Kaspar
Schreibers wurden in den achtziger Jahren nach
Aufhebung der Urteile durch die kaiserliche Kom-
mission wegen eingenohmenen confiscation gel-
tern zur Rechenschaft gezogen.3 3 3
Die gewöhnlichen Gerichtsleute erhielten ausser
der Verpflegung keine Gebühren ausbezahlt. Ohne
Zweifel aber hatten sie - und wohl überhaupt ein
grösserer Personenkreis - auf manche andere Wei-
se von den Flexenprozessen profitiert. Eine Mög-
lichkeit dazu bildete zum Beispiel der Umstand,
dass zur Eintreibung der Konfiskationsgelder nicht
selten die Fahrnis der Hingerichteten unter ihrem
wahren Wert verkauft wurde. 3 3 4
Aus einer in den achtziger Jahren zusam-
mengestellten Übersicht, 3 3 5 bei der Landammann
Bürkle aufgrund seines Konkurses von 1682 nicht
berücksichtigt ist, geht hervor, dass Kaspar Schrei-
ber und Georg Wolf bei den «Brüglerischen Prozes-
sen» von 1679 für insgesamt 80 Tage - wohlge-
merkt auch für Sonn- und Feiertage - Sportein (Sit-
zungsgebühren) erhielten. Kaspar Schreiber wurde
mit 45 Kreuzer je Tag (total 60 Gulden), Georg Wolf
mit 54 Kreuzer (total 72 Gulden) entlohnt.
Bei den «Walserischen Prozessen», die teils im
Frühjahr und teils im Herbst 1680 stattfanden und
alles in allem etwa vier Monate dauerten, erhielten
Kaspar Schreiber und Georg Wolf dieselben Tages-
sätze. Schreiber verdiente insgesamt 75 Gulden,
Wolf 90.
Die Schellenberger Ammänner Hans Öhre und
Jakob Schreiber wurden bei den «Walserischen
Prozessen» höher entlohnt. Die Verfahren, an de-
nen sie teilnahmen, begannen im April 1680 und
endeten im August 1680. In dieser Zeit hätten sich
die beiden nach eigenen Aussagen schier alle täg
sich eingefunden, obwohl man ihnen nur für 100
Tage ihr sizgelt bezahlte. Öhre bekam pro Tag ei-
nen Gulden und acht Kreuzer (insgesamt 113 Gul-
den 20 Kreuzer), Schreiber jeden Tag einen Gulden
(insgesamt 100 Gulden).
Zusammengerechnet bezogen also bei den He-
xenprozessen der Jahre 1679 und 1680 Kaspar
Schreiber 135 Gulden, Landammann Wolf 162 Gul-
den, Landammann Öhre 113 Gulden 20 Kreuzer
und Landammann Jakob Schreiber 100 Gulden,
was insgesamt die Summe von 510 Gulden 20
Kreuzern an Sitzungsgeldern ausmachte.
DIE FOLTERUNG
Die Folterung der Angeklagten wurde auf Anord-
nung des Gerichts durch einen Scharfrichter vorge-
nommen, 3 3 6 der den Verlauf der Prozesse durch sei-
ne Tätigkeit mitunter wesentlich mitbestimmte.3 3 7
66
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
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Erste Angaben über angewandte Foltermetho-
den sind uns von den Prozessen des Jahres 1634
überliefert. Damals wurden der Daumenstock, die
sogenannte Fuchsbank, die Braunschweigischen
Stiefel und die tortura insomniae eingesetzt. Letzte-
re nannte man auch Folter des «emsigen Wa-
chens», weil die Angeklagten dabei so lange am
Schlafen gehindert wurden, bis sie jeden Wider-
stand aufgaben.3 3 8
Bei den Verfahren um die Mitte des 17. Jahrhun-
derts setzte das Vaduzer Gericht den Bregenzer
Scharfrichter Meister Christoph Hirt ein, obwohl
der Bruder des Landesherrn, der Hohenemser Graf
und Feldkircher Vogt Karl Friedrich von Ems, kurz
davor, im Jahr 1649, für seine Gebiete einen eige-
nen Scharfrichter angestellt hatte.339
Bei den Hexenprozessen von 1650 erhielt Mei-
ster Hirt für seine Arbeit einen Tageslohn von
einem Gulden und 48 Kreuzern. Für die Tage, an
denen er nicht benötigt wurde, bezahlte man ihm
45 Kreuzer Wartgeld. 3 4 0
Im folgenden Jahr weigerte sich der Feldkirch
Vogt seinerseits, den Bregenzer Scharfrichter bei
326) V L A HoA 76,17, Delinquentenliste von 1682, S. 12. Hier wurde
Baumgartner wohl versehentlich mit dem Vornamen Georg Andreas
angeführ t .
327) LLA AS 1/ 2, fol. 2a u. 42b.
328) V L A HoA 76,17, Delinquentenliste von 1682, S. 2 u. 11; zu
seiner Person vgl. auch Bilgeri, Feldkirch, S. 288.
329) StAAug 2969, fol. 62b.
330) Tschaikner, Barockzeitalter, S. 260 u. 519; Stadtarchiv Bludenz
92/20.
331) StAAug 2972,.fol. 66b.
332) Seger, Hexenprozesse, S. 58.
333) V L A HoA 76,17.
334) StAAug 2971, fol. 19a.
335) V L A HoA 76,17.
336) Vgl. zur Thematik Scheffknecht. Scharfrichter, passim.
337) Vgl. Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde» , S. 64.
338) Kaiser, Geschichte, S. 434.
339) Scheffknecht, Scharfrichter, S. 24 u. 155.
340) LLA RA 146/21.
Eine gewöhn l i che Ar t der
Folterung bildete das
Aufz iehen an einem Seil.
Mitunter wurde die Qual
durch Gewichte ve r schä r f t ,
die man an die Beine des
Angeklagten h ä n g t e
67
Schreiben des ehemaligen
Schaaner Kaplans Gerold
Hartmann vom 28. August
1682, in dem er auf
Anfrage der kaiserlichen
Kommiss ion die Folter des
Spanischen Fusswassers
e r l äu t e r t
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
den anstehenden Hexenprozessen einzusetzen,
da er zue disem geschafft weegen seines offnen
mundts und ohnverschweigenhait nit zuegebrau-
chen sei. Bey dem vaduzischen proceß habe er sich
wider seinen gelaisten aydt uhnverandtworthli-
chen verhalten und sei dessentweegen zue zway-
mahlen der gebüer nach abgestrafft worden.34*
Tatsächlich sind in Meister Hirts Abrechnung vom
26. September 1650 zwei Geldstrafen angeführt,
die er wegen gewisser Scheltworte bezahlen mus-
ste.342 Von seiner folgenreichen Affäre mit der Frau
des Ammanns Hilti war bereits die Rede. 3 4 3
Neben den gewöhnlichen Arten der Folterung
durch Aufziehen an einem Seilzug oder an einer
Leiter wandte man das sogenannte Spanische
Fusswasser an. Ein Scharfrichter aus der Schweiz
hatte diese neue Foltermethode vermutlich 1669
bei den Prozessen, die unter dem Vorsitz des Land-
vogts Köberle stattfanden, in Vaduz eingeführt. In
Graubünden und in der Schweiz soll sie schon
davor gemainlich gebraucht worden sein. 3 4 4 Laut
Bericht des designierten Feldkircher Vogteiverwal-
ters Dr. Gugger vom August 1682 war das Spani-
sche Fusswasser aber in den österreichischen
Herrschaften vor dem Arlberg wie auch sonst im
Reich nicht gebräuchlich. Der Scharfrichter, von
dem man diese Art der Tortur übernommen hatte,
wird in den Unterlagen nicht näher genannt; es
heisst nur, dass er 2 stundt von Vaduz hauste.3 4 5
Otto Seger schreibt, dass er aus dem Bündnerland
gekommen sei. 3 4 6 In den Akten ist jedoch ausdrück-
lich von einem Schweizer die Rede. (Graubünden
wurde erst 1799 schweizerischer Kanton.) Auch
die überlieferte Entfernungsangabe deutet auf Sar-
gans. Ein Meister Jakob von Sargans ist übrigens in
• A —
1 — J l L T 1 i c
Skizze, die der E r k l ä r u n g
des Spanischen Fusswas-
sers durch Kaplan Gerold
Har tmann beigelegt ist
341) V L A HoA 47,3; vgl. auch Tschaikner, Feldkirch, S. 117 f.
342) L L A RA 146/21.
343) Vgl. S. 18.
344) Vgl. dazu Bader, Hexenprozesse, S. 116.
345) StAAug 2971, fol. 2a+b.
346) Seger, Hexenprozesse, S. 105.
69
der Scharfrichterrechnung für die Hexenprozesse
von 1650 erwähnt . 3 4 7
Auf Nachfrage der kaiserlichen Kommission, die
von der Juristenfakultät in Salzburg um nähere In-
formation gebeten worden war, 3 4 8 verfasste Kaplan
Gerold Hartmann im August 1682 in seinem Hei-
matort Frastanz einen schriftlichen Bericht mit
einer beigefügten Skizze über das Spanische Fuss-
wasser: Zuerst habe man ihn auf ein niedriges
Stöcklein gesetzt. Dann seien seine Hände hinter
dem Rücken mit dem Folterseil hart zuesamen ge-
bunden sowie etwas in die Höhe gezogen worden,
damit er nicht mehr umfallen konnte. Daraufhin
habe man ihm zwei Bretter hinter die Waden und
auf das Schienbein gelegt. Durch zwei negel, wel-
che die beiden Bretter verbanden, wurden die Bei-
ne weit auseinandergespreizt. Anschliessend band
man einen Strick über die Knie, den man kräftig
rüttelnd zusammenzog, weliches ain solicher
schmertzen ist, das es mier gleich alle sinn undt
verstandt genummen. m Nach der Folter habe er
nicht mehr gehen können. 3 5 0 Von Barbara Mora-
tin und Katharina Bregenzerin sind ebenfalls Er-
fahrungsberichte über diese Folterung erhalten.
Die Moratin war dabei noch mit dem Rauch ge-
weihter Materialien behandelt und wohl auch mit
anderen geistlichen Mitteln bearbeitet worden.
Laut Angaben der vaduzischen Beamten setzte
man die Tortur des Spanischen Fusswassers bei
manchen Angeklagten 2, 3 oder 4 stundt, auch len-
ger ein. 3 5 1 Sie wurde mitunter mehrfach wieder-
holt.
Eine weitere Verschärfung der Qualen bildete
das Befestigen eines schweren Steines am Körper
des aufgezogenen Angeklagten. 3 5 2 Darüber hinaus
kam nicht erst bei den Hexenprozessen von 1679
und 1680 ein sogenannter Esel zum Einsatz. Das
war ein scharfkantiges Gestell, auf dem die Ange-
klagten unter grossen Qualen ausharren mussten.
Barbara N. , die Ehefrau Sebastian Conrads aus
Vaduz, verstarb bei der Folterung auf diesem In-
strument.3 5 3
Der Scharfrichter, der bei den «Brüglerischen»
und «Walserischen Prozessen» zum Einsatz kam,
Hexen beim Schaden-
zauber. Im Hintergrund
fliegt eine Hexe auf einem
Geissbock
70
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
ist in den Quellen schwer fassbar. Nur an einer
Stelle in den Unterlagen zu Jakob Blaicher heisst
es, Meister Dietrich habe die mahlzeichen auf dem
buckhl Blaichers gesehen, die ihm der Teufel we-
gen seines Ungehorsams zugefügt hätte. Es wurde
damals also der Bregenzer Scharfrichter Meister
Dietrich Metz eingesetzt, der von 1666 bis 1694 in
den österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg
tätig war und wahrscheinlich aus Augsburg
stammte.354 Bei den Wasserburger Hexenprozessen
der fünfziger Jahre legten die Augsburger Scharf-
richter Meister Dietrich und sein Schwiegersohn
Marx Hartmann ein besonders grausames Vorge-
hen an den Tag. In Wasserburg wirkte 1656 übri-
gens ebenfalls ein Bregenzer Scharfrichter aus der
traditionsreichen Familie Vollmar mit, 3 5 5 obwohl
für dieses Jahr gleichzeitig Christoph Hirt in dieser
Funktion bezeugt ist. Möglicherweise war bei den
Vaduzer Hexenprozessen auch ein zweiter, 1681 in
Bregenz erwähnter Scharfrichter mit Namen Jo-
hann Philipp Vollmar beteiligt.3 5 6
Bei den «Brüglerischen» und «Walserischen
Prozessen» wandten die Scharfrichter die Tortur
sehr scharf an. Deshalb wurde sie von bedeutend
weniger Personen als im benachbarten Vorarlberg
überstanden, wo etwa ein Drittel der Angeklagten
freikam. 3 5 7 In Vaduz waren es 1679/80 nur zwei
von 47 Personen, also etwa vier Prozent.
Nicht nur die beiden Frauen aus Mauren, die
nicht hingerichtet werden konnten, sondern auch
andere Leute erwiesen sich auf der Folter als sehr
widerstandsfähig: Anna Marxerin aus Mauren zum
Beispiel widerrief ihre Aussagen viermal, obwohl
sie deshalb dreimal ins Spanische Fusswasser und
einmal auf den Esel gesetzt wurde. Maria Kaise-
rin aus Eschen hingegen gestand alles, was man
von ihr verlangte, schon als man sie - auf Grund
ihres Alters - nur an die Folter stellte, ohne sie auf-
zuziehen.
DIE GESTÄNDNISSE
Die in den Quellen überlieferten Geständnisse,
welche die Grundlagen für die Verurteilungen bil-
deten, dürften von den vermeintlichen Hexenper-
sonen ohne Ausnahme unter der Folter erpresst
worden sein. Die entsprechenden Aussagen der
Angeklagten sind deutlich stärker von den juri-
stisch-theologischen Vorstellungen, also von der
gelehrten Hexendoktrin, geprägt als die Klagen, die
im Rahmen der volkstümlichen Hexenverfolgungen
vorgebracht wurden. Beide Ebenen vermischten
sich jedoch im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts
zusehends.3 5 8
Katharina Gassnerin aus Triesen erklärte aus-
drücklich, dass sie bei der Folterung gestanden
habe, was sie aus mündlichen Erzählungen und
von den Urteilen wusste, die bei Hinrichtungen ver-
lesen worden waren. Euphemia Hoppin aus Rug-
gell gab zu Protokoll, dass sie das, was sie vor
Gericht bekannte, aus den predigen vernommen
hatte. Eine solche Erklärung konnte die Obrigkeit
nicht unwidersprochen lassen. Deshalb zwang man
die Hoppin daraufhin zum Geständnis, es hette ihr
der böse geist solche entschuldigungen gesagt.
347) LLA RA 146/21.
348) StAAug 2969. fol. 36a.
349) StAAug 2971. fol. 8a+9a.
350) Ebenda, fol. 2a.
351) Ebenda, fol. 2a.
352) In den vorliegenden Akten wird kein Gewicht angegeben.
353) Vgl. dazu Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde» .
S. 158.
354) Scheffknecht, Scharfrichter, S. 149 f.
355) Wiedemanii. Hexenprozesse. S. 11.
356) Scheffknecht. Scharfrichter, S. 149 f.
357) Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde», S. 213.
358) Vgl. dazu Tschaikner, Magie und Hexerei, S. 1 36-139.
71
DIE GESTÄNDNISSE BEI DEN HEXENPROZESSEN
IN DER MITTE DES 17. JAHRHUNDERTS
Ausser den Bruchstücken von Geständnissen bei
einem Hexenprozess des Jahres 1634, die hier in
der chronologischen Darstellung der Ereignisse an-
geführt sind, 3 5 9 überliefert Peter Kaiser noch einige
weitere Angaben aus den Verfahren um die Jahr-
hundertmitte. Dazu zählen die sogenannten «Frag-
stucken», nach denen die Angeklagten vernommen
wurden. Man fragte sie unter anderem: «Wie ist die
Stimme des Buhlen gewesen? Was hat er für Füße
gehabt? Hast du nicht müssen den Teufel anbeten,
ihm versprechen zu dienen und gehorsam zu sein?
Hast du ihm nicht müssen den Hintern küssen?
Wie war der Stecken gestaltet, auf dem dich der
Buhle zum Nacht-Tanz geführt und wo ist er zu fin-
den? Was hast du gesprochen, da du aufgesessen,
in wessen Namen bist du ausgefahren? Wie ist es
hergangen auf dem Stecken, hoch oder nieder?
Was hast du gethan da du zum Tanz kommen?
Sind Lichter allda gewesen? Wer ist der oberste
Teufel? Was für Ehre müßt ihr ihm anthun? Was
für Wetter hast du machen helfen nach dem Tanz,
wie ist's hergangen, und auf was Weis und was für
Materie ist gesotten worden? Was müßt ihr thun,
bis die Materie gesotten ist und wie gibt es alsdann
Wetter ab? Was hast du für Vieh, Roß, Schaf, Kühe
u.s.w. verderbt, gelähmt und wie hast du es ge-
macht? Hast du deine Kinder nichts dergleichen
gelehrt? Hast du nicht den Hagel gemacht, welcher
vor anderthalb Jahren dahier gewesen, und gleich
nach gehaltenem Malefiz-Gericht ausgebrochen
ist?» 3 6 0
Eine gewisse Greta aus Triesen soll bei den
Hexenprozessen um die Mitte des 17. Jahrhunderts
unter der Folter folgendes Geständnis abgelegt ha-
ben: «Vor etwa 10 Jahren her sei der böse Geist, so
sich <Jooß> genannt und schwarz gekleidet gewe-
sen, mit einem Federbusch auf dem Hute, zu ihr
in's Haus gekommen, um seines Willens mit ihr zu
pflegen, was sie ihm gestattet. Da habe er ihr Sil-
bergeld geben, was hernach nur Feuerspäne und
Kuder gewesen, und dann begehrt: sie soll sich
Gottes und des himmlichen Heeres verläugnen,
was sie gethan. Die Ursache ihrer Verläugnung sei
gewesen, daß [s]ie Lust zu Männern gehabt und
nicht dazu kommen mögen. - Nach diesem sei der
böse Geist wiederum zu ihr gekommen und habe
sie zu einem Tanz auf einem Kreuzweg abgeholt.
Dabei sei sie gar fröhlich gewesen und habe meh-
rere bekannte Weiber angetroffen. Vor drei Jahren
sei sie auf ihrem Kalb auf das Balznerried geritten,
allwo ihre Gespielen versammelt gewesen, da hät-
ten sie getanzt bei einer Geigen. Vor vier Jahren
seien sie und ihre Gespielinnen auf dem Guggerbo-
den beim Mondschein zusammengekommen und
hätten Tanz und Kurzweil getrieben und eine jede
habe ihres Buhlen Namen in's Holz gesezt, so hät-
ten sie die Buchen verdorben und sei keine groß
worden. In selbem Jahr hätten sie auch hinter dem
Gulmen und auf dem Flahnenspiel nächtliche Zu-
sammenkünfte gehabt: da hätten sie Schnee und
Ungewitter dermaßen zugerichtet, daß die Leute
von der Alp hätten fahren müssen. Vor zwei Jahren
sei sie auf einem Bock, der ihr eigen gewesen, zu
der Linden auf dem Plaz zu Vaduz geritten, wo sie,
ihre Gespielinnen und Buhlen eine nächtliche Mal-
zeit gehalten und getrunken; den Wein hätten sie
aus des Landschreibers Keller geholt. Der böse
Geist habe ihr oft zugemuthet, Unglück und Uebels
anzustellen, was sie nicht habe thun wollen, darum
er sie jämmerlich traktirt und geschlagen. Vor vier
Jahren habe sie dem Andres Jäger seine Kuh in ih-
res Buhlen Namen mit einer Ruthe geschlagen,
worauf sie abgangen, das Gleiche habe sie einem
Kalb des Pauli Müller, einem Ochsen des Jakob
Bargezi und vieler andern gethan. Vorigen Sommer
habe sie im Bovel zu Triesen 3 6 1 einen grausamen
Wind gemacht, der Bäume und Reben zerrissen,
auch sonst an Gebäuden und anderm Schaden ge-
than. Am Triesnerberg habe sie aus einem Hafen,
der ihr der böse Geist zugestellt, einen Reifen ge-
macht, dadurch die Weide ganz verderbt wor-
den.» 3 6 2
Anna vom Triesnerberg gab während oder nach
der Folter zu Protokoll: «Vor ungefähr zwei Jahren
sei der böse Geist, so sich <Federhans> genannt, zu
ihr in's Haus an den Herd gekommen und habe an
sie begehrt: sie solle sich Gottes, des Allmächtigen,
72
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Maria und des himmlichen Heeres verläugnen, so
wolle er ihr Geld genug geben. Das habe sie gethan
und Geld darauf empfangen, da sie aber solches
behalten wollte, seien es lauter Hobelschnitten ge-
wesen. Oftmal habe sie nach Anleitung ihres Buh-
len Kälbern, Kühen und anderem Vieh zu lecken
gegeben und es sei allemal erkrankt und abgegan-
gen. Oft sei sie zum Kamin oder zum Fenster auf
einem Besenstiel hinausgefahren und habe das
lustige Volk auf dem Balznerried, bei der Linden zu
Vaduz, oder hinter dem Gulmen, besucht mit ihrem
Buhlen und sei da gar fröhlich gewesen bei Tanz
und Spiel.» 3 6 3
Die angeführten Auszüge aus den Hexenge-
ständnissen gleichen stark denjenigen Aussagen,
die zum Beispiel im benachbarten Vorarlberg erfol-
tert wurden. Die Hexen sollen vor allem aus Grün-
den der Armut oder der Lüsternheit hinter den
Teufel geraten sein, indem sie sich mit ihm zu-
nächst auf eine Buhlschaft und daraufhin auf einen
Pakt einliessen, bei dem sie Gott und die Heiligen
verleugnen mussten und durch vorgeblendetes
Geld betrogen wurden. Sie nahmen in der Folge an
Hexensabbaten teil, wo es bei Musik, Speisen und
Wein, der aus dem Keller bekannter Leute entwen-
det wurde, recht munter hergegangen sein soll. Auf
Anordnung des Teufels hätten die Hexen allerhand
Schadenzauber ausführen müssen. Immer wieder
versuchten sich die Angeklagten in ein besseres
Licht zu rücken, indem sie erklärten, dass sie ge-
schlagen wurden, wenn sie den Befehlen des Teu-
fels nicht nachgekommen seien.
Der angeführte Teufelsname «Jos» bildet die
Kurzform des verbreiteten Vornamens «Jodok».
Die zweite Bezeichnung «Federhans» verweist auf
die gängige Vorstellung, dass der Teufel ähnlich
359) Vgl. s. 14 f.
360) Kaiser, Geschichte, S. 436.
361) Wiesen südlich des Dorfes, nördlich der Badtobelröfi:
LNb Triesen, S. 18 f.
362) Kaiser, Geschichte, S. 435 f.
363) Ebenda, S. 436,
Hexe und ihr Teufels-
buhle unterwegs zu einem
Hexentanz
73
den Landsknechten eine Federtracht trug. 3 0 4 Die
Ausfahrt aus dem Kamin und der Flug auf dem Be-
sen zählten in den Herrschaften vor dem Arlberg
nicht zum volkstümlichen Repertoire der Hexen-
vorstellungen, sehr wohl hingegen der Flug auf
dem Bock. 3 6 5
DER SONDERFALL URSULA TANNER1N
Nicht nur hinsichtlich der Überlieferung, sondern
auch bezüglich des Inhalts nimmt die undatierte
bekanttnus der Ursula Tannerin eine Sonderstel-
lung ein. 3 6 6 Das Dokument stammt vermutlich aus
der Mitte des 17. Jahrhunderts 3 6 7 und bildet das
einzige im Original vorliegende Geständnis mit Be-
zug auf das Hexenwesen aus dieser Zeit. Es ist
wohl nur deshalb erhalten, weil es sich eben um
kein typisches Hexengeständnis handelt, denn die-
ses Verbrechen steht nicht im Zentrum der Einver-
nahmen.
Die bekanttnus der Ursula Tannerin besteht aus
zwanzig Punkten:
1. Erstlihen ires manns halben zaigt sy an, er
sey zue Kempten uff dem markht gewessen. Und
als er haim komen, hab er ain geschwollen ange-
siht gehaptt. Und also ain tag ahn umbgang
krankh gewessen. Und aines tags alf!] sy von der
kirchen haim komen, er gar krankh inn bethtf!] gle-
gen und sterben wollen, hab sy ime das kisse und
pfulben u f f s angesiht gelegt, uff in also hingefallen
und erstekht.
2. Item als sy sampstags hernaher wider befragt
worden, zaigt sy an, sy habe vorermelttem irem
man inn ainer suppen ve[r]geben[Gift gegeben].
3. Mer so hab sy zwayen iren kindern inn ainem
muos vergeben, welches iro der böß gaist [durchge-
strichen: geben] geratten und geben.
4. So seye der böß gaist in lebzeytten irs mans
vor 10 jaren und mit iro biß uff dise zeytt viermaln
zu schaffen gehaptt.
5. Als sy jezo inn gefenkhnus glegen, sey der böß
gaist zu ir kommen, gesagt, sy sol standthafft sein
und nichsl!] bekhennen.
6. Es habe ir der böß gayst, als sy inn der kam-
mer glegen gefangen, iro zway heffelein geben,
darmit soll sy bößes mit anstifften. Sy aber die häf-
felin hin weg geworffen und nit thon wellen.
7. Bekent sy, der böß gaist hab sy angerayzett,
das sy bayde ire gnaden sampt dero khindern mit
bösem begegnen solltte, hab es aber nit thon kön-
den.
8. Bastian iro vermainter man hab Wissens ge-
ha.pt, das sy iren ersten mann umbbracht, ja wie
die gemain sag gewessen.
9. So hab sy Stoffel dem jäger jungen nahts, als
er geschlaffen, ainen griff geben an schenkhl, dar-
durch ime der schenkhel also böß worden.
10. Wan sy das hailig sacrament empfangen,
hab sy es wider von ir brochen und also nit bey iro
gepliben.
11. Hab sy meiner gn. frawen von derselben gül-
den ketten, so im stüblin glegen, etlihe glaith [Glie-
der] darvon gerissen und gestollen, die selbige ai-
nem goldtschmidt zu Veldkirch gebraht zu khauf-
fen geben p. vier gülden.
12. Zum zwölfften, so hab sy auch dem goldt-
schmidt, welhem sy gemeltte guldine glaith geben,
darmit zwen silberlöffell, so ir gn. gewessen, p. ain
gülden geben.
13. Zum dreyzehendten, die 2 guldine ring, so
hoffmaister Wild verloren, hab sy gestollen und
Jacob Plenkhen geben p. 2 f f .
14. Zum vierzehendten hab sy bemeltten Plenk-
hen ain silberin dischbecher, darin baider ir gna-
den wappen gegraben, one verschlagen noch ver-
prohen, umb einen gülden zu kauffen, welhes an
ainem sontag bescheh und angezaygt, sy habs ge-
stollen.
15. Zum fünfzehendten, so hab sy ime gemelten
Plenkhen geben drey disch die her, sehs disch z...[?[
inn ainem büschellin geben, darfür iro ongevar bey
vier bazen dargegen worden.
16. Zum sechszehendten, hab sy gesagts Blen-
k]i]hs weib ain meßlin weyß mel und 2 laib brott, so
uberpliben, darfür Plenkhis weib iro 6 kreuzer
geben.
17. Mer bekent sy, als Bastian das korn, so dem
herrn appt von Pfeffers wider erstatten worden, da
74
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
sey ain viertl und ongefar ain meßlin darzu, so
gersten oder korn gewessen, uberpliben, seye mer-
gemelter Plenkhin zu inen kommen und gesagt, er
wolle solhes zu som korn behaltten.
18. Bekant sy, das sy Teys Düfftlis weib ain we-
nig schmalz geben.
19. Bastian hab nit Wissens gehapt, das sy obge-
nante stukh gestollen.
20. Zum zwainzigisten, so hab sy offternanter
Bastian gezwungen, das sy mit ime hab miessen
hinweg ziehen, und hab sy den Bastian mit nihten
angerayzt, das er seinem weib oder kinder ettwaß
unschadlihs sollen zu fiegen, sonderen offtmal zu
ir kommen und zu iro gesagt, wann sy nit mit ime
wolle, so solle sy vor ime nit siher sein.
Die Geständnisse der Ursula Tannerin lassen er-
kennen, dass sie ursprünglich des Mordes an
ihrem Ehemann verdächtigt wurde, dass sie später
mit einem Familienvater zusammenlebte und in
gräflichem Dienst stand. Dort beschuldigte man sie
bald des Schadenzaubers an etlichen Personen und
vor allem des Diebstahls. Diese Vorwürfe bilden
den Hauptteil des Geständnisses. Wegen des ge-
standenen Schadenzaubers und der Teufelsbuhl-
schaft ist es möglich, dass sie als Hexe hingerichtet
wurde. (Es sei hier daraufhingewiesen, dass in den
Triesner Matrikebüchern unter dem Jahr 1651 ein
Nikolaus Tanner mit dem Beisatz «ehemals ver-
brannt» vermerkt ist.368)
DIE GESTÄNDNISSE BEI DEN PROZESSEN
VON 1679 UND 1680
Die Geständnisse bei den Hexenprozessen der Jah-
re 1679 und 1680 sind nicht in Form von Original-
akten, sondern nur indirekt in den erhaltenen
Rechtsgutachten überliefert. Die Angaben der De-
linquenten setzten sich zumeist aus den klassi-
schen fünf Bestandteilen zusammen:
- Der Teufelspakt: Die vermeintlichen Hexenper-
sonen mussten sich dem Teufel mit Leib und Seele
verschreiben, Gott und die Heiligen verleugnen
sowie versprechen, nicht mehr zu beten und ihre
Kinder dem Bösen zu übergeben. Der Vertrag mit
dem Teufel soll durch eine Unterschrift mit eige-
nem Blut aus irgendeinem Körperteil (sogar aus
dem Mund oder dem Herz) besiegelt worden sein.
- Die Teufelsbuhlschaft: Der Bund mit dem Teufel
wurde durch die sogenannte Teufelsbuhlschaft, die
sexuelle Vereinigung, vollzogen. Der Körper des
Teufels soll dabei unnatürlich kalt gewesen sein
und nach dem Geschlechtsverkehr mitunter eine
scheussliche grüne Gestalt angenommen haben.
- Hexenflug: Zu den Versammlungen und Tänzen
begaben sich die Hexen auf Besen, Stecken, Ga-
beln, Stühlen und Katzen. Vor dem Flug mussten
diese Requisiten entweder mit einer Salbe behan-
delt werden, oder/und man hatte bestimmte Worte
zu rezitieren. Manchmal legte eine Frau an ihrer
Stelle einen Gegenstand, zum Beispiel ein blöckhle,
ins Bett, damit ihre Abwesenheit vom Ehemann
nicht bemerkt würde.
- Teilnahme an Hexensabbaten: Hexentänze fan-
den vor allem am Mittwoch und am Freitag, beson-
ders im Sommer und zu den heiligen Zeiten (Feier-
tagen) statt. Eindeutig aus der theologisch-juristi-
schen Hexendoktrin stammen die Angaben, dass
auf den Sabbaten Hostien «verunehrt» wurden.
Auf den Flexenversammlungen sollen dieselben
sozialen Unterschiede wie in der realen Welt be-
standen haben. So habe zum Beispiel Johanna
Kranzin als wohlgekleidete und vornehme Dame
daran teilgenommen. Auch eine Art von militäri-
scher Hierarchie ist bezeugt. Udo Kranz wurde ein-
mal von vermeintlichen Hexen als ihr Feldwaibel
denunziert. Ihn und den Balzner Wirt Ulrich
Weiss gaben sie überdies als Spielmann oder Gei-
ger an.
364) Tantsch, Teufels- und Hexennamen. S. 80 f.
365) Tschaikner, Magie und Hexerei. S. 147 f.
366) LLA RA 144/10.
367) Die Aussagen der Dannerin könnten wohl am besten durch
den e rwähn ten Hofmeister Wild, über den mir aber bislang keine
Angaben vorliegen, zeitlich eingeordnet werden.
368) Büchel, Pfarrei Triesen, S. 64.
75
Mahlzeit auf dem Hexen-
sabbat: Die Teufel bedie-
nen die Teilnehmer
Tanz der Hexen mit ihren
Teufelsbuhlen
- Schadenzauber: Die Delinquenten mussten eine
breite Palette von Schadenzauber gestehen, von
der Verursachung von Unwettern, Stürmen und
Hagel, der Zerstörung der Früchte und des reifen-
den Weins, dem magischen Diebstahl von Wein aus
bestimmten Kellern bis zur Tötung von Tieren,
Schädigung von Kindern, Beimischung von Gift in
Getränke und so weiter. Weigerten sich die Delin-
quenten, einen vom Teufel anbefohlenen Schaden-
zauber auszuführen, sollen sie von ihm bestraft
worden sein.
Zu den Prozessgeständnissen gehörten regel-
mässig Denunziationen von weiteren vermeintli-
chen Teilnehmern an Hexensabbaten. Manche De-
linquenten gaben über hundert andere Personen
zu Protokoll.
HEXENTANZPLÄTZE
In den erhaltenen Unterlagen zu den Hexenprozes-
sen sind die erwähnten Hexentänze oder -sabbate
nur selten genauer lokalisiert. Zwei Frauen aus
Triesen und vom Triesenberg führten in ihren
Geständnissen bei den Verfahren in der Mitte des
17. Jahrhunderts folgende Örtlichkeiten an:
- den Guggerboden, eine grosse Waldlichtung,
östlich ober dem Wangerberg, 3 6 9
- das Hahnenspiel, ein Bergmassiv südöstlich
oberhalb von Steg, 3 7 0
- ein Ort hinter dem Gulmen, dem Übergang vom
Rheintal ins Saminatal,
- das Balznerried, eine Flur südlich der Lawena-
röfi an der Gemeindegrenze von Triesen zu Bal-
zers, heute Wesa genannt,371 und
- die Linde zu Vaduz, also die Gerichtslinde im
Äuli nordwestlich der heutigen Pfarrkirche. 3 7 2
Weiters führte eine der Frauen einen Kreuzweg
als Hexentanzplatz an. Solche Wegkreuzungen
oder -gabelungen galten im Volksglauben allge-
mein als Orte, an denen das Übernatürliche oder
Dämonische am mächtigsten wirkte. Deshalb wur-
den sie später oft mit christlichen Kreuzen verse-
hen. 3 7 3
76
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Franz Josef Vonbun erwähnte in seinen Darle-
gungen auch einen Hexentanzplatz in Lavadina,
einem Ortsteil von Triesenberg. 3 7 4
Aus den Aussagen der Katharina Gassnerin aus
Triesen sind Tuas, eine Flur nördlich oberhalb des
Lawenatobels, und der Heuberg, der sich am West-
hang des Heubüals oberhalb von Triesen erstreck-
te, als Hexentanzplätze bekannt.3 7 5
Die einzigen Angaben zu Hexenversammlungs-
orten in der Herrschaft Schellenberg stammten aus
den Akten über Jakob Blaicher. Dort heisst es, De-
linquenten hätten auf der Folter bekannt, dass sie
nahe dem Haus von Jakobs Vater Valentin Blai-
cher, einem verruchten Spielmann, im Widum-
oder im Pfrundgut des Pfarrers zu Eschen getanzt
hätten. Dieses befand sich beim Mösnerfeld am
Eschnerberg.3 7 , 1
DIE FRAGELISTE VON DR. THOMAS WELZ
Hexenpersonen begehen
auf Geheiss des Teufels
Go t t e s l ä s t e rung
Im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien liegt ein
sogenanntes Interrogatorium vom Juni 1680, nach
dem die Angeklagten in den letzten Hexenpro-
zessen befragt wurden. 3 7 7 Es stammt aus der Feder
von Dr. Thomas Welz. Inwieweit die vorgeschla-
genen Fragestellungen vom Vaduzer Gericht be-
rücksichtigt wurden, kann man nicht mehr genau
feststellen, da die Unterlagen zu den gerichtlichen
Einvernahmen fehlen. Ein Vergleich mit den Ge-
ständnissen, die in den Rechtsgutachten angeführt
sind, lässt jedoch den Schluss zu, dass manche
369) LNb Triesenberg. S. 36 f.
370) Ebenda, S. 38 f.
371) LNb Triesen, S. 16 f.
372) LNb Vaduz, S. 40 f.
373) HDA Bd. 5, Sp. 516-529.
374) Vonbun, Beiträge, S. 92 u. 98.
375) LNb Triesenberg, S. 38 f.
376) Banzer u. a., Flur und Name, S. 103.
377) ÖStA Deneg. Ant. 96; zur Datierung vgl. Welz 3, S. 43 f.
77
Fragen, die aus der theologisch-juristischen He-
xendoktrin stammten und wenig Akzeptanz im
volkstümlichen Hexenbild gefunden hatten, nicht
berücksichtigt wurden. So fehlen etwa Aussagen
zur kultischen Verehrung des Teufels als Gegengott
auf den Hexensabbaten (Frage 25) und die Um-
taufe bereits christlich getaufter Kinder (Frage 50).
Sprachlich fällt bei der Frageliste vor allem der
schwankende Gebrauch des grammatischen Ge-
schlechtes der verhörten Person auf. In der ersten
Frage ist von einem männlichen «Inquisiten», aber
von «ihrem» Alter die Rede. Gleich darauf, will
man wissen, wieviele Kinder «er» hatte. Auch spä-
ter wechseln die Pronomen zwischen dem männ-
lichen und dem weiblichen Geschlecht.
Die Liste enthält insgesamt folgende 66 Punkte:
1. Wie inquisiten nähme seye, ihr alter u.
stand? [durchgestrichen: und vermögen]
2. Ob inquisit verheürathet und wie vil er kinder
habe?
3. Ob er glaube, daß Christus für ihne gestorben,
auch durch die tauff ihne in seinen gnadenbund
auffgenommen?
4. Ob er wisse, daß der jenige, so gott verlasset
und sich dem laidigen teüfel ergibet, damit den
himmel verscherze, und, wo er sich nicht beßert,
dem satan mit leib und seel zu ewiger qual über-
geben werde?
5. Ob inquisit nicht deßen ohngeachtet sich mit
dem leidigen teüfel in pact eingelassen, und son-
sten sich der hexerey theilhafftig gemacht?
6. Wordurch sich inquisit zu solchem abfall habe
bringen laßen?
7. Wie lange zeit er nun mehro in disem zauber-
leben stecke?
8. Ob er sich nicht dem teüfel mit leib u. seel er-
geben?
9. Ob solches schrifft: oder mündtlich besche-
hen?
10. Ob er nicht darbei gott und allen heiligen
darbei[!] abgesagt?
11. Wo dise verschreibung beschehen?
12. Ob solches bei tag oder bei nacht beschehen?
Und woher er dinten undfeder genommen?
13. Ob er gott und allen heiligen nicht abgesagt
und darbey die tauff aufgekündet?
14. Ob er sich niemahlen mit dem teüfel ver-
mischt und unzucht mit ihme getrieben und wie o f f t
wöchentlich?
15. Wie sein teüfel geheissen?
16. Ob er demselben nicht versprochen, zu de-
nen angestellten hexen-dänzen u. versamlungen
sich jederzeit einzustellen?
17. Ob sie nichts ferners versprochen, allen fleiß
anzuwenden, mehrere leüthe zu verführen und in
deß teüfels gehorsam zu bringen?
18. Wer inquisiten jeder zeit auf den danz-plaz
gebracht?
19. Ob ihme der teüfel nie keine Salbung gege-
ben, damit sich zu schmieren? Und wie offt? Auch
wo sich diese salbe befindet?
20. Wie o f f t inquisit wöchentlich ausgefahren?
21. Ob er gewiß wisse, also ausgefahren zu
sein?
22. Welches die ort, wo sie hin gefahren? Soll
solche benennen?
23. Zu welcher Zeit die außfarth geschehen?
24. Was inquisit auff disen danzpläzen gese-
hen?
25. Ob nicht ein teüfel vorhanden gewesen, wel-
chen sie ehren müssen? Und wie er geheissen?
26. Wie lang der danz gewährt habe?
27. Was auff disem tanz vor mehrere cerimo-
nien vorbey gegangen?
28. Ob speiß und tranck vorhanden gewesen?
29. Wie viel spielleüthe sich eingefunden? Und
wie sie geheissen?
30. Wie viel personen auff disen conventen vor-
handen gewesen, und wen er daraus gekennt?
31. Ob inquisit daß venerabile [geweihte Hostie]
niemahlen hingetragen? Und wer mehr neben ihme
der gleichen gethan?
32. Was sich hinnach mit dem venerabilU'.] an-
gefangen?
33. Wene inquisit von den anwesenden leüthen
gekennet, soll sie benennen?
78
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
34. Was ihnen auf disem convent von den teü-
feln zu thun anbefohlen?
35. Ob inquisit auff disen tanzen auch habe
helffen wetter machen? Und wie viel?
36. Auff was weise sie diese angerichet?
37. Ob sie alle schaden gethan, und welche?
38. Was die übrigen verhindert?
39. Wie viel wetter inquisit außerhalb den dän-
zen gemacht?
40. Ob er solches zu thun unterstanden deß
Vorhabens, frucht und wein zu verderben, und also
dem menschen schaden zu thun?
41. Ob er sich nicht unterstanden, da und dor-
ten lufft, waßer und weid würckhlich zu vergifften
und durch was mittel solches geschehen?
42. Wer ihme außer den däntzen zu solchem u.
dergleichen schand-thaten geholffen?
43. Ob sie nicht gesucht hab, menschen und vich
durch ihre zauberische weg zu verderben oder gar
zu tödten?
44. Womit sie es zu wegen gerichtet?
45. Was vor pulfer und salben inquisit darzu
gebraucht?
46. Woraus es gemacht? Und wer es selbigem
gegeben?
47. Welchen menschen inquisit durch so thane
bezauberung schaden zugefügt?
48. Wie viel vich er verhexet?
49. Ob er disen greüel niemahlen gebeichtet?
50. Ob bey vorgemelten hexendäntzen inquisit
niemahls die zu vor getauffte kinder ins teüffels
nahmen umgetaufft?
51. Ob inquisit niemahlen mit andern seines
gleichen, den leüthen in die keller, scheüren, und
anderstwo hingefahren? Und darmit hin[!] wein u.
anders abgetragen?
52. Wann und weme solches beschehen?
53. Wen inquisit auch zu diser hexerey verleitet
u. auff was weiß?
54. Ob er seine kinder nicht selbsten umbge-
taufft und dem teüfel auffgeopfert und verschrie-
ben?
55. Ob inquisiten nicht hingegen von dem teüfel
hinwiderumb alle freüde in dieser weit verspro-
chen?
56. Ob er inquisiten nicht ferner zugesagt, ihne
vor jedermenniglich zu beschüzen und handzuha-
ben?
57. Ob der teüfel diß sein versprechen auch
jemahlen gehalten? Oder ob inquisit sich eingebil-
det, daß der teüfel solches halten könne?
58. Welches daß gemercke seye, damit der teü-
fel inquisiten gezeichnet?
59. Ob solches zeichen sich bey allen andern
hexen an gleichem orth und auf gleiche weise be-
finde?
60. Ob inquisiten von dem teüfel nicht zu wißn
gemacht worden, daß diser proceß wider sie vorge-
nommen werden solle?
61. Ob der teüfel nicht gesagt, daß man inquisi-
ten fangen werde? Und dabei versprochen, ihme
wider heraus zu helffen?
62. Ob zeit der gefangenschafft der teüfel nie zu
ihme inquisiten kommen und ihme betrohet, alles
abzulaügnen?
63. Ob inquisit dieser begangenen laster nie-
mahlen keine reü gehabt? Und warumb er sich
nicht ehe widerumb davon ledig gerißen?
64. Ob ihn aber solches anjezo gereüe, und bitte
gott umb Vergebung seiner Sünden?
65. Ob er glaube, daß ihme solche nicht ver-
geben werden, er bekenne dann alle seine untha-
ten ohne untermischung einiger unwarheit und
boßhafftiger verschweigung seiner thaten?
66. Was er vermeinet, hierdurch verdient zu
haben?
79
Die rechtlichen Grundlagen
DIE LINDAUER RECHTSGUTACHTEN
ZUR PERSON DES RECHTSGUTACHTERS
DR. THOMAS WELZ
Dr. Thomas Welz wurde am 3. Dezember 1654 als
Sohn des Lindauer Bürgermeisters Dr. Johann Con-
rad Welz und seiner Ehefrau Anna Maria Lutzin
geboren. Thomas' gleichnamiger Grossvater war
1652 mit seiner Familie wegen religionsverfolgung
von Konstanz nach Lindau übersiedelt. 3 7 8 (In Kon-
stanz scheint Thomas Welz 1635 in einem Ver-
zeichnis der unkatholischen Bürger auf, während
seine Frau Magdalena Öderlin und die Kinder als
Katholiken bezeichnet werden.3 7 9) Auch der Sohn
Johann Conrad, der an den Universitäten von
Padua und Leipzig studiert hatte und zum Doktor
der Philosophie, Medizin und Chirurgie promoviert
worden war, übersiedelte nach Lindau, erwarb das
Bürgerrecht und wurde 1660 in den kleinen sowie
zwei Jahre später in den geheimen Rat aufgenom-
men. Von 1679 bis zu seinem Tod 1692 war er Bür-
germeister der Reichsstadt und hatte auch noch
weitere wichtige Ämter inne. 3 8 0
Sein ältester Sohn Thomas besuchte von 1671
bis 1674 die Universität Jena. Wieder zu Hause,
fände er in dem herrn Dr. Daniel Rehmen, gewese-
nen syndico alhier, seinen guten freund, der ihme
seine bibliothec und zerschiedene gute manuscrip-
te eröfnet, so er sich auch wohl zunutzen ge-
macht.3" (Dr. Rehm wird später von Lizentiat Jo-
hann Büchele im Zusammenhang mit den welzi-
schen Rechtsgutachten für das Vaduzer Gericht er-
wähnt.) Im Herbst 1674 wurde Thomas Welz zum
Jusstudium nach Tübingen verschickt. Dort lernte
er unter anderem den weltberühmbten Professor
Dr. Wolfgang Adam Lauterbach kennen, der «Tü-
bingens grösster Jurist des 17. Jahrhunderts» ge-
wesen sein soll. 3 8 2
Im folgenden Jahr (1675) reiste Welz über Mai-
land, Piacenza, Parma, Reggio, Modena, Bologna
und Ferrara nach Venedig und weiter an die tradi-
tionsreiche Universität Padua, wo er - wie schon
davor sein Vater und der Bruder seines Gross-
vaters, Gebhard Welz - promovierte. Nachdem er
am 30. September 1676 den Titel eines Doktors
beider Rechte erworben hatte, reiste er über Tirol
nach Lindau, wo er ad praxim schritt, also juri-
stisch tätig wurde. Als Welz im März 1679 das er-
ste Rechtsgutachten für das Vaduzer Gericht ver-
fasste, hatte der vierundzwanzigjährige Jurist
zweieinhalb Jahre Berufspraxis hinter sich. Den
ersten Höhepunkt seiner beruflichen Karriere er-
lebte Welz laut Bensperg, dem Verfasser der Ge-
nealogia Lindaviensis, bei seinem Einsatz für die
Stadt Lindau in der reichsbekandten großen anli-
genheit des Streites um die entzogene Pfarrei Bö-
senreutin samt den dazugehörigen Dörfern. Dabei
erreichte Welz in Innsbruck deren Rückgabe. 1682
wurde er als syndicus Ordinarius in den Stadtrat
aufgenommen. 3 8 3 In dieser Funktion tat er sieb be-
sonders dadurch hervor, dass er «um 1700 in den
immer wieder aufflammenden Streitigkeiten mit
dem Stift nun die Rolle des alten Daniel Heider
übernahm, was Gutachten und Streitschriften be-
traf». 3 8 4 Im April 1685 hatte Dr. Thomas Welz Anna
Christina von Eberz geheiratet.385 Sie stammte aus
einer alten «Isnyer Handels- und Patrizierfamilie,
die in der kleinen Stadt eine fast monarchische
Stellung einnahm. Jahrhunderte hindurch war na-
hezu immer ein Eberz, wenn auch aus verschiede-
nen Linien, Bürgermeister von Isny.» 3 8 6 Dr. Thomas
Welz hatte mit seiner Frau fünf Söhne und sechs
Töchter. Er verstarb Anfang Jänner 1733 im Alter
von 79 Jahren. 3 8 7
Seine juristischen Ratschläge für das Vaduzer
Gericht trugen wesentlich dazu bei, dass die He-
xenprozesse sowohl nach dem späteren Urteil des
Tübinger Rechtsgutachtens als auch nach dem
Urteil der Salzburger Juristenfakultät den Rechten
fast gänzlich diametral entgegen angestellt und
geführt wurden. 3 8 8 Obwohl der kaiserliche Kom-
missar Rupert von Bodman deshalb 1685 erwog,
ausser den Vaduzer Richtern und Beamten auch
Dr. Welz für die widerrechtlichen Hexenprozesse
von 1679 und 1680 zur Verantwortung zu ziehen,
scheint ihm seine verhängnisvolle Gutachtertätig-
keit nicht zum Nachteil gereicht zu sein.
80
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Wie und aus welchen Gründen übrigens die
Wahl des Vaduzer Gerichts bzw. des emsischen
Landesherrn auf den jungen Juristen gefallen ist,
lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Man wird
aber wohl nicht fehlgehen, wenn man einen Zu-
sammenhang mit der Stellung seines Vaters als
Lindauer Bürgermeister annimmt. Die Entschei-
dung für einen Rechtsgutachter protestantischer
Konfession dokumentiert den überkonfessionellen
Charakter der gerichtlichen Hexenverfolgungen.
Obwohl Dr. Thomas Welz massgebenden Ein-
fluss auf die vaduzischen Hexenprozesse hatte, ist
sein Wirken in der Literatur unbekannt. Im folgen-
den soll deshalb nach einer Übersicht über die von
ihm verfassten Rechtsgutachten zunächst seine
grundsätzliche Einstellung zum Hexenwesen skiz-
ziert werden. Darauf folgt eine Zusammenfassung
seiner juristischen Richtlinien für die «Brügleri-
schen» und die «Walserischen Prozesse». Die
rechtlichen Urteile über die einzelnen Angeklagten
finden sich im Abschnitt «Dokumentation».
DIE GUTACHTERTÄTIGKEIT VON DR. THOMAS
WELZ FÜR DAS VADUZER GERICHT
Dr. Welz verfasste für das Vaduzer Gericht fünf
unterschiedlich ausführliche Rechtsgutachten und
die bereits zitierte Frageliste, nach der die Ange-
klagten einvernommen werden sollten.
Das erste Gutachten wurde unter dem Datum
des 2. März 1679 abgeschlossen und behandelt alle
Personen, über die in der Grafschaft Vaduz inqui-
riert worden war. In der Einleitung enthält es eine
theoretische Auseinandersetzung mit dem Hexen-
wesen.
Das zweite Gutachten stammt vom 12. März
1679 und befasst sich mit den Verdächtigten aus
der Herrschaft Schellenberg. Im Anhang ordnete
Dr. Welz deren Namen nach der Gewichtigkeit der
Indizien und riet dem Gericht, die Prozessserie mit
jenen Personen zu eröffnen, die am schwersten be-
lastet waren. Zu diesen gehörten Maria Walserin, 3 8 9
Silvester Hopp, seine Mutter Katharina Wangnerin
und Maria Kaiserin. Zur Gruppe der mittelschwer
Verdächtigten zählten Margaretha Marxerin, Ka-
tharina Hoppin, Anton Hopp, Andreas Egle, Micha-
el Schechle, Hans Walser und Jakob Blaicher. Die
seiner Meinung nach am wenigsten belasteten Per-
sonen waren Johanna Walserin, Euphemia Hop-
pin, Katharina Bregenzerin, Maria Floppin, Hans
Öhre, Barbara Moratin und Maria Blaicherin. Bei
Hans Jörg Marxer, Magdalena Spaltin, Sebastian
und Ulrich Kiber riet Dr. Welz von einem gerichtli-
chen Vorgehen ab.
Das dritte Gutachten datiert vom 6. Juni 1680
und handelt abermals von den Verdächtigten in der
Herrschaft Schellenberg. Zu einem grossen Teil
bezog es sich auf dieselben Personen wie das zwei-
te Konsilium, da diese auf Grund der vorzeitigen
Beendigung der Flexenprozesse im Frühsommer
1679 von einer gerichtlichen Verfolgung verschont
geblieben waren.
Das vierte, nicht ganz drei Seiten lange Gutach-
ten vom 28. August 1680 beurteilt allein die Indi-
zien gegen Barbara Güflin aus Ruggell und Anna
Marxerin. Das fünfte vom 28. November 1680 be-
fasst sich mit den Vorwürfen gegenüber Maria
Eberle, Christian Nigg, Katharina Vonbankin, Hans
3/8) Stadtarchiv Lindau, Bensperg. Genealogia Lindaviensis,
S. 635 f.
379) Zimmermann, Rekatholisierung. S. 256.
380) Stadtarchiv Lindau, Bensperg, Genealogia Lindaviensis, S. 635;
über Dr. Johann Conrad Welz liegt im Stadtarchiv Lindau eine
gedruckte Leichenpredigt vor, deren Anhang auch ein Gedicht seines
Sohnes Thomas auf den Abgang des Vaters enthält .
381) Stadtarchiv Lindau, Bensperg, Genealogia Lindaviensis, S. 636.
382) Gehring. Hexenprozeß. S, 186.
383) Stadtarchiv Lindau, Bensperg, Genealogia Lindaviensis, S. 636.
384) Stolze, Sünfzen, S. 121.
385) Stadtarchiv Lindau, Bensperg, Genealogia Lindaviensis, S. 636.
386) Stolze, Sünfzen, S. 123.
387) Stadtarchiv Lindau. Bensperg. Genealogia Lindaviensis, S. 636.
Laut Alfred Otto Stolzes Abschrift der Genealogia Lindaviensis des
Jacob Heider, Bd. 4, S. 188a, wurde manchmal auch 1732 als Todes-
jahr angegeben.
388) ÖStA Deneg. Ant. 96.
389) Auf S. 31 versehentlich als «Maria Marxerin» bezeichnet.
81
Eberle, Martin Jehle, Adam Lampart und Christian
Frick, Maria Schleglin, Monika Köchin, Barbara
Rigin, Roni Tschetter und Ulrich Weiss.
GRUNDSÄTZLICHE EINSTELLUNGEN ZUM
HEXENWESEN
In seinem ersten Gutachten vom März 1679 legte
Dr. Welz seine grundsätzliche Einstellung zum He-
xenwesen dar. Bei der Besprechung einer von den
gemeinesten und schädlichsten Zaubereien - näm-
lich derjenigen, dass man etwas oder jemanden
lobt und daraufhin verzaubert - schreibt er, dass er
schwerlich glauben könne, daß ex sola laudatione
hernach die verzehr: oder verdorrung objecti lau-
dati entspringen mäße. Dem Juristen gehe es je-
doch um den Vorgang und nicht um das Wesen der
Bezauberung, deren Erklärung vielmehr ad scho-
lam medicorum gehöre. Der Rechtsgelehrte müsse
nicht bei anderen Fakultäten nachforschen, ob es
möglich, daß eine zauberin nicht allein durch beta-
stung, sondern auch bloße anhauhung, ja gar ab-
wesend die jenige, denen sie zu schaden gesonnen,
vergifften und inficiren, auch ihnen zu höchster
Verwunderung allerhand Sachen in den leib zau-
bern und bringen könne. Die Rechte richteten sich
bei der Beurteilung, ob bestimmte Zaubereien
möglich seien, lediglich danach, was ihnen von
denen medicis und ex parte von denen theologis
vorgeschriben ist.
Dr. Welz selbst glaubte, dass alle von den Ver-
dächtigten ausgeführten operationes der natur
gemäß waren, dass dies jedoch den Hexenper-
sonen nicht bewusst war. Der entscheidende Vor-
wurf ihnen gegenüber war, dass sie sich vom Teufel
für dessen böse Zwecke gebrauchen Hessen, ob-
wohl sie sich frei entweder für oder gegen das Gute
entscheiden konnten. Als ein bloßer und gefange-
ner geist war dieser nämlich nicht in der Lage, die
Übeltaten selbst zu begehen. Er benötigte deshalb
die Hexen als seine Instrumente. Da diesen wieder-
um die würckungen der natur unbekandt waren,
wurde ihnen die Zauberei als etwas Übernatürli-
ches angelehret.390
Diese Auffassungen veranschaulichte Dr. Welz
bei seiner Stellungnahme zur zauberischen Ver-
wandlung in einen bösen Hund, die Katharina
Wangnerin vorgeworfen wurde. 1 9 1 Der Hund konn-
te laut Dr. Welz theoretisch a) der Teufel selbst, b)
ein natürlicher Hund oder c) ein durch Zauberei
vorgekomner Hund gewesen sein.
Die erste Möglichkeit fiel für Welz deshalb aus,
weil sich der Teufel nicht ohne ausdrückliche Zu-
lassung Gottes in Form bestimmter Gestalten den
Menschen zeigen könne. Er sei nicht in der Lage,
einem Körper aus eigener Kraft Leben zu verleihen
oder gar eine Seele einzuhauchen. Wenn er also
keinen Leib lebendig zu machen vermöge, könne er
auch durch diesen von sich aus keinen Schaden an-
richten.
Dass es sich bei dem bösen Tier um einen echten
Hund handelte, kam für Welz ebenfalls nicht in
Betracht. Dagegen sprach für ihn, dass durch einen
Schlag mit einer Trense (Pferdezaum) nicht nur der
Hund, sondern gleichzeitig auch die Wangnerin
verletzt worden war. Man könne höchstens in Be-
tracht ziehen, dass der Teufel den Hund zu seinen
Taten angetrieben und später der Wangnerin die
Verletzungen zugefügt habe. Dr. Welz - und seiner
Meinung nach die meisten vor ihm - glaubten aber
an ein spiegelfechten deß leidigen teüfels. Das war
die dritte der oben angeführten Möglichkeiten. 3 9 2
Dazu benütze der Teufel die Hexen, die durch
einen bereits verderbten und angewöhnten bösen
willen zum Verursachen von Schäden getrieben
würden. Der Hund sei deshalb die Hexe gewesen;
allerdings nicht in dem Sinn, dass sie der Teufel in
einen richtigen Hund verwandelt habe, denn der
Teufel könne die Naturgesetze nicht durchbrechen.
Der Hund war vielmehr eine lautere blenderej,
durch die der Teufel sowohl den Hexen als auch
den anderen Menschen vorgaukle, eine Kreatur sei
dieses oder jenes Tier. Dennoch bleibe die Hexe
stets mit Leib und Seele ein Mensch. Dr. Welz ge-
stand abschliessend zu, dass die Theologen dieser
Art der Verwandlung wegen in nicht geringem
zweifei und disputiren steckhen.
In der Einleitung zu seinem dritten Vaduzer Gut-
achten vom Juni 1680 setzte sich Dr. Welz mit der
82
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
zeitgenössischen Hexendiskussion auseinander. Er
stellte zunächst allgemein fest: Unter allen Sünden,
deren ernstliche bestraffung von der göttl. gerech-
tigkeit auff dieser weit dem ampt eines gewissen-
haften richters übergeben worden, erzeiget sich
keine, welche mit mehrern obscuriteten verwick-
helt und durch die widerwärtige meinungen der
scribenten in jure et facto verwirreter ist, alß das
verfluchte laster der zauberey. Dieses habe näm-
lich auch unter den gelehrten, will nicht sagen,
ihre patronen, sondern wol gar zuweilen ihren an-
hang gefunden.
Auf Grund der Furcht oder Nachlässigkeit vieler
Richter sei es soweit gekommen, dass sich die Ju-
risten durch hervor gesuchte scheinrationes und
argumenta annoch in zweifei und disputat herumb
ziehen (zum Beispiel über die Frage, ob in warheit
dergl. teüffelsleüth vorhanden seyen), während
dieses Ungeziefer sich nicht alleine in seiner an-
zahl durch Verführung anderer und eigene böse
arth vermehret, sondern auch zu höchstem scha-
den eines gemainen wesens dem principio und.
endzweckh ihres lehrmeisters gemäß, durch zau-
berische verderbung der menschen, vich und flüch-
ten sich und ihren nebenmenschen so viel ihnen
gleichwol möglich zugrunde richtet.
Dr. Welz zählte nicht zu den Juristen, die sich
mit sogenannten Scheinargumenten herumschlu-
gen. Für ihn galt bei den Hexenprozessen das bibli-
sche Gebot: «Zauberer sollst du nicht leben lassen»
(Exod. 22). Wir lassen uns aber sothane einwürffe
und was dergl. hexenpatronen mehr zubeschüzung
dieses Ungeziefers erfunden, aber durch leider un-
zahlbare exempel und executiones schon längsten
überwiesen sein, ganz nicht irren, sondern gleich-
wie die göttl. rechte diese fasel außgetilget haben
wollen, also loben wir viel mehr die dar vorhan-
dene Verordnungen, welche nicht allein der gött-
lichen disposition sich allerdingen conform und
ähnlich erweysen, sondern auch durch an hand
gebung der mittel und. wege, wie hinter dieses
laster zu kommen, obberührte difficulteten mei-
stens ausser wege räumen, das gewissen des rich-
ters zugleich befestigen und verbinden durch
behörige abstraffung der schuldig erfundenen, de-
nen übrigen ein beyspiel zum schreckhen und ab-
schew für solchen greweln vor äugen zu stellen.™
Der Lindauer Jurist war also ein klarer Befür-
worter der Hexenprozesse. In dafür typischer Wei-
se bezeichnete er die Gegner seiner Anschauungen
als «Hexenpatrone» und die Delinquenten als «Un-
geziefer». 3 9 4 Dr. Welz vertrat dabei - wie etwa der
württembergische Reformator Johannes Brenz -
die Auffassung, dass die Zauberei nur auf einer
Verblendung beruhe, aber trotzdem strafwürdig
bleibe. Anders als Brenz lehnte er es jedoch dezi-
diert ab, das Gleichnis vom Unkraut unter dem
Weizen auf die Hexenverfolgungen anzuwenden.
Danach sollte dem Schutz des Guten Vorrang vor
der Ausrottung des Schlechten zukommen, wenn
nicht gewährleistet werden konnte, dass durch die
Verfolgungen sicher keine Unschuldigen betroffen
waren. 3 9 5
Als Vertreter der Gegenposition begegnet uns
später Dr. Johann Baptist Moser, der Verfasser des
Salzburger Rechtsgutachtens. Während die Befür-
worter der Hexenprozesse eine Verschärfung der
Verfahren zumeist unter Berufung auf das göttliche
Recht verfochten, bezog sich Dr. Moser - anders als
Dr. Welz - in seiner Argumentation nicht darauf.
Allein die Ausblendung der theologischen Legiti-
mation ermöglichte eine wirksame Einschränkung
der Flexenprozesse durch eine innerjuristische Ver-
fahrenskritik. Bei Dr. Mosers Darlegungen ist denn
auch «an keiner Stelle eine ins Grundsätzliche
gehende Kritik des Hexenwahnes erkennbar; für
Moser sind es nur die formalen Mängel aller Ver-
fahren, die zu ihrer Nichtigkeit geführt haben». 3 9 6
390) Welz 1, S. 14 f.
391) Welz 2. S. 13-16.
392) Mit Bezug auf einen gefährl ichen Biss des Hundes schreibt
Dr. Welz, dass ohne dem der athem von alten weibern. geschweige
die biß. höchst ungesund und unheilsam seien.
393) Welz 3, S, 1-3.
394) Vgl. Hexen und Hexenprozesse, S. 320 u. 323.
395) Welz 1, S. 3; Hexen und Hexenprozesse. S. 326 u. 335 f.
396) Putzer, Rechtsgutachten. S. 15.
83
Nur an einigen wenigen Stellen ist eine ablehnende
Grundhaltung gegenüber dem Hexenwesen und
den Hexenprozessen deutlicher zu erkennen. Dazu
zählt etwa die Feststellung: Es bezaigt auch die
tagliche erfahrung, daß der mehrer thail des
volclcs, sonderlich der gemeine pöpel, welcher sei-
nes thun und lassens wenig gegründet, da ihme
dergleichen begegnet, sein Schwachheit vil ehun-
der denn bösen leüthen, als der natur oder seinen
selbst übelthatten zueleget, wie dan die gemaine
red täglich in schwung gehet, daß die leith vermai-
nen, es seye ihnen gethan worden, sye wolten dar-
auf sterben, dise oder yene person hette es get-
han?9'' Mehrfach zitierten Peter Putzer und Otto
Seger auch den Satz: «Nichts ist so grausam, als
den Menschen, das Ebenbild Gottes, auf der Folter
zu misshandeln und gleichsam zu zerfleischen». 3 5 8
Paul Vogt bezeichnete die Argumentationen Dr.
Mosers als «für die damalige Zeit sehr fortschritt-
lich», weil sie sich eben auf keine theologische
Grundsatzfragen einliess und nur nach der Ver-
nunft urteilte, wunderte sich aber, dass Moser
ungefähr zur gleichen Zeit, als er das Rechtsgut-
achten für Vaduz abfasste, bei einem weiteren He-
xenprozess, in dem er wohl andere Interessen zu
vertreten hatte, für einen Schuldspruch plädierte. 3 9 9
Das war jedoch nicht untypisch für viele Verfol-
gungsgegner, die von den Befürwortern nach dem
Vorbild Macchiavellis verächtlich als «politici» be-
zeichnet wurden. Man hielt diesen vor, dass bei
ihnen der Nutzen über der Gerechtigkeit stehe und
dass sie Laster sowie Irrtümer guthiessen, wenn
diese der Herrschaft dienten.4 0 0
Idealtypisch lässt sich der Gegensatz zwischen
den Haltungen der beiden Juristen Dr. Welz und Dr.
Moser mit den beiden Kategorien des wertrationa-
len und des zweckrationalen Handelns im Sinne
Max Webers charakterisieren. Letzteres ist durch
«eine Abwägung zwischen Zwecken, Mitteln und
Nebenfolgen» bestimmt, die wertrationale Einstel-
lung orientiert sich mehr oder weniger bedin-
gungslos am Eigenwert eines glaubensmässig vor-
gegeben Inhalts.401
PROZESSANLEITUNGEN VON DR. WELZ
IM JAHRE 1679
Im ersten Rechtsgutachten vom 2. März 1679 legte
Dr. Thomas Welz dem Vaduzer Gericht allgemein
dar, welche Voraussetzungen für die Einleitung von
Flexenprozessen erfüllt sein mussten.4 0 2
Das Flauptproblem bei Delikten wie dem Ehe-
bruch, der Sodomie und eben der Hexerei bildete
seiner Meinung nach die Tatsache, dass deren
Wahrnehmung meistentheils ex levibus indicijs
[geringen Anzeichen] ihren anfang und Ursprung
zunehmen pflegte. Deshalb war es für den Richter
von grösster Bedeutung, diese entsprechenden In-
dizien richtig einzuschätzen.
An erster Stelle führte Dr. Thomas Welz dabei
die Beurteilung von Denunziationen durch gefan-
gene und gefolterte Delinquenten an. Dabei stellte
er zwei grundlegend verschiedene Positionen vor.
Die eine ging im Gefolge von Dr. Johann Weyer
(1515-1588) davon aus, dass man Denunziationen
bei Hexenprozessen gar keinen Glauben schenken
dürfe. Die Delinquenten versuchten nämlich häu-
fig, ehrliche und gute Personen mit ins Unheil zu
ziehen. Die Vertreter dieser Auffassung hielten sich
freilich an den Grundsatz, dass es besser sei, zehn
Schuldige freizulassen als einen Unschuldigen zu
strafen. Sie wollen lieber, daß das ein: oder andere
denuncirte schuldige unkraut biß zur erndzeit lebe
und aufrecht bleibe, alß daß auch darunter der
ohnschuldige weizen leiden und in gefahr stehen
müsste.
Da man laut Dr. Welz auch alle anderen Gerichte
abschaffen müsste, wenn man gelegentliche Fehl-
urteile grundsätzlich verhindern möchte, vertrete
ein anderer Teil der Juristen, zu dem auch er zähl-
te, die Meinung, dass man die denunzierten Perso-
nen sehr wohl fangen und foltern dürfe. Dabei
waren jedoch drei verschiedene Auffassungen zu
unterscheiden.
Die erste Gruppe von Juristen glaubte, dass eine
einzige Denunziation schon zur Verhaftung eines
Verdächtigten ausreiche. Nach Meinung einer zwei-
ten Gruppe waren dazu die Aussagen vieler und
verschiedener hexen erforderlich. Der Richter hat-
84
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
te sich dabei entsprechend zu vergewissern, dass
die Denunziationen nicht aus Hass und Feindschaft
erfolgten. Die dritte Gruppe vertrat die Auffassung,
man sollte als Voraussetzung für die Gefangennah-
me und Folterung Verdächtigter über die Denun-
ziationen hinaus noch ein oder mehrere neben
indicia verlangen, welche die sache considerabler
machen. Diese in Teutschland übliche Meinung
hielt Dr. Welz für die beste Vorgangsweise.
Ein weiteres solches Kriterium für die Gefangen-
nahme von Verdächtigten, die von Delinquenten
denunziert worden waren, bildete ihr Leumund.
Verfügte eine Person über einen guten Ruf, reichte
eine Denunziation nicht für eine Inhaftierung aus.
Lag ein schlechter Leumund vor, war zu unter-
scheiden, ob dieser von den Eltern und Vorfahren
herrührte oder ob er von der betreffenden Person
selbst verschuldet worden war. Wurde eine Person
denunziert, bei der beide Arten des schlechten Leu-
munds nachzuweisen waren, stand es außer allem
zweifei, dass sie verhaftet und gefoltert werden
konnte. Falls nur die Denunziation und ein schlech-
ter Ruf vorlagen, der von den Vorfahren vererbt
worden war, musste als Bedingung für eine Verhaf-
tung ein weiteres Indiz dazukommen. Stand die
betreffende Person in einem schlechten Ruf, der
von ihr selbst herrührte, unterschied man, ob die-
ser stark oder schwach ausgeprägt war. Zu einem
sehr schlechten Leumund gehörte,
a) dass der Beklagte vor der eingeleiteten Inqui-
sition schon verrufen war,
b) dass sein schlechter Ruf den Mitmenschen ein
Ärgernis bildete,
c) dass die entsprechende Person nicht nur von
wenigen, sondern von den meisten Leuten für ver-
dächtig gehalten wurde,
d) dass das Gerücht nicht von schlechten, son-
dern von ehrsamen und glaubwürdigen Menschen
herrührte und
e) dass die Ursachen der Verdächtigung ver-
nünfftig und der Wahrheit ähnlich zu sein befunden
werden.
Waren diese fünf Kriterien erfüllt, lagen nach
Meinung der Rechtsgelehrten ausreichende Indi-
zien für eine Verhaftung und Folterung vor. Auf
Grund eines andersartigen schlechten Leumunds
liesse sich keine Verhaftung vornehmen, ohne dass
weitere Indizien vorlagen.
Obwohl die Flucht von einigen Rechtsgelehrten
(z. B. von Benedikt Carpzow) allein schon als aus-
reichende Voraussetzung für eine Verhaftung ange-
sehen wurde, sollte sie laut Dr. Welz jedoch nur
unter folgenden Bedingungen zu einer Gefangen-
nahme führen:
a) wenn der Verdächtigte noch vor der Inquisiti-
on auf Grund eines schlechten Gewissens weggezo-
gen sei und zugleich andere Indizien gegen ihn vor-
lagen oder
b) wenn der entwichene Verdächtigte vor das
Gericht zitiert worden war und keine ausreichen-
de Entschuldigung für sein Ausbleiben anführen
konnte.
Andere Konstellationen, die in dieser Hinsicht
von Belang waren, führte Welz wegen suchender
kürze nicht mehr aus.
Auf die Aussagen der Zeugen bei Inquisitionen
sei gewöhnlich nur dann viel zu gehen, wenn taug-
liche Zeugen beigezogen worden waren oder die
Angaben vor dem Richter wiederholt wurden. Im
Falle des Flexereiverdachts genügten für eine Ver-
haftung und Folterung aber auch die äußern ge-
richtliche bekantnißen, im fall sie serio und mit
ernst beschehen. Nach der Meinung mancher Juri-
sten konnten selbst Personen, die direkt ins Gesicht
der Hexerei beschuldigt worden waren und sich
dagegen nicht gewehrt hatten, gefangengenommen
werden.
Bei Hexereifällen waren so gar die weiber und
kinder, wenn sie ein gewisses Alter hatten, als Zeu-
397) SRg, fol. 9b-10a.
398) Putzer, Rochtsgutachten, S. 15 u. 38; Seger, Hexenprozesse,
S. 67.
399) Vogt, Hexenprozesse. S. 10.
400) Hexen und Hexenprozesse, S. 372; vgl. ebenda, S. 364 f.:
Behringer, Feuer, S. 134.
401) Schwerhoff, Rationalität, S. 51.
402) Welz 1, S. 2-17.
85
gen zugelassen. Auch ihre Aussagen reichten für
eine Folterung der Verdächtigten aus. Die Zeugen
durften aber gegen die Personen, über die sie im
Zuge der Inquisition aussagten, keinen grossen
grollen und keine Feindschaft hegen. Darüber hi-
naus war zu berücksichtigen, auf welche Art die
Angaben erfolgten: ob die Zeugen zögerten oder ob
sie sich etwa nicht ganz sicher waren usw.
Bei den Äusserungen der verdächtigten Perso-
nen, die im Zuge von Inquisitionen erfasst wurden,
waren etliche leichtfertige gottlosigkeiten, ver-
ruchte reden und blasphemias contra majestatem
divinam et sanctos, Verfluchungen der eitern usw.
von den Anzeichen der Magie zu unterscheiden.
Laut Artikel 44 der Constitutio Criminalis Carolina
lagen solche vor, wann jemand sich erbeüth, ande-
re leüth zauberey zu lehren oder jemand zu bezau-
bern betrohet und dem betroheten dergleichen
beschicht, auch sonderliche gemeinschafft mit zau-
bern und Zauberinnen hat, oder mit solchen ver-
dächtigen dingen, gebärden, Worten und weisen
umbgehet, die zauberey auff sich tragen, und die-
selbe person deßen auch berüchtiget. Das ergebe
eine redliche anzeig der zauberey und genügsame
ursach zur peinlichen frage.
Welche Dinge, Gebärden, Worte und Werke kon-
kret als verdächtig einzustufen waren, blieb der
Einschätzung des Richters überlassen. Laut Dr.
Welz entstand jedoch ein begründeter Verdacht auf
Zauberei vor allem auf zweierlei Weise: erstens
durch familiarität und vertrawlichkeit zweier Per-
sonen sowie zweitens durch den Gebrauch von ver-
dächtigen Wörtern.
Bei letzteren war jedoch zu unterscheiden, ob
durch sie ein Schaden bewirkt worden sei oder
nicht. Eine solche magische Schädigung konnte
entweder im vornhinein angekündigt oder später
als solche erklärt worden sein. Bei den angekün-
digten Schadenzaubern, die von diesem ungezifer
ausgeübt wurden, unterschied Dr. Welz Drohun-
gen, die später eintrafen, und auffällig geäusserte
Bewunderung, der ebenfalls ein Schaden folgte.
Dabei sollten die Verdächtigten dasjenige Vieh oder
diejenige Saat etc., die sie verderben wollten, vor
der Anwendung des Teufelswerks gegenüber dem
Besitzer gelobt und gerühmt haben. Für Dr. Welz
bezeugte es die tägliche leidige erfahrung .... daß
dieser modus fascinandi einer von den gemeine-
sten und schädlichsten seye, deren sich dieses ge-
schmeiß zu bedienen pfleget. Bei einer Person mit
schlechtem Ruf reichte ein solcher Vorfall schon für
die Anwendung der Folter.
Schadenzauber liess sich weiters feststellen,
wenn sich jemand im nachhinein über ein Unglück
freute oder sich einer entsprechenden Ankündi-
gung rühmte. Kam dies bei einer Person öfters vor,
genügte es laut Dr. Welz für eine Gefangennahme.
Wie weit sich das Vaduzer Gericht in den Verfah-
ren nach den dargelegten theoretischen Vorgaben
richtete, lässt sich im einzelnen nur schwer nach-
vollziehen. Bemerkenswert erscheint in diesem
Zusammenhang vor allem die Tatsache, dass Dr.
Welz bei seinen Abhandlungen über die einzelnen
Verdächtigten den Richtern deutlich zeigte, dass
die Bestimmungen sehr flexibel zu handhaben wa-
ren. Lag etwa bei Michael Beck, dem Sohn des Mat-
thias, nur Belastungsmaterial in Form einer unkla-
ren Schadenzaubervermutung vor, so forderte Dr.
Welz eben dazu auf, weitere Indizien zu suchen. 4 0 3
Bei Andreas Walser musste der Gutachter selbst
ausdrücklich feststellen, dass man aus den Unterla-
gen schwerlich sehen könte, quo titulo dieser mann
ratione der zauberey mit fueg anzutasten sei.
Trotzdem ging er davon aus, dass das Gericht
schwerwiegende Indizien oder Denunziationen fin-
den werde und befürwortete sogar eine Inhaftie-
rung. 4 0 4 Bei der Ehefrau Andreas Lamparts emp-
fahl Dr. Welz die Gefangennahme alleine auf Grund
des Vorwurfs, sie habe jemandem fünf Wochen
lang auf magische Weise die Milch gestohlen.405 Ein
weiteres Beispiel einer willkürlichen Vorgangswei-
se bildete die Empfehlung beim Fall der Ursula
Schedlerin. Sie war von einem Gerichtsmann be-
schuldigt worden, seine Frau uneingeladen im
Kindbett besucht zu haben, woraufhin sich diese
gleich übl befunden habe und etlich wochen bethli-
gerig gewesen sei. Für Dr. Welz war die Sache nach
einer hexerey gar zu stinckend, als dass man nicht
gegen die Schedlerin vorgehen sollte. Deshalb
möge sich der Richter seines Ermessensspielraums
86
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
bedienen und sie zu bekantniß ihres lasters ...
bringen.406
In den meisten Fällen wählte das Vaduzer Ge-
richt eine mildere Vorgangsweise als vom Rechts-
gutachter empfohlen. Auch die eben genannten
Personen wurden 1679 nicht eingezogen. Vielleicht
war diese aber nur durch den vorzeitigen Abbruch
der Prozesse bedingt. Dass jedoch selbst ausgebil-
dete Juristen und Rechtsgutachter gegen die von
ihnen aufgestellten Regeln je nach Bedarf versties-
sen, sollte bei der Beurteilung der späteren Pro-
zessführung nicht ganz ausser Betracht gelassen
werden. Auch in religiösen Belangen vertrat Dr.
Welz widersprüchliche Positionen. In seinem Gut-
achten über Hans Kaufmann vom Triesenberg, der
in der heiligen Messe nicht betten gesehen worden
sei, schrieb er, es schadet nicht, dann ein mensch
sihet auf die Uppen und daß vor äugen ist, der herr
aber sihet daß herz an, 1. Sam. XVI, 7. Ps. VII,
10.407 Bei Jakob Blaicher hingegen galt es als ein
nicht geringes Indiz der Hexerei, dass er in der kyr-
chen mit sonderbahrem fürsaz nur das halbe creüz
zu machen pflege.406
PROZESSANLEITUNGEN VON DR. WELZ
IM JAHRE 1680
Die Hexenprozesse des Vorjahres hatten trotz der
juristischen Ausbildung des Landvogts und der
rechtlichen Beratung durch Dr. Welz zu einer
schweren Panne geführt. Die Herrschaft und der
neue Vaduzer Landvogt, der sich bei den Verfahren
von 1680 durch den Juristen Lizentiat Johann
Büchele unterstützen liess, machten Dr. Welz offen-
sichtlich nicht für die Probleme bei den «Brügleri-
schen Prozessen» mitverantwortlich, denn im fol-
genden Jahr wurde er abermals als Rechtsgutach-
ter konsultiert.
Der Lindauer Jurist sah dabei auch keinen An-
lass, speziell auf die Fehler des Vorjahres Bezug zu
nehmen. Nur die Regeln für die Anwendung der
Folter legte er nun ausführlicher dar. Weiters über-
sandte er dem Vaduzer Gericht eine Liste von Fra-
gen (Interrogatorium), die er nach Anleitung der
criminalisten und nach dem Beispiel anderer Pro-
zesse verfasst hatte, damit die Angeklagten besser
als bei den Verfahren von 1679 einvernommen
werden könnten. 4 0 9 Zu den übrigen Aspekten der
Prozessführung verfasste Dr. Welz in seinem drit-
ten Rechtsgutachten nur eine knappe neue Anlei-
tung, in der er auf folgende Punkte im besonderen
hinwies. 4 1 0
Bei der Frage, ob jemand gefangen werden soll-
te oder nicht, galt es, einen Subjekt- von einem ob-
jektbezogenen Bereich zu unterscheiden. Zu erste-
igern zählten:
1. die Abstammung und Herkunft einer Person
(«Das Bier schmeckt nach dem Fass»),
2. der Leumund der Person und
3. die Einschätzung durch den Richter (Verdacht
aufgrund der Indizien; die Furcht, unbständigkeit
und der Schrecken des Inquisiten; eine üble Physio-
gnomie [da einem nach dem Sprichwort der schelm
zu den äugen herauß scheinet] und anderes).
Im Objektbereich waren folgende drei Aspekte
zu unterscheiden:
1. Die Art der Zeugen.
Zu den Hexenprozessen wurden nicht allein die
weiber ... und minderjährigen, so doch über ihre
7. jähr gekommen .... sondern auch die angehöri-
gen und blutsverwandten, alß kinder gegen eitern
und eitern gegen kinder .... ja gar, si veritas aliter
haberi non potest, die excommunicati et banditi,
infames facti und die jenigen angenommen .... wel-
cher der richter zur zeügensag nicht ein mahl be-
gehret. Notwendige Vorbedingungen waren aller-
dings, dass die Zeugen über das Ausgesagte selbst
gut informiert waren, dass keine feindschafft auf
403) Ebenda, S. 38,
404) Ebenda, S. 36 f.
405) Ebenda, S. 56.
406) Ebenda, S. 50.
407) Ebenda, S. 35.
408) Welz 2, S. 21.
409) Vollständig widergegeben auf S. 77-79.
410) Welz 3, S. 4-13 u. 39-44.
87
ihrer seiten wider inquisiten vorhanden war, dass
die Zeugen nicht bestochen waren und sich nicht
anmassten, zur Zeugenaussage gleich auch ein
Urteil zu fällen. - Die rechtlichen Anforderungen an
die Qualität der Zeugen waren laut Dr. Welz nach
fleißiger durchgehung deß protocolls bei den Inqui-
sitionen, die ihm vorlagen, durchaus erfüllt wor-
den. (Die späteren Rechtsgutachten vertraten dies-
bezüglich die gegenteilige Auffassung.)
2. Die Form der Zeugeneinvernahme.
Die Aussagen der Zeugen sollten unter Eid ordent-
lich und in secreto vor dem zuständigen Richter
erfolgen und dann in den Akten vermerkt werden,
welches laut Dr. Welz bey unserer Inquisition ...
allerdings observirt zu sein scheinet. (Der Salzbur-
ger Rechtsgutachter war auch in dieser Hinsicht
anderer Meinung.)
3. Die Zeugenaussagen.
Sie durften nicht unklar, wankend, in sich wider-
sprüchlich und zweifelhaft sein. Selbst eine einzige
relevante Aussage sollte für die Gefangennahme
und Tortur ausreichen, die nicht von der Zahl der
Indizien abhängig war. Es sei weiters darauf zu
achten, ob ein Schadenzauber unmittelbar nach
einer Drohung oder erst nach längerer Zeit fest-
stellbar war.
Als nächsten Schritt zur Wahrheitsfindung emp-
fahl Dr. Welz - anders als manche rechtsverständi-
ge -, nach der Gefangennahme nicht gleich die Fol-
ter einzusetzen, sondern die Verdächtigten durch
alle mögliche mittel vorher zu einem Geständnis zu
bewegen. Erst falls sich dieses Bemühen als ver-
geblich erwiesen hatte, sollte man zur Folterung
schreiten. Davor waren die Angeklagten aller or-
ten, besonders unter den Achseln und dergleichen
orten deß leibes, fleissig zu untersuchen, ob sie
nicht ein sortem silentij in den Flaaren oder gar in
der Haut verborgen bei sich trügen, wie dies oft ge-
schehe. Diese Mittel bewirkten, daß sie auch bei
der größten marter ohne schmerzen und halb-
schlaff end zu sein beobachtet worden. ... Ja, die
boßheit der menschen so gar hoch gestiegen, daß
auch sie sich durch murmelung einiger spräche vor
dem schmerzen der folter sicher zu sein vermei-
nen.
Als Beispiel für einen solchen Zauber führte
Dr. Welz ein Rezept aus einem Werk Hippolyt de
Marsiiis an. Danach müsse man einen Kuchen aus
Mehl und der Milch einer Mutter sowie einer Toch-
ter backen. Wenn der Delinquent davon esse, spüre
er nicht den geringsten Schmerz, solange er den
Kuchen im Leib habe.
Bei der Folter unterschied Dr. Welz wie Bene-
dikt Carpzow zwischen der territio und der Tortur
selbst. Die territio bestand darin, dass dem Ange-
klagten die Folterwerkzeuge mit Einsatz der Daum-
schraube gezeigt wurden. Laut Dr. Welz konnte sie
bei der «gütlichen» Vorprüfung eingesetzt werden.
Bei der eigentlichen Folterung habe der Richter
die Körperkraft und die Würde des Angeklagten,
die ihm vorgeworfenen Laster und die vorhande-
nen Indizien zu berücksichtigen. Da die Indizien
bei den Personen, die laut Gutachten vom Juni
1680 gefoltert werden konnten, sehr ähnlich seien,
habe man hier vor allem den Unterschied zwischen
den Geschlechtern zu berücksichtigen. Bei den
Frauen (mit Ausnahme der besonders verdächti-
gen Maria Kaiserin) sollte nur bis zum zweiten
Grad gefoltert werden, bei den Männern (ausser
bei Andreas Egle) bis zum dritten Grad. Aber auch
bei den Frauen habe man die Tortur jeweils auf
ihre körperliche Beschaffenheit abzustimmen.
PROZESSKRITIK VON DR. FRANZ GUGGER,
FELDKIRCH
Als die Kritik an den «Brüglerischen Prozessen» im
Frühjahr 1679 ihren Höhepunkt erreicht hatte,
wurden die Inquisitions- und Konstitutionsproto-
kolle dem Feldkircher Hubmeister Dr. Franz Gug-
ger zur rechtlichen Überprüfung übergeben. Dabei
stellte dieser folgende Mängel fest:
1. Die Indizien, die zur Gefangenschaft und zur
Folterung geführt hatten, waren schlechtlich erwo-
gen, da es an den erforderlichen untadelhaften
Zeugen gefehlt und man sich zu stark auf die
Denunziationen gestützt hatte.
2. Die Fragen an die Angeklagten waren ver-
fänglich und suggestiv formuliert.
88
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
3. Die Corpora delicti waren nicht ausreichend
überprüft worden.
4. Nach den Verdächtigten war in übertriebe-
nem Eifer von dorff zu dorff von statt unndt landt,
von hauß zu hauß, von gaßen zu gaßen geforscht
worden.
5. Die Folter war zu weillen zimblichen unange-
messen eingesetzt worden. 4 1 1
PROZESSKRITIK VON DR. JOHANN HEINRICH
MAHLER, FELDKIRCH
Nachdem eine kaiserliche Subdelegation im Auf-
trag Rupert von Bodmans die Auslieferung der Fle-
xenprozessakten erreicht hatte, legte sie diese
zunächst dem Feldkircher Vogteiverwalter Dr.
Mahler vor, der am 7. September 1681 ein kurzes
juristisches Gutachten darüber verfasste. Es ent-
hielt folgende Kritik an den Verfahren:
1. Die Angeklagten wurden über die Indizien,
die zur Gefangenschaft und Tortur führten, nie ver-
hört oder konstituiert.
2. Über die Corpora delicti wurde unter Land-
vogt Brügler keine Inquisition angestellt.
3. In den Akten zu den «Brüglerischen Prozes-
sen» finden sich keine Angaben zur Tortur.
4. Die entsprechenden Eintragungen in den Un-
terlagen zu den «Walserischen Prozessen» erweck-
ten den Anschein, als ob sie erst im nachhinein, als
man von der kaiserlichen Kommission Wind be-
kommen habe, mit einer anderen Tinte nachgetra-
gen worden wären. Darüber sollte der Protokollist
einvernommen werden.
5. Die Interrogatorien waren grossteils verfäng-
lich und suggestiv formuliert.
6. Die meisten Zeugen sagten über Indizien nur
nach dem Hörensagen aus oder waren als Betroffe-
ne nicht unparteiisch. 4 1 2
DAS RECHTSGUTACHTEN DER UNIVERSITÄT
TÜBINGEN
Im Rechtsgutachten der Universität Tübingen, das
sich allein auf die Akten des Prozesses gegen Ka-
tharina Gassnerin bezog, werden ähnliche juristi-
sche Fehler bemängelt . 4 1 3 So lagen nach Meinung
des Gutachters völlig unzureichende Untersuchun-
gen über das Hauptindiz gegen die Verdächtigte
vor. Es war auch nicht klar, ob der einzige Zeuge,
der zudem selbst betroffen war, überhaupt unter
Eid ausgesagt hatte. Schon die erste Einvernahme
wies Verfahrensmängel auf. Die angewandte Tortur
sei viel zu hart gewesen. Nach der ersten Folte-
rung, welche die Angeklagte überstanden hatte,
ohne dass sie ein Geständnis ablegte, hätte auch
kein Grund zur Fortsetzung der Tortur bestanden.
Ausserdem sei die Gassnerin in der Folge zu den
näheren Umständen des Hauptvorwurfes gegen sie
gar nicht mehr einvernommen worden.
Laut Tübinger Gutachten basierte der gesamte
Prozess gegen die Gassnerin deshalb auf keiner
ausreichenden juristischen Grundlage. Das min-
derte auch den Wert weiterer Angaben, die im
Zuge des Verfahrens aktenkundig wurden.
DAS RECHTSGUTACHTEN DER UNIVERSITÄT
SALZBURG
ZUR PERSON DES RECHTSGUTACHTERS
DR. JOHANN BAPTIST MOSER
Über die Person des Salzburger Rechtsgutachters
Dr. Johann Baptist Moser sind wir durch die For-
schungen Peter Putzers unterrichtet. Moser wurde
1638 in Wattens geboren. Nach seinem Rechtsstu-
dium in Ingolstadt arbeitete er zunächst als Advo-
kat in Bozen. 1675 wurde er an die Universität
411) StAAug 2972, fol. 68a-69a.
412) StAAug 2969, fol. 7a+b.
41 3) ÖStA Deneg. Ant. 96.
89
Salzburg berufen, neun Jahre später trat er in den
Dienst der Oberösterreichischen Regierung in Inns-
bruck. Den Höhepunkt seiner Karriere bildete 1711
die Bestellung als Beisitzer am Reichskammerge-
richt in Wetzlar, wo er im Oktober 1718 verstarb. 4 1 4
DIE PROZESSKRITIK DR. JOHANN BAPTIST
MOSERS
Im Herbst 1682 lag Dr. Johann Mosers umfangrei-
ches Rechtsgutachten mit dem Titel Rechtliche Be-
denckhen yber die in der Graf/schafft Vaduz circa
delictum magiae gefierte criminal proceß vor. In ei-
ner übersichtlichen Zusammenstellung hielt der
Jurist folgende Verstösse gegen das Recht fest:
1. Die Spezial-Inquisitionen wurden gar zu un-
behuetsamb vorgenommen, da keine ausreichen-
den Gründe für ihre Einleitung vorlagen. Dadurch
seien etliche Leute in Verruf gebracht worden. Wei-
ters soll sogar das Vermögen solcher Personen kon-
fisziert worden sein, die - ohne dass man ihre
Schuld nachgewiesen hätte - wegen der grausam-
ben und unformblichen proceduren geflohen wa-
ren.
2. Aus den Inquisitionsprotokollen ging nicht
hervor, ob die Zeugen aus eigenem Antrieb denun-
ziert oder auf Aufforderung der Obrigkeit hin (ex
officio) ausgesagt hatten und ob die Einvernahmen
- wie es in der Peinlichen Halsgerichtsordnung
Kaiser Karls V. ausdrücklich vorgeschrieben war -
vor einem Richter und seinen Beisitzern erfolgten.
3. Aus den Prozessprotokollen der «Brügleri-
schen Prozesse» war die Art der vorgenommenen
Torturen nicht ersichtlich, dafür Hessen sich Sugge-
stiv- und Fangfragen nachweisen.
4. In den ProtokoUen der Prozesse, die Landvogt
Walser geführt hatte, waren die Angaben zur Folte-
rung verdächtigerweise nur am Rand ein- oder
nachgetragen. Darüber sollte man den Protokolli-
sten unter Eid vernehmen.
5. Die Beklagten wurden über die Bezichtigun-
gen und Indizien, die gegen sie im Zuge der Inqui-
sitionen vorgebracht worden waren, nicht einver-
nommen.
6. Wie besonders aus den Unterlagen zu den
Verfahren unter Landvogt Walser hervorging, hatte
man die Angeklagten ohne juristisch ausreichende
Gründe, also unrechtmässig, und zuweillen auch
grausamblich und unchristlich gefoltert.
7. Die im Reich unbekannte Folter des Spani-
schen Fusswassers war vor allem deshalb zu
grausam, weil Angeklagte wegen der übergrossen
Schmerzen sogar ihren verstandt verlohren hätten.
8. Aus den Unterlagen sowohl der «Brügleri-
schen» als auch der «Walserischen Prozesse» ging
nicht hervor, dass die Folterung in Gegenwart der
Richter und ihrer Beisitzer erfolgt war, wie es Arti-
kel 47 der Constitutio Criminalis Carolina verlang-
te. Man habe vielmehr entgegen Artikel 58 die
Aussagen, die während der Tortur erfolgten, pro-
tokolliert.
9. Den Corporibus delicti wurde entweder gar
nicht oder nicht auf rechtmässige Weise nachge-
forscht.
10. Über die Zulässigkeit von Zeugen wurde
nicht nachgeforscht, man verhörte sie vielmehr auf
gesetzwidrige Weise indifferenter.
11. Die Unterlagen enthielten keine Angaben
darüber, wie und auf Grund welchen Urteils die
Delinquenten hingerichtet worden waren, aber
sehr wohl, dass man ihr Vermögen eingezogen hat-
te. Dabei konfiszierte die Vaduzer Obrigkeit entwe-
der den gesamten Besitz eines Delinquenten oder
nur ein gewisses quantum. Die vaduzischen Beam-
ten hatten diese Güter auch nach dem Verbot durch
ein kaiserliches Mandat weiterhin eingezogen.
12. Ein angefertigter Protokollauszug und das
Schellenbergische Inquisitionsprotokoll stimmten
in manchem nicht überein, obwohl von denselben
Personen und Vorgängen die Rede war.
13. Bei etlichen Inquisitionen waren Zeugen und
Beisitzer identisch. (Das betraf besonders die Am-
männer Kaspar Schreiber und Georg Wolf.)
14. Manche Aufzeichungen in den Protokollen
brachten die Obrigkeit in den Verdacht der Partei-
lichkeit.
15. Bei Plans Grüschle, Gerold Negele und Maria
Fromoltin lagen nur Konstitutionsprotokolle vor;
die Inquisitionsprotokolle fehlten.
90
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
ZUR CHARAKTERISIERUNG DES SALZBURGER
RECHTSGUTACHTENS
Vergleicht man die zusammengefassten Erkennt-
nisse des Salzburger Rechtsgutachtens über die
Mängel der vaduzischen Prozesse mit den Kritik-
punkten, die schon von den Feldkircher Beamten
vorgebracht worden waren, Findet sich nicht sehr
viel Neues. Der Hauptwert des Gutachtens lag wohl
weniger in der juristischen Analyse als vielmehr in
seiner Wirkung beim Reichshofrat. Dort bildete es
die Grundlage für die offizielle Beendigung der
vaduzischen Hexenverfolgungen und für die Auf-
hebung der Urteile der letzten Prozesse. Es be-
wahrte zahlreiche Menschen vor einem schreckli-
chen Schicksal, das ihnen bevorgestanden wäre . 4 1 5
Für die historische Forschung stellt das Gutachten
eine der wichtigsten Quellen zu den Hexenverfol-
gungen in der Grafschaft Vaduz und in der Herr-
schaft Schellenberg dar.
Diese Tatsachen dürfen jedoch nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass die Darlegungen von Dr. Johann
Baptist Moser nicht nur keine juristische Meisterlei-
stung, sondern eigentlich ein Gefälligkeitsgutachten
bildeten. Schon Otto Seger stellte fest, dass der Gut-
achter wusste, was für ein Urteil er zu finden hatte.
Dr. Moser suchte deshalb «sichtlich» nach Beweisen
dafür, dass die geforderte Form der Verfahren ver-
letzt worden war. 4 1 6 Obwohl er dabei nur zum Er-
gebnis kam, dass fast [!] alle contra formam a iure
praescriptam instituiert worden seien, wurden
schliesslich sämtliche (!) Prozessurteile aufgehoben.
An anderer Stelle äusserte Otto Seger noch un-
verhüllter den Verdacht, dass der kaiserliche Kom-
missar, der selbst an der Universität Salzburg stu-
diert hatte, dem Gutachter «die Richtung gewie-
sen» habe. 4 1 7 «Aus späteren Äußerungen des Fürst-
abtes wissen wir, daß er von der Schuld des Grafen
bei den Hexenprozessen fest überzeugt war, und
wir dürfen wohl annehmen, daß er mit seiner Mei-
nung über die Ungeheuerlichkeiten der Prozeß-
führung nicht zurückgehalten hat. So wäre es er-
klärlich, daß der Berichterstatter der Universität,
Professor Moser, in einem anderen fast gleichzeitig
erstatteten Gutachten für die Todesstrafe bei einem
Hexenprozeß eintritt, während er sichtlich darauf
ausgeht, bei den Vaduzer Prozessen Nichtigkeits-
gründe aufzufinden.» 4 1 8 Später schreibt Seger: «Die
Juristen in Salzburg erkennen aus dem Schreiben
die Einstellung des kaiserlichen Beauftragten, und
als <untertänigst-gehorsame Dienen und mit Dank
für das gnädigste Vertrauen begeben sie sich an die
grosse Arbeit.» 4 1 9
Während Peter Putzer für die Wahl der Univer-
sität Salzburg «keine anderen erkennbaren Grün-
de» als das «Gefühl persönlicher Anhänglichkeit»
oder den «Respekt vor der fachlichen Kompetenz»
anführ te , 4 2 0 deuten Segers Darlegungen daraufhin,
dass sich Rupert von Bodman auf Grund seiner
persönlichen Beziehungen auch ein gewisses Ent-
gegenkommen der Universitätsangehörigen bei der
Beurteilung der Akten erwartete.
Dies galt umso mehr, als mit Dr. Moser die Wahl
auf einen Gutachter fiel, der davor «weder durch
eine spektakuläre Lehrtätigkeit noch durch Publi-
kationen besonders in Erscheinung getreten [war),
schon gar nicht durch strafrechtliche». 4 2 1 Hätte
man sich eine fundiertere Auseinandersetzung mit
der Materie gewünscht, wäre wohl kaum die juri-
stische Fakultät der relativ unbedeutenden Univer-
sität Salzburg ausgewählt worden. Sie hatte davor
erst ein einziges - inhaltlich kaum zu vergleichen-
des - Rechtsgutachten über einen Fall von Hexerei
erstattet. Es ist auch nicht verwunderlich, dass
vom Gutachten des Jahres 1682 «keine Auswir-
kung in der Weise ausgegangen ist, daß jetzt der
414) Putzer, Rechtsgutachten. S. 38.
415) Seger, Hexenprozesse, S. 61 f.. 67 u. 70.
416) Ebenda, S. 64.
417) Ebenda, S. 67.
418) Ebenda, S. 61. Selbstverständlich konnte die Entscheidung für
die Todesstrafe im anderen Fall auch mit einem rechtlich unter-
schiedlich zu bewertenden Tatbestand z u s a m m e n h ä n g e n ; vgl. z. B.
Lorenz, Gothmann, S. 442.
419) Seger, Bodman. S. 190.
420) Putzer, Rechtsgutachten, S. 24.
421) Ebenda. S. 14 f.
91
Salzburger Rechtsfakultät ein besonderer Rang für
Hexengutachten zuerkannt worden wäre». Später
folgten nur noch zwei weitere ähnliche Aufträge. 4 2 2
Laut Peter Putzer stellte übrigens auch das wei-
tere von Dr. Moser «hinterlassene Schrifttum ...
keine Literatur von hohem Wert und Rang dar» . 4 2 2
MÄNGEL DES SALZBURGER RECHTS-
GUTACHTENS
Immerhin galt das Salzburger Rechtsgutachten bis-
lang in der Literatur als eine «mit höchster Gewis-
senhaftigkeit» 4 2 4 und «mit größter Sorgfalt» verfass-
te Arbeit. 4 2 5 Für Otto Seger war Dr. Moser «ein ge-
wissenhafter Gelehrter, der jede Einzelheit beach-
tete». 4 2 6
Diese Urteile treffen jedoch nicht zu, denn das
Gutachten weist eine Reihe von beachtlichen Män-
geln auf, die zu seinem Charakter als wenig an-
spruchsvolle Gefälligkeitsarbeit passen. So fiel Dr.
Moser nicht einmal auf, dass es sich bei der Datie-
rung der ersten Eintragungen im Schellenberger
Inquisitionsprotokoll auf das Jahr 1651 um einen
Irrtum handeln musste. Obwohl die entsprechen-
den Fälle am Beginn seiner Arbeit standen, merkte
er nicht, dass anderenfalls die Ehefrau Andreas
Strals sechs Jahre alt gewesen wäre und dabei
schon einen fünfjährigen Sohn gehabt hät te . 4 2 7 Um
ein ähnliches Versehen findet sich auch bei den In-
quisitionen über Silvester Hopp. 4 2 8
Dr. Moser berücksichtigte in seinem Urteil wei-
ters nicht, dass die ihm vorgelegten Inquisitions-
protokolle keine Originalmitschriften der Verhöre
darstellten, sondern später zum Zwecke der Indi-
zienabwägung neu zusammengestellt worden wa-
ren. Dabei wurden die Aussagen mitunter nicht
von Anfang bis Ende chronologisch, sondern auch
nach thematischen Gesichtspunkten gereiht. Dr.
Moser aber betrachtete zum Beispiel bei den Un-
terlagen zu Katharina Wangnerin die unchronolo-
gische Reihung einfach als Unordnung und Unacht-
samtkeit.4 2 y In Wirklichkeit jedoch ermöglichte erst
ein zeitlicher Einschub eine chronologische Darle-
gung der unterschiedlichen Anschuldigungen.
Wie seine Bemerkungen zu den Aufzeichnungen
über Michael Schechle zeigen, erkannte Dr. Mo-
ser darüber hinaus nicht, dass bei der zusammen-
fassenden Niederschrift der Inquisitionsaussagen
nicht jedesmal die Namen der Beisitzer bei den ein-
zelnen Verhörterminen wiederholt wurden. Für ihn
galten solche Eintragungen einfach als rechtswid-
r ig . 4 2 0 Eine Liste der Delinquenten aus dem Jahre
1682 belegt, dass es auf Grund der damals vor-
liegenden Unterlagen sehr wohl möglich war, die
personellen Zusammensetzungen der Inquisitions-
kommissionen zu rekonstruieren.4 3 1
Neben solchen strukturellen Fehlern unterliefen
Dr. Moser im Rechtsgutachten etliche sprachliche
Missverständnisse, die deutlich sein Bemühen do-
kumentieren, belastendes Material gegen das Va-
duzer Gericht anzuführen. So verzeichnete er etwa
bei einer Inquisition über Georg Nigg aus Triesen,
dass der erste Zeuge, Jakob Bargezi, in einer seiner
Aussagen zunächst erklärt habe, dass die Geiss, die
er anstelle einer Geldzahlung von Nigg erhalten
hatte, vier Wochen später zerfallen sei. Laut einer
anderen Aussage Bargezis sei die Geiss vom Flirten
aber beim ersten Austreiben verlohren worden,
daß kein mensch wisse, wo sye hinkhommen. Dr.
Moser bemängelte diesen vermeintlichen Wider-
spruch und erklärte, dass man gemäss der ersten
Aussage wohl wissen hätte müssen, wo die gaiß
hinkhommen wäre. Er verstand nicht, dass «zerfal-
len» so viel wie «über einen Felsen hinunter fallen»
heisst, und konstruierte daraus einen Widerspruch
beim Zeugen. 4 3 2
Als Regina Maierin gegen Anton Hopp aussagte,
unterstellte ihr Dr. Moser selbst eine abergläubi-
sche Tat, weil sie dem Scharfrichter under dem
köpf gegangen sei. 4 3 3 Die Maierin war jedoch zum
Scharfrichter «unter dem Kapf» bei Feldkirch ge-
gangen. Bemerkenswert wird dieses Missverständ-
nis auch deshalb, weil Moser im nächsten Satz den
Vorwurf erhob, dass die Gerichtsprotokolle nicht
mit dem angefertigten Auszug übereinstimmten,
dass also die Behörde beim Protokollieren nicht
genug Fleiss angewendet habe. 4 3 4
Ähnlich voreingenommen erklärte Dr. Moser die
Angaben zur Verwandtschaft der Maria Hoppin aus
92
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Ruggell, die vor den Zeugenaussagen in den Proto-
kollen verzeichnet waren, als Grund für die vorge-
nommene Inquisition, 4 3 5 obwohl er wusste, dass
entsprechende Informationen wichtige Anhalts-
punkte für die Einschätzung der dabei vorgebrach-
ten Beschuldigungen enthielten.
Während Maria Beckin vom Triesenberg gemäss
Angaben des Dr. Welz von einem verdächtigen
schwachen maidlin beim Schmalzen unterstützt
wurde, handelte es sich dabei laut Dr. Moser um
ein schwarzes mändle.436
Bei Hans Walser, dem Knecht des Eschner Wai-
bels, heisst es im Salzburger Rechtsgutachten, es
seien keine ausreichenden Indizien für die Einlei-
tung einer Inquisition vorhanden gewesen, etwa
dass er durch gemainen leimuth befzjichtiget wor-
den, welches doch vor allem hette sein sollen.437
Aus den Zeugenaussagen geht aber eindeutig her-
vor, dass Walser in einem sehr üblen rueff stand. 4 3 8
Dr. Moser schrieb weiters, Regina Maierin aus
Ruggell hätte auch deshalb erkrankt sein können,
weil sie vorhin nit recht gesandt gewesen war. 4 3 9 Im
Inquisitionsprotokoll wurde diese Möglichkeit je-
doch ausgeschlossen.440
Über Sebastian Kiber hielt der Rechtsgutachter
fest, er sei verdächtigt worden, weil er niemandem
ins Gesicht sehe.441 Tatsächlich aber hatte ein Zeu-
ge erklärt, dass Kiber keinem ehrlichen Mann ins
Angesicht sehen dürfe . 4 4 2 Im Fall Michael Schech-
les weigerte sich nicht der Geschädigte selbst, son-
dern der Schmied, einen magisch bedeutsamen
Nagel herzugeben.4 4 3 Magdalena Marxerin gab eine
langwierige Krankheit ihres verstorbenen Bruders
als Flauptursache des Argwohns gegenüber Katha-
rina Bregenzerin zu Protokoll. 4 4 4 Im Rechtsgutach-
ten wurde daraus eine Krankheit der Zeugin. 4 4 5 Dr.
Moser arbeitete gegen Ende so oberflächlich, dass
er auf wenigen Seiten Katharina Vonbankin mit
denselben Zeugenaussagen als zwei verschiedene
Delinquenten anführ te . 4 4 6
Bei manchen Fehlern des Gutachtens ist es
schwer zu bestimmen, ob es sich dabei um Schlam-
pigkeit handelte oder ob bestimmte Tatsachen, die
schlecht ins eigene Argumentationskonzept pass-
ten, bewusst nicht berücksichtigt wurden. So geht
Dr. Moser bei seiner Entlastung der Katharina Bre-
genzerin einfach nicht darauf ein, dass sie selbst
von ihrem Ehemann öfters Hexe genannt worden
war. Er hatte ihr sogar gedroht, er wolle ihr helfen
lassen.447 Eine belastende Aussage Ferdinand Wan-
gers bezieht der Rechtsgutachter nur auf Kathari-
na statt auf alle Mitglieder der Familie Bregenzer,
was bezüglich der Gewichtung der Indizien einen
Unterschied bildete. 4 4 8
Auch bei anderen Verdächtigten liess Dr. Moser
einfach bestimmte belastende Momente in den
422) Ebenda, S. 30-34.
423) Ebenda, S. 38.
424) Ebenda, S. 38.
425) Seger, llc.xenprozesse, S. 63.
426) Ebenda, S. 67.
427) Vgl. zur Datierung S. 8.
428) SRg, fol. 29b.
429) Ebenda, Toi. 37b.
430) Ebenda, fol. 83a.
431) V L A HoA 76,17.
432) SRg, fol. 148a.
433) Ebenda, f o l 42b.
434) Für ihn selbst war es zum Beispiel belanglos, wenn Kinder statt
einer krate kriese (Korb Kirschen) einfach kraten kreß überbrach-
ten: SRg, fol. 48b.
435) SRg, fol. 75a; vgl. auch 70b f. (erste Zählung).
436) Ebenda, fol. l lSa+b .
437) Ebenda, fol. 20a.
438) StAAug 2968, fol. 8b.
439) SRg, fol. 42b.
440) StAAug 2968, fol. 20b.
441) SRg, fol. 70b (zweifache Foliozählung).
442) StAAug 2968, fol. 32b.
443) SRg, fol. 83b.
444) StAAug 2968, fol. 35a.
445) SRg, fol. 72b.
446) Ebenda, fol. 264a u. 277a+b.
447) StAAug 2968, fol. 35b: SRg, fol. 72b.
448) SRg, fol. 73a; StAAug 2968, fol. 35b.
93
Zeugenaussagen weg und ersparte sich so Argu-
mentationsprobleme. Bei Maria Hoppin aus Rug-
gell fehlt zum Beispiel die keineswegs nebensäch-
liche Tatsache, dass sie auffälligerweise nur bei
Hexenverfolgungen die Läden schloss und dass sie
von ihrem eigenen Mann verdächtigt worden sein
soll. 4 4 9 Der Rechtsgutachter geht auch nicht weiter
darauf ein, dass die hingerichtete Madgalena Eg-
lin ihre Beschuldigungen gegenüber Barbara Mora-
tin aufrechterhalten hatte, obwohl sie vor der Hin-
richtung sonst grosse Reue bezeugt und sich - zu-
mindest äusserlich - wieder zu Gott bekehrt hatte.
Er qualifizierte die Aussage der Eglin als gewöhn-
liche Denunziation ab, über die keine weiteren
Unterlagen mehr vorlagen. 4 5 0
Völlig überflüssig war die umfangreiche Ab-
schrift von Inquisitionsangaben, die selbst vom
Vaduzer Gericht nicht für wert befunden wurden,
weiter verfolgt und dem Lindauer Rechtsgutachter
vorgelegt zu werden. Sie liess das Salzburger
Rechtsgutachten allerdings umfassender erschei-
nen und belastete bei oberflächlicher Betrachtung
zusätzlich das Vaduzer Gericht.
DIE ARGUMENTATIONSSTRATEGIEN DES
SALZBURGER RECHTSGUTACHTENS
Wie schon von Otto Seger hervorgehoben wurde,
war der Verfasser des Rechtsgutachtens sehr be-
müht, möglichst viele Verfahrensfehler zu finden.
«<Forma non servata actus redditur nullus>, das be-
deutet: Wenn die vorgeschriebene Form nicht ein-
gehalten wird, ist der ganze Rechtsakt ungültig.
Diese Worte könnte man als Leitsatz über die ganze
Arbeit stellen.» 4 5 1
Wendet man den genannten Grundsatz auf das
Rechtsgutachten selbst an und zählt man zu den
formalen Fehlern auch die willkürlichen Auslegun-
gen sowie eigenwilligen Interpretationen der Un-
terlagen, so zeigt sich, dass die Aufhebung sämt-
licher Urteile der vaduzischen Hexenprozesse der
Jahre 1679 und 1680 auf einer juristisch nicht
besonders soliden Basis stand. Man kann wohl
annehmen, dass es auf dieser Grundlage wahr-
scheinlich nicht ohne weiteres zu einer pauschalen
Annullierung sämtlicher Urteile der vaduzischen
Hexenprozesse gekommen wäre, wenn sich die
Partei der Hexenverfolger beim Verfahren vor dem
Reichshofrat gegen die Argumentationsstrategien
des Rechtsgutachtens zur Wehr hätte setzen kön-
nen.
Diese basierten auf zwei Grundmustern: Erstens
legte Dr. Moser an die Hexenprozesse, für die
zumeist rechtliche Sonderregelungen geltend ge-
macht wurden, die Massstäbe des gewöhnlichen
Verfahrensrechts an und konnte so mehr als genug
Verstösse dagegen feststellen. Zweitens suchte er
bei allen möglichen Angaben, die seinen Zielen ent-
gegenstanden, so lange nach irgendwelchen Män-
geln, bis sie für ihn juristisch nicht mehr relevant
waren.
Dabei war Dr. Moser keine Kleinigkeit zu gering,
als dass er sie nicht gegen das Vaduzer Gericht
benützt hätte. So liess er zum Beispiel die Aussage
Hans Kibers gegen Maria Walserin deshalb nicht
gelten, weil Kiber nur erklärt hatte, eine Kuh habe
am Tag nach dem Streit gestockte Milch gegeben,
und drei Tage darauf sei ein Stier gestorben. Laut
Dr. Moser hätte Kiber auch die aigentliche zeit
anführen, also ein Datum nennen müssen. 4 5 2
Bei einer Aussage gegen Magdalena Spaltin, die
vor ohngefehr vor 3 jähren Flennen durch Küchle
vergiftet haben sollte, kritisierte er nicht nur die
vage Zeitangabe. Er bemängelte vor allem auch,
dass der Zeuge nicht ausdrücklich erklärt hatte,
dass er selbst gesehen ihabe, wie seine Frau die
Küchle den Tieren vorgeworfen hät te . 4 5 3
Eine Beschuldigung Martin Niggs durch Corne-
lius Marogg liess Dr. Moser mit der Begründung
nicht gelten, dass sie nur dann belastend gewesen
wäre, wenn Nigg auch durch seinen Lebenswandel
als der Hexerei verdächtig gegolten hätte. Da je-
doch in den Protokollen angeführt war, dass Ma-
rogg den Verdacht gegen Nigg eben darum hegte,
weil er in mala fama seye, erklärte Dr. Moser diese
Aussage deshalb für ungültig, weil nicht angegeben
war, auf welche Art der schlechte Ruf entstanden
war. 4 5 4
94
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Wenn die Obrigkeit im Zuge der Untersuchun-
gen gegen eine Vorschrift Verstössen hatte, wurde
sie dafür kritisiert. Hatte sie sich daran gehalten,
Hessen sich aber stets andere Mängel finden. Beim
Prozess gegen Christian Negele zum Beispiel war
der Stecken, auf dem er geflogen sein soll, ord-
nungsgemäss gesucht, gefunden und anschliessend
verbrannt worden. Dr. Moser bemängelte jedoch,
dass nicht vermerkt worden war, ob man den Stock
tatsächlich an dem von Negele angegebenen Ort
gefunden hatte. Beim Teufelssamen, den Negele
zum Wetter-, Hagel- und Reifmachen verwendet
haben soll, ist hingegen erwähnt, er sei am
bezeichneten Ort aufgefunden worden. Dr. Moser
setzte nun wiederum aus, dass man den Delin-
quenten nicht nach dem Hafen gefragt hatte, in
dem er den samen und hagl gesotten hät te . 4 5 5
In zahlreichen Fällen bemängelte Dr. Moser,
dass es das Gericht unterlassen hatte, auf dem
Körper der Angeklagten nach den Malen zu
suchen, aus denen das Blut für die Unterzeich-
nung des Teufelspaktes genommen worden sei. Bei
Georg Nigg hatte der Scharfrichter das Mal gefun-
den. Nun vermutete der Rechtsgutachter jedoch,
dass Georg Nigg das Mal villeicht ex alio accidenti
bekhommen habe, dass es also von einem anderen
Vorfall her rühr te . 4 5 6
Waren einem Angeklagten, wie etwa Simon
Rig, verdächtige Äusserungen nachzuweisen, er-
klärte Dr. Moser einfach, dass man so etwas nicht
im Ernst vor vielen Leuten gesagt haben könne.
Ausserdem müsse man Aberglauben von Zauberei
unterscheiden, wie es dan dergleichen aberglaubi-
ge leüth vil gibt, sonderlich under der gemain.457
Auf diese Weise liess sich stets zugunsten der eige-
nen Auffassung argumentieren.
Die Hauptwirkung seiner Darlegungen erzielte
Dr. Moser jedoch, indem er ohne weitere Argumen-
tation davon ausging, dass nur eine bestimmte Ver-
fahrensweise bei Hexenprozessen rechtsgültig war.
Dabei bestanden damals mehrere verschiedene ne-
beneinander,458 über deren Berechtigung die Mei-
nungen weit auseinandergingen. Genügte etwa für
den Trierer Weihbischof Peter Binsfeld bereits eine
einzige Denunziation ohne weiteres Indiz für die
Folterung eines Verdächtigten, 4 5 5 so steht umge-
kehrt zu vermuten, dass die römische Kongrega-
tion für die Inquisition selbst beim Hexenprozess in
Salzburg keine ausreichende Rechtsgrundlage für
die Verhängung der Todesstrafe gesehen hätte, für
die sich Dr. Moser aussprach. 4 6 0
Auf Grund der lückenhaften Bestimmungen der
Constitutio Criminalis Carolina von 1532 waren die
Richter dazu verpflichtet, in schwierigen Fällen Rat
bei Rechtsgelehrten einzuholen. 4 6 1 Der vom Vadu-
zer Gericht konsultierte Rechtsgutachter Dr. Welz
befürwortete einige der verschärften Verfahrens-
formen, die ursprünglich dem Ketzerprozess nach-
gebildet worden waren und die rechtliche Basis «in
der Mehrzahl der verhandelten Hexenprozesse»
bildeten. 4 6 2 Dr. Moser hingegen lehnte diese Ele-
mente des «processus summarius» oder «Proces-
sus extraordinarius», der zur Bekämpfung des
«crimen exceptum» (Ausnahmeverbrechen) der
Hexerei entwickelt worden war, ab und vertrat die
Auffassung, dass man sich auch in den Vaduzer
Verfahren an die Regeln des «processus Ordina-
rius», der stärker an den Grundbestimmungen der
Constitutio Criminalis Carolina orientiert blieb,
hätte halten müssen. So fiel es ihm nicht schwer,
449) SRg, fol. 76b; StAAug 2968, fol. 37b.
450) StAAug 2968, fol. 39a; SRg, fol. 80a+b.
451) Seger, Hexenprozesse, S. 67.
452) SRg, fol. 10a.
453) StAAug 2968, fol. 25a; SRg, fol. 58b.
454) SRg, fol. 122a+b.
455) Ebenda, fol. 115a.
456) Ebenda, fol. 150a.
457) Ebenda, fol. 189a.
458) Lorenz, Hexenprozeß, S. 75 f.: Trusen, Rechtliehe Grundlagen,
S. 226.
459) Hexen und Hexenprozesse, S. 181.
460) Vgl. dazu Trusen, Rechtliche Grundlagen, S. 211-214.
461) Ebenda, S. 208.
462) Lorenz, Hexenprozeß, S. 76.
95
bei den vaduzischen Hexenprozessen zahlreiche
juristische Verstösse nachzuweisen.
Bei der Beurteilung der Abstammung bestimm-
ter Verdächtigter von früher verbrannten Hexen-
personen werden die unterschiedlichen Einschät-
zungen angesprochen. Der Salzburger Rechts-
gutachter räumte selbst ein, dass die schlechte
Herkunft von bedeutenden Juristen - wie dem
gemässigt eingestellten Rostocker Extraordinarius
Johann Georg Godelmann (1559-1611) - vor ain
zur inquisition genugsambes anzeigen will gehal-
ten werden. Seine eigene ablehnende Haltung be-
gründete Dr. Moser damit, dass die Gegenmeinung
a saniori doctorum schola verworffen und der-
gleichen anzeigen vor ungewiß gehalten werde. 4 6 3
Wenn sich das Gericht nach der Beratung durch
den Juristen Dr. Welz aus Lindau und den Rechts-
konsulenten Lizentiat Büchele anders entschied,
konnte ihm dies nur aus politischen Gründen vor-
geworfen werden.
Das Gericht hatte sich also - trotz der zahlrei-
chen Verstösse, die begangen wurden - nicht
grundsätzlich über unverrückbare Rechtsprizipien
hinweggesetzt; solche wurden vielmehr später po-
stuliert, um mittels juristischer Argumente macht-
politische Entscheidungen zu erleichtern.
Wenn man übrigens die Grundsätze Dr. Mosers
auf die zahlreichen Hexenprozesse in den öster-
reichischen Herrschaften vor dem Arlberg anwen-
det, müssten viele von ihnen ebenfalls als unrecht-
mässig bezeichnet werden. Nicht selten stellte die
Innsbrucker Oberbehörde selbst Verstösse gegen
das Recht fest.4 6 4
Ähnliche Fehler, wie sie das Vaduzer Gericht
beging, lassen sich weiters unschwer auch bei den
meisten württembergischen Gerichten nachweisen.
Sie sahen ihre Aufgabe oft ebenfalls eher im Verur-
teilen als im Urteilen und gingen deshalb zumeist
von der Schuld der Angeklagten aus, stützten sich
dabei auf Aussagen unbeeideter Zeugen und nah-
men nur oberflächliche Untersuchungen der objek-
tiven Tatvorwürfe vor. Wenn ihnen Zeugenaus-
sagen als richtig erschienen, empfanden es sogar
die württembergische Regierung und die Tübinger
Juristenfakultät nicht mehr für notwendig, deren
Wahrheitsgehalt genauer zu überprüfen. 4 6 5 Laut
Paul Gehring urteilte nicht einmal die Tübinger
Juristenfakultät «nach klaren, einheitlichen An-
schauungen über Wesen und Wert» der Indizien. 4 6 6
Über Leben und Tod entschied also, wie und von
wem das Recht unter ganz bestimmten Umständen
ausgelegt und angewandt wurde. In diesem Zu-
sammenhang diente das Salzburger Rechtsgutach-
ten über die Vaduzer Hexenprozesse von 1679 und
1680, das selbst massiv gegen das von den Rich-
tern eingeforderte Gebot der Unparteilichkeit ver-
stiess, hauptsächlich als ein politisches Mittel beim
Vorgehen der kaiserlichen Kommission gegen die
Grafen von Hohenems und erfüllte seinen Zweck
erwartungsgemäss.
96
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Die Opfer und ihre
Denunzianten
V E R H A L T E N DER REVÖLKERUNG BEI DEN
HEXENJAGDEN
Manche Personen, die der Hexerei verdächtigt wa-
ren, wurden wohl von der Mehrzahl der Mitmen-
schen ausgegrenzt. Von Barbara Moratin hiess es
einmal, es wehre iederman fro, wan sie nur baldt
verbrent wurde. Anderen sogenannten Hexenleu-
ten gestand man jedoch durchaus auch positive
Eigenschaften zu. Obwohl zum Beispiel Maria Hop-
pin aus Ruggell wegen ihrer Verwandtschaft vielen
suspekt erschien, hiess es von ihr, sie sei ein guet-
tes weib, so armen leüten vil guets zu thun pflege.
Allerdings habe sie nicht viel Umgang mit den Leu-
ten. (Der Jurist Dr. Welz bezeichnete sie in seinem
Rechtsgutachten vom März 1679 einfach als Unge-
ziefer.)
Wie «gute» und «schlechte» Menschen, so wa-
ren auch Verfolger und Verfolgten nicht einfach zu
unterscheiden. Es standen sich keineswegs nur die
Familien der «Brenner» und der «Opfer» gegen-
über. Manche der Hexerei Verdächtigte wurden
durch ihre eigenen Familienmitglieder in Verruf
gebracht. So hatte etwa der Ehemann der erwähn-
ten Maria Hoppin gefragt, ob man seine Frau hole,
als man ihn gefangennehmen wollte. Die Leute sa-
hen dadurch den Verdacht bestätigt, den sie ihr ge-
genüber hegten. Eine ähnliche Wirkung erzielte ein
anderer Ehemann, als er einem Gerichtsmann aus-
richten liess, wenn man seine Frau in der Nacht
holen kommen würde, solle man ihm nicht die Tür
einbrechen, er wolle selbst aufmachen. Adam Mai-
er belastete seine Ehefrau mit der Aussage, dass er
sie eines Nachts nicht neben sich gefunden habe.
Als er sie gesucht habe, sei sie aus der Gewandtru-
he herausgeschlüpft und habe erklärt, dass sie sich
wegen der Flöhe dorthin gelegt hätte. Der Verdacht
gegen Daniel Walser aus Vaduz wurde sogar durch
die eigene Mutter verstärkt, die ihren Sohn als
Nichtsnutz bezeichnete, der zu keinem Gebet zu
bringen sei. Auch Eva Götschin vom Triesenberg
soll von den eigenen Eltern belastet worden sein.
Umgekehrt brachten auch Kinder ihre Eltern in
Verruf, meist jedoch nicht absichtlich. So erklärte
Maria Jehlin von ihrem alten Vater, sie wünschte,
dass ihn der Jammer schon längst über Spitz und
Berg getragen hätte, denn sie fürchtete, sie müesse
noch etwas an ihme erleben.
Ebenso leicht konnte man sich selbst in Ver-
dacht bringen beziehungsweise sich durch be-
stimmte Erwartungen weiter belasten. So fügte
Matthäus Conrad bei einer Terminvereinbarung
die Einschränkung hinzu, wenn man ihn so lange
leben lasse. Ausserdem erklärte er, als er am Gal-
gen vorbeiging, er komme gewiss auch noch dahin,
da seine Mutter, die er verfluchte, verbrannt wor-
den war.
Man musste jedoch nicht so deutlich werden. Als
Eingeständnis des schlechten Gewissens wurde
schon ein ängstliches Verhalten verdächtigter Leu-
te gewertet. Maria Hoppin schien zum Beispiel zu
den Zeiten der Hexenverfolgungen immer traurig
zu sein und schloss am Abend die Läden im ganzen
Haus, was sie sonst das ganze Jahr hindurch nicht
tat. Andere hielten es in einer solchen Lage nicht
mehr in den eigenen vier Wänden aus. So habe
sich beispielsweise Martin Nigg, Rädermacher in
Triesen, bei den Prozessen von 1651 fast täglich
unter dem Vorwand der Kälte ins Flaus Cornelius
Maroggs begeben. Nach Beendigung der Verfahren
sei er jedoch nie mehr gekommen. Dafür hätten
Maroggs Kühe nach Niggs Besuch weniger Milch
gegeben, und zwar ohne dass dieser sie berührt
hatte. Zahlreiche weitere Personen, die fürchteten,
gefangen zu werden, blieben zur Zeit der Hexen-
prozesse nicht zu Hause, sondern versteckten sich
anderswo.
Argwöhnisch beobachteten die Leute, ob jemand
Angst vor einer Verhaftung hatte und zu flüchten
beabsichtigte. Drei Personen, die am Abend noch
von Steg nach Malbun gegangen waren, obwohl sie
dort nichts zu tun gehabt hatten, machten sich
sofort verdächtig. Adam Schierser war einmal zur
463) SRg, fol. 6a+b.
464) Tschaikner, Herrschaften vor dem Arlberg, S. 152.
465) Gehring, Hexenprozesse, S. 395 u. 404.
466) Ebenda, S. 18.
97
Zeit der Prozesse aus Furcht, er könnte gefangen
werden und müsste für seinen Vater «entgelten»,
aus einem Fenster geflohen. Ähnlich erging es Eva
Götschin. Als sie einen bestimmten Nachbarn sah,
ergriff sie voller Angst aufs geschwindeste die
flucht in die alp auffs berglin, und zwar durch
einen ohngewohnten weg, in 2V2 stund weit.
Andere wiederum, wie etwa Simon Nigg aus
Triesen, reagierten erst nach vilfältig öffentliches
antrohn der gefankhnus und ufmahnung des weibs
und gueter fründen. Obwohl er schon massiv von
inhaftierten Delinquenten denunziert worden war,
flüchtete auch Christian Negele aus Vaduz erst, als
ihn Landvogt Dr. Brügler abholen wollte und schon
vor dem Haus als Hexenmeister herausrief. Beim
Versuch, wieder nach Hause zu gelangen, wurde er
später in Feldkirch verhaftet. Bald wäre Negele
dann noch die Flucht aus dem Schloss Vaduz ge-
lungen. Er wurde jedoch 1680 hingerichtet.
Das zögernde Verhalten Florian Gassners vom
Triesenberg hatte andere Folgen. Seine Mutter hat-
te sich beim Ammann Wolf über eventuelle Denun-
ziationen durch bereits verhörte Delinquenten er-
kundigt und bei der zweiten Vorsprache erfahren,
dass beide Söhne belastet seien. Statt zu fliehen,
suchte Florian zunächst Rat bei den Kapuzinern in
Mels, die ihm jedoch nicht zu helfen wussten. Bald
darauf war es zu spät. Florian wurde gefangenge-
nommen. Ihm gelang jedoch als einem der wenigen
die Flucht auf dem Weg nach Schloss Vaduz.
So wie er verliessen zur Zeit der Hexenprozesse
zahlreiche weitere Personen die Grafschaft Vaduz
und die Herrschaft Schellenberg. Was diesen Leu-
ten dann bevorstand, nannte man «im Elend her-
umgehen». Bekanntlich gehen die Wörter «Elend»
und «Ausland» auf dieselbe Wortwurzel zurück. 4 6 7
Für manche Verdächtigte, insbesondere für ärme-
re, ältere und gebrechliche Personen, bildete des-
halb die Flucht keine Lösung für die Schwierigkei-
ten, in denen sie sich befanden.
Christian Hilti erklärte gegenüber seinem Sohn,
wenn er jung wäre, würde er nicht im Land blei-
ben. Ja, er schalt sogar seinen Sohn, dass er noch
hier herumwerke und sich nicht ins Ausland be-
gebe. Aus Angst vor der Verhaftung hatte er stets
seine büchse zum bett gestellt, um sich gegen die
Schergen des Gerichts zu wehren. In seiner Entrü-
stung über die Verbrennung der Mutter, deren lieb-
stes Kind er immer gewesen sein soll, scheute er es
nicht, sich über die näheren Umstände ihres
Schicksals beim Ammann Bürkle persönlich zu
erkundigen. 1679 wurde er selbst verbrannt.
Die meisten Flüchtlinge aus der Grafschaft Va-
duz und aus der Herrschaft Schellenberg dürften
sich in den Nachbarterritorien aufgehalten haben.
Simon Vonvill aus Balzers jedoch begab sich für ein
ganzes Jahr nach Rom und kehrte erst nach Ende
der Hexenprozesse wieder zurück.
Manche Leute, die im Land geblieben waren,
verloren aus Angst vor den Hexenprozessen in der
Öffentlichkeit die Nerven. So erklärte Christian
Eberle aus Schaan im Wirtshaus beim Trinken
gegenüber einem Geschworenen unter bitterem
Weinen, er müsse ihn gefangennehmen und ihm
sein Recht antun. Man solle ihn lieber heute als
morgen verbrennen. Auch Andreas Conrad aus
Schaan, selbst ein reicher Gerichtsmann, deutete
1679 im Rausch an, wie es ihm und seinen Kindern
ergehen werde. Nach einem Trunk mit dem Am-
mann Georg Bürkle wollte er auf dem Heimweg
nicht am Galgen vorbeigehen und nahm deshalb
einen anderen Weg. Dabei verhielt er sich aber
trotzdem stets so, als ob der Teufel gegenwärtig
wäre, und redete von Hexentänzen. Conrad erklär-
te, dass ihn der Teufel umbringen werde, weil er
diesesmal nicht dabeigewesen sei. Dann wollte er
ins Wasser springen. Er bezeichnete sich als He-
xenmeister und verlor völlig die Kontrolle über
sich. Daraufhin wurde er von Bürkle in ein Wirts-
haus gebracht und zu Bett gelegt, wo er unter
Schweissausbrüchen weitertobte. Später zeigte er
im Wirtshaus ein zweites Mal ähnliche Erscheinun-
gen. Ihm kam der Schweiss, dabei redete und ver-
hielt er sich so, wie wenn der Teufel gegenwärtig
wäre. Thomas Walser erlebte ebenfalls einmal
einen solchen Anfall mit.
Sehr verdächtig wirkte es, wenn jemand einem
Gerichtsmann, der als Beisitzer bei einem Hexen-
prozess fungierte, aus dem Weg ging. Selbst für den
Rechtsgutachter Dr. Welz war das schlechte Gewis-
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«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
sen der Anna Reinbergerin und ihrer Töchter ein
gültiges Indiz: Als zwei Gerichtsleute mit der ge-
fangenen Maria Tannerin zu ihrem Haus kamen,
seien die Reinbergerin und ihre Töchter so sehr er-
schrocken und ertattert, daß auff gethane begrüs-
sung sie nicht einmahl geantwortet, sondern ange-
fangen in den haaren zu zupfen, die töchtern aber
gar hinweg gelauffen.
Nur wenige Hinweise dokumentieren die ver-
zweifelte Grundstimmung vieler Menschen wäh-
rend der Hexenverfolgungen unmittelbar. Michael
Hilbi, der 1678 verbrannt wurde, äusserte sie ein-
mal in eindringlicher Weise gegenüber seiner
Nachbarin: Wie ist daß ein armes ding, wie miesen
wür unser leben anfangen, ich wais nit, wo aus
noch ahn. Manche Leute verfielen auf Grund der
Hexenangst in lang andauernde Depressionen.
Hans Schedlers Ehefrau Barbara Tannerin behaup-
tete 1676, die Götschin habe ihr im schlaff eine
hexerey vor daß gesicht gemacht und sie in noch
wehrende traurigkeit gestürzet. Der im Jahre 1679
hingerichtete Hans Grüschle aus Vaduz wird nicht
erst im Gefängnis zur Auffassung gelangt sein, er
sei auf dieser Welt allzeit zum Narren gehalten
worden.
Einen volkskundlich interessanten Einzelfall bil-
det bislang die Wallfahrt der Barbara Moratin aus
Mauren. Nach der Verbrennung einer nahen Ver-
wandten 1678 zog sie zusammen mit ihrem Sohn
Jakob zum Kloster Ettal in Oberbayern und liess
sich mit Brief und Siegel bestätigen, dass sie im-
stande gewesen war, das dortige Marienbild - die
etwa 35 Zentimeter grosse Marmorfigur der «Fun-
datrix Ettalensis», die Ettaler Madonna aus dem
14. Jahrhundert 4 6 8 - aufzuheben. Das sollte als
Beleg dafür gelten, dass sie fromm und keine Hexe
war, denn das Heben von grossen Gewichten oder
von Heiligenfiguren galt im volksmagischen Den-
ken als «Gewissensprobe». 4 6 9 Im Kloster Ettal stand
das Heben des Gnadenbildes allgemein in Ge-
brauch, eine besondere Beziehung zum Hexen-
wesen ist nicht feststellbar.470 Die Moratin und ihr
Sohn vertrauten wohl auf die in einem Gedicht an-
gepriesenen Fähigkeiten der wundertätigen Ma-
rienstatue: «Bist du beladn mit Angst und Pein /
Mit Kummer und mit Schmertzen? / Dein Angst
wird stracks außgloschen seyn / Wie von dem Wind
die Kertzen.» 4 7 1 Da das obere Rheintal nicht zum
Einzugsgebiet der Ettaler Wallfahrt zählte, sehr
wohl aber weite Teile des Allgäus und der schwäbi-
sche Raum östlich der Iiier,4 7 2 lässt sich vermuten,
dass die Moratin im Zuge einer saisonalen Arbeits-
migration in Verbindung zum Kloster Ettal kam.
Für den protestantischen Rechtsgutachter Dr.
Welz aus Lindau galt übrigens die Bestätigung aus
Ettal nicht als Entlastung vom Verdacht der Hexe-
rei; er wollte sich jedoch nach dem Urteil der Theo-
logen richten. 4 7 3
DIE Z A H L DER TODESOPFER IN DER
LITERATUR
Die erste Angabe zur Zahl der Todesopfer bei den
Vaduzer Hexenprozessen, die mir vorliegt, stammt
von Alexander Frick. Er vermutete 1949, dass den
Verfahren «etwa 150 Personen zum Opfer fie-
len». 4 7 4 In seinen Untersuchungen aus den Jahren
1958 und 1960 verdoppelte Otto Seger diese Zahl.
Seine Angaben wurden in der Folge sowohl von der
Landeskunde 4 7 5 als auch von der Hexenforschung 4 7 6
allgemein übernommen. So entstand die Auffas-
sung, dass bei den Hexenprozessen in der Graf-
467) Herkunf t swör te rbuch . S. 134.
468) Vgl. dazu Kreytenberg, Marmorbildwerk, passim; vier Abbil-
dungen des Gnadenbildes nach S. 48.
469) HDA Bd. 3, Sp. 1605 f.
470) Koch, Wallfahrt, S. 67.
471) Zit. n. Koch, Wallfahrt, S. 59.
472) Koch, Wallfahrt, S. 72.
473) Welz 2, S. 25 f.
474) Frick, Erinnerung. S. 14.
475) Press, Entstehung, S. 67: Schlapp. Liechtenstein, S. 42; Wanger.
Bilder, S. 141.
476) Merzbacher. Hexenprozeß, S. 318; Behringer, «Erhob sich das
ganze Land», S. 168; ders., Behringer, Bayern, S. 346; Vogt, Hexen-
prozesse, S. 2; Tschaikner: «Damit das Böse ausgerottet werde» .
S. 229; ders., Vorarlberg, S. 287 u. 294.
99
schaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg
zwischen der Mitte des 17. Jahrhunderts und 1680
etwa zehn Prozent der Einwohnerschaft hingerich-
tet worden seien.
Dabei erscheint es als problematisch, wenn die
Todesopfer aus einem längeren Zeitraum auf eine
punktuelle Bevölkerungszahl umgerechnet werden;
denn die Anzahl der Personen, die über mehrere
Jahrzehnte hindurch immer wieder Hexenverfol-
gungen erlebte, war viel grösser die Bevölkerungs-
zahl eines bestimmten Jahres. Ausserdem muss
man in der Grafschaft Vaduz und in der Herrschaft
Schellenberg für die betreffende Zeit eine Ein-
wohnerzahl von etwa 4 000 Personen annehmen. 4 7 7
Grundlegendere Zweifel an Segers Einschätzun-
gen habe ich in einem Aufsatz in den «Balzner
Neujahrsblättern 1997» formuliert, wo seine Argu-
mentation sozusagen textimmanent analysiert
wurde. 4 7 8 Die vorliegende Aufarbeitung der Quellen
bestätigt die dort vorgebrachten Einwände. Die von
Seger angeführten Quellenstellen, in denen von
300 Opfern die Rede ist, 4 7 9 beziehen sich nicht auf
die Hingerichteten, sondern auf deren Nachkom-
men. Die missdeutete Aussage «Es beklagen sich
die Nachgelassenen der Hingerichteten, so über
300 Personen, wegen zugefügten Schimpfes und
Schadens über alle Maßen» findet sich übrigens
nicht, wie Seger schreibt,4 8 0 als amtliche Bestäti-
gung in einem Kommissionsbericht, sondern in
einer Eingabe vermutlich des Triesner Pfarrers
Valentin von Kriss an die kaiserliche Kommissi-
on. 4 8 1 Schlüsse auf die tatsächliche Anzahl der
Todesopfer bei den liechtensteinischen Hexenver-
folgungen sind nur von einer breiteren Quellen-
basis aus sinnvoll.
CHRONOLOGISCHE AUFLISTUNG DER
DOKUMENTIERTEN TODESOPFER
Name des
Delinquenten Wohnort Urtei l
1598
N . N . Nendeln unbekannt
Elsa , Tochter des
Klaus Mar iss Schaan unbekannt
A n n a , Ehef rau
Aristoteles Duntels Schaan unbekannt
N . N . Schaan unbekannt
Greta N . Vaduz unbekannt
Nesa N . Triesen unbekannt
Greta N . Triesenberg unbekannt
Rosina N . Triesenberg unbekannt
Ottilia N . Balzers unbekannt
1630
unbekannt
1634
Thomas Triesenberg freigesprochen?
Elsa Triesenberg freigesprochen?
M a r i a Triesenberg? freigesprochen?
1648-1651
1648: laut Keyser 14 Personen, davon 2 M ä n n e r
hingerichtet, darunter Hans Walser, Vater Daniel
Walsers, aus Vaduz und ein Pulvermacher von
Schaan.
1650: 8 Personen aus Herrschaft Schellenberg und
18 Personen aus der Grafschaft Vaduz hingerichtet.
1651: Nikolaus Tanner aus Triesen hingerichtet.
Insgesamt vermutl ich etwa 100 Hinrichtungen.
1669
Hans Hopp,
genannt Pfeifer
seine Mutter
Kathar ina Büchl in
m ö g l i c h e r w e i s e auch:
Mar t in Hopp
Andreas Hopp
Ruggell
Ruggell
Ruggell
Ruggell
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
100
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Name des
Delinquenten
1678
Magdalena Egl in
Kathar ina Föhr in
Mutter der
M a r i a Walser in
Tante der
M a r i a Walserin
Stiefmutter der
M a r i a Walser in
Bruder der
M a r i a Walserin
Michael Hi lb i
Matthias Beck,
Pulvermacher
Jakob Rig
Wohnort
Mauren
Mauren?
Mauren
Mauren
Mauren
Mauren
Eschen?
Schaan
Triesen
Urte i l
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
hingerichtet
Name des
Delinquenten Wohnort Urtei l
MÄRZ BIS ENDE MAI 1679
(unter Landvogt Dr. Brügler, Landammann Georg
Wolf, Landammann Georg Bürkle , Kaspar Schreiber)
Kaspar Beck
Michael Beck
Andreas Conrad
Michael Dint l
Christ ian Eberle
Christ ian Hil t i
A d a m Schierser
Fidelis Wagner
Ursula Lampar t in
M a t t h ä u s Conrad
Hans Grüschle
Barbara Maure r in
A n n a Reinbergerin
Hans Rusch
Flor ian Lampart
Anton Panzer
Simon Rig
Hans Schedler
A n n a Schedlerin
Elsa Schedlerin
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Vaduz
Vaduz
Vaduz
Vaduz
Vaduz
Triesen
Triesen
Triesen
Triesenberg
Triesenberg
Triesenberg
20 Personen getö te t (15 Männer , 5 Frauen; 9 Schaan,
5 Vaduz, 3 Triesen, 3 Triesenberg), davon ein
Delinquent i m Gefängn i s verstorben; 1 Person aus
dem Gefängn i s geflohen (Gerold Negele aus Schaan).
Da der Schaaner Kaplan Gerold Har tmann nicht in
die Zus tändigke i t des Vaduzer Gerichts fiel, ist er hier
unter den Opfern nicht mi tbe rücks ich t ig t .
FRÜHJAHR 1680 UND HERBST 1680
(unter Landvogt Walser und Johann Büchele , mit
Landammann Georg Wolf, Landammann Georg
Bürkle und Kaspar Schreiber als Beisitzer, Franz
An ton Braun als Aktuar)
F r ü h j a h r :
Kathar ina Dint l in Schaan
Chris t ian Negele Vaduz
Daniel Walser Vaduz
Mar t i n Nigg Triesen
Hans Ul r ich Beck Triesenberg
M a r i a Beckin Triesenberg
M a r i a Fromolt in Triesenberg
E v a Götsch in Triesenberg
Herbst:
Chris t ina Wagnerin Schaan
Georg Nigg Triesen
Peter Ospelt Triesenberg
M a r i a Ospeltin Triesenberg
M a r i a Schleglin Triesenberg
13 Personen hingerichtet (7 Frauen, 6 M ä n n e r ;
7 Triesenberg, 2 Triesen, 2 Schaan, 2 Vaduz), 2 Per-
sonen aus dem Gefängn i s entflohen (Maria Eber l in
aus Planken und Kathar ina Gassnerin aus Triesen
[erst i m F r ü h j a h r 1681]).
Der ebenfalls bereits verhaftete F lo r ian Gassner
aus Triesenberg f loh w ä h r e n d des Marsches z u m
Schloss und wurde hier nicht mitgerechnet, we i l noch
kein Verfahren gegen ihn e r ö f f n e t worden war.
477) Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 47 f.
478) Tschaikner, Hexenland Liechtenstein.
479) Seger, Hexenprozesse, S. 63 u. 102.
480) Ebenda, S. 102.
481) StAAug 2971, fol. 22b.
101
Name des
Delinquenten Wohnort
APRIL BIS AUGUST 1680
(unter Landvogt Walser mit Johann Büchele , Land-
ammann Hans Öhre , Landammann Jakob Schreiber
als Beisitzer und Franz Anton Braun als Aktuar)
Anton Hopp
Silvester Hopp
Euphemia Hoppin
A n n a Marxer in
Michael Schechle
M a r i a Walserin
Andreas Egle
Kathar ina Hoppin
Jakob Blaicher
M a r i a Bla icher in
M a r i a Kaiser in
Hans Walser
Ruggell
RuggeU
Ruggell
Mauren
Mauren
Mauren
Mauren
Eschen (geb. i n Ruggell)
Eschen
Eschen
Eschen
Eschen
12 Personen hingerichtet (6 Frauen, 6 M ä n n e r ; 5 Es-
chen, 4 Mauren , 3 Ruggell), 2 F r e i s p r ü c h e (Katharina
Bregenzerin und Barbara Morat in , beide aus
Mauren).
DIE TODESOPFER AUS VADUZ
Im Jahre 1682 wurde f ü r die kaiserliche Kommiss ion
eine Liste der Todesopfer von Hexenprozessen, die
aus Vaduz stammten, zusammengestellt. Sie t r äg t die
Überschr i f t Specification der jenigen personen, wel-
che nur in dem dorff Vadutz hingericht unndt umb
haab unndt gueth gestrafft worden,**2 und umfasst
insgesamt 31 Delinquenten, die hingerichtet worden
sein sollen, und zwei Personen, die geflohen waren.
Bei den A n g e f ü h r t e n handelte es sich um 23 Frauen
und zehn Männer .
Die Liste d ü r f t e nicht sehr sorgfäl t ig angefertigt
worden sein, denn Hans Grüschle und Hans Rusch
(Burgvogt) sind nicht a n g e f ü h r t , obwohl drei andere
Personen, die bei den Hexenprozessen von 1679
hingerichtet worden waren, aufscheinen. A u c h Daniel
Walser und Christ ian Negele, die 1680 verbrannt
wurden, sind nicht verzeichnet.
Die folgende Liste f ü h r t die Namen i n der Reihen-
folge des Originals an, das keine chronologische
Ordnung erkennen lässt .
Agnes Doblerin
M a r i a B länkh in
Name des
Delinquenten
Barbara N . , Sebastian Conrads Ehefrau , so auf dem
esel gestorben unnd under den galgen begraben wor-
den
Mathis Conrad 1 1 6 7 9
Georg Dobler
M a r i a Dobler in
Hans Walser 1 1 6 4 8
Chris t ian Walser,
obigen Hans Walsers Sohn
Barbara Dobler in , ledig
Ehef rau Georg Mil lers und
Tochter Georg Mil lers
Hans Maurer, entwichen
Fr id l i Maure r
Barbara Lampar t in
Barbara Maure r in , ledig 1 1 6 7 9
Agnes Maure r in
Barbara Bol in
A n n a Lampar t in
Margaretha Straubin,
entwichen
A n n a Straubin, ledig
Andreas Straub
Thomas Lampart
Barbara Hütz in
Leonhard Beck
Ehef rau des Chris t ian Theus
Ehef rau des F r id l i Rusch
Stoffel Hi l t i
Dorothea Stachin
Ursula Stachin
Eva Marent in
A n n a Reinbergerin t 1679
M a r i a Maurentin(l)
Ehef rau des
Hieronymus Sturn
102
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
DOKUMENTIERTE Z A H L DER TODESOPFER
UND REALISTISCHE SCHÄTZUNGEN
Die Zahl der Todesopfer bei den liechtensteini-
schen Hexenprozessen ist nicht mehr zu eruieren.
Das erhaltene Quellenmaterial erlaubt lediglich
Schlüsse auf Annäherungswerte, und zwar eigent-
lich nur für die Prozesse der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts.
Das Ausmass der gerichtlichen Hexenverfolgung
am Ende des 16. Jahrhunderts sowie in den Dreis-
sigerjahren des 17. Jahrhunderts lässt sich schwer
einschätzen. Es ist keineswegs sicher, dass die
damaligen Prozesse wirklich Einzelfälle bildeten. 4 8 3
Möglicherweise fanden umfangreiche Verfolgungen
statt, von denen keine Unterlagen mehr überliefert
sind. Wäre die Innsbrucker Regierung um 1600
nicht mit den Hexenverfolgungen in Dornbirn be-
fasst worden, wüsste man zum Beispiel von den
dortigen Prozessen, die zahlreiche Personen das
Leben kosteten, nichts mehr.4 8 4
Die Hexenprozesse um die Mitte des 17. Jahr-
hunderts sollen in der Grafschaft Vaduz und der
Herrschaft Schellenberg ungefähr 100 Todesopfer
gefordert haben.
Die zahlreichen undatierten Angaben von ver-
brannten Verwandten derjenigen Personen, gegen
die um 1680 prozessiert wurde, beziehen sich wohl
zu einem grossen Teil auf die Vorgänge um 1650,
aber auch auf die vereinzelten Prozesse der folgen-
den Jahrzehnte. Für 1669 sind zwei, für 1678 neun
Hingerichtete dokumentiert. Für 1679 sind 20 Tote
nachweisbar, 1680 wurden 25 Delinquenten hinge-
richtet.
Insgesamt kommt man bei diesen Schätzungen
auf eine Zahl von etwa 160 Hinrichtungen zwi-
schen 1648 und 1680. Ohne weitere Quellenbelege
ist es kaum angebracht, bei den gesamten Flexen-
prozessen in der liechtensteinischen Geschichte
von mehr als 200 Toten auszugehen.
Im überregionalen Vergleich, bei dem Hexenver-
folgungen «resulting in 20 or more executions in
one year» - selbst ohne Berücksichtigung der Be-
völkerungzahl eines Territoriums - als umfang-
reich gelten,4 8 5 lässt sich feststellen, dass die Graf-
schaft Vaduz und die Herrschaft Schellenberg um
die Mitte des 17. Jahrhunderts sowie in den Jahren
1679 und 1680 schwer heimgesucht wurden. Eine
solche Konzentration von Prozessen gab es zum
Beispiel in der österreichischen Nachbarschaft
nicht. In Vaduz wurden in einem Zeitraum von
etwas mehr als dreissig Jahren mehr als andert-
halbmal so viele Personen als Hexen oder Hexer
hingerichtet, wie in den viel bevölkerungsreicheren
österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg bei
Hexenprozessen insgesamt umgekommen sind. 4 8 6
Dennoch fällt die Intensität der liechtenstei-
nischen Hexenverfolgungen nicht vollständig aus
dem regionalen Rahmen, denn auch im Prättigau
wurden in den fünfziger Jahren des 17. Jahrhun-
derts bei der sogenannten «grooß Häxatöödi» über
hundert Personen als Hexen oder Hexer hingerich-
tet.487
Der letzte Höhepunkt der liechtensteinischen
Flexenverfolgungen - der übrigens in eine Zeit fiel,
als allgemein im heutigen bayerisch-österreichi-
schen Raum eine neue Konzentration von gericht-
lichen Hexenverfolgungen feststellbar ist 4 8 8 - wurde
vom kaiserlichen Kommissar Rupert von Bodman
und vom Triesner Pfarrer Valentin von Kriss 4 S 9 aus
verständlichen Gründen so dargestellt, als ob er
ununterbrochen seit etwa 1648 angedauert hätte.
Auf diese Weise entstand der Eindruck, dass in der
Mitte und in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun-
derts in Vaduz die grösste Hexenprozessserie im
süddeutschen Raum stattfand.4 9 0 In Wirklichkeit
handelte es sich um drei nicht zusammenhängende
482) Ebenda, fol. 38a+b.
483) Vogt, Hexenprozesse, S. 2.
484) Tschaikner, Hexenverfolgungen in Dornbirn, S. 53 f.
485) Midelfort, Witch Hunting, S. 9.
486) Tschaikner, Vorarlberg, S. 296.
487) Schmid-Sprecher, Graubünden , S. 139-193.
488) Behringer, Bayern, S. 342 u. 346.
489) ÖStA Deneg. Ant. 96; StAAug 2971, fol. 22b.
490) Vgl. Behringer, Bayern, S. 346; ders., «Erhob sich das ganze
Land», S. 168.
103
2 b .
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CS
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«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D . . .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
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Doppelseite aus der Liste
mit den Namen von
inquirierten Personen und
Delinquenten der letzten
Vaduzer Hexenprozesse
i m Vorarlberger Landes-
archiv
105
Häufungen von Gerichtsverfahren, deren letzte von
1678 bis 1680 mit etwa 60 Hinrichtungen quantita-
tiv weit geringer ausfiel als die Zauberer-Jackl-Pro-
zesse in Salzburg mit etwa 140 Todesopfern in den
Jahren 1677 bis 1681. Was allerdings die Intensität
der damaligen Verfolgungen - also das Verhältnis
zwischen der Anzahl der Hinrichtungen und der
Bevölkerungszahl - anlangt, kam den Hexenverfol-
gungen in der Grafschaft Vaduz und in der Herr-
schaft Schellenberg damals eine überregionale
Ausnahmestellung zu.
Männlich Weiblich
Prozent
70
60
50
40
»
1 H
)
)
)
1679/80
Verteilung der Geschlech-
ter bei den Prozessen von
1679/80
1679 1680
SOZIALE SCHICHTUNG UND ANTEIL DER
GESCHLECHTER
Dass die Salzburger Zauberer-Jackl-Prozesse auf
wenige Widerstände stiessen, erklärt Wolfgang
Behringer vor allem damit, dass «keine angesehe-
nen Bauern und Bürger hingerichtet wurden, son-
dern hauptsächlich Bettler und Bettelkinder». 4 9 1 In
der Grafschaft Vaduz und in der Herrschaft Schel-
lenberg waren von den Hexenverfolgungen jedoch
Personen aus allen ländlichen Schichten bis hin zu
reichen Wirten und Gerichtsleuten - ja sogar ein
Burgvogt - betroffen. Entsprechend stark formierte
sich auch der Widerstand gegen die Prozesse von
1679, der schliesslich zur Einstellung der Verfah-
ren und zur Flucht des Landvogts Dr. Romaricus
Brügler führte.
Die Todesopfer der Vaduzer Hexenprozesse von
1679 waren zu 75 Prozent Männer. Anders als
bei den Salzburger Verfahren, wo ebenfalls über
70 Prozent der Hingerichteten männlichen Ge-
schlechts waren, handelte es sich jedoch nur zu
einem geringen Teil um randständige Personen.
Bei den Hexereiverfahren des ausgehenden 17.
und des beginnenden 18. Jahrhunderts bildeten
junge, sozial desintegrierte Männer - und nicht
mehr (alte) Frauen - die typischen Opfer.4 9 2 Dieser
allgemeine Wandel von der weiblichen Hexe zu
einer stärkeren Präsenz der Männer 4 9 3 ist auch in
Vaduz und Schellenberg dokumentiert. So waren
sämtliche Hexenpersonen, die von den Geschwo-
renen 1598 der Obrigkeit angezeigt wurden, weib-
lichen Geschlechts. Unter den Angeklagten von
1634 befand sich bereits ein Mann. 1648 wurden
zwölf Frauen und zwei Männer hingerichtet. Von
den neun (vielleicht nicht repräsentativ) dokumen-
tierten Todesopfern der Hexenprozesse des Jahres
1678 war bereits fast die Hälfte männlichen Ge-
schlechts. 1679 machten die Männer - wie bereits
erwähnt - drei Viertel aus.
Nach dem Scheitern der Prozesse von 1679
änderte sich die Verteilung der Geschlechter wie-
der: Im folgenden Jahr entsprach die Zusammen-
setzung der Opfer eher althergebrachten Mustern,
denn es wurde gegen 59 Prozent Frauen (17 Perso-
106
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
nen) und 41 Prozent Männer (12 Personen) gericht-
lich verfahren.
Dieser Wandel, bei dem sich der Anteil der Frau-
en mehr als verdoppelte, fällt nicht auf, wenn man
die Prozesse von 1679 und 1680 zusammen be-
trachtet und allein den Gesamtanteil der Männer
unter den Opfern in der Höhe von 56 Prozent
kennt. Nur zu leicht lässt sich dieser mit dem ver-
meintlichen Hauptmotiv der vaduzischen Hexen-
prozesse verbinden: «Eine Erklärung für diese un-
gewöhnliche Verteilung zwischen den Geschlech-
tern ist rasch zur Hand: In Vaduz waren die Hexen-
prozesse vor allem ein Mittel zur Geldbeschaffung
für die Obrigkeit, und in dieser Hinsicht waren
Männer (ergiebigen als Frauen .» 4 9 4 In Wirklichkeit
befanden sich die weiblichen Opfer bei den Hexen-
prozessen von 1680 in der Überzahl, und zwar ge-
rade nachdem die Stände erstmals direkten Zugriff
auf die Einnahmen aus den Verfahren erhalten hat-
ten. Entweder dienten die Prozesse also nicht
primär der Geldbeschaffung, oder die Männer wa-
ren diesbezüglich nicht «ergiebiger».
Nicht übersehen werden darf jedenfalls, dass
das Ende des ständischen Widerstands gegen die
Hexenprozesse nicht nur mit Neuregelungen in
finanzieller Hinsicht zusammenfiel, sondern auch
mit einer stärkeren Verlagerung der Verfolgungen
auf das weibliche Geschlecht korrelierte. Ein Zu-
sammenhang der öffentlichen Reaktionen mit der
unterschiedlichen geschlechtlichen Zusammenset-
zung der Opfer ist feststellbar.495
491) Behringer, Bayern, S. 347.
492) Ebenda, S. 347 f.
493) Vgl . z. B. auch Urhahn, Rampendahl, S. 137.
494) Vogt. Hexenprozesse, S. 3; eine ähnl iche Auffassung vertrat
auch Seger, Hexenprozesse, S. 71.
495) Vgl . dazu Schwerhoff, Hexerei, S. 351.
496) Kaiser, Geschichte, S. 433.
497) Seger, Hexenprozesse, S. 71 f.
30
REGIONALE VERTEILUNG
Laut Peter Kaiser - der allerdings noch auf Quel-
len zurückgreifen konnte, die schon Otto Seger
nicht mehr vorlagen - befand sich «der Hauptsiz
des Uebels am Triesnerberg und in Triesen». 4 9 6
Seger hingegen stellte fest, dass Schaan «in der
Zahl der Prozesse wie der Todesopfer weitaus an
der Spitze» stand und als «Hauptort des Wütens»
zu gelten habe. 4 9 7
Tatsächlich zeigt schon ein Blick auf die Zahl der
Bezichtigten des Jahres 1598 ein gewisses Schwer-
Zahl der Hingerichteten
aus den einzelnen
Gemeinden 1679/80
107
gewicht auf Schaan. Bei den späteren Verfolgungen
bis 1679 lassen sich mit dem erhaltenen Quellen-
material jedoch keine regionalen Zuordnungen
treffen, ausser dass sich 1678 auffallend viele Be-
wohner von Mauren unter den dokumentierten
Todesopfern befanden. Möglicherweise bezog sich
Kaisers Feststellung, dass Triesenberg und Triesen
die Zentren der Hexenverfolgung bildeten, auf die
Prozesse um die Mitte des 17. Jahrhunderts.
Genauere Angaben sind nunmehr erst für die
Jahre 1679 und 1680 möglich. Eine Berücksich-
tigung jener Verwandten der damaligen Delinquen-
ten, die laut Unterlagen bei früheren Verfahren
hingerichtet worden waren, erscheint dabei nicht
sinnvoll, da ihre Herkunft innerhalb der beiden
untersuchten Territorien zu ungewiss ist. Abschrek-
kend wirkt in diesem Zusammenhang ein Vergleich
der Statistik, die Otto Seger bietet, mit der Liste der
Vaduzer Todesopfer von 1682: Während dort für
die Zeit vor 1679 28 Hingerichtete angeführt sind,
rechnete Seger nur mit fünf Opfern. 4 9 8
Es sagt nicht viel aus, dass in einem grösseren
Ort wie Schaan mehr Opfer festzustellen sind als
etwa in der kleinen Gemeinde Mauren. Viel auf-
schlussreicher als die absoluten Zahlen sind rela-
tive Werte. Um die Anzahl der Opfer (zu denen hier
ausser den hingerichteten Personen auch die vier
Frauen zählen, die freigesprochen wurden oder
aus dem Gefängnis geflohen waren) in ein Verhält-
nis zu den Bevölkerungszahlen der einzelnen Ge-
meinden zu setzen, musste ein paradigmatischer
Massstab aus den Musterrollen und Bürgerlisten
vom Beginn des 18. Jahrhunderts erschlossen wer-
den. 4 9 9 Daraus ergibt sich für die Prozesse von
1679 folgendes Bild:
Hausbesitzer Prozesse A b s t a n d 5 0 0
absolut relativ absolut relativ prozent.
Schaan und
Planken 144 25,3 10 47,6 +88,1
Vaduz 83 14,6 5 23,8 +63,0
Triesen 122 21,4 3 14,3 -33,2
Triesenberg 120 21,0 3 14,3 -31 ,9
Balzers 101 17,7 0 0
Die vergleichende Übersicht belegt, dass Schaan
von den Prozessen relativ am stärksten betroffen
war. Vaduz weist ebenfalls ein überdurchschnittli-
ches Ausmass auf. Triesenberg und Triesen lagen
deutlich unter dem Durchschnitt. Balzers nahm als
prozessfreie Gemeinde eine Sonderstellung ein.
Da die 1679 vorgesehenen Prozesse gegen Ver-
dächtigte aus der Herrschaft Schellenberg wegen
der Flucht des Landvogtes Dr. Brügler nicht mehr
zur Durchführung kamen, liegen erst für 1680 ver-
gleichbare Werte aus der Grafschaft Vaduz und der
Herrschaft Schellenberg vor. Die Prozessopfer die-
ses Jahres verteilen sich folgendermassen:
Hausbesitzer Opfer Abstand
absolut relativ absolut relativ prozent.
Schaan und
Planken 144 16,8 3 10,4 -38,1
Vaduz 83 9,7 2 6,9 -28 ,9
Triesen 122 14,2 3 10,4 -26,8
Triesenberg 120 14,0 7 24,1 +72,1
Balzers 101 11,8 0 0 0
Ruggell 51 6,0 3 10,4 +73,3
Schellenberg : 24 2,8 0 0 0
Mauren 56 6,5 6 20,7 +218,5
Eschen 91 10,6 5 17,2 +62,3
G a m p r i n /
Bendern 65 7,6 0 0 0
Im Jahre 1680 blieben Gamprin/Bendern, Schel-
lenberg und weiterhin Balzers ohne Prozessopfer.
Weit unterdurchschnittlich war Schaan vertreten,
ebenfalls stark unter dem Durchschnitt lagen Va-
duz und Triesen. In Eschen, Triesenberg und Rug-
gell lag die Zahl der Opfer weit über dem prozen-
tuellen Bevölkerungsanteil. Mauren jedoch wies die
relativ weitaus höchste Opferzahl auf.
Gegen eine getrennte Berechnung der Verfol-
gungsopfer von 1679 und 1680 kann man einwen-
den, dass das starke Übergewicht der Schellenber-
ger Gemeinden Mauren, Ruggell und Eschen durch
den vorzeitigen Abbruch der Prozesse von 1679
(mit-)bedingt war. Deshalb sollen im folgenden
doch auch beide Jahre zusammen ausgewertet
werden, wobei allerdings umgekehrt berücksichtigt
108
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D . . .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
werden muss, dass in der Grafschaft Vaduz 1680
anders als in der Herrschaft Schellenberg gegen
einen neuen Kreis von Verdächtigten prozessiert
werden konnte, während der Verfolgungsradius in
der Herrschaft Schellenberg durch die «unerledig-
ten Fälle» des Vorjahres stärker eingeschränkt
blieb.
Hausbesitzer Opfer Abstand
absolut relativ absolut relativ prozent.
Schaan und
Planken 144 16,8 13 26 +54,8
Vaduz 83 9,7 7 14 +44,3
Triesen 122 14,2 6 12 -15,5
Triesenberg 120 14,0 10 20 +42,9
Balzers 101 11,8 0 0
Ruggell 51 6,0 3 6 +-0
Schellenberg 24 2,8 0 0
Mauren 56 6,5 6 12 +84,6
Eschen 91 10,6 5 10 -5 ,7
Gampr in /
Bendern 65 7,6 0 0
Die Berechnung der relativen Opferzahlen bei den
Prozessen von 1679 und 1680, bei der wie erwähnt
eine gewisse Unterrepräsentanz der Gemeinden in
der Herrschaft Schellenberg mitberücksichtigt wer-
den sollte, ergibt folgende Einteilung:
Gemeinde mit der weitaus h ö c h s t e n Opferdichte:
- Mauren
498) Ebenda, S. 72.
499) Kaiser, Geschichte, S. 491.
500) Die Zahlen unter der Rubrik «Abstand prozentuell» geben an,
um wieviel Prozent sich der relative Anteil der Prozessopfer vom
jeweiligen Prozentsatz der Hausbesitzer einer Gemeinde unterschei-
det. Der letztgenannte Wert gilt dabei als Berechnungsgrundlage.
100
Ört l iche Verfolgungsinten-
sität , gemessen an der
A n z a h l von Personen,
gegen die 1679/80 Hexen-
prozesse g e f ü h r t wurden,
anhand des prozentuellen
Unterschieds zwischen
den relativen Antei len der
prozessierten Personen
und den Bevö lke rungs -
zahlen
Gemeinden mit hoher Opferdichte
(in quantitativer Reihenfolge):
- Schaan und Planken
- Vaduz
- Triesenberg
Gemeinde mit mittlerer Opferdichte:
- Ruggell
Gemeinde mit geringer Opferdichte:
- Eschen
- Triesen
Gemeinden ohne Opfer:
- Gampr in /Bendern
- Schellenberg
- Balzers
109
HERKUNFT DER NICHT HINGERICHTETEN
INQUIRIERTEN INQUIRIERTE PERSONEN AUS DER GRAFSCHAFT
VADUZ BIS ZUM FRÜHJAHR 1680
Bei der Frage nach den regionalen Intensitäten der
Hexenverfolgungen um 1680 muss auch die Her-
kunft jener Personen mitberücksichtigt werden,
über die man bereits inquiriert hatte, gegen die je-
doch nicht prozessiert wurde. Dabei ergibt sich in-
sofern eine Unschärfe der Angaben, als der Wohn-
ort mancher Inquirierter nur aus den Namensan-
gaben der Denunzianten erschlossen werden kann.
Aus den Unterlagen lassen sich folgende Perso-
nen ermitteln, gegen die bereits wegen Hexerei er-
mittelt worden war, die sich also in einer gefährli-
chen Situation befanden. Wenn sich bei einer Frau
der Geburtsort vom Wohnort unterschied, wurde -
wie bei den anderen Statistiken - nur letzterer
berücksichtigt.
INQUIRIEBTE PERSONEN AUS DER HERRSCHAFT
SCHELLENBERG BIS HERBST 1680
Barbara Güflin Ruggell
Hans Georg Marxer Ruggell
M a r i a Hoppin Ruggell
Hans Öhre Ruggell
Magdalena Spaltin Ruggell
Kathar ina Wangnerin Ruggell
Matthias Marxer Mauren
Jakob Schechle Mauren
Johanna Walser in M a u r e n
Margaretha Marxer in Mauren
Sebastian Kiber Eschen
Ul r ich Kiber Eschen
Susanna K a u f m a n n i n Schaan
Greta Schierserin Schaan
Bernhard Beck Schaan
Michael Beck Schaan
Rosina Beckin Schaan
Hans Blenk Schaan
Chris toph Dint l Schaan
Chris t ian Frick Schaan
Margaretha Fromol t in Schaan
Sebastian Hil t i Schaan
M a r i a Hoppin Schaan
M a r i a Lampar t in Schaan
Georg Negele Schaan
A n n a M a r i a Negelin Schaan
Geschwister der
A n n a M a r i a Negelin Schaan
M a r i a Wagner in Schaan
Andreas Walser Schaan
Magdalena Walser in Schaan
Hans Jehle Planken
A n n a Negelin Planken
Heinr ich Ospelt Vaduz
A n n a Ospeltin Vaduz
M a r i a Reinbergerin Vaduz
Lucia Wolf in Vaduz
M a r i a Eber l in Triesen
Michael H i l b i Triesen
Mar ta Negelin Triesen
Simon Nigg Triesen
Jakob Panzer Triesen
Ulr ich Rig Triesen
N . Spiesin Triesen
Hans Gassner Triesenberg
Margaretha Gassnerin Triesenberg
Hans K a u f m a n n Triesenberg
A d a m Lampart Triesenberg
A n n a N . Triesenberg
Ursu la Schedlerin Triesenberg
M a r i a Stegnerin Triesenberg
Simon Vonvi l l Balzers
110
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
UM 1680 NEU INQUIRIERTE PERSONEN AUS DER
GRAFSCHAFT VADUZ 150
Barbara Blenkin
A n n a Fromolt in
Monika Köchin
Magdalena Lampar t in
Barbara Negelin
Roni Tschetter
Hans Eberle
Mar t in Jehle
Susanna Jehl in
M a r i a Jehl in
Udo Kranz
Andreas Reinberger
Christoph W i l l i
F r id l i Fehr l in
Hans Nigg
Barbara Rigin
Michael Gassner
Flor ian Gassner
Mar t in Beck
Ulr ich Weiss
Kathar ina Niggin
Christ ian Nigg
Kathar ina Vonbankin
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Schaan
Planken
Planken
Planken
Planken
Vaduz
Vaduz
Vaduz
Triesen
Triesen
Triesen
Triesenberg
Triesenberg
Triesenberg
Balzers
Balzers
Ba lze r s /Mäls
unbekannt
BEI DEN INQUIRIERTEN PERSONEN LÄSST SICH
FOLGENDE REGIONALE VERTEILUNG FESTSTELLEN:
Hausbesitzer Opfer Abstand
absolut relativ absolut relativ prozent.
Schaan und
Planken: 144 16,8 30 41,1 +144,6
Vaduz 83 9,7 7 9,6 -1
Triesen 122 14,2 10 13,7 -3 ,5
Triesenberg 120 14,0 10 13,7 -2,1
Balzers 101 11,8 4 5,5 -53,4
Ruggell 51 6,0 6 8,2 +36,7
Schellenberg : 24 2,8 0 0
Mauren 56 6,5 4 5,5 -15,4
Eschen 91 10,6 2 2,7 -74,5
Gampr in /
Bendern 65 7,6 0 0
100
50
o m • ü • Hl _ _ _
50
400
SS
CO Cu
c
PS 9 CO
1
CD
<0
s
c a
CD 03
Nj u CO "es =! CS oa W K 2
Örtl iche Verfolgungsinten-
sität , gemessen an den
inquirierten Personen
anhand des prozentuellen
Unterschieds zwischen
den relativen Antei len der
inquirierten Personen und
den B e v ö l k e r u n g s z a h l e n
111
Die Statistik zeigt, dass Schaan einschliesslich
Planken von den Inquisitionen und somit wohl
auch von den Verdächtigungen weitaus am stärk-
sten betroffen wurde. Hätte man die Hexenpro-
zesse weitergeführt, wären Schaan und Planken
sicher bald nicht nur bei den absoluten Zahlen,
sondern auch bei den relativen an erster Stelle
gestanden.
An zweiter Stelle bei der relativen Häufigkeit der
Inquisitionen findet sich Ruggell. Im Mittelfeld der
Inquisitionsdichte lagen Vaduz, Triesenberg und
Triesen. Unterdurchschnittlich war Mauren, stark
unterdurchschnittlich Eschen vertreten.
In Balzers, das bei den inquirierten Personen
ebenfalls weit unterrepräsentiert war, kündigte
sich nun bereits eine mögliche Einbeziehung in die
Hexenprozesse an. Die Bewohner von Schellenberg'
und Gamprin/Bendern blieben als einzige sogar
von Inquisitionen verschont.
DIE DENUNZIANTEN
Eine statistische Auswertung jener Personen, die
bei den hechtensteinischen Hexenverfolgungen als
Denunzianten wirkten, erweist sich zunächst schon
deshalb als problematisch, weil ihre Namen nicht
lückenlos überliefert sind. Weiters bedeutet ihre
Erwähnung nicht automatisch, dass die Verdächti-
gungen eigentlich von ihnen stammten. In ähnli-
cher Weise lässt sich nicht scharf zwischen Denun-
zianten und einfachen Zeugen, die nur bestimmte
Aussagen bestätigten, unterscheiden. Deshalb wur-
den hier alle Personen berücksichtigt, die vor Ge-
richt etwas über Hexerei aussagten, was andere
Leute belastete. Manchmal bezog das Gericht übri-
gens von sich aus bestimmte Aussagen auch auf
Personen, über welche die Zeugen nicht einver-
nommen worden waren.
Den Angaben bei den Inquisitionen mass die
Behörde sehr unterschiedliches Gewicht bei, wo-
rauf bei der folgenden Statistik nicht eingegangen
werden kann. Zeugenaussagen, die andere Leute
entlasteten, sind nicht berücksichtigt. Auch hier
besteht eine fliessende Grenze. Die Aussage Martin
Schurtis über Michael Hilbi, Müller in Triesen, soll-
te letzteren zum Beispiel ausdrücklich entlasten,
wurde jedoch vom Gericht anders gewertet.
Als einziger Parameter ist im folgenden ange-
führt, über wieviele Personen ein Zeuge Angaben
machte. Insgesamt - also in der Grafschaft Vaduz
und in der Herrschaft Schellenberg - lassen sich
199 verschiedene Denunzianten feststellen, die sich
mit 288 Aussagen jeweils auf eine bestimmte Per-
son bezogen.5 0 1 Das ergibt einen Durchschnitt von
1,45 belastenden Aussagen pro Denunziant. 28,6
Prozent von ihnen (57 Personen) waren weiblichen
Geschlechts. Ihr Anteil machte also nur ein Viertel
bis ein Drittel aus. Frauen zählten überdies - mit
Ausnahme von Magdalena Millerin aus Ruggell -
nicht zu den Denunzianten, die mit ihren Aussagen
eine hohe Zahl von Personen belasteten. Der Um-
stand der geringen Präsenz von Frauen bei den
Inquisitionen hängt zweifellos mit ihrer unterge-
ordneten Stellung im gewöhnlichen Gerichtswesen
zusammen. Hier kann schon vorweggenommen
werden, dass dem quantitativen Übergewicht der
Inquisitionen in der Grafschaft Vaduz gegenüber
der Herrschaft Schellenberg auch eine höhere
Intensität der Denunziationen entspricht.
DIE DENUNZIANTEN AUS DER GRAFSCHAFT
VADUZ
Die nebenstehende Liste weist insgesamt 123 Per-
sonen und 187 Denunziationen auf. Das ergibt ei-
nen Durchschnitt von 1,52 Belastungen pro Per-
son. 35 Personen (28,4 Prozent der Denunzianten)
waren weiblichen Geschlechts.
Die höchsten Einzelwerte an Denunziationen er-
reichten:
Thomas Walser aus Schaan (7),
Ammann Georg Wolf (6),
Ammann Kaspar Schreiber (5),
501) Bei verbreiteten Familiennamen lässt sieh nicht immer ent-
scheiden, ob es sich bei gleichnamigen um identische Personen
handelte, im Zweifelsfall wurden sie getrennt gewertet.)
112
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D . . .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
DENUNZIANTEN
Name A n z a h l
Albrecht
- Chris t ian 1
- Christians Ehef rau 1
Anger
- Christoph 2
- Georg, Schaan 2
Barbier
- Hans, Triesen 1
Bargezi
- Jakob, Triesen 4
Beck
- Christ ian, Triesen 5
- Georg,
Gerichtsmann,
Triesenberg 3
- Hans 1
- Leonhard 1
- Sebastian,
Triesenberg 4
- Thomas, Planken 1
Beckin
- Anna , verh. m. 1
Hans Beck
- Kathar ina 1
Büehle r
- Hans, Triesenberg 2
Bürklin
- Georg, A m m a n n 3
Conrad
- Andreas 2
- Christ ian 3
- Christ ian,
Sohn d. Hans 1
- Georg, Schaan 2
- Hans 2
- Hans, Bär t l ins
Sohn 1
- N . , Sohn des 1
Andreas
Dressel
- Georg 1
- Hans 2
Eberle
- Mar t in 1
- Michael 1
Eberl in
- A n n a , Triesenberg 1
- Mar ia , Triesen 1
Fehr l in
- Georg, Triesen 2
Föhr in
- Agatha, Ruggell,
Magd bei M a r i a
Quaderin in
Schaan 1
Fromolt
- Christoph, Schaan 2
- Georg, Triesen-
berg 2
- Hans, Triesenberg 1
Name A n z a h l
- Hans Georg,
Schaan 2
i • i , •
Fromol t in
- Mar i a , verh. m . l
Stefan Schedler
Gantner
- Franz , Schaan 1
Gantnerin
- Eva, Schaan l
Gassner
- Christ ian l
Gassnerin
- Margaretha,
Tochter Christians l
Güflin
- A n n a l
Hi l t i
- A d a m l
J ä g e r
- A d a m l
Jehlin
- Kathar ina , Planken 1
Jenin
- Eva l
Kau fmann
- A d a m l
- Balthasar l
- B a r t h o l o m ä u s ,
Schneider l
Kau fmann in
- Magdalena l
- M a r i a l
Kindle
- Franz l
- Hans l
- Hans, Sohn
Leonhards l
- Leonhard, Triesen 3
Knecht in
- M a r i a l
Koch
- Leonhard l
Köchlin
- Hans l
Lampart
- Christ ian l
Lampar t in
- A n n a M a r i a l
- Kathar ina ,
Triesenberg l
- Magdalena l
- M a r i a l
Lorenzin
- Mar i a , Vaduz l
Marogg
- Cornelius, Triesen 2
Maier
- A d a m , Schaan 2
Negele
- Chris t ian l
Name A n z a h l
— Georg 9
— Christ ian 1
— Christ ian, Sohn
d. Klaus, Planken o &
— Hans 1 1
— Hans, Schaan 1 1
— Klaus, Planken 1 1
— Ulr ich , Bruder d.
A n n a M a r i a ,
Schaan 1 1
— Ulr ich , Georgs
Sohn, Planken I
— Ulr ich , Sohn d.
odilS, rldllKeil 1
1
— Hans 1
\TO<TQ Ii n iNcgtJJJ.Il
— A n n a , verh. m.
ridiis Duellier,
TV i DConnDrO 11 lUbtJixJJcL g 9 C*
— A n n a , verh. m.
14anc 1—Filhi rictiis ni iui ,
Triesenberg 1 1
— Ursula , Planken 9 <L
unre
— rrdnz, i riesen 9 c.
— Hans 1
uspeit
— Hans, Landwaibe l
ZU VdUUZ 1 1
Mcno l t i n
ubpeiiui
— Magdalena,
i riesemjerg 9 c.
— Margaretha 1 1
— Kathar ina , Mutter
ua i i i e i Walsers 1 1
Pallasar
— Peter 1 1
Parfuess
— A d a m , Schaan O
Quaderer
- Chris toph, F ä r b e r
i n Schaan A
Quaderin
- Mar i a , Schaan,
Wi twe Thomas
Walsers 9
Rigin
— lvidi i d 1 1
Schedler
- Hans 1
Schedlerin
- Barbara 1
- Magdalena,
Ehef rau
Hans B ü e h l e r s 1
Schlegl
- U l r i ch 1
Schreiber
- Kaspar 5
Name A n z a h l
Scnre ibenn
C . n n n n n 'I". .. 1... „
- Susanna, locnter
Kaspars 1
Schurti
- Mar t i n 1
Tannerin
- Barbara 1
Tschetter
- Roni , Schaan 1
Walen
- Chris t ian 1
— u i n c n I
Walser
- A d a m o C
- Cnns topn 2
— Peter, Sattler i i
- Thomas, Schaan 7
- Thomas, Sohn d.
Thomas, Schaan 1
Walser in
- M a r i a 1
Wangner
- Chris toph 1
Weinz ie r l
- Jakob 1
W i l l i
- Christoph, Küfer
i n Vaduz o l
- Hans Ul r i ch 4
— JdRAJJJ i
X
W i l l i n
- Kathar ina , Witwe 1
N . Angers
Winnewise r in
- Margaretha 1
Wolf
- Georg, A m m a n n 6
unbekannt m ä n n l i c h
- Schaan 1
- Triesenberg 7
113
Christian Beck aus Triesen (5),
der Vaduzer Amtsbote Hans Ulrich Willi (4),
Christoph Quaderer aus Schaan (4),
Jakob Bargezi aus Triesen (4),
Sebastian Beck aus Triesenberg (4),
Georg Beck aus Triesenberg (3),
Adam Parfuess aus Schaan (3),
Leutnant Leonhard Kindle aus Triesen (3),
Christian Conrad, wohl aus Schaan, (3),
Ammann Georg Bürkle aus Schaan (3).
Diese quantitativen Angaben könnten jeweils noch
auf verwandtschaftliche oder andere soziale Zu-
sammenhänge hin untersucht werden. So war
etwa die Person mit der höchsten Zahl an Denun-
ziationen, Thomas Walser aus Schaan, mit Maria
Quaderin verheiratet, die selbst noch zwei weitere
Aussagen tätigte. Walsers gleichnamiger Sohn de-
nunzierte ebenfalls einmal. Auch die Magd der
Quaderin, Agatha Föhrin, sagte gegen eine Person
aus. Der Schaaner Färber Christoph Quaderer war
ein Neffe der Maria Quaderin. 5 0 2 Dadurch können
diesem Personenkreis weitere vier Denunziationen
zugerechnet werden. Auf ihn allein kommen somit
schon 15 belastende Aussagen, was bereits beina-
he zehn Prozent der Gesamtzahl ausmacht.
Ruggell, und Adam Marxer, Georgs Sohn, aus Rug-
gell jeweils gegen drei Personen ausgesagt. Die
höchste Zahl an Denunziationen wies Stachus Mar-
xer aus Ruggell auf. Es gab hier aber niemanden,
der wie in der Grafschaft Vaduz sieben Mitbürger
denunzierte.
502) Familienbuch Schaan (F. Tschugmell), S. 178 u. 242, im Archiv
des Historischen Vereins, Triesen.
503) Hier gehe ich davon aus, daß es sich bei jenem Stachus
Marxer, der über einen Einwohner von Mauren aussagte, um die in
Ruggell ansäss ige Person desselben Namens handelte.
DIE DENUNZIANTEN AUS DER HERRSCHAFT
SCHELLENRERG
In der nebenstehenden Liste der Denunzianten aus
der Herrschaft Schellenberg scheinen 76 Personen
auf,5 0 3 darunter 22 weiblichen Geschlechts. Der An-
teil der Frauen betrug also 28,9 Prozent und war
damit fast gleich hoch wie in der Grafschaft Vaduz.
Die Denunzianten tätigten in der Herrschaft Schel-
lenberg 101 Aussagen über bestimmte Verdächtig-
te. Das ergibt mit etwa 1,33 Belastungen pro De-
nunzianten einen niedrigeren Durchschnitt als je-
ner in der Grafschaft Vaduz.
In der Herrschaft Schellenberg hatten Ferdinand
Wangner aus Mauren, Andreas Stral aus Mauren,
Hans Öhre aus Eschen, Christian Risch aus Mau-
ren, Magdalena Miller, Ehefrau Georg Walchs aus
114
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
DENUNZIANTEN
Name A n z a h l
Batliner
- Hans, Eschen 2
- Jakob, Eschen 1
Bregenzer
- Hans, Mauren 1
Brendl in
- Hans 1
Büchel
- Andreas, Ruggell 1
- Georg, Ruggell 1
- Hans, Ruggell 2
- Ul r ich , Ruggell 1
Büchlin
- A n n a , verh. m.
Andreas Büchel 1
- Katharina, Ruggell 1
- Mar i a , verh. m .
Leonhard Güfel,
Ruggell 1
Butscher
- Michael , Ruggell 1
Eber l in
- Agatha 1
Falckh
- J ö r g 1
F ö h r
- Hans, Ruggell 1
- Jakob jun. , Ruggell 1
- Jakob, Ruggell 1
- Sebastian 1
- Sebastian,
Jakobs Sohn 1
Hasler
- Hans 1
- Jakob, Mauren 1
He(e)b
- A d a m , Ruggell 1
- Jakob, Ruggell 1
- Norbert 1
Hebin
- Anna , verh. m.
Stachus Marxer,
Ruggell 2
Jehlin
- Mar i a , Eschen 1
Kaufmann in
- Anna , Ruggell 1
Name A n z a h l Name A n z a h l
Kiber
- F ide l i 2
- Hans, M a u r e n 2
- Peter 1
Kiber in
- Margaretha,
verh. m. Hans
Bregenzer,
Mauren 1
Köchin
- Kathar ina , Mauren 1
Lampar t in
- Mar i a , Schellen-
berg 1
Lorenz
- Gabriel , Meister 1
Mader
- Andreas 1
Mader in
- Mar i a , verh. m .
Peter Paulin,
Eschen 1
Maie r
- M a t t h ä u s ,
Eschnerberg 1
Ma ie r in
- Regina, Ruggell 1
Marxer
- A d a m 1
- A d a m , Georgs
Sohn, Ruggell 3
- A d a m , Peters
Sohn 2
- Eustach, Mauren 1
- Ferdinand,
Eschen 2
- Georg 1
- Hans, Ruggell 2
- Jakob, Mauren 1
- Michael 1
- Rochus, Ruggell 1
- Stachus, Ruggell 4
- Ul r i ch , Hansen
Sohn, Ruggell 1
Marxe r in
- Elisabeth 1
- Magdalena,
Leonhards Tochter,
Mauren 1
- M a r i a 1
Matt
- Fidel i 1
Matt
- Samuel, Mauren 1
Mi l l e r
- Andreas, Gampr in 2
M i l l e r i n
- Magdalena,
verh. m. Georg
Walch, Ruggell 3
Negelin
- A n n a , Mauren 2
Nescherin
- Ursula , Ruggell 1
Öhre
- Hans, Eschen 3
Öhr in
- A n n a , verh. m.
Hans Blaicher 1
Paulin
- Brigitta, Eschen 1
Pitschi
- Leonhard, Mauren 1
Risch
- Christ ian, Mauren 3
Ritter
- Mar t in , Mauren 1
Schmidl in
- Kathar ina ,
Mauren 1
Schreiber
- Jakob, A m m a n n ,
Eschen 1
Senn
- Kaspar, Triesen 1
Starkin
- Ursula 1
Stral
- Andreas, Mauren 3
Straub
- Fidelis , Gampr in 1
Wagner
- Bernhard 1
Walch
- Jö rg , Ruggell 1
Wang(n)er
- Ferdinand,
Mauren 3
Wetzel
- Andreas , Mauren 1
Wohlwend
- Norbert, Ruggell 1
115
Zur Literatur über die
liechtensteinischen Hexen-
prozesse
Die bedeutendsten wissenschaftlichen Veröffent-
lichungen über die Hexenprozesse in der Graf-
schaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg
bilden neben der liechtensteinischen Geschichte
Peter Kaisers zwei Untersuchungen Otto Segers aus
den Jahren 1958 beziehungsweise 1960. Beide
wurden 1987, ergänzt durch Ausführungen über
das Salzburger Rechtsgutachten von 1682, von
Peter Putzer als Monografie neu herausgegeben.
Im folgenden Jahr veröffentlichte Paul Vogt ei-
nen Aufsatz über die «Hexenprozesse des 17. Jahr-
hunderts in der Grafschaft Vaduz im Spiegel eines
juristischen Gutachtens». Er basiert im wesentli-
chen auf den Darlegungen Segers; sein Hauptziel
bestand laut Autor darin, «einen Erklärungsver-
such für das Abbrechen der Massenprozesse im
späten 17. Jahrhundert zu l iefern». 5 0 4 Vogt schreibt:
«Die Hexenprozesse in Vaduz hörten 1681 mit dem
Einsetzen der kaiserlichen Administration sofort
auf. Wie ist nun das Aufhören der Hexenprozesse
zu erklären? Warum erschien es plötzlich nicht
mehr nötig, Hexen zu vernichten?» 5 0 5 Den wichtig-
sten Grund dafür ortete Vogt darin, «daß das Ende
der Hexenprozesse und damit das Ende der Konfis-
kationen mit der Schaffung neuer Finanzquellen
zusammenfiel». 5 0 6 Er hielt es für möglich, dass un-
ter dem kaiserlichen Kommissar Rupert von Bod-
man oder den Fürsten von Liechtenstein weitere
Verfahren geführt worden wären, wenn nicht 1696
neue Finanzquellen als Ersatz für die unterbunde-
nen Konfiskationen erschlossen worden wären . 5 0 7
Nach der spektakulären Beendigung und Ungültig-
keitserklärung der Prozesse 1682 muss man jedoch
den Vaduzer Obrigkeiten zugestehen, dass sie zu
einer Zeit, als die Hexenprozesse europaweit stark
zurückgegangen waren, 5 0 8 auch aus anderen Moti-
ven grundsätzlich auf die Führung von Hexenpro-
zessen verzichteten.
Bei einer Auseinandersetzung mit den Unter-
suchungen Otto Segers, die bei einer Beschäftigung
mit den liechtensteinischen Hexenprozessen un-
umgänglich ist, muss der Forschungsstand berück-
sichtigt werden, der sich in den letzten Jahrzehn-
ten stark gewandelt hat.5 0 9 Segers Darlegungen ste-
hen - ebenso wie die Äusserungen Johann Baptist
Büchels zum Hexenwesen 5 1 0 - in der Tradition des
rationalistischen Hexenparadigmas, das auf die
bahnbrechenden Arbeiten Wilhelm Gottlieb Sol-
dans zurückging. Sie sind einer einseitig aufkläre-
rischen Sichtweise verbunden und setzen voraus,
dass die Hexen unschuldige Opfer eines «Wahnes»
beziehungsweise bestimmter niederer Motive, wie
zum Beispiel der Habsucht, waren. 5 1 1 Mit dieser
Auffassung konkurrierten die romantischen An-
sichten im Gefolge Jakob Grimms und Jules Miche-
lets von den besonderen Qualitäten der Hexen als
«weisen Frauen». Seit den sechziger Jahren des
20. Jahrhunderts erfolgte in der Hexenforschung
jedoch ein Paradigmenwechsel: Die sozialwissen-
schaftlich fundierte Erfassung des Hexenwesens
ersetzte Schuldzuweisungen und Verklärungen
durch das Bemühen um Erkenntnis und Erklä-
rung. 5 1 2 Die Arbeiten Otto Segers zeigen deutlich,
welchen Vorurteilen die rationalistische Sichtweise
verhaftet war.
ABERGLÄUBISCHES V O L K UND SIEG DES
RECHTES
Anders als für die Grafschaft Vaduz und die öster-
reichischen Herrschaften vor dem Arlberg liegen
über Personen aus der Herrschaft Schellenberg In-
quisitionsprotokolle vor. Die dort dokumentierten
Aussagen erlauben einen aufschlussreichen Einblick
in das Alltagsleben und die Volkskultur als Nährbo-
den der Hexenverfolgungen. Für Otto Seger galten
diese Unterlagen jedoch, seiner aufgeklärten Grund-
haltung entsprechend, als Ausdruck der «Verwir-
rung der Geister in jener Zeit», als «sinnlos, bar je-
den Mitgefühls und jeden Erbarmens». 5 1 3 Der Band
mit den Inquisitionsprotokollen war für ihn «ein
schaurig anmutendes Buch», er erschrak «über die
unheilvolle Mischung von Aberglaube, Furcht und
Haß». 5 1 4 Die Aussagen erschienen ihm als «wirr»,
«abergläubisch» und «oft durch Haß verzerrt». 5 1 5
Rufzeichen um Rufzeichen hinter seinen Kommen-
taren drückten seine Entrüstung aus. «Mit solchen
Dingen geht man zu Gericht!» 5 1 6 «Die Obrigkeit
aber glaubte auch solchen Dingen!» 5 1 7 usw. 5 1 8
116
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Mit «Ehrfurcht» hingegen sprach Seger schon
im ersten Satz seiner Darlegungen vom Salzburger
Rechtsgutachten. Daran bemängelte er nur, dass
die «nüchtern-zergliedernde Ausdrucksweise des
Juristen» nach seinem Empfinden noch zuwenig
moralische Empörung erkennen liess. «Mit Schrek-
ken wird der Leser durch die kalte Art erfüllt, in
der alles beschrieben wird. In keinem Akt bricht
ein Wort des Entsetzens über die Verblendung der
Menschen und die Verbrechen der Obrigkeit
durch.» «Das Große, Erhebende bei der Betrach-
tung der geschichtlichen Vorgänge» begegnete ihm
erst in Gestalt des Reichshofrates und der kaiser-
lichen Kommission, die verhinderten, «daß Willkür,
Haß und Geldgier sich den Titel des Rechtes an-
maßen». Trotz aller dramatischen Wirrnisse stellte
Seger befriedigt fest: «Das Recht bricht sich endlich
doch die Bahn!» 5 1 9
BÖSE OBRIGKEIT UND H E L D E N H A F T E
MÜTTER
Die Hauptschuldigen an den Hexenprozessen wa-
ren für Seger der skrupellose emsische Landesherr
und seine Beamten. Mit den abergläubischen Un-
tertanen hätten sie ein leichtes Spiel gehabt: «Kein
Volk rottet sich zusammen und verjagt die Unter-
drücker.» 5 2 0 Otto Seger fiel es sichtlich schwer
anzuerkennen, dass die Untertanen sogar «die
Hinrichtungen von Mitbürgern um des Geldes wil-
len gebilligt» hatten.5 2 1 Dabei wurden die Verfol-
gungen von ihnen nicht nur gebilligt, sondern mas-
siv gefordert und gefördert. Seger musste also «im-
mer wieder» feststellen, «daß Landammänner und
Richter in den Prozessen nicht milder waren als die
Beamten des Grafen, daß sie Prozesse und Konfis-
kationen forderten». Aber schon im nächsten Satz
erinnerte er daran, «daß die Zeit eine durch und
durch absolutistische ist: Lange dachte niemand an
die Möglichkeit, gegen den Landesherren und seine
Willkür Recht zu bekommen , . .» . 5 2 2
Um die Verworfenheit der Obrigkeit möglichst
eindrücklich zu beweisen, nahm es Seger mit den
Quellen nicht immer ganz genau. Nicht nur bei der
Zahl der Todesopfer neigte er zu Auslegungen zu-
ungunsten der Obrigkeit, sondern auch bei den
Konfiskationen. So erklärte er eine Schätzung des
Triesner Pfarrers, nach der bei den Hexenprozes-
sen im Laufe der letzten 32 Jahre ohne Zweifel
über 100 000 Gulden eingezogen worden seien, 5 2 3
einfach zu einer amtlichen Feststellung in einem
Kommissionsbericht. 5 2 4 Eine Übersicht über die
noch ausständigen Konfiskationsgelder, die am
1. April 1680 zusammengestellt worden war, 5 2 5
wurde bei Seger gar zur Auflistung der Einnahmen
eines einzigen Tages.5 2 6
504) Vogt, Hexenprozesse, S. 1.
505) Ebenda, S. 8.
506) Ebenda, S. 11.
507) Ebenda, S. 11.
508) Behringer, Bayern, S. 341.
509) Vgl. Behringer, Geschichte, S. 119-135.
510) Vgl . Büchel, Pfarrei Triesen, S. 63 f.
511) In Marianne Maidorfs Roman «Die Hexe vom Triesnerberg»
bildete die Rache für eine verschallte Liebe den Auslöser fü r eine
Hexenverfolgung.
512) Behringer, Geschichte, S. 102-125; Lorenz-Bauer, «Hexenfor-
schung», S. X f.
513) Seger, Hexenprozesse, S. 76.
514) Ebenda, S. 102.
515) Ebenda, S. 72.
516) Ebenda, S. 75.
517) Ebenda, S. 73.
518) In seiner Empörung liest er in einem Fall «Närr innen» statt
«Näher innen»: Seger, Hexenprozesse. S. 73.
519) Ebenda, S. 48.
520) Ebenda, S. 48.
521) Ebenda, S. 103.
522) Ebenda, S. 109.
523) StAAug 2971, fol. 22b.
524) Seger, Hexenprozesse, S. 102.
525) StAAug 2969, fol. 49a-50b.
526) Seger, Hexenprozesse, S. 103.
117
Die Opfer der Prozesse stilisierte er im Gegen-
satz zur widerwärtigen Obrigkeit teilweise zu Vor-
bildern und sogar zu Helden. So war das Schicksal
der Moratin für ihn «das Ringen einer tapferen
Mutter um ihr Leben», Maria Eberle «gehört zum
Kreis der Menschen, die gegen das Unrecht auftre-
ten und sich ihr Recht verschaffen». 5 2 7 Katharina
Bregenzerin, «die einfache Frau vom Eschner-
berg», hatte nach Seger «das größte Heldentum
bewiesen». 5 2 8
Ein Beispiel dafür, mit welchen Fehlurteilen die-
se Dichotomie zwischen böser Obrigkeit und guten
Untertanen verbunden war, bietet Kaspar Lam-
parts Frau aus Schaan, über die Seger schrieb:
«Die ganze Gequältheit der Untertanen und das Ge-
fühl der Rechtlosigkeit spricht aus den Worten
eines einfachen Weibes, das zum Manne sagt, als
die Leiche eines Kindes an ihrem Hause vorbei
zum Gottesacker getragen wird: <Es ist ihm wohl
gegangen, es darf jetzt doch nicht verbrannt wer-
den). Die Frau wird dafür von der <gnädigen Herr-
schaft) bestraft!» 5 2 9 Aus den Unterlagen zu diesem
Fall geht jedoch eindeutig hervor, dass der zitierte
Satz von Kaspar Lamparts Frau genau das Gegen-
teil von dem meinte, was ihr Seger unterstellt. Sie
wurde im Jahre 1650 nicht für ihr Mitleid bestraft,
sondern weil sie mit ihrer gehässigen Aussage über
das Kind die gesamte Familie Thöni Maurers als
Hexenvolk verunglimpft hatte.530
V E R B L E N D E T E FOLTERKNECHTE UND GUTE
GEISTLICHKEIT
Otto Seger bemängelte in seiner stark moralisie-
renden Einstellung nicht nur die nüchternen Darle-
gungen im Salzburger Rechtsgutachten, sondern
vermisste sogar Schuldgefühle bei «den Folter-
knechten und den Richtern» selbst, deren Verblen-
dung und Befangenheit er eifrig kritisierte. 5 3 1
Grenzte es aber nicht ebenfalls an Befangenheit,
wenn Seger den Juristen Lizentiat Johann Büchele
mit einem «KZ-Henker unseres Jahrhunderts» ver-
gleicht? 5 3 2 Dabei konnte Seger Büchele nur vorwer-
fen, dass dieser in den Schellenberger Inquisitions-
protokollen als Beisitzer aufscheint, obwohl er be-
hauptet hatte, an den Inquisitionen in Vaduz nicht
teilgenommen zu haben. Bei allen weiteren An-
schuldigungen gegen ihn scheint es die kaiserliche
Kommission nicht für notwendig erachtet zu ha-
ben, die von Büchele angeführten Zeugen über die
Wahrheit seines Berichtes von 1697 einzuverneh-
men. Vielleicht hatte Büchele wirklich zur Rettung
von Segers Fleldinnen, Barbara Moratin und Kat-
harina Bregenzerin, beigetragen.
Segers Voreingenommenheit führte zur Ent-
stehung eines Klischees im eigentlichen Sinne des
Wortes. 5 3 3 Er schrieb, dass sich das Gericht «nicht
einmal mehr die Mühe [machte], jeweils ein eige-
nes Urteil auszustellen, es handelt sich förmlich um
eine Art von Formular, in das nur die Namen der
Verurteilten einzutragen sind! Man ersparte sich
somit die Urteilsbegründung selbst bei Todesurtei-
len!» 5 3 4 Seger bezog sich mit dieser Aussage auf die
Abschriften eines End- und eines Gnadenurteils,
die auf entsprechende Anforderung hin für den
Gutachter an der Salzburger Juristenfakultät ko-
piert worden waren. 5 3 5 Dass man für Delinquenten,
die im Zuge desselben Verfahrens wegen des glei-
chen Verbrechens verurteilt wurden, nicht jedes-
mal einen anderen Urteilstext formulierte, war
nicht nur allgemein üblich, sondern auch durchaus
sinnvoll. Ausserdem enthielt das Urteilsmuster ent-
gegen der Behauptung Segers5 3 6 sehr wohl eine -
aus damaliger Sicht - triftige Begründung für die
Hinrichtungen. Seger zitierte sie übrigens selbst
auf Seite 107 seiner Abschrift. Dass sie heute nicht
mehr überzeugt, kann dem Vaduzer Gericht wohl
nicht vorgeworfen werden.
Die Unterstellungen bezüglich der standardisier-
ten Urteilsformulare, welche die vaduzischen He-
xenprozesse in die Nähe der industriellen Tötungs-
maschinerie des 20. Jahrhunderts rückten, waren
Teil einer Dämonisierung der weltlichen Obrigkeit,
auf deren Hintergrund das Wirken der Geistlichkeit
besonders hell gezeichnet wurde. 5 3 7
Dabei kann nicht erwartet werden, dass die Un-
ternehmungen des Triesner Pfarrers Valentin von
Kriss schon im Kontext der bahnbrechenden Ak-
tivitäten der Maria Eberlin gesehen werden; und
118
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
dass Seger nur von Eingaben der «mutigen Män-
ner» bei der Innsbrucker Regierung sprach, 5 3 8 war
wohl ein Versehen.
Das Engagement des Klerus zusammen mit den
Ständen gegen die «Brüglerischen Prozesse» von
1679 sollte aber nicht über sein Verhalten bei den
nachfolgenden Prozessen hinwegtäuschen. Weiters
ist zu berücksichtigen, dass der Triesner Pfarrer im
Gefolge seiner Aktivitäten zugunsten der Katharina
Gassnerin und anderer Opfer der Hexenverfolgun-
gen auf kirchliche Anordnung hin strafweise das
Land verlassen musste.5 3 9
Valentin von Kriss glaubte übrigens (ursprüng-
lich) selbst an das Wirken von Hexen. Sein Vorläu-
fer als Triesner Pfarrer - der Magister der Philo-
sophie Jakob Erny, der aus Göfis bei Feldkirch
stammte - war nachweislich ein Anhänger der ge-
richtlichen Hexenverfolgungen, denn er rühmte ein
Mitglied des vaduzischen Gerichts in seiner Sterbe-
eintragung im Triesner Totenbuch unter dem Da-
tum des 25. Juli 1659 als vorzüglichen Verfolger
der Hexen («egregius sagarum persecutor»). 5 4 0
Nicht zuletzt bildeten die Predigten der Geistli-
chen, die oft eine verfolgungsfördernde Einstellung
vertraten, eine nicht zu unterschätzende Quelle der
im Volk verbreiteten Hexenvorstellungen. Euphe-
mia Floppin aus Ruggell zum Beispiel erklärte, dass
sie die Untaten, die sie später auf der Folter ge-
stand, aus den predigen vernommen habe.5 4 1 Bei
der Stilisierung der Geistlichen zu Gegnern des
Hexenwahns darf auch die vermutlich von Feldkir-
cher Jesuiten verfasste Schrift nicht ausser Be-
tracht gelassen werden, welche die Hexenverfol-
gungen wohl förderte.
Einen weiteren Aspekt bei der Beurteilung der
Rolle des Klerus bildet das Wirken des Beichtvaters
bei den Vaduzer Prozessen. Vieles spricht dafür,
dass ein Kapuziner aus Feldkirch diese Funktion
ausübte. Deshalb wurde wohl auch den kaiserli-
chen Subdelegations-Kommissaren empfohlen, im
dortigen Kapuzinerkloster nähere Auskünfte über
die Gerichtsverfahren einzuholen.
Obwohl die Zurücknahme der Denunziationen,
die bei der Tortur erfolgt waren, zumeist wirkungs-
los blieb, da sie trotzdem gegen die jeweiligen Per-
sonen verwendet wurden, schrieb Otto Seger ver-
klärend: «Es muß ein edler Mensch gewesen sein,
der zu den armen Opfern ins Gefängnis gegangen
ist, ihnen vor dem Tode die letzte Beichte abzuneh-
men, dehn stets hat er sie angefleht, doch nicht
ihre Mitbürger ins Verderben zu ziehen. Wir sehen
ihn förmlich vor uns, wie er in diesen schweren
Stunden den Todgeweihten zusprach, sie mögen
nicht die Sünde der Verleumdung hinübernehmen
ins andere Leben. ... Der Vaduzer Geistliche hat
sich nicht darum gekümmert, ob er sich beliebt
macht, nach der Beichte ist er zur Obrigkeit gegan-
gen und hat zu Protokoll gegeben, daß die Namen
der Mitschuldigen zu streichen sind. Ob ihm jemals
gedankt worden ist?» 5 4 2
Wenn es sich beim Beichtvater tatsächlich um
einen Kapuziner gehandelt hat, spricht gegen eine
allzu grosse Dankbarkeit die Tatsache, dass die
Mitglieder dieses Ordens zu den treibenden Kräften
der landläufigen Hexenverfolgungen gehörten. 5 4 3
527) Ebenda, S. 85.
528) Ebenda, S. 105.
529) Ebenda, S. 54.
530) LLA AS 1/1, fol. 25b ff.
531) Seger, Hexenprozesse. S. 109 u. 48.
532) Ebenda, S. 103.
533) Vgl. Schlapp, Liechtenstein, S. 42.
534) Seger, Hexenprozesse, S. 108; auch in Seger, Bodman, S. 191.
535) StAAug 2971, fol. 6a+b.
536) Seger, Hexenprozesse, S. 108.
537) Ähnlich positiv erscheint die Rolle des Klerus in Maidorfs Ro-
man.
538) Seger, Hexenprozesse, S. 57.
539) Einer ähnlich klerikerfreundlichen Darstellung wie bei Seger
begegnet man auch bei Vogt, Hexenprozesse, S. 4: «Die Geistlichen
arbeiteten schliesslich gegen die Hexenprozesse. Von ihnen gingen
schliesslich auch die entscheidenden Impulse zur Schaffung einer
kaiserlichen Untersuchungskommission aus.»
540) Büchel, Pfarrei Triesen, S. 62 f.; Feger, Pfarrbücher , S. 43.
541) SRg, fol. 57b.
542) Seger, Hexenprozesse. S. 83 f.
543) Vgl . z. B. Tschaikner, Magie und Hexerei, S. 214 f.
119
Sie bestätigten beziehungsweise bestärkten den
Verdacht zahlreicher vermeintlich durch Zauberei
Geschädigter gegen ihre Mitbürger, gaben ihnen
Gegenmittel zur Hand und waren bei der Bekämp-
fung der Ketzerei nicht zimperlich. So war etwa die
Hinrichtung des Vaduzer Burgvogts Hans Rusch
nicht zuletzt auf den Bruch des Beichtgeheimnisses
durch einen Kapuzinerpater zurückzuführen. In
der Mitte des 17. Jahrhundert hatten die Feldkir-
cher Kapuziner den Bludenzer Vogteiverwalter so-
gar einmal nachweislich durch Druck auf seine
Person zu einem Hexenverfahren zu zwingen ver-
sucht.5 4 4
Zu Otto Segers Idealbild des Klerus gehörte auch
Rupert von Bodman, der als kaiserlicher Kommis-
sar die Beendigung der Hexenprozesse erreichte
und später das Land mit einer Unterbrechung von
1686 bis 1692 bis zum Übergang an das Haus
Liechtenstein administrierte.5 4 5 Obwohl bereits Pe-
ter Kaiser ein kritischeres Bild vom Wirken Bod-
mans entworfen hatte,546 stilisierte ihn Seger zum
«Wahrer der Menschlichkeit», 5 4 7 «durch sein [!]
Verbot der Hexenprozesse» habe er «unzählige
Menschenleben gerettet». 5 4 8 Wollte Seger damit aus-
drücken, dass die eigentliche Entscheidung darü-
ber nicht aufgrund des Salzburger Rechtsgutach-
tens gefallen war? Wie weit Bodmans Handeln
dabei neben machtpolitischem Kalkül durch welt-
anschauliche Überzeugungen und humanitäres
Mitgefühl geleitet war, wird wohl eine Streitfrage
bleiben.
120
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Die liechtensteinischen Hexen-
verfolgungen im Sagengut
Abschliessend sei ein Blick auf die Erinnerung an
die liechtensteinischen Hexenprozesse in Otto Se-
gers Sagensammlung geworfen. Sie schliesst an
eine von Peter Kaiser überlieferte Sage an, die das
Ende der Hexenverfolgungen historisch richtig mit
dem Wirken des Triesner Pfarrers Valentin von
Kriss in Verbindung bringt. Allerdings sind die Vor-
gänge in der Sage - ihrem Wesen gemäss - sehr
stark vereinfacht. Sie lautet in Kaisers Schreib-
weise: «Die Brenner, welche so viele Menschen
dem Scheiterhaufen zugeführt, hatten den Pfarrer
von Triesen zu ihrem Opfer auserkoren. Sie traten
in sein Zimmer und er die Absicht ihrer Ankunft
errathend, faßte sich schnell, holte Wein aus dem
Keller und forderte sie zum Trinken auf. In den
Wein aber hatte er schnell betäubendes und schlaf-
erregendes Gewürz gemischt. Die Brenner wurden
von dem Genuß des Weines bald trunken und san-
ken in tiefen Schlaf. Der Geistliche, diesen Umstand
benutzend, entriß ihnen das Verzeichniß der Opfer,
das sie bei sich führten. Er war der erste auf der
Liste. Alsbald ließ er die Männer kommen, die mit
ihm auf dem Verzeichniß standen und zum Feuer-
tod bestimmt waren, machte sie mit der Gefahr be-
kannt und forderte sie auf, alles an Ehre und Leben
zu wagen. Sie nahmen die Brenner fest, überliefer-
ten sie der Obrigkeit und ihre Unthaten kamen zu
Tage. Sie erlitten die gerechte Strafe und viele Fa-
milien, die um Ehre und Eigenthum gebracht wor-
den, erhielten beides wieder.» 5 4 9
Der Ausgang der Sage vereinfachte die Ereignis-
se nicht nur, sondern beschönigte sie auch. Peter
Kaiser führte an, dass sie von einem Mann erzählt
worden sei, der 101 Jahre alt wurde und ein Nach-
komme eines gewissen Schedler vom Triesenberg
war, der von den Flexenprozessen noch selbst
betroffen gewesen sein soll . 5 5 0 Möglicherweise war
damit Hans Schedler aus Lavadina gemeint. Es
könnte sich bei der Sage also durchaus um eine
mündliche Tradition aus der Zeit der Hexenverfol-
gungen gehandelt haben.
Bei Kaiser findet sie folgende interessante Fort-
setzung: «Die Volkssage übte auch eine eigene Jus-
tiz gegen die Brenner, welche nicht gut genug zur
Hölle, in ein finsteres Tobel, da, wo man zur Alp
Lawena geht, gebannt sind und dort sitzen sie an
steinernen Tischen stumm und starr; denn ihr Herz
war auch hart, wie Stein und unerbittlich, und ihr
Lügenmund ist geschlossen immerdar. Das Volk
nennt sie <Tobelhocker>.»551 Gewöhnlich sind Tobel
und Schluchten die Orte, an denen sich Geister und
Hexen herumtreiben. Im südlichen Vorarlberg etwa
war der Begriff «Tobelreiter(in)» ein Synonym für
«Hexe». 5 5 2
Wie die Injurienklage Hans Kaufmanns vom
Triesenberg gegen Georg Beck im Frühjahr 1684
vermuten lässt, 5 5 3 hatte in Liechtenstein damals
schon eine Umwertung stattgefunden, die nun statt
der Hexen die Hexenverfolger in das Tobel ver-
bannte. An die Tatsache, dass dieses auch in Liech-
tenstein ursprünglich den Sitz der Hexen gebildet
hatte, erinnert noch eine Sage, nach der die Tobel-
hocker einmal im Jahr, und zwar ausgerechnet am
«Hauptfest» der Hexen, der Walpurgisnacht, ihren
Feiertag hatten, an dem sie es «besonders wüst
im Tobel» trieben. 5 5 4 Wie beim Nachtvolk, mit
dem manche volkstümlichen Hexenvorstellungen
in Verbindung zu bringen sind, 5 5 5 hörte man von
den Tobelhockern «in stürmischen Nächten aus
dem Tobel herauf ein wundersames, klagendes
Geigenspiel». 5 5 6
544) Tschaikner. Magie und Hexerei, S. 208-215.
545) Seger, Bodman, passim.
546) Kaiser, Geschichte, S. 450-373, bes. 450 f., 456 u. 466 f.; vgl.
auch Ulmer, Burgen, S. 908.
547) Seger, Hexenprozesse, S. 56.
548) Seger, Bodman, S. 201.
549) Kaiser, Geschichte, S. 438.
550) Ebenda, S. 437 f.
551) Ebenda, S. 438.
552) Tschaikner, Magie und Hexerei, S. 139-147.
553) L L A AS 1/ 2, fol. 128a.
554) Seger, Sagen, S. 43.
555) Behringer, Stoeckhlin, S. 32-52; Tschaikner, Magie und Hexe-
rei, S. 141-146.
556) Seger, Sagen, S, 43.
121
An die Unternehmungen des Pfarrers Valentin
von Kriss knüpft vielleicht auch die bekannte Sage
von der «Hexe von Triesnerberg» an, die heute
wohl - nicht zuletzt aufgrund des gleichnamigen
Romans von Marianne Maidorf - zu den bekann-
testen Erinnerungen an die liechtensteinischen
Hexenverfolgungen zählt. 5 5 7 Während in der Sage
die Rettung für eine Unschuldige zu spät von Feld-
kirch nach Vaduz gelangt, wurde in Wirklichkeit
die vom Triesenberg gebürtige Katharina Gassne-
rin durch den Einspruch eines Feldkircher Notars
knapp vor der Verbrennung bewahrt.
Darüber hinaus erinnern in Otto Segers Sagen-
sammlung keine konkreten Angaben mehr an be-
stimmte Hexenprozesse in Liechtenstein. Ihr volks-
magischer Hintergrund ist jedoch noch stark prä-
sent. Die im Volk überlieferten Geschichten waren
Seger anscheinend zu wenig aussagekräftig, so
dass er ihnen einfach einige Passagen aus den er-
haltenen Inquisitionsprotokollen und dem Salzbur-
ger Rechtsgutachten hinzufügte. 5 5 8 Seger machte
also bei der von ihm dokumentierten «Erinnerung
des Volkes» 5 5 9 keinen Unterschied zwischen münd-
lichen Traditionen und Auszügen aus zeitgenössi-
schen Quellen, obwohl er in der Einleitung schrieb:
«Ich habe mich bemüht, das mündlich Überlieferte
möglichst sorgsam wiederzugeben. Nichts ist ein-
geflochten, ausgeschmückt oder im Texte erklärt.
So einfach, wie sie erzählt wurden, sollen sie auf
den Leser wirken und ihn auch zur Besinnung an-
regen.» 5 6 0
Folgende «Sagen» übernahm Otto Seger aus den
Inquisitionsakten:561
Nr. 65 «Ein Roß wird verritten» (Beschuldigung
Jakob Marxers gegenüber Andreas Egle, beide aus
Mauren),
Nr. 66 «Die Hexe als Hund» (Beschuldigung Hans
Büchels gegenüber Katharina Wangnerin, beide
aus Ruggell),
Nr. 67 «Eine Hexe verrät sich» (Beschuldigung
Andreas Büchels gegenüber Katharina Wangnerin,
beide aus Ruggell),
Nr. 68 «Der unheimliche Spielmann» (bezog sich
auf Valentin Blaicher aus Eschen),
Nr. 69 «Zigeunerkünste» (Beschuldigung Hans
Marxers gegenüber Katharina Wangnerin, beide
aus Ruggell),
Nr. 70 «Mäuse machen» (Beschuldigung Adam
Marxers gegenüber Magdalena Spaltin, beide aus
Ruggell),
Nr. 71 «Der geheimnisvolle Wolf» (Vorwurf gege-
nüber der Spiesin, Ehefrau Jakob Schurtis, wohl
aus Triesen) und
Nr. 78 «Das schwarze Männle» (Vorwurf der
Lena Ospeltin gegenüber Maria Beckin, beide vom
Triesenberg).
Die Tatsache, dass etliche der von Seger publi-
zierten Sagen Abschriften aus Gerichtsunterlagen
bildeten, entspricht der Erkenntnis, dass der weit-
aus überwiegende Teil der geschichtlichen Volks-
sagen allgemein gar nicht im Volk selbst tradiert,
sondern von Chronisten erfunden oder auf andere
Art aus zweiter Hand übernommen wurde. 5 6 2 Es
bleibt darüber hinaus zu hoffen, dass es Seger mit
den Beiträgen seiner Schüler zur Sagensamm-
lung 5 6 3 nicht ähnlich wie dem Tiroler Lehrer Jo-
hann Adolf Heyl ergangen ist: Um ihn geneigt zu
machen, hatten ihm die Schüler «Sagen» abgelie-
fert, die «derstunken und derlogen» waren. 5 6 4
122
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Schlussbemerkungen
Auf Grund der Quellenlage konzentriert sich unsere
Kenntnis der gerichtlichen Flexenverfolgungen in
der Grafschaft Vaduz und in der Herrschaft Schel-
lenberg auf deren letzte Phase in den Jahren 1679
und 1680. Über die entsprechenden Ereignisse vor
der Mitte des 17. Jahrhunderts sind nur noch weni-
ge Unterlagen erhalten. Bezeichenderweise fanden
die drei ersten bekannten Schwerpunkte der Fle-
xenverfolgungen am Ende des 16. Jahrhunderts, in
den Jahren um 1630 und in der Mitte des 17. Jahr-
hunderts aber gerade zu Zeiten statt, als in zahlrei-
chen Territorien des deutschen Sprachraums Pro-
zesswellen zu verzeichnen waren. 5 6 5
Bei den letzten Vaduzer Hexenprozessen zwi-
schen 1678 und 1680 gilt es vor allem zwei weit
verbreitete Auffassungen zu korrigieren. Dazu
zählt zunächst die Vorstellung, dass in Vaduz um
1680 eine der «ganz großefn] Hexenverfolgungen»
im deutschsprachigen Raum beendet wurde, die
sich über 30 Jahre hin erstreckt hatte oder mit den
Gerichtsverfahren um die Jahrhundertmitte unmit-
telbar zusammenhing. 5 6 6 Die Grundlage für diese
Auffassung schuf schon der kaiserliche Kommissar
Fürstabt Rupert von Bodman, der in einem Schrei-
ben vom Mai 1685 von Hexenprozessen in Vaduz
sprach, wellche bereiths von 30 jähr hero fast ohn
underbrochen gewehret und das gantze landt
gleichsam in ein erbärmliches blutbad verwandlet
haben.™'7 In ähnlicher Weise heisst es auch im Tü-
binger Rechtsgutachten von 1681, dass in der Graf-
schaft Vaduz seit langer Zeit vast kein jähr vorbey
gestrichen, da nicht wegen hexereg verschidene
persohnen wegen ihrer selbst bekandten vergifft:
undt bezauberungen an leüthen, vich und feld,
dem scheüterhauffen zuegeführt undt verbrent
worden waren, sodaß ganze familien von keinem
anderen tod dan disem wegen hexerey verbren-
nens wissen.r,GS Das Interesse hinter der Darstel-
lung Bodmans ist bekannt: Sein Verdienst bei der
Beendigung der gerichtlichen Hexenverfolgungen
erschien dadurch in noch besserem Licht. Wir wis-
sen jedoch mittlerweile, dass die Gerichtsverfahren
gegen Hexen in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts in grossen Abständen geführt wurden
und nicht als Einheit betrachtet werden können.
Trotzdem bildet die Prozessserie in Vaduz zwi-
schen 1678 und 1680 mit etwa 60 Hinrichtungen
gemeinsam mit den Salzburger Zauberer-Jackl-
Prozessen, die ungefähr 140 Todesopfer forderten,
weiterhin eine der beiden grössten Hexenverfol-
gungen ihrer Zeit.
Friedrich Merzbacher ging bei seinem Artikel im
«Lexikon für Theologie und Kirche», in dem er
Vaduz neben Mainfranken und Lemgo in Westfalen
sogar zu den europäischen «Brennpunktefn] der
Hexenseuche» rechnete,5 6 3 zwar von deutlich über-
höhten Zahlenwerten aus; auch die im Tübinger
Gutachten angeführte Hinrichtung vieler Genera-
tionen mancher Familien entspricht nicht den Tat-
sachen; und der von Josef Büchel in der Geschichte
von Triesen dargelegte «krasseste Fall» 5 7 0 reduziert
sich bei genauer Betrachtung auf die Hinrichtung
von Frauen aus «nur» zwei Generationen.5 7 1 Den-
noch wiesen die Hexenverfolgungen in der Graf-
schaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg
um die Mitte und in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts - bezogen auf die Bevölkerungs-
557) Vgl. z. B. Vor Jahr und Tag, S. 133 f. Maidorf datiert ihre Er-
zählung allerdings ins Jahr 1636 (S. 5).
558) Seger. Sagen. S. 135.
559) Ebenda, S. 103.
560) Ebenda, S. 4.
561) Ebenda, S. 48-51 u. 53.
562) Ranke, Grundfragen, S. 8.
563) Seger, Sagen, S. 4.
564) Strasser, «Ein Sohn des Thaies», S. 78.
565) Schormann, Hexenprozesse, S. 55.
566) Vgl. Behringer, «Erhob sich das ganze Land». S. 168; ders.,
Bayern, S. 346.
567) ÖStA Deneg. Ant. 96.
568) Ebenda, Tübinger Rechtsgutachten, S. 1.
569) Merzbacher, Hexenprozeß, Sp. 318.
570) Nämlich derjenige der Familie der Spiesin.
571) Büchel, Gemeinde Triesen, S. 915. Dass die «entwichene»
Mutter der Spiesin vor ihrer Flucht bereits vor Gericht gestanden
war, steht keineswegs fest. Über die Spiesin selbst wurde nur inqui-
riert.
123
zahl - im überregionalen Vergleich eine ausserge-
wöhnlich hohe Intensität auf.
Auf die zweite verbreitete Fehleinschätzung
stösst man schon in den Darlegungen des desig-
nierten Feldkircher Vogteiverwalters Dr. Franz
Gugger um 1682 und bald darauf in einem Schrei-
ben des kaiserlichen Kommissars Rupert von Bod-
man, wo behauptet wurde, dass lust und appetit
zu frembden güther[n] das einzige aliicimentum
(Verlockung) für die liechtensteinischen Hexenpro-
zesse gebildet hätten. Die Geldgier sei, besonders
wegen der Verschuldung, gleichsam der zunder
gewesen, wardurch so vihl arme leüth auf dem
Scheiterhaufen zu aschen verbrandt worden.512 Von
Bodmans Darlegungen führt eine Linie zu Peter
Putzers Auffassung, die letzten liechtensteinischen
Hexenprozesse seien «ein organisierter Raubzug
der Obrigkeit und ihrer willfährigen Beamten ge-
genüber den eigenen Untertanen» gewesen.5 7 3 Die
Vorgänge waren jedoch viel komplexer. Es standen
sich keineswegs nur die geldgierige Obrigkeit und
die ausgebeuteten Untertanen gegenüber. Weite
Kreise der Bevölkerung empfanden ein starkes Be-
dürfnis nach Hexenverfolgungen. Dabei spielten
auch keineswegs nur materielle Interessen eine
massgebliche Rolle.
Eine Tatsache ist allerdings, dass die Hexenver-
folgungen eng mit der überaus schlechten finan-
ziellen Lage der Grafschaft Vaduz und der Herr-
schaft Schellenberg zusammenhingen. Die Unter-
tanen waren wie diejenigen im Herrschaftsbereich
des emsischen Stammhauses - in der Grafschaft
Hohenems und im Reichshof Lustenau - durch
Kriegskosten und Bürgschaften auf schwerste be-
lastetet. Ähnlich wie unter dem Vaduzer Grafen
Ferdinand Karl von Ems schlitterte die «zerfahrene
Regierung und zerrüttete Haushaltung des haltlo-
sen Grafen Franz Karl» unaufhaltsam in den Bank-
rott und führte zur Flucht des Grafen im Jahre 1687.
Auch wenn darüber hinaus in Hohenems ungefähr
gleichzeitig wie in Vaduz die letzten Hexenprozesse
stattfanden,574 ergibt sich aus der Finanzkrise, die
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein
weitverbreitetes Phänomen beim deutschen Adel
bildete,5 7 5 keine Automatik von Hexenverfolgungen.
In beiden Territorien, in Hohenems und in
Vaduz-Schellenberg, fehlten jedoch die verwal-
tungstechnischen Hürden der Hexenprozesse, die
in dem grossräumigen Herrschaftskomplexen, zu
denen die österreichischen Gebiete vor dem Arl -
berg zählten, ausgesprochen verfolgungshemmend
wirkten. 5 7 6 Gleichzeitig wurden die beiden kleinen
Herrschaftsbereiche gerade von ihrem mächtigen
österreichischen Nachbarn in Bedrängnis und da-
mit auch in eine Lage gebracht, die Verfolgungen
begünstigte bzw. provozierte. «Außer einer, der
tatsächlichen wirtschaftlichen Lage nicht recht an-
gepaßten s tandesgemäßen) Hofhaltung wird man
vor allem auch den österreichischen Absolutismus
für den Niedergang des Hauses Hohenems mit-
verantwortlich machen müssen. An dem Wohlwol-
len Österreichs hing ja von jeher Wohl und Wehe
dieses reichsfreien Fremdkörpers im österr. Ge-
biete ab. Sobald dieses Wohlwollen ernstlich ver-
scherzt war, mußte der Niedergang unausweich-
lich folgen.» 5 7 7 Und dies war im letzten Viertel
des 17. Jahrhunderts der Fall. Während also die
Ausbildung eines absolutistisch regierten öster-
reichischen Herrschaftsgebildes die gerichtlichen
Hexenverfolgungen innerhalb seines Territoriums
massgebhch eindämmte, wirkte sie ausserhalb
desselben indirekt verfolgungsfördernd.
In kleinräumigen Territorien fanden jedoch
nicht automatisch häufiger Hexenverfolgungen
statt als in grossräumigen Staatsgebilden. Das Feh-
len einer zentralen politischen Gewalt war zum
Beispiel in der vormaligen Grafschaft Holland, in
der auf Grund der hohen wirtschaftlichen Prospe-
rität kein Interesse der Bevölkerung an Zauberei-
prozessen mehr bestand, sogar eine Voraussetzung
für die frühe Beendigung der Verfolgungen um
1600. 5 7 8
In der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft
Schellenberg hingegen existierte aufgrund der
wirtschaftlichen Misere ein ausgeprägtes Bedürfnis
weiter Bevölkerungskreise nach Hexenverfolgun-
gen, das seinerseits wiederum nicht wenig zur
Zerrüttung des Staatswesens beitrug. Nach einem
ersten, bald jedoch korrumpierten Widerstand der
Stände gegen die Hexenprozesse von 1679 münde-
1 2 4
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
ten im Jahr darauf spektakuläre Notwehrmassnah-
men Einzelner, die von den Verfolgungen betroffen
waren, nicht nur in der Einsetzung einer kaiserli-
chen Kommission und der Beendigung der gericht-
lichen Hexenverfolgungen, sondern auch in einem
breiten Widerstand der Untertanen gegen die Miss-
wirtschaft des Landesherrn beziehungsweise des-
sen Unfähigkeit, geordnete Verhältnisse zu schaf-
fen. Die Erschütterung der sozialen und politischen
Verhältnisse im Umfeld der Hexenverfolgungen
trug nicht unwesentlich dazu bei, dass sich die Fi-
nanzkrise letztlich zur Flerrschaftskrise entwickel-
te, die zum Übergang der Territorien an das Flaus
Liechtenstein führ te . 5 7 9
Die Beendigung der Hexenprozesse erfolgte auf
eine für den katholischen Bereich typische Weise:
Da im katholischen Lager die theoretische Diskus-
sion über die Grundlagen des Hexenwesens da-
durch blockiert war, dass seit dem Ausgang des 16.
Jahrhunderts Zweifel an der theologischen Hexen-
doktrin mit Ketzerei gleichgesetzt wurden, 5 8 0 konn-
ten die Urteile der Vaduzer Prozesse nur aufgeho-
ben werden, indem die Verfahren, die Elemente
des «processus extraordinarii» enthielten, nach
den Rechtsvorschriften des «processus ordinarii»
beurteilt wurden. 5 8 '
Unter diesen Umständen ist die These vom Sieg
des Rechtes über die verwerflichen Verfolgungen
wohl die grösste Illusion in Otto Segers Darlegun-
gen. Er schrieb: «Das ist das Große, Erhebende bei
der Betrachtung der geschichtlichen Vorgänge, die
wirklich dramatisch ablaufen: Das Recht bricht
sich endlich doch Bahn!» 5 8 2 In Wirklichkeit bedien-
te sich einmal mehr die Macht des Rechtes für ihre
Zwecke.
kam es nach der spektakulären Aufhebung der liechtensteinischen
Prozessurteile in den heutigen Schweizer Kantonen St. Gallen
(ohne Toggenburg) und Appenzell noch in den achtziger und neun-
ziger Jahren des 17. Jahrhunderts zu Hexenprozessen, in Grau-
bünden selbst bis ins 18. Jahrhundert: Bader, Hexenprozesse,
S. 163-165, 169, 171-174, 215.
577) Welti, Reichsgrafschaft, S. 145 f.
578) De Waardt, Rechtssicherheit, S. 151 f
579) Vgl. dazu Press, Entstehung, S. 67-73.
580) Behringer, «Vom Unkraut unter dem Weizen», S. 29 u. 41.
581) Trusen, Rechtliche Grundlagen, S. 203 u. 226.
582) Seger, Hexenprozesse. S. 48.
572) ÖStA Deneg. Ant. 96.
573) Putzer, Rechtsgutachten. S. 34 Anm.
574) Welti. Entwicklung, S. 48-50; Welti, Reichsgrafschaft, S. 150.
575) Press, Entstehung. S. 69.
576) Vgl. dazu Tschaikner. Vorarlberg. S. 295 f., und ders.,
Feldkirch, S. 118 f.; Behringer, Bayern, S. 417 f.; Blauert, Epoche,
S. 41. Während in den österreichischen Herrschaften die letzten
Hexenprozesse kurz nach der Jahrhundertmitte geführ t wurden.
125
Dokumentation
der Verfolgungen von
1675 bis 1680
INQUIRIERTE PERSONEN AUS DER HERR-
SCHAFT SCHELLENBERG
H A N S JÖRG M A R X E R AUS R U G G E L L ,
SOHN A D A M M A R X E R S ,
B R U D E R DER M A R G A R E T H A M A R X E R I N
(SRg, fol. l a - 2 b ; S tAAug 2968, fol. 2a+b; V L A , H o A 76,17
Liste von 1682, S. 1; Welz 2, S. 2 f.)
Hans J ö r g Marxers Grossmutter müt t e r l i che r se i t s , seine
Mutter und deren Bruder waren verbrannt worden. Seine
Schwester (Margaretha Marxer in , siehe unten) stand i n
pessima fama (im schlechtesten Ruf).
A m 16. November 16 7 5 5 8 3 fand eine Inquisition ü b e r den
kleinen Hans Jö rg Marxer statt. Dabei sagte z u n ä c h s t der
L a n d f ä h n r i c h Hans Büchel unter E id aus, der etwa vier-
j ä h r i g e Hans Jö rg sei e inmal zu ihm gekommen, habe
sich schritlingen auf einen Pflug im Schopf gesetzt und er-
klärt: Also reiten die hexen. Von Büchels Ehef rau M a r i a
Ö h r i n 5 8 4 gefragt, wiederholte er sich in ä h n l i c h e r Fo rm.
Als zweiter Zeuge e rk lä r t e der Gerichtsmann Hans
Marxer, dass Hans Jö rg Marxer in khainer hailigen mess
bleiben khönne, sonder alzeith aus selbiger hinwegkh und
aus der kirchen lauffe. Er mache solche narren bossen
(Nar rens tücke) , dass auch andere Leute in ihrer andacht
verhindert werden. E inmal habe er ein junges Schwein an
den Ohren genommen und sich darauf gesetzt, wodurch
der ganzen Gemeinde eine grosse ergernus zugewaxen
sei. Die Leute hä t t en sich deshalb an ihn als Gerichts-
mann mit dem Begehren gewandt, er solle solches der
gnd. herrschafft anzaigen, dan sy sorgen, er habe etwas
von seiner verbrenten ahna erlernet.
Dr. Welz riet davon ab, gegen Marxer einen Prozess ein-
zuleiten. Laut Prozessopferliste von 1682 bestanden keine
Hinweise darauf, dass dieser Empfehlung nicht entspro-
chen wurde.
M A R G A R E T H A M A R X E R I N AUS R U G G E L L ,
T O C H T E R A D A M M A R X E R S , E H E F R A U H A N S KIBERS
IN M A U R E N , S C H W E S T E R H A N S JÖRG M A R X E R S
(SRg, fol. 2b-5b; S tAAug 2968, fol . 3a-4b; V L A ,
HoA 76,17 Liste von 1682, S. 1; Welz 2, S. 3-6; Welz 3,
S. 17 f.)
Margarethas Grossmutter müt t e r l i che r se i t s , die Mutter
und deren Bruder waren im feür aufgangen. Über ihren
Bruder Hans J ö r g wurde ebenfalls 1675 inquiriert.
Die Inquisition ü b e r Margaretha Marxe r in fand am 16.
November 1675 statt. 5 8 5 Andreas Stral aus Mauren und
seine Ehefrau A n n a Negelin e r k l ä r t e n dabei unter Eid ,
auch ihre beiden Kinder h ä t t e n von Margaretha in ihrem
Haus Birnen- und Apfelschnitze erhalten und daraufhin
zu Hause grosse schmerzen in den leibern bekommen.
Dabei h ä t t e n sie s t änd ig versucht, in ein Wasser zu sprin-
gen, und zwar so lange, bis nach der Eingabe eines male-
fiz trenkhlefs] eine ganz schandllich undt abschewliche
materi von ihnen gangen war. Dass nur Margareth Mar-
xerin die Ursache des Übels gewesen sein konnte, folger-
ten die Zeugen daraus, dass sie damals mit ihr in etwas
stritigkheit und zwitracht gestanden waren.
Andreas Stral und seine Frau gaben weiters zu Proto-
koll, ihr ä l t e s te r Sohn, der etwa fünf Jahre alt war, sei um
den letzten St. Margarethentag im Haus der inquirierten
Nachbar in gewesen und von dorten ganz trimlig und.
schaurig nach haus khommen. Sie h ä t t e n dann das Knäb-
lein vier Tage lang kaum vom Wasser und dem Ofen fern-
halten k ö n n e n , als ob es doli lauffendt were. Nachdem es
endlich eine purgation vom Feldkircher Apotheker be-
kommen habe, die dieser durch die Kapuziner benedizie-
ren lassen hatte, soll das K i n d eine ganz wiest und unsau-
bere materi erbrochen haben. Dadurch sei der Vater ver-
anlasst worden, das K i n d ernstlich zubefragen, ob es et-
was in Margarethas Haus gegessen habe. Tatsächl ich
hatte es dort dürre schniz bekommen. A u c h diesen Vorfal l
f ü h r t e n die Eheleute auf den Streit mit ihrer Nachbar in
zu rück . F ü r den Umstand, dass sie seit Jahren bei ihrem
Vieh grosen unfahl erleben mussten, wollten sie keine be-
stimmte Person verantwortl ich machen.
Als n ä c h s t e s sagte Ferdinand Wangner aus, er habe
bei Margaretha als T a g l ö h n e r gearbeitet und einmal ein
thrunkh hönigwasser bekommen, wodurch er krank und
be t t l äger ig wurde. Eine Besserung konnte erst nach der
Anwendung von suchen oder mill erzielt werden, die ihm
Herr Sch ip fe r 5 8 6 gegeben und welche die Kapuzinerpatres
davor benediziert hatten. Dadurch habe er endtlich eine
solche abscheuliche materi erbrochen, welche nit zu be-
schreiben sei. Das bezeugte in der Folge auch Fidelis K i -
ber.
Obwohl Dr. Welz aufgrund der falschen Jahreszahl 1651
davon ausgehen musste, dass die Geschehnisse beinahe
drei Jahrzehnte zu rück l agen , ohne dass sich inzwischen
weitere belastende Indizien ergeben hä t t en , p l äd ie r t e er
bei Margaretha Marxer in sowohl im Gutachten von 1679
als auch in demjenigen von 1680 für ein gerichtliches Ein-
schreiten samt Folterung.
A u c h im Fal l der Margaretha Marxer in bestanden aber
laut Prozessopferliste von 1682 keine Hinweise auf eine
Verurteilung.
126
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
J O H A N N A W A L S E R I N A U S M A U R E N ,
E H E F R A U M A R T I N H O P P S , 5 8 7
TOCHTER H A N S W A L S E R S U N D
S C H W E S T E R D A N I E L W A L S E R S A U S V A D U Z
(SRg, fol. 18b-19b; S tAAug 2968, fol. 7a+b; S tAAug
2971, fol. 4a; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682, S. 2;
Welz 2, S. 7 f.)
Johannas Vater, Hans Walser aus Vaduz, hatte man 1648
als Hexer hingerichtet. Ihr Halbbruder vä te r l i cherse i t s
war ganz jung auch iustißciert worden. (Dabei d ü r f t e es
sich um den in der Liste der Vaduzer Todesopfer ange-
f ü h r t e n Christ ian Walser gehandelt haben.) Ihren Bruder
Daniel Walser verbrannte man 1680.
Die einzige Zeugin bei der Inquisition am 13. September
1675 war die 30- j äh r ige A n n a Negelin, die Ehefrau A n d -
reas Strals. Sie e rk lä r t e , dass sie vor u n g e f ä h r drei Jahren
etwa fünf Wochen lang krank zu Hause gelegen sei. Als sie
sich gesundheitlich wieder besser fühl te , sei ihre negste
nachbeürin Johanna Walserin, mit der sie in immerweh-
renden zankh und haader liege, unversehens vor ihr
Haus gekommen und habe f ü n f m a l verlangt, sie solle mit
ihr die Kühe melken kommen. Schliesslich habe sie einge-
willigt. Kaum sei sie aber einige Schritte vom Haus weg
gewesen, habe die Walserin jedoch wieder heim gehen
wollen, da ihr Mann gekommen war. Dieser sei t a t säch -
lich, ohne dass ihn die Negelin davor gesehen habe, eben
als wan er daher geflogen were, mit roß und wagen zuge-
gen gewesl. Als sich die Negelin entfernte, sei ihr ein sol-
cher Schmerz in die Hand und in die rechte Brust gefah-
ren, dass sie die Hand nicht mehr zum maul bringen mö-
gen und der mainung gewesen, es seie unmüglich solchen
zuerdulden. Spä t e r habe sie von den Kapuzinern geweih-
te Sachen erhalten und damit etwas besserung erlanget.
Sie hegte einen Argwohn g e g e n ü b e r der Walserin, dan es
ihro die hh. capuziner selbsten gesagt, daß diser zu-
standt durch bese leüth ihro miesse gelegt sein worden.
Für Dr. Welz war die mehrmalige Aufforderung zum Mel-
ken so zu e rk l ä ren , dass die Walserin ihre Feindin über
dene durch ihre zauberej inficirten orlh und boden zu
führen trachtete. Seiner Meinung nach konnte die Inqui-
sitin verhaftet werden. Zur Folterung brauchte es jedoch
noch weitere Indizien.
Die Walserin wurde laut Prozessopferliste von 1682
nicht hingerichtet.
M A G D A L E N A SPALTIN A U S R U G G E L L ,
TOCHTER B A R T L I SPALTS UND W I T W E J A K O B H E B S
(SRg, fol . 58a-60a; S tAAug 2968, fol. 25a+b;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 4; Welz 2, S. 19;
Welz 3, S. 29 f.)
Magdalenas Vater war in gutem Ansehen verstorben, die
mueter aber in einem besen rueff gestanden.
Bei der Inquisition am 22. August 1676 gab ihr eigener
Schwager, der 65 - j äh r ige A d a m Heb aus Ruggell. unter
Eid zu Protokoll, dass sie i h m vor etwa drei Jahren drei
oder vier Küchle fü r seine Ehefrau mitgegeben habe. Die-
se aber hatte die Küchle, weilen sy iederzeilh gehört, daß
sy Spallin der hexerey halber verschrait seye, nicht ac-
ceptiert, sondern den H ü h n e r n , die sie unter dem Ofen
hielt, vorgeworfen. Drei Hennen, die davon gefressen hat-
ten, fand sie daraufhin am Morgen tot vor. Ausserdem sei
eine kaz, die dar von gessen hat, ein lange zeith herumb
gangen, als wan sye ebenfals verrekhen wolle.
Der 5 2 - j ä h r i g e 5 8 8 A d a m Marxer, Georgs Sohn, aus
Ruggell sagte als zweiter Zeuge am 20. Februar 1679 aus,
dass er u n g e f ä h r vor drei Jahren mit und neben Leonhard
Güfel sowie Georg Schechle in dem Kolben feldt5W seinen
akher gebawet habe. Da sei Magdalena gekommen und
habe sie aufgefordert, ihren Acker auch zu bestellen.
Güfel und Schechle kamen ihrem Wunsch nach. Darauf-
hin sei sie zu ihm, Marxer, gekommen und habe ihn zur
Rede gestellt: Wüst dan du mir nit helfen bawen, genzlich
vermainendt, er miese solches thuen. Als er jedoch wei-
terhin nicht dazu bereit war, sei die Spaltin auf seinem
Acker h in- und hergegangen und habe auch mit dem Fuss
darauf herumgestrichen, worauf die meüs in den ganzen
ackher khommen und die, ob schon sonsten ganz sehen
erunnen und gewaxene frucht gänzlich abgefrezet. Auf fa l -
lenderweise sei neben imme khain ainiges gueth von be-
sagten meüsen beireihen worden. Marxer habe den sche-
renfanger zum Acker ge füh r t , der allen möglichen uleiß
angewendet, aber khain ainige maus fangen khönnen.
583) Zur Datierung vgl. S. 8.
584) Sie war eine Tochter Ulrich Öhres.
585) Zur Datierung vgl. S. 8.
586) Er war wohl ein Heilkundiger aus Mauren, siehe bei Katharina
Bregenzerin.
587) Lokalisierbar durch die Angabe, daß Andreas Stral ihr naher
Nachbar sei: StAAug 2968, fol. 3a.
588) Die Altersangabe stimmt nicht mit derjenigen bei der Inquisi-
tion gegen Maria Hoppin überein.
589) Östlich der Egerta, südlich der Rotagass: LNb Ruggell. S. 26 f.
127
Schliesslich habe Marxer vom Doktor am Hirschensprung
gewisse Sachen mit der Auflage erhalten, diese an einem
Freitag vor Sonnenaufgang in die vier Ecken des Ackers
zu vergraben sowie dabei an jeder Ecke fünf Vaterunser
und ebensoviele Avemar ia zu beten. Nach Anwendung
des Gegenzaubers hä t t en die meiis sich in seiner gegen-
warth augenscheinlich und genzlich verlohren, auch die
frucht widerumben zugenommen, aber nicht mer so sehen
worden, als sy zuvor und wie die neben imme gewesen.
Als er daraufhin i m August mit der Spaltin nach Grabs
zum Mark t ging, werkh oder flax zu verkhaufen, sprach
sie ihn an: Adam, du sagst, ich habe dier die meüß in den
akher gemacht. E r entgegnete ihr in der Absicht , sich h in-
auszureden: Ich sage das nit, dan ich wais es nit, du aber
wärst es wissen. Wei l sie aber ohne gegebenen Anlass auf
dieses Thema zu sprechen gekommen war, hegte er seit
damals einen noch g r ö s s e r e n Verdacht gegen sie.
Dr. Welz empfahl in den Rechtsgutachten von 1679 und
1680, sie erst einzuziehen und zu foltern, wenn weitere
Indizien vorlagen. A l l em Anschein nach wurde gegen sie
nicht prozessiert.
S E B A S T I A N KIBER V O N M I S N A 5 9 0 A M E S C H N E R B E R G ,
SOHN DES H A N S U N D B R U D E R U L R I C H KIBERS
(SRg, fol. 69b-70a; S tAAug 2968, fol . 32a+b; V L A ,
HoA 76,17 Liste von 1682, S. 4; Welz 2, S. 21 f.)
Sebastians Grossmutter vä te r l i cherse i t s sowie sein Vater
und dessen Schwester waren als Hexen verbrannt wor-
den.
Bei der Inquisition am 5. September 1677 sagte Kibers
Schwager, der 36- jähr ige M a t t h ä u s Maier aus Misna am
Eschnerberg, aus. Er wohnte mit ihm i m selben Haus; sie
b e n ü t z t e n eine gemeinsame Stube und ihre Schlafkam-
mern lagen nebeneinander. Maier e rk lä r t e , er und seine
Frau hä t t en an einem Samstag etwa vor vier Wochen um
Mitternacht auf dem brüggle vor seinem haus ein grosses
Gerumpel gehör t . Dieses getöß sei durch daß ganze haus
gefaren. Als Kiber s p ä t e r von seiner Schwester ü b e r das
Treiben befragt wurde, antwortete er, dass er gemeint
habe, der K a m i n brenne, und sye wissen nicht, was ihme
abgehe. Dasselbe Getöse sei auch acht Tage zuvor von sei-
nen zwei Schwestern vernommen worden. Damals habe
es unmittelbar vor seiner K a m m e r t ü r begonnen. Als seine
Frau fragte, was das sei, und dabei ausrief: behiet uns
gott, sei es zuoberst ins Haus hinauf und zue einem loch
hinaus gefahren. Das Getöse habe geklungen, als wan
man einander erschrökhlich herumbschlagen thete. Kurz
darauf sei Kiber in seine Kammer gegangen, obwohl M a i -
er gemeint hatte, dieser habe sich längs t niedergelegt.
Kibers Frau stellte ihn selbst deswegen zur Rede und
wollte wissen, was das seye. E r habe darauf geantwortet:
la, du waisl nit, was mir ist, ich hab vermaint, daß camin
brinne. Dann schaute er zum Laden hinaus. A m n ä c h s t e n
Tag ging er im Morgengrauen weg und kam erst spä t wie-
der von Feldki rch nach Hause, so dass Maier nicht sehen
konnte, ob er ein mahl oder etwas im gesteht gehabt. M a i -
er litt damals ü b r i g e n s unter zahlreichen Unglücksfäl len,
wusste jedoch nicht, woher selbige khommen.
Zwei Jahre später , am 18. Februar 1679 e rk lä r t e Mat-
t h ä u s Maier bei einer Inquisition, er habe bei Vieh und
Pflanzen immer noch Unglück. Sebastian Kiber hingegen
wirtschafte stets erfolgreich, obwohl ihre Tiere im selben
Stall standen und ihre G r ü n d e gleich nebeneinander
lagen. Im F r ü h j a h r 1678 sei ihm. Maier, ein Hengst ein-
gegangen. Als man dessen Kadaver ö f fne te , habe man in
der Niere ein gelbes W ä s s e r l e i n gefunden. Davon habe
der scharpfrichter gesagt, er möge in den stall stöllen,
was er wolle, werde er doch khain glückh darzu haben,
wan er nit andere mitel vornemme. Maier ve rdäch t ig te
nun ain mahl den Kiber, der keinem ehrlichen Mann in
das Angesicht sehen d ü r f e .
Die Aussage der Ursula Starkin, die Dr. Welz als ein
absurdes wesen bezeichnete, ist im Inquisitionsprotokoll
nicht erhalten.
In den Rechtsgutachten von 1679 und 1680 wurde Seba-
stian Kiber f ü r nicht so v e r d ä c h t i g befunden, dass er ge-
fangengenommen werden k ö n n t e . Über den Scharfrichter
schrieb Dr. Welz 1679: Es muß der scharffrichter mehr
wissen alß andere leüte, wann er auß einem blossen gel-
ben wasser in den nieren gleich eine bezauberung zu
argumentiren meinet.
Es ist davon auszugehen, dass kein Gerichtsverfahren
gegen Kiber eingeleitet wurde.
U L R I C H K I B E R V O N M I S N A 5 9 1 A M E S C H N E R B E R G ,
SOHN DES H A N S U N D B R U D E R S E B A S T I A N KIBERS
(SRg, fol. 91a-92b; S tAAug 2968, fol. 44b+45a;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 6; Welz 2, S. 28 f.;
Welz 3, S. 36 f.)
Ulrichs Grossmutter vä te r l i cherse i t s wie auch sein Vater
und dessen Schwester waren als Hexenpersonen ver-
brannt worden.
Bei der Inquisition am 13. Februar 1679 sagte Jakob Bat-
liner aus, dass er Ulr ich Kiber vor etwa sechs Jahren ein
milchbrendtlin geliehen und dieses erst nach einer zwei-
ten Aufforderung wieder z u r ü c k e r h a l t e n habe. Nachdem
er darin und in anderen Geschirren die Mi lch geseiht hat-
te, habe er beim ersten Ma l keinen Tropfen Schmalz ge-
winnen k ö n n e n , obwohl er zusammen mit anderen einen
ganzen Tag und eine halbe Nacht lang am Schlegkübe l ge-
128
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
zogen hatte. D a r ü b e r sei er zornig geworden und habe er-
klärt, weil weder ziehen noch bethen helffe, so iniesse er
nuhr schweren. Dann habe er etwas von der M i l c h und
dem Rahm seinen Hennen gegeben, darvon die scheuste
gleich maustodt auf den ruggen darnider gefallen. Da-
raufhin habe er den Rest w e g g e s c h ü t t e t und erfahrene
Nachbarn zu Rate gezogen. Diese wollten z u n ä c h s t wis-
sen, ob der Rahm, wenn man ihn auf das Feuer stellte,
überüef oder nicht. Als er e rk lä r t e , das tue er wie ge-
wöhnl ich , rieten sie ihm, er solle einen Kessel voll Wasser
sieden, geweihtes Salz hineintun, das Geschirr damit
wacker a u s b r ü h e n und mit geweichter rauten, die im
dreisigisten geweiht worden waren, dapfer reiben, denn
es seie der fehler nit an der milch, sonder am gschür. Den
Rat habe er befolgt und gleich beim ersten Versuch wie-
der wie f r ü h e r schmalzen k ö n n e n . Als Verursacher der
Probleme ve rdäch t ig t e er Ul r ich Kiber.
Dr. Welz e rk lä r t e in seinem Gutachten vom März 1679 die
an fäng l i chen Schwierigkeiten beim Schmalzen durch die
Rücks tände von alkalischem Salz nach der Reinigung ei-
nes Gefässes . Sie machten eine Scheidung der Butter von
der Milch unmögl ich . Dr. Welz nahm an, dass Kiber das
Gefäss vor der Rückgabe ordentlich gereinigt habe. Der
Tod der Henne b e s t ä r k t e ihn nur in dieser Vermutung.
Im Gutachten vom Juni 1680 lehnte Dr. Welz abermals
eine Verhaftung Kibers ab.
Laut Prozessopferliste von 1682 lagen keine Unterla-
gen über ein Gerichtsverfahren gegen ihn vor.
M A R I A HOPPIN A U S R U G G E L L ,
TOCHTER M A R T I N HOPPS UND
S C H W E S T E R E N D E R L E H O P P S . 5 9 2
E H E F R A U H A N S ÖHRES, G E N A N N T E G L E 5 9 3
(SRg. fol. 75a-77b; S tAAug 2968, fol. 36a-37b;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 5; Welz 2, S. 23 f.)
Marias Vater Mart in und ihr Bruder Andreas Hopp waren
verbrannt worden. Wie sie selbst stand auch ihr Bruder
Mart in in starkem Hexereiverdacht.
Der erste Zeuge bei der Inquisition am 23. September
1675 war der 45 - j äh r ige Norbert Wohlwend aus Ruggell.
Er e rk lär te , dass er am Margarethentag auf einem seiner
K i r s c h b ä u m e zwei Knaben erwischt habe, die durch das
Herunterreissen der nesten dem Baum grossen Schaden
zufüg ten . Zornig schlug er mit einem Stecken das bieblein
der Hoppin, das sich noch auf dem Baum befand. A m fol-
genden Tag hatte er wegen ihres khucklins eine kleinere
Auseinandersetzung mit der Hoppin. Er wisse aber nicht,
was sie dabei gesagt habe, denn er sei ganz gehörlos.
D a r ü b e r k ö n n e Hans F ö h r besser Auskunf t geben. A u c h
mit dem Mann der Hoppin sei er schon etliche Male in
Streit geraten. Jedenfalls sei am Tag nach dem Vorfal l am
Kirschbaum Wohlwends d re i j äh r ige s Töchte r le in , das da-
vor seines darfürhaltens ganz frisch und gesundt gewe-
sen war, völlig erlahmt. Er f ü h r t e dieses Unglück auf nie-
manden anderen als auf die Hoppin zurück .
A m n ä c h s t e n Tag wurde Hans F ö h r 5 9 4 aus Ruggell ein-
vernommen. Er sagte aus, die Hoppin habe sich bei ei-
nem haimbgarten nahe einer Kapelle in Gegenwart vieler
Personen ü b e r die Schmachworte höchlich beklagt, die
ein Sohn Wohlwends wegen ihres Buben g e ä u s s e r t hatte.
Als alle Leute noch beisammen gesessen waren, sei auch
Norbert Wohlwend zu ihnen gekommen. Daraufhin habe
ihn Jakle Hopp gefragt: Norberth, hab ich dier die kriese
genommen? E r antwortete: Nicht du, sonder der Maria
hiezugegen ihr söhn hats gethan, weicheis] ich eben so
hoch nit achtete, da fern er die nest nit so übel verderbt
hete. Die Hoppin bestritt jedoch die Teilnahme ihres
Sohns, worauf Wohlwend entgegnete, er habe ihn ja
selbst am Baum angetroffen. Im Zuge des folgenden
Streits habe die Hoppin zu Wohlwend gesagt: Thue nur
nit also, du wirst mich nit. fressen. Zwei Stunden darauf
sei Wohlwends Kind ganz erlamet, also das mönigkhlich
groses mitleiden mit ihme Wolwenden getragen, ausser
die Hopin habe ainiges herzenlaid nit erzaigt, sonder
ganz still geschwigen.
Dr. Welz bezeichnete die Hoppin im März 1679 zwar als
Ungeziefer, stellte aber fest, dass die vorliegenden Indi-
zien nicht fü r eine Verhaftung ausreichten.
A m 29. August 1680 wurde der 6 0 - j ä h r i g e 5 9 5 A d a m Mar-
xer, Georgs Sohn, zu Ruggell ü b e r M a r i a Hoppin einver-
nommen. E r e rk lä r t e , sie sei seines Wissens ein guettes
weib, so armen leüten vil guets zu thun pflege. Gegen sie
bestehe kein grosser Argwohn , ausser dass sie gemain-
lich umb die zeit, da man hexen einziehe, am Abend die
Läden im ganzen Haus schliesse, was sie sonst das ganze
Jahr hindurch unterlasse. Ausserdem hege man einen
Verdacht gegen die Hoppin, weil ihr M a n n , der verbrannt
wurde, selbst nicht viel von ihr gehalten haben konnte;
denn als man ihn gefangen hatte, fragte er die Geschwo-
renen, ob sie seine Frau holen wollten.
590) Heute Mösma: LNb Eschen. S. 36 f.
591) Heule Mösma: LNb Eschen, S. 36 f.
592) StAAug 2968, fol. 36a-37b.
593) Vgl. nachfolgende Eintragung des Hans Öhre.
594) Er war zum Zeitpunkt der Inquisition 45 Jahre alt.
595) Die Altersangabe stimmt nicht mit derjenigen bei der Inquisi-
tion über Magdalena Spaltin übere in .
129
Im Inquisitionsprotokoll ist unter dieser Aussage ver-
merkt: N. B. pater et frater compusti et ipsa pro saga ab
omnibus habetur.
A m selben Tag wie A d a m Marxer e rk l ä r t e der 33-
j ä h r i g e Norbert Heb nach abgelegtem handtglibt, er kön-
ne von der Hoppin nicht viel Gutes und nicht viel Böses
sagen. M a n merke ihr nur an, dass sie sich, wenn Hexen-
prozesse g e f ü h r t wurden, stets traurig zaige und. alle
nacht alle leden im ganzen hausßeisig beschließe. Sonst
seye der gemeine ruef, sie seye eine hex, deßgleichen
seye die gemeine sag, sie werde die erste sein, die man
verbrennen wurde und daß man sie schon vor 10 jähren
hette verbrenen sollen. Sonsten habe sie kheine sondere
gemeinschafft mit den leüten. Von irgendwelchen Schä-
den, die sie angerichtet haben sollte, wisse er nichts. Sie
sei nur wie ihr Mann , ihr Vater und ihr Bruder, die alle
verbrendt worden waren, ve rdäch t ig .
Laut Prozessopferliste von 1682 wurde gegen die Hop-
pin nicht prozessiert.
H A N S ÖHRE A U S R U G G E L L ,
SOHN H A N S ÖHRES, G E N A N N T E G L E ,
U N D DER M A R I A HOPPIN
(SRg, fol . 77b; S tAAug 2968, fol . 38a+b; V L A ,
HoA 76,17 Liste von 1682, S. 5; Welz 2, S. 24 f.)
Sein vatter, grojhnutter [väter l ichersei ts] und vallers
Schwester sind im rauch aufgangen. Die verbrannten
müt t e r l i chen Vorfahren wurden nicht a n g e f ü h r t .
Bei der Inquisition am 26. September 1675 e rk l ä r t e der
20- j äh r ige Jakob Föhr junior aus Ruggell, dass Hans Öhre
vor etwa vier oder fünf Jahren zu ihm in den Stall gekom-
men sei, als er das Vieh fü t t e r t e . Dabei strich Öhre einem
kleinen Rind mit der Hand ü b e r den Rücken und sagte:
Behiet es gott, wie ist dises so ein scheues rindt. Ande-
rentags in der F r ü h erkrankte das Tier und war am
Abend völlig verrekht. Als F ö h r es in die Stauden hinaus-
gezogen hatte, sei es dort 14 Tage lang liegengeblieben.
Kein einziges thier noch vogel habe das Aas in dieser Zeit
a n g e r ü h r t . Der Argwohn gegen Hans Öhre wurde da-
durch vers tä rk t , dass dieser ohne alle gehabte ursach zu
ihm in den Stall gekommen sei.
Da Öhre aus sehr verdächtigem gebliith stammte, emp-
fahl Dr. Welz im März 1679 eine Gefangennahme. Die
Indizien genüg ten jedoch nicht fü r eine Folterung.
Laut Prozessopferliste von 1682 wurde gegen Öhre
kein Gerichtsverfahren ge führ t .
M A T T H I A S M A R X E R A U S M A U R E N
(SRg, fol. 99b-100a; S tAAug 2968, fol. 52b+53a;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 7)
Bei einer Inquisition am 29. M a i 1680 gab der 42 - j äh r ige
Fidelis Matt zu Protokoll , dass er vor acht Tagen eine
Schweineherde, die auf seinem lechen gewesen und sol-
ches ganz untergraben habe, hinweggetrieben hatte. Als
das This Marxer bemerkt hatte, rief er ihm zu, er verder-
be ihm das seinige. Matt entgegnete: Warumb? Hast doch
du solihe auch ab deinem akher getriben. Marxer habe
dann gerufen: Wahrt du hundt, ich wils dir schon ma-
chen. Fünf Tage s p ä t e r kamen zwei Kühe Fidelis Matts
von der Weide in den Stall, und als er sie melken wollte,
gaben sie keinen Tropfen M i l c h . Das habe Matt seiner
Ehefrau e rzähl t , die damals i m Kindbett gelegen sei. Die-
se habe daraufhin mit Bezug auf Marxer gesagt: Du hast
alle weill zu zankhen mit disen teüfels leüthen. Als die
Kühe am n ä c h s t e n Tag immer noch nicht zu melken wa-
ren, habe Matt vom h. pfarer ein wandet khertzen under
das fuetter geschnitten. Daraufhin seien die Kühe ande-
rentags, ohne gefressen zu haben, in den Stall zu rückge -
kommen. Bis zum Zeitpunkt der Inquisition hatte sich die
Lage nicht viel gebessert. Erst heiint morgens früeh haben
sie widerumb ein wenig milch angefangen zu geben.
Von einem Gerichtsverfahren gegen Matthias Marxer la-
gen laut Prozessopferliste von 1682 keine Unterlagen vor.
B A R B A R A GÜFLIN A U S R U G G E L L
(Welz 4, S. 1 f.)
Über Barbara Güflin wurde im Sommer 1680 inquiriert.
Dabei gab Georg Büchel aus Ruggell zu Protokoll, sie habe
ihn vermittels einiger küchen bezaubert und ihm. eine
grausame beschwerd. in dem leib verusacht, die nur durch
geistliche Mittel zu kurieren war.
Da der Güflin ausser diesem Ereignis nur eine muthwilli-
ge jugend vorgeworfen werden konnte, reichte Büchels
Beschuldigung laut Dr. Welz fü r ihre Verhaftung nicht aus.
Wenn aber deren Ä u s s e r u n g g e g e n ü b e r ihrer Schwester,
die von Kathar ina Büchl in und A n n a Kaufmann in angege-
ben worden war, besser untersucht und dabei festgestellt
w ü r d e , dass die dar in feststellbare Verzweif lung nicht auß
einiger anderen gemüths Verwirrung hergerühret, w ä r e
gegen die Güflin sehr w o h l gerichtlich vorzugehen. Wei-
tere Angaben liegen nicht vor.
130
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
J A K O B S C H E C H L E A U S M A U R E N , 5 9 6
W O H L SOHN DER B A R B A R A MORATIN
(SRg, fol. 271a-272a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 20; Welz 3, S. 38 f.)
Fidelis Kiber gab bei einer undatierten Inquisition zu
Protokoll, dass Jakob Schechle e inmal ohne sein Wissen
in den Stall gekommen sei und dem Ross Heu vorgeschü t -
tet habe. In einer anderen Version dieser Aussage ist
nicht mehr davon die Rede, dass Schechle den Stall ohne
Wissen des Besitzers betreten hatte. A u f alle Fälle sei das
Pferd daraufhin gleich erblindet und habe sich danach so
sehr verblüettet, dass es nach sechs oder sieben Wochen
verendet war. Kiber ve rdäch t ig t e Schechle auf Grund der
Angaben des Wasenmeisters. Als dieser den Tierkadaver
geöf fne t hatte, habe er näml i ch e rk lär t , das Pferd sei von
bösen leüthen verritten worden, weil es an den Nieren
ganz schwarz war.
Dr. Welz sprach sich in seinem Gutachten vom Juni 1680
gegen eine Gefangennahme Schechles aus. Über ihn lie-
gen auch keine weiteren Unterlagen vor.
K A T H A R I N A W A N G N E R I N A U S R U G G E L L ,
W I T W E H A N S HOPPS, G E N A N N T PFEIFER,
E H E F R A U H A N S BÜCHELS
(SRg, fol . 35b-41a ; S tAAug 2968, fol. 12a -
19a. u. 51a-52a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 3;
Welz 2, S. 13-16)
Ihr erster Mann , Hans Hopp vulgo Pfeifer, war 1669 hin-
gerichtet worden.
Der erste Zeuge bei der Inquisition vom 10. Februar 1679
war der 30- j äh r ige Andreas Büchel aus Ruggell. Er sagte
unter Eid aus, dass sein damals zwe i j äh r ige s K i n d vor
etwa zweieinhalb Jahren auf die Gasse gegangen sei und
vor der Wangnerin als einer n ä c h s t e n Nachbarin seine
Notdurft verrichtet habe, wie unmündige kinder ohne
schandt zuethuen pflegen. Daraufhin sei der Sohn der
Wangnerin ganz zornig zur Mutter des Kindes geloffen
und sye also ahngefahren, sye solle die kinder zu haus
behalten und verhieten, daß sy ihme solchen unflath nit
für daß hauß machen, dan dises welle er nit leiden. Die
Frau Andreas Büchels antwortete, wenn er das oder ä h n -
liches nicht ertrage, so solle er der nachbaren auch
mießig gehn und sy nit alle augenblikh gleichsam bald
umb dises, bald umb ienes ahnlaufen und. leichens [Aus-
leihens] halber ansprechen, wie er ihren thüe.
Nach acht Tagen bekam das K i n d oberhalb des Näs -
leins einen kleinen Flecken, der trotz aller angewandten
Mittel um sich frass, daß innerhalb 14 tagen der schaden
haut und haar bis auf die halbe schaitel hinauf mit /reg-
sten schmerzen des armen khindts verzörl gehabt hatte.
Als der Vater beim Doktor am Hirschensprung Hilfe such-
te, e rk l ä r t e dieser, es seie große zeith, daß er zu ihm
khommen, dan iez khönne er noch helfen, fals er aber
noch 8 tag angestanden, wurde es vil haben zuthuen ge-
ben. E r erhielt drei rote pülferle, die er dem K i n d in ei-
nem mießle oder süplein einzugeben hatte. Ein g r ü n e s
sollte er mit schmer [rohem tierischem Fett591] zu ainem
selblin machen und das Kleine damit einschmieren. Dabei
hatte er genau darauf zu achten, dass innerhalb der n ä c h -
sten acht Tage kein f remder Mensch zu dem K i n d gelas-
sen werde; denn es w ü r d e sich ergeben, dass jemand
komme und frage, wie es mit ihm stehe.
Genau das geschah auch: Die Wangnerin kam dreimal
und wollte das K i n d sehen. Nachdem ihr der Zutritt stets
verweigert worden war, genas es durch die oben genann-
ten Mittel .
Gegen die Wangnerin sprach weiters eine Aussage, die
Andreas Mil le r aus Gampr in bei der Inquisition ü b e r
ihren Sohn Silvester Hopp vorgebracht hatte. Sie bezog
sich auf einen a n g e k ü n d i g t e n Schadenzauber mit ver-
meintl ich eingetretener Wirkung .
Bei einer Zeugeneinvernahme am 19. August 1676 gab
der 70 - j äh r ige L a n d f ä h n r i c h Hans Büchel aus Ruggell zu
Protokoll , letzten Früh l ing , als Jos Mader, ein Sohn A n d -
reas Maders von Matsche i s , 5 9 8 verstorben und in den
bäum gelegt worden war, sei ein Hund zu dem Leichnam
gekommen, der sich nicht mehr vertreiben habe lassen,
bis man mit einer trenzen (Pferdezaum) nach ihm gewor-
fen und ihn an der Nase verletzt habe. Gleich da raufhabe
die Wangnerin umb den balbierer (Wundarzt) gesandt und
sich curieren lassen, wodurch sie ve rdäch t ig geworden
war, sye miesse der hundt gewesen sein.
Diese Aussage wiederholte der L a n d f ä h n r i c h bei der
Inquisition am 10. Februar 1679. Dabei e r g ä n z t e er die
Darlegungen noch um einige Details, die er von Andreas
Mader aus Matscheis vernommen hatte. Der Hund habe
dessen Sohn Jos Mader gebissen und dabei dermassen
vergifftet, dass dieser ohngeacht aller angewendten mit-
ten hab sterben miesen. Daraufhin habe der Hund selbst
den Leichnam noch angreifen wollen, ia seie vertier ver-
muetlich, daß diser hundt allen Maderischen nachgesezt
habe. Denn als Andreas Mader vor einiger Zeit in seiner
Tenn gemetzget habe, sei der Hund hergelaufen und habe
ihn so attackiert, dass er sich zusammen mit den anderen
drei Anwesenden vor seinen grimmigen anfahl nur khim-
596) Die Inquisitionsaussagen über Jakob Schechle wurden verse-
hentlich den Aufzeichnungen aus der Grafschaft Vaduz zugeordnet.
597) Vorarlbergisch.es Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 984.
598) Fraktion des linksrheinischen Teils der Altgemeinde Altenstadt.
131
merlich erreten mögen. Spä t e r setzte der Hund einer
Frau, die am Bach wusch, so heftig zu, dass sie sich nur
mit Hilfe herbeigelaufener Burschen seiner erwehren
konnte. Dann habe sich der hundt blezlich verlohren, daß
khain mensch wisse noch erfahren khönnen.
Der n ä c h s t e Zeuge bei der Inquisition von 1679 war
der etwa 40- j äh r ige Stachus Marxer aus Ruggell. Er be-
s tä t igte die Angaben des L a n d f ä h n r i c h s und e r g ä n z t e sie,
indem er aussagte, dass um die Zeit, als der Hund durch
die nachgeworfene Trense verwundet worden war, die
Wangnerin frisch und gesundt nach Matscheis gegangen
war und mit Verletzungen an der Nase, im üb r igen
Gesicht und am A r m übt zugericht wieder z u r ü c k k e h r t e .
Unterwegs begegnete sie J ö r g Metzler aus Bangs, dem sie
auf seine Fragen hin e rk lä r t e , sie sei von einer Stiege
gefallen. Michael Öhre , der Balbierer, habe sie kuriert.
Bald jedoch sei die Geschichte in Ruggell jedermann be-
kannt gewesen.
Der 68 - j äh r ige Andreas Mader bes tä t ig te ebenfalls die
Aussagen des L a n d f ä h n r i c h s und diejenige Stachus Mar -
xers. Er sagte weiters aus, als sein verstorbener Sohn
Jos im pfeiferischen Haus einen Trunk zu sich genommen
habe, sei er nicht nur an H ä n d e n und F ü s s e n lahm
geworden, sondern habe die zungen für daß maul heraus
gehenkht, daß sich einer darab entsezt habe. Er sei eines
erbermlichen todts gestorben. Der Doktor in Oberriet
habe gesagt, die Ursache d a f ü r w ä r e ein Gift gewesen. Als
Jos verstarb, sei ein grosser scheckiger Hund ohne
Schweif vor Maders Schopf gelegen. Nachdem er einen
Prügel nach ihm geworfen hatte, habe ihn der Hund ins
Maul genommen und den Kopf d a r ü b e r geschüt te l t . Dann
sei er in ein Nachbarhaus gelaufen und habe sich eine
Speise vom Herd holen wollen. Als die Frau, die gerade
das Feuer s chü r t e , das zu verhindern versuchte, wurde
sie vom Hund angefallen und gefehrlich in den schenkhl
gebissen. Der Schaden habe in der Folge heftig umb sich
gefressen. Der Feldkircher Balbierer Peter Wolf habe die
Frau so lange nicht kurieren k ö n n e n , bis seine medica-
menta benediziert worden seien. Nach außgestandenen
unglaublichen schmerzen besserte sich dann der Zustand
wieder.
Weiters sei der Hund zu Maders S ö h n e n gekommen,
als diese Bretter holten, um ihrem verstorbenen Bruder
einen bäum zuverfertigen. Das Tier habe sie anfallen wol-
len und bis zum Stall Mar t in Walchs verfolgt, in dem der
Verstorbene lag. Als Jakob Striger schiessen wollte, habe
sein auf ihne hundt angeschlagnes rohr immerzu versagt.
Nachdem sie das Tier schliesslich mit einem Stein hin-
khendt geworfen hatten, sprang es dessen ungeachtet
auf einen hohen strobahren und versteckte sich dort.
Jakob, der Sohn Andreas Maders, stieg mit einer Leiter
hinauf und hatte ihm mit ainer drenzen an den köpf ge-
worfen, das sy darinn stekhen bliben, darüber der hundt
mit der so im köpf stekhenden drenzen in dem thenn hin
und wider geloffen.
A u c h zu Maders Tochter sei das Tier einmal gekom-
men und habe ihr zugesehen, als sie das Laub verbrann-
te, auf dem ihr verstorbener Bruder Jos gelegen war. Da-
nach habe er sich auf dem Feld h e r u m g e w ä l z t . Dabei
schien es so, als ob der Hund einen weissen Bauch gehabt
hä t te . Deshalb e rk l ä r t e die kleine Tochter eines Nach-
barn, daß seye khain rechter hundt. Daraufhin habe die-
ser sie erschrökhlich angeleitet. Die Wangnerin aber sei
zur selben Zeit khrum befunden worden und einen arm in
der schlingen tragen miesen. Sie habe auch löcher im
angesicht gehabt und die Hilfe des Balbierers beanspru-
chen m ü s s e n .
Die 33 - j äh r ige M a r i a Büchl in , Ehef rau Leonhard
Güfels aus Ruggell, sagte unter E id aus, dass sie i m ver-
gangenen Winter unter einer schweren Krankhei t gelitten
hatte. Deshalb habe sie ihren Mann zum Doktor am Hir -
schensprung geschickt, der ihm mitteilte, dass das Übel
von einem ihr beigebrachten besen trunkh h e r r ü h r t e . Ob-
wohl sie das davor nicht vermutet hatte, sei in ihr darauf-
hin ein b ö s e r Argwohn gegen die Wangnerin entstanden.
Sie erinnerte sich, dass ihr diese Person als ihre gefalerin
ein Viertel Wein ins Kindbett gebracht und ihr immerfort
zugesprochen hatte, sy solle drinkhen. seye der beste
wein, den sy in dem keller habe. Deshalb hatte sie auch
getrunken, und zwar ohne dass die Wangnerin ebenfalls
einen Schluck davon nehmen wollte, obwohl sie anderen
Wein, den die Kindbetterin zu Hause hatte, nicht ver-
s c h m ä h t e . Die Krankhei t sei der Büchlin von ainen glid in
daß ander hin und her geschossen und hab sy in die 8 tag
nit gehen khönnen und an hend und fiesen 3 wochen lang
blateren gehabt. Ihr konnte erst geholfen werden, nach-
dem durch den Doktor am Hirschensprung und die geist-
lichen Mittel der Kapuzinerpatres eine griene abschewli-
che und rues bitere materi von ihro getriben worden war.
Der 67 - j äh r ige Hans Marxer aus Ruggell gab zu Proto-
koll , daß er schon von vilen jähren hero weder schmalzen
noch anderes wie seine andere nachbaren habe mögen.
Als vor einem Jahr etwelche haiden bei ihme über nacht
gelegen waren, e rk l ä r t e i h m eine Zigeunerin, daß. so lang
sein Stadl stehn werde, er khain glikh zuverhoffen habe.
Er m ü s s e eine Schaufel nehmen und dort, wo sie es ihm
zeige, graben. Das habe er getan und sei - nachdem er ein
wenig geschaufelt hatte - auf einen zusammen gewikhle-
ten und. aines ay grossen büschl underschidlicher har,
darunder ain beinle von einen unschuldigen khindle ge-
wesen, gestossen. Da habe die Zigeunerin gesagt, sie
m ü s s e es wieder dorthin tragen, woher es gekommen sei.
Als ihr Hans Marxer n a c h g e s p ä h t hatte (nach gelaustert),
um zu sehen, wohin sie es bringe, habe er bemerkt, wie
sie dem pfeiferischen Haus zuging, wo die Wangnerin
wohnte.
132
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Der 30- j äh r ige Ulr ich Marxer, Hansen Sohn, aus Rug-
gell gab zu Protokoll, letzten Winter seien die Schweine
der Pfeiferin auf seiner stach herumgegangen und von
der Besitzerin oder ihren Leuten trotz aller Mahnungen
nicht weggetrieben worden. Nachdem er dies selbst be-
sorgt und weiteres gegen sie unternommen hatte, seien
seine Schweine krank geworden. (Sie begannen zu aberi).
Ein Teil von ihnen sei verendet, die anderen Tiere habe er
durch angewente mitl erhalten k ö n n e n . Weiters habe er
der Wangnerin ein hienlin zu todt geworffen. Daraufhin
seien ihm innerhalb von acht Tagen vier Hennen einge-
gangen, doch glaube er nicht, dass die Wangnerin oder
die Ihren davon wussten.
A m 1 ] . Februar 1679 gab der etwa 40 - j äh r ige Rochus
Marxer aus Ruggell an, er habe eine Zeit lang mit Jakob
Hopp, dem Sohn der Wangnerin, Holz gehauen. Dabei
habe er einen Unfal l erlitten, durch den sein Bein ganz
krum worden war. Nachdem er einen Balbierer kommen
lassen hatte, fand sich auch schon bald die Wangnerin in
seinem Haus ein und schaute ihm, Rochus, ü b e r die A c h -
sel, als er verbunden wurde. Dabei sagte sie: Behiet uns
gott, wie ist das ein schaden. Als Rochus Marxer den Bal -
bierer zur brend einlud, machte sie sich strakhs wieder
fort. Er behauptete nun zwar nicht, dass ihm die Wang-
nerin die Tanne auf den Schenkel fallen habe lassen, es
erschien ihm aber doch verdäch t ig , dass sie so schnell
wusste, was ihm passiert war. Er hatte gedacht, niemand
im Dorf hä t t e von seinem Unglück auch nur das Geringste
erfahren.
Der 36- j äh r ige ( spä te re Schrift) Stachus Marxer e rk lä r -
te, vor etwa sechs Jahren habe sein Bruder Ulr ich eine
Tochter der Wangnerin namens Euphemia zu heirathen
gedacht. Auch seine Eltern waren damit einverstanden,
beederseits freindtschafften zusammen khommen [zu]
lassen. Er, Stachus. hingegen habe sich der Vereheli-
chung widersetzt und sie mit allen Mitteln zu hintertrei-
ben versucht, weilen die Hopische ein der hexerey halben
verschraites geschlecht, das seinige aber davon pur undt
rain. Deswegen sei Euphemia sogar einmal mit der Ax t
auf ihn zugetreten und habe von ihm verlangt, er solle er-
k lä ren , warum sie keine ehrlichen Leute seien. Da habe
Stachus auf ihren verbrannten Vater hingewiesen. Dar-
aufhin sei er seines Lebens nicht mehr sicher gewesen.
Sein Vater Hans Marxer und Bartie Wohlwend h ä t t e n da-
mals das Ärgste verhindert. Die Feindschaft mit den Hop-
pischen w ä h r e jedoch bis heute. Kurz nach dem Streit sei
einer seiner Kühe das halbe Euter verdorben sowie ein
Schwein, das am Vorabend noch frisch und gesund gewe-
sen war, in der Nacht verendet. U m Ruhe zu erlangen und
von so beser nachbarschafft sich zuerledigen, habe er in
der Folge sein Haus verkauft, und zwar an die Hoppi-
schen selbst. Ausgenommen vom Kauf war ein Flachs-
acker, wo das G e w ä c h s auf daß aller schenest gstanden
und aber über nacht ohne ainigens ungewiter oder
schlag=regens dermasen verderbt und verdrillet worden,
als wan die kazen oder der gleichen in selbigem umgerolt
helen, da. man doch die geringste spur nit ersehen mögen.
Daraufhin wurde Marxer zornig und ä r g e r t e sich, dass er
nicht wusste, wer den Schaden angerichtet hatte. Sein
Schwager Jakob Hopp, der j ü n g s t e Sohn der Wangnerin,
lachte ü b e r seinen Verdruss, hegte denselben Verdacht
wie er und sagte, es were da. ein dr. vonnöthen, der dise
such declarierte. Euphemia kam jedoch aus dem Haus
gelaufen und r i e f Wer hats gethan, wer hats gethan?
Bald darauf erblindete Stachus Marxer ein ansehenlicher
hengst, den er zuvor nicht um 30 Gulden verkauft hä t t e .
Jakob Hopp hatte davor e rk lä r t : Der Stachus reitet wohl
wackher herumb, aber gebe er achtung, ob er auf st.
Johanni tag auch noch also werde reiten khönnen- wel-
ches ihme freilich ohnmöglich worden, weilen daß roß auf
selbigen tag stockh blind gewesen.
A m 13. Februar 1679 gab die 49 - j äh r ige Madgalena
Mi l le r in aus Ruggell zu Protokoll, die Wangnerin sei etwa
vor zwei Jahren zu Vinzenz Öhres Schweinestall gegan-
gen und habe dort ein fehrlin besichtiget. Nachdem sie
von der Mi l le r in gefragt worden war, was sie hier mache,
antwortete sie, sy habe das fehrlin beschawt, es seye
wohl ein scheues fährlin, thüe alles an ihme vor fäthe
schlöteren. Daraufhin sei das Ferkel jedoch bald khrum
und lahm geworden, so dass es die fues auf der erden
nachschlepen miessen, und nach drei Wochen verendet.
Dabei sei kein anderer f remder Mensch ausser der Wang-
nerin in den Stall gekommen.
A m 22. Februar 1679 wurde eine weitere Zeugenein-
vernahme gegen die Wangnerin vorgenommen, die im
schellenbergischen Inquisitionsprotokoll nicht vermerkt
ist. Laut Salzburger Rechtsgutachten war der erste Zeuge
Christ ian Conrad, Hansen Sohn. Die entsprechende Ein-
tragung wurde s p ä t e r wieder durchgestrichen. Möglicher-
weise waren die Unterlagen in Unordnung geraten, denn
mit Chris t ian Conrad h ä t t e zum einzigen M a l ein Bewoh-
ner der Grafschaft Vaduz bei einer Inquisition ü b e r je-
manden aus der Herrschaft Schellenberg ausgesagt.
Die zweite Zeugin bei der Inquisition von 22. Februar
1679 ist in den schellenbergischen Unterlagen verzeich-
net. Es handelte sich dabei um die 35 - j äh r ige A n n a Büch-
l in , die Ehef rau Andreas Büche ls . Sie gab zu Protokoll: Als
sie ihrem Schwiegervater Hans Büchel, der mit ihrer
Stiefmutter, der Wangnerin, verheiratet war, gehewet,
habe sie zu seinen medlen gesagt, sie sollen ihr Bi rnen
holen. Die Wangnerin war dagegen und musste erst von
dem mann darzu gezwungen werden, so dass sie dem
Wunsch nur mit h ö c h s t e m Unwil len nachkam. A m folgen-
den Tag habe A n n a zwei oder drei Birnen auf n ü c h t e r n e n
Magen gegessen, woraufh in sie also bald einen solchen
frost in hend und fieß bekhommen, daß sy sie durch die
133
zechen und alle glider gefroren, so dass sie kaum mehr
von der Kirche heimkam. Bald darauf sei sie in Ohnmacht
gefallen und habe an Füssen und H ä n d e n helle Blasen in
der Grösse einer baumnuß bekommen. Da sy schon des
todts zusein vermainet, sei ihr durch den Doktor am
Hirschensprung geholfen worden, indem dieser eine ab-
scheuliche Materie von allerley färben von ihro getriben
habe. Er e rk lä r t e auch, sy habe g i f f t bekhommen und eine
gar schedliche stiefmueter. Dadurch sei ihr Argwohn ge-
gen die Wangnerin entstanden.
Im Anschluss an diese Aussage ist in den Inquisitions-
protokollen vermerkt: Dise aussag solle vermög beider
herrn landtammenner alß h. amman Öhrins et Schrei-
bers aigen atestation auß lauter neid und haß herrüehren
und also nullius momenti sein.
Dr. Welz schrieb i m März 1679 ü b e r die Wangnerin: Es
ist diese nicht eines haares wehrt besser alß ihr mann
und kinder, welche das gifl zweifeis frej von der mutler
gesogen und denselben ihr an leib und seel dringendes
unglückh zu danckhen und zu zu schreiben haben. Zur
Folterung dieses weibs hä t t e es seiner Meinung nach
nicht den halben Teil der Indizien erfordert. (Laut Dr.
Mosers Urteil im Salzburger Rechtsgutachten konnte die
Wangnerin aufgrund der Unterlagen ratione veneficii nit
gravirt, also der Hexerei nicht bezichtigt, werden.)
Im Inquisitionsprotokoll steht von s p ä t e r e r Hand ver-
merkt: Mortua est morte nalurali et ita evasit manus car-
nificis. Das heisst: Sie verstarb eines n a t ü r l i c h e n Todes
und entkam dadurch der Hand des Scharfrichters. Ver-
mutlich verstarb sie noch vor einer geplanten Verhaftung.
DIE IM J A H R E 1680 HINGERICHTETEN
PERSONEN AUS DER HERRSCHAFT
SCHELLENBERG
M A R I A W A L S E R I N A U S M A U R E N ,
E H E F R A U H A N S E N D E R L I N S UND
S C H W E S T E R H A N S W A L S E R S ,
K N E C H T DES W A I B E L S
(SRg, fol. 5b-18b; S tAAug 2968, fol. 5a-6b; V L A ,
HoA 76,17 Liste von 1682, S. 1 f. u. 10; Welz 2, S. 6 f.;
Welz 3, S. 33-35)
Marias Mutter war wohl schon vor 1678 als Hexe h in-
gerichtet worden. In vorigem proceß folgten deren Schwe-
ster und die Stiefmutter der Walserin im rauch nach.
Auch ein Bruder Marias wurde damals hingerichtet.
(Einem zweiten Bruder, Knecht des Eschner Waibels,
wider fuhr 1680 dasselbe Schicksal.) Die Walserin selbst
w ä r e in vorigem proceß ebenfalls verbrannt worden,
wenn sie sich nicht fü r schwanger ausgegeben hä t t e ; be-
vor ihr Schwindel aufkam, war der Prozess aber einge-
stelt worden.
Über M a r i a Walserin wurde am 16. November 1 6 7 5 5 9 9 i n -
quiriert. Dabei bezeugte Jakob Hasler als ihr negster
nachbaür, dass er mit ihr wegen des grossen Schadens,
den ihre Hennen angerichtet h ä t t e n , in einen Streit gera-
ten sei. Dabei habe ihm die Walser in gedroht, daß sy sol-
ches ihnen schon widerumb wolle entgelten lassen, wel-
ches er auch wohl erfahren, weilen ihme dieseIbige nacht
ein ... schwein zugrundl gangen seye.
Als der Walserin einmal ein Rind eingegangen war,
habe Kathar ina Schmidl in ihr g e g e n ü b e r Mit le id bezeugt.
Darauf habe erstere mehr tibi als wohl reagiert, indem sie
sagte, sie solle sich ihretwegen nit bekhummeren-, sie
m ö g e vielmehr auf ihr aigen vich achthaben. Bald danach
sei der Schmidl in ein scheues rind verrekht.
Kathar ina Schmidl in bes tä t ig te die geschilderten Vor-
g ä n g e unter E id und e r g ä n z t e die Aussage durch den Be-
fund des Metzgers Jakob Hasler bei der Untersuchung des
Tierkadavers. Das verendete Rind sei am Rücken ganz
schwarz und blau gewesen. Es habe nicht anders ausge-
sehen, als wan man darauf wie in einen sessel geriten
were. Weder vom hinteren Leib noch von den ganz lah-
men Beinen noch von den Eingeweiden konnte etwas ver-
wendet werden. Nur die Vorder läufe waren brauchbar.
Als n ä c h s t e s sagte Hans Kiber aus, er habe einst einen
Rechtsstreit mit dem M a n n der Walser in gewonnen. Das
habe diese so weith im Verdruß angetriben, dass sie ihm
drohte, sy welle es ime schon eintrenkhen. Und bereits
am folgenden Tag gab seine Kuh nur ganz gestockte
Mi l ch . A m dritten Tag verendete ihm ein Stier. Der K u h
134
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
konnte mit geweihten Sachen von den Kapuzinern gehol-
fen werden.
A m 19. August 1676 wurden neuerlich Aussagen ü b e r
die Walserin protokolliert. Damals bes tä t ig te der 49 - j äh r i -
ge Metzgermeister Jakob Hasler, was Kathar ina Schmid-
lin ü b e r ihr verendetes Tier ausgesagt hatte, und füg te
dem noch hinzu, in den letzten Jahren habe ihm die
Walserin, wenn er ihr nicht nach Wunsch zur Hand ge-
gangen sei, gleich ain unglükh zugefiegl. Die Folge davon
war, dass er neun ganze Jahre hindurch khein heubtlin
[Stück] vich khönnen darvon bringen. Der Schaden, deßen
ursach er allain iro und ihren thails verbrendten vor: und
eitern zuschreibe, belaufe sich auf ü b e r 600 Gulden. In
letzter Zeit zeige sie jedoch keinerlei Wide rwär t i gke i t ihm
gegenüber , und er k ö n n e auch nix gewises von ihrer he-
xereg sagen, allein suspiciere er auf sye, wegen all zu
grossen wider sy ergangenen geschray.
Kathar ina Schmidl in sagte am 19. August 1676 aber-
mals gegen die Walserin aus. Als sie vor zwölf Jahren im
Kindbett gelegen sei, habe sie gleich ahnfangs die Walse-
rin besucht und ihr eine Suppe gekocht, von der sie sofort
einen solchen hefftigen grosen husten und haysere be-
khommen, daß es sye über daß herz übel getrukht und
aufgebleet, also daß sy es noch zu zeilhen empfinde und
vermaine, sy miesse zerspringen.
In seinen Gutachten von 1679 und 1680 e rk l ä r t e Dr. Welz,
dass die Walserin, die er unter anderem als Ungeziefer
bezeichnete, gefangen und gefoltert werden k ö n n e .
Sie wurde am 15. Jul i 1680 verhaftet und vom Gericht
zuerst gütl ich, dann peinlich examiniert. Dabei gestand
sie die Hexerei und gab etliche Kompl izen an. E in Wider-
r u f n ü t z t e ihr nichts, denn sie wurde durch das Spanische
Fusswasser abermals zum G e s t ä n d n i s gezwungen. Aus
dem Rechtsgutachten geht hervor, dass sie bekennen
musste, den Teufelspakt mit ihrem eigenen Blut unter-
zeichnet und sich zum Ausfahren eines Steckens sowie
einer Salbe bedient zu haben, die ihr der Teufel gegeben
hä t te . Weiters habe sie verschiedenen Leuten durch zau-
berey die frücht verdarbt.
Laut Prozessopferliste von 1682 wurde M a r i a Walser in
1680 hingerichtet.
H A N S W A L S E R , K N E C H T DES W A I B E L S ,
A U S E S C H E N , B R U D E R DER M A R I A W A L S E R I N A U S
M A U R E N , DER E H E F R A U H A N S E N D E R L I N S 6 0 0
(SRg, fol. 19b-22b; S tAAug 2968, fol. 8a+b; V L A ,
HoA 76,17 Liste von 1682, S. 2 u. 10 ; 6 0 1 Welz 2, S. 8 f.;
Welz 3, S. 35 f.)
Walsers Mutter und deren Schwester sowie sein eigener
Bruder waren verbrannt worden. 1680 wurde auch seine
Schwester M a r i a hingerichtet.
Ü b e r Hans Walser wurde am 13. September 1675 inqui-
riert. Der 30 - j äh r ige Ferdinand Marxer sagte dabei aus,
dass Walser vor u n g e f ä h r acht Wochen seinem etwa zwei-
j ä h r i g e n Kind , welches zuvor ganz gesundt war, auch
schon etwas gehen und reden khönnen, ein Stück von
dem Brot, das er im Hosensack hatte, abgeschnitten und
zu essen gegeben habe. Zehn Tage s p ä t e r sei das Kind mit
grosem schmerzen angefallen, auch an hend und fuessen
ganz lamm worden. Durch den Gebrauch von geistlichen
Mitteln habe sich sein Zustand so gebessert, dass es die
rechte Hand wieder leicht bewegen konnte. Marxer fügte
seiner Aussage noch hinzu, es haben die jenige, so darbey
gewesen, gegen ihme Marxern geandet, daß er solches
niht hete sollen geschechen lassen, weilen er [Walser] in
sehr üblen rueff und so gar mit seinen angesicht nicht vil
guetes von sich ausdeutet.
A m 8. Februar 1679 bezeugte der Gerichtsmann Hans
Öhre , dass das Kind bis heute noch an der rechten Hand
lahm sei und keine Hilfe etwas n ü t z e .
Ein dritter Zeuge, Baptist Hasler, ist nur undatiert in
einem Auszug aus den Kriminalprotokol len verzeichnet.
Er bezichtigte Walser, die Krankhei t eines Rosses verur-
sacht zu haben.
Dr. Welz sprach sich im März 1679 fü r eine Gefangennah-
me Walsers samt anschliessender Folterung aus. Im Ge-
gensatz dazu meinte der Rechtsgutachter im Juni 1680,
dass sich der Richter vor einer Verhaftung um weitere In-
dizien b e m ü h e n m ü s s e .
A m 19. Jul i 1680 wurde Walser vom Vaduzer Gericht
examiniert. Da er nichts f re iwi l l ig einbekannte, wurde er
zwei Stunden lang in das Spanische Fusswasser gesetzt.
Daraufhin gestand er, einen Teufelsbund mit dem eigenen
Blut unterzeichnet zu haben; auf einem Stecken, den er
599) Zur Datierung vgl. S. 8.
600) Diese genealogische Zuordnung stützt sich auf die in den Inqui-
sitionsprotokollen einleitend angeführ ten Angaben über die Ver-
wandtschaft.
601) In der Delinquentenliste von 1682 wird auf S. 2 der Wohnort
Eschen, auf S. 10 wohl versehentlich Mauren angegeben.
135
mit einer Salbe einzuschmieren hatte, zu Hexensabbaten
gefahren zu sein; Matthias Marxer einen Stier verzaubert
und andere Leute durch die Erzeugung von Hagelwetter
geschäd ig t zu haben.
Hans Walser wurde laut Prozessopferliste von 1682
hingerichtet.
SILVESTER HOPP AUS R U G G E L L ,
SOHN H A N S HOPPS, G E N A N N T P F E I F E R ,
UND DER K A T H A R I N A W A N G N E R I N
(SRg, fol. 22b-35b; S tAAug 2968, fol . 9 a - l l b ;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 2 f. u. 10; Welz 2,
S. 9-13; Welz 3, S. 21-24)
Silvester Hopp - von schlechten eiteren gebohren - wurde
von vielen Leuten der Zauberei diffamiert und war von
gefangenen Hexenpersonen denunziert worden. 1669
hatte man seinen Vater Hans Hopp, genannt der Pfeifer,
sowie seine Grossmutter Kathar ina Büchl in als Gif tmi-
scher hingerichtet. Ausserdem standen seine Geschwister
und die Mutter Kathar ina Wangnerin in offenem r u e f f , nit
sicher, wan man nach ihro greifen werde.
Über Silvester Hopp wurde am 13. September 1675 inqui-
riert. Der 33- j äh r ige A d a m Marxer, Peters Sohn, gab
dabei zu Protokoll, vor etwa sieben Jahren, kurz nachdem
der alte Pfeifer hingerichtet worden war, habe er bei des-
sen Familie gemetzget. Deren Mitglieder seien dabei sehr
lustig gewesen, w o r ü b e r sich Marxer wunderte. Als er das
Fleisch einsalzen wollte, sei Silvester Hopp vulgo der
Pfeifer mit einer Kanne Wein zu ihm gekommen. Marxer
hielt nur ungern mit und bekam dann zu Hause solche
Schmerzen, dass er sich gleich ins Bett legen und Theriak
zur austreibung diser materi einnehmen musste. Da-
durch und durch Bettruhe sei sein Zustand bald besser
geworden.
Marxer bes tä t ig te diese Aussage am 20. Februar 1679
und fügte noch hinzu, dass er die Schmerzen vor kurzer
Zeit wieder empfunden hatte. Er konnte eine Weile nichts
mehr essen, empfand ober dem Herzen grosse Schmer-
zen, wurde am Leib sehr geschwollen, musste sich nie-
derlegen und nahm immer zue Theriak ein. Dadurch habe
er eine solche ganz griene abscheulich und zeche materi
von sich gebracht, daß man sye hete aufhaspeln khönnen.
Trotzdem sei er nicht mehr ganz gesund geworden, bis er
die Mittel des Doktors am Hirschensprung anwandte. Sei-
ne Frau hatte sich näml ich zuo dem bey dem Hirschen-
sprung sich aufladenden dr. [begeben], umb gedeyliche
mitl zueholen. Der Doktor habe zu ihr gesagt: Weib, ihr
habt eweren mann noch nit lang, so aber ihr selbigen len-
ger begehret, miesl ihr beschleinigist die ihme von mir
verordnete medicinalia applicieren, dan er sich noch
wohl einzubilden wissen wirdt, wo er bei einer mezgete
das ienige bekhommen.
Der zweite Zeuge bei der Inquisition am 13. September
1675 war der 60 - j äh r ige A d a m Marxer. Er berichtete fol-
gendes: Die junge barsch, unter der sich auch zwei seiner
S ö h n e befanden, hatten Hopp gevobt und ainen kizen
wager tituliert, wei l er ein verendetes Kitz zum Vergra-
ben weggetragen hatte. D a r ü b e r ä r g e r t e sich Hopp und
e rk lä r t e , wenn einem oder dem anderen eine Kuh oder
ein Pferd umfalle, so wolle er auch darüber lachen. Schon
am n ä c h s t e n Morgen sei ihm, A d a m Marxer, ein scheues
roß erkhrankhet und ganz wietig hin: und wider geloffen,
bis [es] entlich negst seinem stadel, da es ein eter durch
brochen. verrekhter gefunden worden. Diesen Unfal l füh r -
te Marxer auf Hopps Ä u s s e r u n g e n zurück .
A m 19. August 1676 bes tä t ig te Georg Marxer die obi-
gen Aussagen seines Vaters unter E id .
Der dritte Zeuge im September 1675 war Jakob
F ö h r aus Ruggell. Hopp hatte ihm verboten, ü b e r seinen
Grund zu fahren. Da sich F ö h r jedoch um dieses Verbot
nicht g e k ü m m e r t hatte, sei er bald erkrankt und habe
deshalb den Hopp in Verdacht gehabt. Als der Doktor am
Hirschensprung seine Hand ansah, habe er gesagt, es
w ä r e besser gewesen, wenn er das H o l z f ü h r e n hä t t e blei-
ben lassen.
Der vierte Zeuge, Andreas Mi l le r aus Gampr in , e rk lä r -
te, er sei mit der Famil ie Hopps in Streit geraten, wei l er
eine Schuld wegen bestimmter Fuhren schon bezahlt
hatte, Silvester Hopp diese jedoch abermals forderte. Dar-
aufhin hä t t en ihm Hopp und seine Mutter Kathar ina
Wangnerin in Gegenwart M i c h l Butschers(l) und Georg
Walchs gedroht: Wür wollen es dier schon eintrenkhen.
Drei Tage danach sei ihm ein s c h ö n e s Ross verendet.
M i c h l Butscher bes tä t ig te diese Aussage. Georg Walch,
ein unmittelbarer Nachbar Hopps - der selbst vil unglukh
ausgestanden hatte, ohne dass er jemanden ve rdäch t igen
wollte - gab zu Protokoll, er habe sich entfernt, bevor die
Drohung ausgestossen worden sei.
A m 13. Februar 1679 e rk l ä r t e Magdalena Mi l le r in , die
Ehefrau Georg Walchs, ihr Mann sei im März 1678 nach
Schaan in des Kunden haus zu nähen gangen und 3 stund
in die nacht nicht nach haus khommen. Deshalb habe sie
mit ihren Kindern 2 rosenkhrenz gebetet, in hofnung, er
wurde sich inzwischen einfinden. Da dies jedoch nicht ge-
schehen war, begab sie sich zu Bett. K a u m hatte sie sich
niedergelegt, da seyen ihro die meis zur fuesen khommen,
welche sye zwar mit dem rechten fues abtreiben wellen,
aber solches nicht allein nit khönnen zu wegen bringen,
sonder über das sehen miessen, daß sye die meiß ihro zu
dem köpf khommen, darüber sye für die ermste seel im
fegfeür ein mes versprochen, nach welchem versprechen
die meis wie die kazen zue boden gefallen und hinweg ge-
lofen. Der Schenkel, mit dem sie die M ä u s e vertreiben
136
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
wollen hatte, habe jedoch stark geschmerzt und eine
grosse Geschwulst bekommen. Obwohl die verwendeten
geistlichen Mittel die Schmerzen etwas stillten, konnte sie
drei ganze Wochen lang nicht mehr gehen. Sie habe des-
halb den brunnen (Urin) zum Doktor nach Weiler gesandt.
Dieser habe ihr schliesslich zur Genesung verholten, aber
ausdrück l ich erklär t , es khomme der zustande von besen
leüthen hero. Da sie sonst keiner Person mit schlechtem
Ruf begegnet sei, ve rdäch t ig te sie als Urheber ihres Lei-
dens den verschrienen Hopp, den sie vier Tage davor als
ainen khrankhen nachbarlich besucht hatte
In der Einleitung zu seinen A u s f ü h r u n g e n ü b e r Hopp
schrieb Dr. Welz im März 1679, dass dieser billich vor
einen der gröslen hexenmeister und teüfelsgesellen unter
den begutachteten Personen in der Grafschaft Vaduz und
in der Herrschaft Schellenberg gelten könne . Bei der Zahl
der Z a u b e r e i v o r w ü r f e gegen ihn sei er nur mit den Brü-
dern Michael und Kaspar Beck und dem Burgvogt Hans
Rusch zu vergleichen. Die Aussage der Magdalena Mi l l e -
r in übe r die M ä u s e wollte Dr. Welz dennoch nicht auf
Hopp beziehen. Im Gutachten von 1680 stellte er ü b e r
Silvester Hopp fest: Den rühm eines erz=zauberers hat er
schon bey jedermann. Auch damals b e f ü r w o r t e t e Dr. Welz
ein scharfes Vorgehen gegen ihn.
Bevor Hopp im Jul i 1680 gefangengenommen worden
war, soll er versucht haben, aus der Herrschaft Schellen-
berg zu fliehen. Da er die Hexerei nicht f re iwi l l ig gestand,
wurde er eine halbe Stunde lang mit dem Spanischen
Fusswasser behandelt. Hopp bekannte daraufhin , dass er
dem Teufel aus einer masen in der hand das Blut fü r die
Verschreibung gegeben habe und mittels eines Besens so-
wie einer Salbe ausgefahren sei. Er soll Unwetter erzeugt
und mit roten Beerlein, die er vom Satan erhalten hä t t e ,
ein Pferd Enderle Büchels sowie ein rotes Schwein Georg
Walchs zugrunde gerichtet haben. Hopp bekannte wei-
ters, dass er dem studer A d a m Marxer vor etwa vier
Jahren ein gelbes roß durch Zauberei getöte t habe. Die
bereits denunzierten Personen widerr ief Hopp s p ä t e r
wieder.
Silvester Hopp wurde laut Prozessopferliste von 1682
hingerichtet.
A N T O N HOPP A U S R U G G E L L ,
SOHN H A N S HOPPS, G E N A N N T PFEIFER,
UND DER K A T H A R I N A W A N G N E R I N ;
E H E M A N N DER A N N A B R E N D L I N
(SRg, fol. 41a-47b; S tAAug 2968, fol. 19b-20b; V L A ,
HoA 76,17 Liste von 1682, S. 3 u. 10; Welz 2, S. 16 f.)
Anton Hopp hatte denselben Ruf wie seine Mutter Katha-
r ina Wangnerin.
Bei der Inquisition am 19. August 1676 e rk lä r t e die Ehe-
f rau Georg Walchs aus Ruggell, die 40 - j äh r ige Madgalena
Mi l l e r in , vor etwa drei Wochen habe ihr kleines K i n d in
ihrer Abwesenheit ein hienle Hopps zu todt geschlagen,
w o r ü b e r sich der Besitzer bei ihr hefftig bekhlagt. Obwohl
die Mi l l e r in eine Bezahlung angeboten habe, e rk l ä r t e A n -
ton Hopp, er wolle des hienlins schon wider einkhommen,
oder der teifel miese es dan thuen. Eine Stunde s p ä t e r sei
das arme kindt mit dem Kopf nach unten in einem Was-
sergraben zwischen zwei Steinen gesteckt, so dass es sich
nicht wenden konnte. Hopp habe das gesehen, dem Kle i -
nen aber nicht geholfen, sondern nur gelacht und gesagt,
daß kindt khönne dapfer baden. Als ihn die Mutter zur
Rede stellte, w a r u m er dem K i n d , das bald ertrunken
w ä r e , nicht geholfen habe, reagierte Hopp ähn l i ch .
Diese Aussage bekrä f t ig t e die Mi l l e r in am 11. Februar
1679 noch einmal unter E id .
A m selben Tag bezeugte Stachus Marxer gegen Anton
Hopp denselben Hexereiverdacht wie gegen dessen Bru-
der Silvester.
Dr. Welz schrieb im Gutachten vom März 1679: Es wirdt
auch dieser der mutter und dem bruder nach zu folgen
haben.
A m 17. August 1680 wurde erneut ü b e r Hopp inquiriert.
Dabei e rk l ä r t e die 32 Jahre alte Regina Maie r in aus Rug-
gell unter E id , dass sie und zwei andere N ä h e r i n n e n am
19. J ä n n e r bei ihm auf der stör gewesen waren. A m
Abend holte ihnen Anton Hopp selbst nacheinander zwei
Mass Wein aus dem Keller, die auch getrunken wurden.
Spä t e r im Bett habe die N ä h e r i n Agatha Eberl in er-
schröckhlich gebrochen. Regina Maier in wurde eine Stun-
de darauf von einem solchen Frost befallen, dass sie
meinte, erfrieren zu m ü s s e n . Die ganze Bettstatt habe un-
ter ihr gezittert. Sie habe von selbiger stund ahn khein
ainige gesundt stundt nit mehr gehabt. Die dritte N ä h e -
r in , die nur von der ersten Mass Wein getrunken hatte,
erlitt keinen Schaden.
Die Maie r in begab sich in der Folge zu Meister Roni
Oberholzer, dem F r e i m a n n 6 0 2 (Scharfrichter) unter dem
Kapf zu Feldkirch, um bei ihm Rat zu holen. Der Scharf-
richter bes tä t ig te ihr zwar, dass sie die Krankheit im Haus
Anton Hopps bekommen habe; die Mittel , die sie von ihm
erhalten hatte, zeigten jedoch nicht die e r w ü n s c h t e Wir -
kung. Daraufhin wandte sich die Maie r in an Doktor
Rusch von Appenzel l . Von ihm erhielt sie ausser Medika-
menten geweihte Sachen, die gut wirkten, indem sie eine
Materie, die theils fliegen, thails gelben nestel glimpfen603
602) Vgl, dazu Scheffknecht, Scharfrichter, S. 146. 150 u. 156 f.
603) Blechbesätze an den Enden von Schuhschnüren : Vorarl-
bergisches Wörterbuch, Bd. 1. Sp. 1200.
137
glicht'.] gesechen, under und über sich getriben. Die von
Rusch erhaltenen Kräuter , mit denen sie sich b e r ä u c h e r n
sollte, verschlimmerten jedoch die Geschwüls t e nur noch.
Rusch e rk lä r t e g e g e n ü b e r der Maier in , dass er schon lang
Arz t sei, dennoch habe er dergleichen zustandt nit gese-
hen, sie habe ein recht böses malefiz bey ihr, so ihr von
bösen leüten seye beygebracht worden.
Die Frage, ob sie f r ü h e r immer frisch und gesund ge-
wesen sei, bejahte die Maier in . Sie e r zäh l e das alles auch
nicht aus Mass oder Neid. Obwohl sie wisse, dass ihr Zu-
stand von Anton Hopp h e r r ü h r e , hab sie es ihme doch
alles verzihen, auf ihre aussag aber wolle sie sterben und
leben, daß es eine pure warheit seye.
A m 20. August 1680 e rk l ä r t e Agatha Eberl in unter
E id , Hopp habe die Maier in gezwungen, von dem Wein
zu tr inken. Es sei auch wahr, dass diese eine(!) sollihe
starckhe frost befallen habe, dass deswegen sogar das
Bett zitterte. Sie glaubte ebenfalls, dass dieser Zustand
vom Wein h e r r ü h r t e .
Nach seiner Verhaftung ü b e r s t a n d Anton Hopp am
22. August 1680 eine Folterung, ohne dass er zu einem
G e s t ä n d n i s gezwungen werden konnte. Bei der zweiten
Tortur vier Tage s p ä t e r e rk l ä r t e Hopp nach der Behand-
lung mit dem Spanischen Fusswasser, sich vor zwei Jah-
ren dem Teufel ergeben zu haben. Dabei habe er sich ihm
mit Blut aus dem Mund verschr ieben, 6 0 4 Gott und alle Hei-
ligen verleugnet sowie rem veneream (Geschlechtsver-
kehr) mit ihm getrieben. Er sei mittels Salbe und Stecken
auf die H e x e n t ä n z e und -Versammlungen gefahren und
habe Gewitter sowie Hagel erzeugt, dabei aber keinen
anderen Leuten Schaden zugefügt , sondern nur eigenes
Vieh verdorben. Dazu habe er sich selbst etwas vom Leib
geschabt, denn der Teufel h ä t t e ihm erklär t , dass sein
Körpe r vergifft seye, soll es nur glauben, seye auch also
bey andern, so sich mit dem sathan vermischen, zu
finden.
Spä te r musste er auch Schadenzauber an bestimmten
Mitmenschen gestehen. Anscheinend lag dem Gericht ein
Schr i f t s tück vor. auf dem die Verschreibung an den Teufel
verzeichnet war. Anton Hopp wurde jedenfalls gezwun-
gen zu gestehen, der Teufel habe ihm die handtschrifft in
Gestalt einer Katze im Gefängn i s wider ... zuegestelll.
Ausserdem musste er etliche vermeintliche Kompl izen
angeben. E r e rk lä r t e weiters, er habe der Eber l in nicht
geschadet, sondern nur der Maier in . Dieser habe er ex in-
stinctu diaboli etwas in den Wein geschahen.
Laut Prozessopferliste von 1682 wurde Anton Hopp
hingerichtet.
K A T H A R I N A HOPPIN A U S R U G G E L L ,
TOCHTER H A N S HOPPS, G E N A N N T PFEIFER,
U N D DER K A T H A R I N A W A N G N E R I N ;
E H E F R A U GEORG B R E N D L I N S A M SCHÖNENBÜCHL
( E S C H N E R B E R G ) 6 0 5
(SRg, fol . 47b-51b; S tAAug 2968, fol . 21a-23a;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 3 u. 10; Welz 2,
S. 17 f.; Welz 3, S. 31-33)
Der 36 - j äh r ige Hans Brendl in sagte am 13. Februar 1679
unter Eid aus, seine Schwester A n n a habe vor vier Jahren
Anton Hopp wider sein wissen und willen geheiratet und
also verursachet, daß er mit ihme Antonio Hopp in un-
einigkheit gerathen. Als er am Morgen nach der Hochzeit
beim Brunnen seines Bruders Georg Wasser holte, habe
dessen Ehefrau Kathar ina Hoppin - eine Schwester Anton
Hopps - zu ihm gesagt: Hole mehr wasser da, ich will
diers dan schon machen, warte nuhr. E r habe geantwor-
tet: Du khanst mir nit zue oder schaden, du seiest dan ein
hex, bedunkht mich also, du seiest willens mich zuver-
hexen, wan du aber ein redliche töchter bist, so wirdest
du solches nit leiden. Da rau fhabe sie nichts mehr gesagt,
d a f ü r hatte Hans Brendl in drei Monate s p ä t e r bei einer
gar scheuen khue ein totes Kalb . Ausserdem sah es aus,
als ob auch die K u h bald eingehe. D a r ü b e r habe die Hop-
pin gelacht und gesagt: Es thuet ihms genueg, hei er mir
nit also gethan. so were ihme dises nit begegnet.
Hans Brendl in e rk l ä r t e weiters, er habe letztes Jahr
bei der Hoppin gearbeitet. K a u m hatte er dort etwas ge-
gessen und getrunken, habe er Schmerzen empfunden
und eine schwere Krankhei t bekommen, gegen die er
oster tauf undt malefizwasser gebraucht. Als Folge davon
seien ihm durch den Mund unter anderem W ü r m e r he-
rausgekommen, die eine halbe Elle lang gewesen w ä r e n ,
zwei Köpfe gehabt und sich auf der Erde über sich geho-
ben h ä t t en . Weiters habe er eine grien gelbe spötliche ma-
teri erbrochen, welche wie ain kroten krös [Krötenein-
geweide] aneinander gehangen und. auf der erden gezi-
tert habe.
Vor einem Jahr habe er ü b r i g e n s zu Schenenbüchl
nahe beim Haus der Hoppin gefuetert und. sye von seiner
magl milch begehrt, mit vorwandt, sy habe ein junges
khind und khain milch darzue. Als er und seine Magd
ihrem Wunsch nachkamen, sagte die Hoppin zu ihm: Wie
ist daß ein scheues kalb, wie ist daß ain sauber kalb, das
ist wohl ein sehen kalb. Und genau das Tier, das sie ge-
meint hatte, habe alsobald nicht mehr stehen k ö n n e n und
sei im köpf ganz doli worden, a u s g e d ö r r t und verendet.
Diese Aussagen bes tä t ig te Hans Brendl in am 15. Ma i
1680.
Einige Monate vorher, bei einer Inquisition am 13. Fe-
bruar 1680, e rk l ä r t e die 33 - j äh r ige A n n a Hebin, die Ehe-
frau Stachus Marxers aus Ruggell, als sie und die verstor-
138
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
bene Kathar ina Mi l l e r in etwa 12 oder 13 Jahre alt gewe-
sen seien, habe die etwa gleichaltrige Hoppin e rzähl t ,
dass Ull i Göldi. der Knecht ihres verbrannten Vaters, alle
zeit bei ihro gelegen und mit ihro Unzucht getriben habe,
und zwar ohne Rücks ich t darauf, dass ihro beede brieder
und beede Schwester bei ihro in dem beth gelegen seien,
von denen niemand etwas merkte. Und dises seye alle
zeith geschechen. Das klagte Kathar ina e inmal ihrer
Schwester Euphemia, die entgegnete, er habe es auch
also mit ihro gemacht. Euphemia fragte ihre Schwester,
ob er dann auch mit ihro unzucht getriben habe, da. sy
doch der mainung gewesen, er mache es nuhr mit ihro
also, und dises zwar nach allgemainem brauch. Ausser-
dem habe Kathar ina Hoppin einmal behauptet, sie sei auf
den büchl gegangen, hä t t e eine Maus gemolken und dabei
auch rehte guete milch von ihr bekhommen.
Die n ä c h s t e Zeugin war die 28 - j äh r ige Ursula Nesche-
rin. Die Hoppin, ihre negste nachbeürin, habe vor zwei
Jahren unbegerter Weise durch ihr Töchte r le in in ainem
kraten [Korb] kriese geschikht. Das Kind sagte: Da
schikht dier die mueter kriese. Die Nescherin e rk lä r t e
jedoch, sie hete deren nit vonnöthen, dan sy selbst gnueg
kriese habe. Das M ä d c h e n antwortete: Ey behalis nur,
darfst nix darfür geben, die mueter hat mir befohlen, du
sollest nur essen, es seien gar scheue kriese. Dieser Auf-
forderung sei die Nescherin dann nachgekommen. Gleich
darauf habe sie jedoch acht Tage lang Schmerzen gehabt,
dass sie weder arbeiten noch sonst etwas zu tun ver-
mochte, ia kheinen arm auflupfen khönnen. Als sie sich
schliesslich erbrach (endtlich hab es einen bruch gewun-
nen), sei ein erschrökhlich abschewliche materj, so grien
und ganz zech gewesen, von ihr getrieben worden. Dar-
aufhin sei es ihr besser gegangen. Sie habe a.lzeith etwas
argwohns g e g e n ü b e r der Hoppin gehegt, weiln man ihren
vater verbrendt habe.
A m 22. Februar 1679 sagte Sebastian F ö h r aus, in let-
sterem malefiz proceß sei der s p ä t e r verbrannte Michael
Hilbi genau an dem Sonntag, an dem er gefangen werden
sollte, zu Kathar ina Hoppin gekommen, wo sich auch
Föhr befunden hatte. Hi lb i beklagte sich damals, daß man
die hexen fange, vermeldent: Wie ist daß ein armes ding,
wie miesen wür unser leben anfangen, ich wais nit, wo
aus noch ahn. Daraufhin unterhielt sich die Hoppin ganz
still mit Michael Hi lb i weiter, ohne dass Föhr verstehen
konnte, was sie sprachen. Als F ö h r jedoch nachher mit
Georg Brendlin, dem Ehemann der Hoppin , auf das ban-
ried ging, Streu zu machen, habe dieser zu ihm gesagt,
wan man sein fraw (inquisitam) fangen wolle, solle er zue
dem vater sagen, man solle ihm die thüer nit einbrechen,
dan er wolle solche selbsten eröffnen.
Dr. Welz fand es schon im März 1679 fü r angebracht, die
Hoppin gefangenzunehmen und zu foltern. Auch 1680
meinte Welz, dass die ihrer zauberey halben vorhandene
indicia schwerlich einen andern effect alß den holzstoß
produciren werden.
Laut Salzburger Rechtsgutachten wurde die Hoppin
am 16. August 1680 vor Gericht examiniert. Drei Tage
s p ä t e r zwang man sie auf der Folter zum übl ichen He-
x e r e i g e s t ä n d n i s mit Angabe von Kompl izen und richtete
sie in der Folge hin.
E U P H E M I A HOPPIN A U S R U G G E L L ,
T O C H T E R H A N S HOPPS, G E N A N N T PFEIFER,
UND DER K A T H A R I N A W A N G N E R I N
(SRg, fol . 51b-58a; S tAAug 2968, fol . 24a; V L A ,
HoA 76,17 Liste von 1682, S. 3 u. 10; Welz 2, S. 18 f.;
Welz 3, S. 18-21)
A m 20. August 1676 sagte der 37 - j äh r ige Fidelis Straub
aus Gampr in unter Eid aus, Euphemia habe ihm einmal
Bi rnen gegeben, vor denen ihm gegrauset, so dass er nur
eine halbe davon ass. Daraufhin sei er noch am selben
Abend erkrankt und habe am dritten Tag am ganzen leib
underschidliche blateren bekhommen. E r wisse nicht, ob
das von dein gefasten grausen oder dem zuvor bei nächt-
licher zeith empfangnem kalten l u f f l herkhomme.
Euphemia wurde auch durch die Angaben Stachus
Marxers und seiner Ehefrau A n n a Hebin belastet, die bei
Kathar ina Wangnerin und Kathar ina Hoppin a n g e f ü h r t
sind.
Bei den erhaltenen Inquisitionsakten fehlen einige
weitere Aussagen, die auf einschichtige Blät ter notiert
waren. Laut Salzburger Rechtsgutachten soll Meister
Ulr ich Büchel aus Ruggell zu Protokoll gegeben haben, er
habe einmal Heu vom Vogt (Vormund) der Kinder Euphe-
mias gekauft und damit seine Kühe gefü t te r t . Daraufhin
h ä t t e n sie an der milch abgenommen. E r kenne zwar den
Grund d a f ü r nicht, ve rdäch t i ge jedoch Euphemia, weil sie
damals beim Kauf zugegen gewesen war.
A d a m Marxer, Georgs Sohn, hatte vom Vogt der K i n -
der Euphemias zwei Kühe an daß fuetter genommen.
Dass diese anfangs nit so gute milch hetten geben, alß wie
seine andere küe, konnte er sich nicht anders e rk l ä r en als
durch einen Verdacht auf Euphemia. A d a m Marxer, Pe-
ters Sohn, bes tä t ig te in der Folge die Aussagen seines
Namensvetters.
Jakob Heb aus Ruggell e rk l ä r t e , seine Frau habe sich
auf Euphemias Hochzeit eine Krankhei t geholt. Als die
Verdäch t ig te davon erfuhr, habe sie Hebs Frau zu dem
teüffel gewisen. der ihr helffen solle, worüber daß weib
604) SRg, fol. 44b.
605) Weiler am Eschnerberg: LNb Eschen, S. 42 f.
139
auch genesen sei. Eine Drohung Euphemias gegen Heb,
die mit einer offlmahligen berührung deß armes verbun-
den war, soll sich ebenfalls erfül l t haben. Ausserdem hät -
te sie ihm g e g e n ü b e r selbst erklär t , er seye noch nicht gar
entronnen, wenn der rechte brocken außen were. Weiters
wurde noch ein aberglauben mit einem Holderbaum
a n g e f ü h r t , der den Verdacht g e g e n ü b e r Euphemia bes t ä -
tigte.
Laut Gutachten vom März 1679 sollte die Hoppin trotz ih-
rer Hexenverwandtschaft und aller vorgebrachter Indizi-
en nicht gefoltert werden. Im Juni 1680 sprach sich Dr.
Welz fü r eine Gefangennahme und Folterung aus.
A m 10. Jul i 1680 wurde Euphemia inhaftiert und ratione
veneficii examinirt. Da sie gütl ich nichts gestehen wollte,
wurde sie zwei Tage s p ä t e r an die folter geschlagen, wo-
bei sie zwei oder drithalb stund [anderthalb oder zweiein-
halb Stunden lang] im fueßwasser gesessen sein soll. Sie
bekannte, den Pakt mit dem Teufel mit ihrem eigenen Blut
unterzeichnet zu haben, eine Buhlschaft mit i h m einge-
gangen zu sein, H e x e n t ä n z e besucht zu haben, mit
Stecken und Salbe geflogen zu sein sowie S c h ä d e n durch
Unwetter und Hagel verursacht zu haben. Durch einen
Widerruf dieser Aussagen vermochte sie sich nicht mehr
zu retten. Als man ihr wieder mit dem Spanischen Fuss-
wasser drohte, bes tä t ig te sie ihre f r ü h e r e n G e s t ä n d n i s s e
lieber gleich.
Euphemia gab einmal zu Protokoll, sie habe das, was
sie gestand, aus den predigen vernommen. Allerdings
musste sie dazu e r g ä n z e n , es hette ihr der böse geist sol-
che entschuldigungen gesagt.
Euphemia Hoppin wurde 1680 hingerichtet.
A N D R E A S E G L E A U S M A U R E N ,
SOHN H A N S E G L E S , B R U D E R DER M A G D A L E N A EGL1N
(SRg, fol. 60a -66a ; S tAAug 2968, fol . 26a-28b;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 4 u. 10; Welz 2,
S. 19-21 ; Welz 3, S. 14-17)
Aus der Einleitung zu seinen Inquisitionsakten geht her-
vor, dass seine Mutter sowie seine Grossmutter müt te r l i -
cherseits in einem sehr schlechten Ruf gestorben waren
und seine Schwester Lena in dem lesteren proceß ver-
brent wurde . 6 0 6 Sie habe ihm das üblen Leumund hinter-
lassen, darinn er bei iederman stehet.
Bei der Inquisition am 13. Februar 1 6 7 9 6 0 7 e rk lä r t e der
55- j äh r ige Leonhard Pitschi aus Mauren , dass er die ge-
samte Zeit, in der er neben Egle wohne, weder roß noch
vich hab khönnen aufliringen von seiner aignen haab,
wan er aber ßembdes vich nemme, so trüche es ihme ser
wohl. Als Verursacher dieses Übels ve rdäch t ig t e er Egle,
und zwar vor allem auf Grund von Problemen mit einem
Weizenacker, der von i h m sehr gut angepflanzt worden
und auch zum aller scheusten gediehen war, so dass ihn
jedermann gelobt hatte. Wider Verhoffen habe er jedoch
ganz und gar nichts ausgeben, sonder der waizen ge-
schlossen und abgenommen, auch die frucht ganz gelb
worden und verdorben. Daran k ö n n e niemand anderer
als die inquirierte Person schuld sein, denn Pitschi hatte
ohne dessen Wissen Egles Egge genommen und damit
den Acker bearbeitet. Als Egle dies erfuhr, wunderte er
sich d a r ü b e r mit Vermeidung, er hete nit vermaint, daß er
sein eggen brauchen thete, sonder vil mer geglaubt, er
derffte sich einbilden, wan er solche brauchte, so wurde
ihme khain khorn geraten. Pitschi habe geantwortet, daß
seye ihm aber ein newes. Bald aber bes tä t ig te sich die
Richtigkeit von Egles Aussage bei seinem Weizenacker.
Weiters hatte Pitschi e inmal zwei Kä lber verloren und
Egle gefragt, ob er sie nicht gesehen habe. Dieser konnte
ihm den Ort angeben, wo eines der Tiere tot zwischen ei-
ner Staude und einem Baumstock auf dem Rücken lag.
Pitschi ve rdäch t ig t e Egle, das Unglück wegen des s t änd i -
gen Zwietrachts mit seiner Frau M a r i a Öhrin verursacht
zu haben.
Ausserdem wollte er einmal ein krankes Rind oder
Kalb von Egle notschlachten lassen, damit selbiges nit gar
zue schänden gienge. Dieser weigerte sich jedoch und for-
derte Pitschi auf, er solle das Tier zu dem Metzger br in-
gen, von dem er auch gesunde Tiere schlachten lasse.
Weiters habe sich einmal eine A n k ü n d i g u n g Egles nach
drei Tagen bewahrheitet: Pitschi verendete dabei ein gar
scheues fühlin.
J ü n g s t habe der Zeuge einen Acker gedüng t , der nahe
an Egles Haus lag. Dabei h ä t t e n Egles hennen ihme den
thung zuegekhrazet und verscharret. D a r ü b e r seien Egles
und Pitschis Ehefrauen in Streit geraten, woraufh in Pit-
schis Hennen kein rechtes E i mehr legten, sonder lauter
schadlose herfür gebracht, welche khaines wegs zubrau-
chen gewesen.
Eines Tages gingen Pitschis Kinder mispel suchen und
nahmen Egles Kinder nicht mit, wei l sich diese zuvor ge-
weigert hatten, mit ihnen eine K u h ins Ried zu treiben.
Als Folge dieses Kinderzankes seien Pitschi alsobalden 2
schweinle erkhrankhet, welche er iedoch durch geweichte
mitl wider zurecht gebracht.
Der zweite Zeuge, der gegen Andreas Egle aussagte,
war der 55 - j äh r ige Jakob Marxer aus Mauren . Er hatte
e inmal im M a i seinen Sohn mit einem Ross samt dem
Fohlen ins Ried geschickt. Gleich bey seinen aignen hauß
in der engen gassen bei ainen wasserbieren bäum sei der
Bub Andreas Egle begegnet. K u r z darauf habe dieser zu
Marxer gesagt, wenn er wolle, daß die roß triien, miesse
er selbige so starkh nit treiben lassen. Marxer antwortete,
es werde sein bueb hoffentlich so starkh nit gefahren
140
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
sein. A m n ä c h s t e n Tag begab er sich ins Ried, um nach
den Tieren zu sehen. Da fand er das Ross ganz ermattet
und schindl dinn zu ä u s s e r s t bei einem Strauch im Gra-
ben. A n einer k r e i s fö rmigen Spur um die Staude konnte
er erkennen, wie das Ross im Kreis herum geritten wor-
den war. Obwohl er den besten Weg ü b e r lauter M ä h d e r
gewäh l t hatte, vermochte er das Tier nur noch khümer-
lich nach Hause zu treiben, dan das roß allzu math gewe-
sen und immer zu auf die nasen wollen darnider fallen.
A u c h das Füllen sei ganz lamb gewesen. Nachdem er die
beiden Tiere etliche Tage lang mit Stricken und Brettern
aufgezogen hatte, verendeten sie beide gleichzeitig. Der
Wasenmeister, der die Kadaver an den gehörigen orth
ge füh r t und geöf fne t hatte, habe erk lä r t : Mein gueter
freindt, das roß ist vil weiter gewesen, als du dier einbil-
dest und wissen magst, er solle seinen stall benedicieren
lassen, dan er möge sonst hineinstöllen, sovil er wolle,
werde er doch khain stukh davon bringen. Bei der Öff-
nung des Kadavers sei das Ross am Rücken brandl-
schwarz gewesen. Ausser diesem Pferd gingen Jakob
Marxer im selben Jahr noch vier andere zugrunde. Er
verdäch t ig te Egle besonders deshalb, weil er - wie er-
w ä h n t - seinen Buben in einem so engen Gässlein begeg-
net sei, dass das Ross schwerl ich ohne Egles B e r ü h r u n g
vorbeikommen hä t t e k ö n n e n . Als Vorwand d a f ü r habe
ihm die Aufforderung gedient, das Büblein solle das Pferd
nicht so stark antreiben.
Die schriftl ichen Unterlagen ü b e r die Zeugenaussagen
Stachus Marxers und des Meisters Gabriel Lorenz liegen
nicht mehr vor. Aus dem Salzburger Rechtsgutachten geht
hervor, dass Egle einmal zusammen mit Lorenz zu den
Kapuzinern gegangen war, um zu beichten und geistli-
chen raths zu pflegen, wei l man ihn der Zauberei halber
verschrie. Nach einer a n d e r t h a l b s t ü n d i g e n conferenz bei
Pater Mar t in habe er die Beichte abgelegt.
Dr. Welz sprach sich in den Rechtsgutachten vom März
1679 und vom Juni 1680 fü r eine Gefangennahme und
Folterung Egles aus.
A m 10. Jul i 1680 wurde Andreas Egle gefangenge-
nommen und ve rhö r t . A m zweiten Tag gestand er die He-
xerei nach dem bereits a n g e f ü h r t e n Muster und wurde in
der Folge zum Tod verurteilt sowie hingerichtet.
J A K O B B L A I C H E R A U S E S C H E N ,
SOHN V A L E N T I N B L A I C H E R S
(SRg, fol . 66a-69b: S tAAug 2968, fol. 29a-31b u. 50b;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 4 u. 11; Welz 2, S. 21)
Sein Vater war ein Spielmann, der dem golslestern hefftig
ergeben war, und auch von iedermenigkhlich für einen
hexenmeister gehalten, ia so gar in das angesicht hinein
also gescholten worden und nichts anders zugewarten
gehabt, als daß er were ergriffen worden, wan er den let-
steren proceß erlebt hete.
Valentin hatte einmal in der Fasnacht den jungen Leu-
ten aufgespielt und zu ihnen gesagt: Danzet allesamen, in
tausent deifel nammen. Daraufh in habe i h m einer der
Burschen den Fiedelbogen aus der Hand gerissen, in vie-
le Stücke zerbrochen und zum Fenster hinausgeworfen.
A u c h Blaicher selbst wurde fortgeschafft. Weiters hatten
ihn die venefici et malefici denunziert und an der tortur
ausgesagt, dass sie nahe seinem Haus im W i d u m - 6 0 8 oder
P f r ü n d g u t des Pfarrers zu Eschen einen Tanz gehalten
hä t t en .
Der Sohn bezeüget mit ainem worth mit allen seinen
geberden nichts guets. Das k ö n n e man leicht daraus fol-
gern, daß er in der kirchen nur daß halbe kreiz zu formie-
ren und niemandt recht anzuschawen pflege.
Der erste Zeuge, der bei der Inquisition am 5. September
1677 gegen ihn aussagte, war der 46 - j äh r ige Georg
Falk. Er e rk l ä r t e , dass er sich etwa vor sieben Wochen zu-
sammen mit Blaicher wegen gewisser Geschä f t e in dem
landt herumb begeben habe und dabei mit ihm zu streiten
gekommen sei. (Am 11. Februar 1679 legte Falk dar, sie
hä t t en damals schwein getriben und seien in Haselstau-
den bei Dornbi rn hintereinander geraten.) Als sie sich
s p ä t e r wieder vertrugen und in einem Dornbirner Gast-
haus etwas miteinander tranken, verliess Falk gewisser
Ursachen halber kurz die Stube. Bei seiner R ü c k k e h r stell-
te ihm Blaicher ein Glas Wein vor, das er wie zwei weitere
austrank. Bald darauf jedoch bekam er unbeschreibliche
Schmerzen im Leib, welche die ganze Nacht hindurch
anhielten, bis er sich erbrach. Dabei habe Falk ü b e r
zwanzigmal eine abscheuliche Materie von sich gestos-
sen, die gleich einem kroten khres (Krö tene ingeweide)
ausgesehen habe, so dass man sie aufhaspeln h ä t t e kön-
nen. Sein Zustand habe sich seither zwar schon etwas
gebessert, er k ö n n e jedoch immer noch kein Tagwerk
a u s f ü h r e n , weil ihm dann gleich so eng in der Brust
werde, dass er glaube, er m ü s s e ersticken. Keine Arzne i
wirke dagegen. Er glaube, er werde sein ganzes Leben
lang geschäd ig t bleiben. Er war vol lkommen sicher, dass
dieses Elend von dem Trunk h e r r ü h r t e , den ihm Blaicher
in Dornbi rn gereicht hatte.
Landammann Jakob Schreiber bezeugte, dass Falk -
anders als f rüher , als er ein emsiger Drescher war - bei
606) Bei Welz 2, S. 19, wird versehentlich angeführ t , dass Eglins
Großmut ter verbrannt worden sei.
607) SRg, fol. 60a. falsch abgeschrieben als 1669.
608) Vgl. zu diesem Bogriff Banzer u. a., Flur und Name, S. 102 f.
141
der Arbei t nicht mehr mithalten konnte, weilen er schier
gar erstikhen wollen.
Hans Öhre , Gerichtsmann zu Eschen, gab folgende Be-
gebenheit zu Protokoll: Als Blaicher an einem Sonn- oder
Feiertag nach der Kirche vernommen habe, wie ein jeder
die Fruchtbarkeit von Öhres Weins töcken r ü h m t e , e rk lä r -
te er grob heraus vor der gesamten Gemeinde, sg werden
bald den schwänz auf den ruggen nemmen und ein weter
khommen (es sege zue zweifei, ob er einen nebel oder
regen angezogen), welches die selbige zuschanden richte.
Daraufhin antwortete Fidelis Schreiber, wie er dises wis-
se, wan ihme solches bekhandt seye, so miesse er auch
ein mehrers khönnen. Bald darauf zur Blütezeit fielen auf
Grund eines Unwetters allein am dem Ort, von dem die
Rede war, alle Trauben ab.
Der 50- j äh r ige Kaspar Senn aus Triesen e rk lä r t e am
23. Februar 1679 unter E id , Blaicher habe ihm vor drei
oder dreieinhalb Jahren eine Kuh mit der Auflage ver-
pachtet, dass er d a f ü r jeden Sommer drei Gulden zahle
oder ein Viertel Schmalz liefere. Wei l das Tier viel M i l c h
gab, hä t t en sich seine Frau und er ü b e r das Geschäf t sehr
gefreut. Es habe sich aber solche freüd bald in traurig-
kheit verenderet, da die K u h angefangen habe, am leib
zue aben. Die Milchleistung nahm von Tag zu Tag ab, so
dass er nach vierzehn Tagen kaum noch ein Drittel der
u r s p r ü n g l i c h e n Menge erhielt. Da er sich mit Blaicher
nicht auf neue Pachtbedingungen einigen konnte, kam
dieser sechs Wochen s p ä t e r die Kuh abholen, wobei er
gleichzeitig die Ausfolgung eines Viertels Schmalz er-
zwang. Spä t e r habe Senn durch gassen röden, iedoch
glaubwürdiger leithen, wie wohlen er selbe nit mehr zue-
nennen wisse, vernommen, dass die K u h bei Blaicher
gleich wieder die volle milch gegeben habe. Übr igens sei
Senn vor dem Handel von Hans F ö h r gewarnt worden,
sich wohl vorzusehen, dass er von Blaicher nit betrogen
werde.
Dr. Welz sprach sich in seinem Gutachten vom März 1679
d a f ü r aus, Blaicher zu verhaften und das gebührende ex-
amen gegen ihne vorzunemmen.
Nach Jakob Blaichers Gefangennahme gab er bei der
Folterung am 24. Jul i 1680 an, er sei in daß laster der
zauberey im schlaf gerathen, daselbst der böse geist zu
ihme kommen und gelt offerirt, wie er aber daß dritte-
mahl khommen, hette er mit ihme sodomiam begangen
und alß dan gott und alle heylige verlaugnet. Daraufhin
habe ihn der Satan in ein Buch eingeschrieben, und zwar
mit Blut aus Blaichers Herz. A u f einem mit der Hexen-
salbe eingeriebenen Stecken sei er geflogen. Bei der Her-
stellung der Salbe habe er bestimmte Worte rezitieren
m ü s s e n . Als er einmal anderen Leuten keinen Schaden
wollte, habe ihm der böse Geist mahlzeichen auf seinen
buckhl gemacht, welche Meister Dietrich erkannte. Etl i-
chen Leuten habe er mit zauberey daß vich zu mehrmah-
len verdörbt. In seiner letzten Aussage behauptete er, die
Muttergottes nie verleugnet zu haben.
Blaicher wurde zum Tod verurteilt und hingerichtet.
M A R I A B L A f C H E R I N A U S E S C H E N ,
W I T W E H A N S KOCHS
(SRg, fol . 8 6 b - 9 1 a ; S tAAug 2968, fol . 42b -43b ;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 6 u. 11; Welz 2, S. 27;
Welz 3, S. 24-26)
Bei M a r i a Blaicherin lagen keine Angaben vor, dass ihre
Vorfahren der Hexerei bezichtigt worden waren. A u c h ihr
Lebenswandel galt als u n v e r d ä c h t i g .
Dennoch e rk lä r t e der 34 - j äh r ige Hans Batliner bei einer
Inquisition am 13. Februar 1679, er habe vor drei oder
vier Jahren bei Mar ias Nachbar Jakob Blaicher eine Kuh
gekauft und sie i m Früh l ing zum hürlen getriben. A u f dem
Rückweg ging sie nicht in seinen Stall, sondern auf das
Haus des V e r k ä u f e r s zu. Als Batl iner sein Tier in dessen
N ä h e fand, molk M a r i a Blaicher in es gerade. Er wurde
deswegen zornig und fragte sie, w a r u m sie das tue. Sie
antwortete, sie habe nicht gewusst, dass dieses Tier ihm
g e h ö r e , sondern geglaubt, es sei den Schwaben zustendig.
Sie habe die Kuh gemolken, damit sy nit ergalte, dan sye
habe gar ein groses eyter gehabt. Dann nahm Batliner
das Vieh samt der Mi lch nach Hause. A m n ä c h s t e n Mor -
gen jedoch habe es eine grosse Geschwulst auf dem
Rücken bekommen, aus der schliesslich eine abscheuliche
Materie herausfloss. Dabei blieb es nicht. Innerhalb von
anderthalb Tagen schwollen dem Tier die Beine dermas-
sen an, dass er es drei Wochen lang nicht mehr auf die
Weide treiben konnte. Die K u h vermochte nicht mehr,
alleine aufzustehen; man musste ihr stets helfen. Mit dem
Einsatz geweihter Mittel brachte sie Batliner aber nach
und nach wider zue recht. Es gelang ihm aber nie mehr,
aus dem Rahm so viel Schmalz zu gewinnen wie f rüher ,
obwohl er das Tier gleich fü t t e r t e . Er konnte nicht sagen,
ob die waid oder wer daran schuldig seye, er hegte je-
doch den Verdacht auf die Blaicher in , weil sie sich unbe-
fugterweise unterfangen hatte, die K u h zu melken.
Der zweite Zeuge am 13. Februar 1679 war Ferdinand
Marxer aus Eschen. Er sagte aus, er sei in dem letsteren
proceß gewisser Ursachen halben von der obrigkheit be-
schikht worden. D a r ü b e r habe Herr Pfarrer Hans Rot-
m a y e r 6 0 9 verlauten lassen, Marxer sei nach Vaduz gezo-
gen, um die Blaicherin anzuklagen, dass sie ihm ein K i n d
g e l ä h m t habe. Dadurch sei diese wiederum zur E r k l ä r u n g
veranlasst worden, sy wolle es einem oder dem anderen
schon eintrenkhen. E in halbes Jahr s p ä t e r verendete
Marxer eine Kuh . Der Wasenmeister meinte dazu, es
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D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
khomme von bösen leithen her. Dadurch sei bei ihm ein
Verdacht auf die Blaicherin entstanden, den er davor nie
gehegt habe. Wie seine Aussage bei der Inquisition ü b e r
Hans Walser im Jahre 1675 belege, habe er f r ü h e r ander-
werts hin suspiciert.
Bei den vorliegenden Indizien riet Dr. Welz im März 1679
davon ab, die Blaicher in zu verhaften.
Im folgenden Jahr wurde weiter ü b e r M a r i a Blaicherin
inquiriert. Die Aussage Hans Batliners vom 29. August
1680, die Blaicherin werde allgemein fü r eine Hexe gehal-
ten, wurde auf einem Blatt vermerkt, das nicht mehr
erhalten ist.
Auch die Darlegungen des Zeugen Bernhard Wagner
sind in den schellenbergischen Inquisitionsprotokollen
nicht mehr enthalten. Er soll e rk l ä r t haben, dass er von
der Blaicherin nicht viel Unrechtes wisse.
Die ebenfalls nicht mehr vorliegende Aussage der M a -
ria Jehlin aus Eschen enthielt den Vorwurf, sye wisse es
gewiß und wolle darauf sterben, dass ihr nach einem
Besuch der Blaicherin ganze halbe gäng im weben abge-
brochen wären. Kaum sei das Garn jedoch mit geweihten
Sachen b e r ü h r t worden, habe sie gleich wieder arbeiten
können .
Trotz der neuen Belastungen sprach sich Dr. Welz auch
im Gutachten vom Juni 1680 d a f ü r aus, dass man mit ei-
ner Verhaftung der Blaicherin warte, bis neue Indizien
oder Denunziationen vorlagen.
Spä t e s t ens im August d ü r f t e dies der Fal l gewesen
sein, so dass sie gefangengenommen wurde. Bei der Fo l -
terung am 23. August, bei der man sie zwei Vaterunser
lang aufzog, gestand sie schliesslich die Hexerei und wur-
de bald daraufhingerichtet .
M I C H A E L S C H E C H L E , S C H M I E D Z U M A U R E N ,
SOHN H A N S S C H E C H L E S UND DER B A R B A R A
MORATIN
(SRg, fol. 83a-86a; S tAAug 2968, fol. 40a-42a;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 6 u. 11; Welz 2,
S. 26 f.; Welz 3, S. 30 f.)
Bei einer Inquisition übe r Michael Schechle am 3. Oktober
1675 e rk lä r t e der 30 - j äh r ige Mar t in Ritter aus Mauren ,
dass er vor etwa vier Wochen auf einem Pferd, das von
Valentin Geiger beschlagen worden war, nach Hause
reiten wollte. Als er bei einem Brunnen stand, habe ihn
Schechle angesprochen und gesagt, das seinem pferdt ein
nagel gar zu nache geschlagen und. dahero ihme mithin
ainigen schaden zuziehen derffte, eben als wan er ihn vor
dergleichen schaden zu. wahrnen suchte. Ritter war des-
halb einverstanden, dass Schechle den Nagel herauszog.
Diesen hä t t e der Pferdebesitzer dann gerne mitgenom-
men, aber Schechle liess das nicht zu, sondern e rk lä r t e ,
er wolle selbigen schon vleissig auf behalten. Bald aber
bekam das Pferd am entsprechenden Huf 2 löcher. Ritter
ve rdäch t ig t e Schechle daraufhin des Schadenzaubers,
weil er den Nagel unbedingt behalten wollen hatte und
wei l dessen Mutter in einem sehr schlechten Rufs tand .
Darunter ist am Rand des Inquisitionsprotokolls ver-
merkt: Seine muetter ist dem henckher und dem Scheiter-
haufen entrunnen.
Eine zweite Zeugenaussage gegen Schechle erfolgte
am 13. Februar 1679. Dabei gab der 25- j äh r ige Sebastian
Föhr, Jakobs Sohn, vom SchenenbüchelMa zu Protokoll,
sein Vater habe bei Schechle in Mauren vier Räde r be-
schlagen lassen, wobei er, Sebastian, schmieden geholfen
hatte. A m Abend lud ihn Schechle in Peter Matts Wirtsbe-
hausung zu Mauren ein; er wollte ihm dort ein Mass Wein
bezahlen. Damit e rk l ä r t e sich Sebastian einverstanden.
Sie tranken also je ein rothe maß. Als ihnen der Wir t ein
Licht auf den Tisch stellte, sagte Schechle, er Peter solle
daß Hecht nuhr hinweg nemmen, sye haben ein guete
stras. Mit «S t r a s se» meinte er den Mund , welchen sy in
der dunkhle wohl zu finden getrauten. So tranken sie
eben ohne Licht ihre zwei Mass, und zwar deß gueten
rothen weins.
Bald bekam Sebastian aber Bauchweh. Da habe
Schechle noch ein Mass Weisswein kommen lassen und
ihn zwingen wollen, er soll mehr drinkhen. Sebastian
nahm zwar das dargereichte Glas, roch aber nur daran
und stellte es mit den Worten nieder, er woll nit mer trin-
khen. Dann ging er gleich nach Hause, wo er nichts mehr
zu sich nahm. Vier Tage s p ä t e r litt er nicht nur unter gros-
sen Schmerzen, sondern kam auch von seinem verstandt.
Seine deshalb sehr betriebte mueter gab ihm Theriak ein,
woraufh in er in wenig zeith einen W u r m von zimblicher
grosse und andere abscheuliche Materie erbrach. E r litt
jedoch weiterhin ohnaussprechliche schmerzen. Deshalb
zog sein Vater zu den Herren Kapuzinerpatres und bat sie
um geweihte Sachen. Nachdem Sebastian damit beraucht
worden war und auch etwas eingenommen hatte, begann
er alsbald zu wiiethen und doben. auch ohnausprechliche
schmerzen leiden. Ausser allem mögl ichen verschieden-
farbigen Mater ia l erbrach er weitere W ü r m e r . Daraufhin
sei er so schwach geworden, dass er glaubte zu sterben.
Als er nun schon ü b e r drei Wochen lang im Bett gelegen
war, habe er einen Verdacht gegen Schechle geschöpf t ,
wei l dieser das Licht in der Gaststube nicht brennen las-
609) Er stammte aus Feldkirch und war Pfarrer von Eschen 1667
bis 1687: Schafhauser, Eschnerberg, S. 215.
610) Weiler am Eschnerberg: LNb Eschen, S. 42 f.
143
sen wollen und er gleich nach der Einnahme des sehr gut-
en Weins die grossen Schmerzen bekommen hatte.
Dr. Welz hielt Michael Schechle in seinen Gutachten 1679
und 1680 fü r einen berüchtigten, dabej aber auch gar
plumpen hexenmeister. Er sollte gefangengenommen und
gefoltert werden.
Schechle wurde am 15. Jul i 1680 vor Gericht gestellt.
Da er f re iwi l l ig nichts bekannte, schlug man ihn tags dar-
auf an die Folter. Nachdem er ein Vaterunser lang aufge-
zogen worden war, gestand er die Hexerei, w o f ü r er spä -
ter verbrannt wurde.
M A R I A K A I S E R I N A U S E S C H E N ,
TOCHTER T H E B U S KAISERS; E H E F R A U DES
H U F S C H M I E D S P E T E R S C H U E L E R
(SRg, fol . 92b-99a ; S tAAug 2968, fol . 45b-50a;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 6 u. 11;
Welz 2, S. 29 f.; Welz 3, S. 26-29)
Ihre Grossmutter müt t e r l i che r se i t s , ihre Mutter sowie de-
ren Bruder waren verbrannt worden. Sie stand besonders
auch deshalb in einem schlechten Ruf, wei l sie von der
verbrannten Grossmutter erzogen worden war. Ausser-
dem hatte sie sich ledigen Standes in fornicatione [Hure-
rei] uersindiget und khaines wegs wollen geeheliget wer-
den.
Bei einer Inquisition am 11. Februar 1679 gab M a r i a
Mader in , die Ehefrau Peter Paulins, zu Protokoll, vor un-
ge fäh r neun Jahren habe die Kaiser in , ihre nache nach-
barin, durch ihre Katze einen Weizenacker vor denen
vöglen hielen lassen und derselben allezeit zu essen hin-
aus getragen, welche kaz auch vleissige huet gehalten
und von dem akher niemahlen abgewichen sei. Wenn
Leute vo rübe rg ingen , zog sich die Katze kurzfr is t ig auf
einen nahegelegenen alten Baum zu rück und stieg dann
wiederum herab.
Dieses Tier habe der Mader in des ö f t e ren grossen
Schaden zugefügt , besonders als sie einmal junge hauen,
die sie verkaufen wollte, tö te te . Deshalb habe die Mader in
der Katze nachgestellt, sy auch ertapet und ertrenkht. Sie
war übe rzeug t , dass sie dabei von niemandem beobachtet
worden war und e rzäh l t e auch niemandem davon. Es
wisse auser gott undt ihro khain mensch nichts von sol-
chem fürnemmen. Trotzdem habe ihr die Kaiser in ü b e r r a -
schender Weise die Tat vorgeworfen und dabei gesagt, sy
solle nur warthen, wolle es ihro schon machen und ein-
trenkhen. Die Mader in habe damals nicht z u r ü c k g e -
schimpft, sondern nachgegeben. E in Vierteljahr s p ä t e r
jedoch musste sie feststellen, dass ihr ein tragendes schö-
nes Schwein, das am Abend gesund heim gekommen war,
lahm wurde. Es lag drei Tage in diesem Zustand und ver-
endete dann.
Ausserdem sei die Kaiser in vor drei Jahren unter dem
Vorwand, es sei ihr ein Reifen vom R ü h r k ü b e l gesprun-
gen, zu ihr gekommen und habe sie gebeten, den ihrigen
zu entlehnen. Das habe sie wegen tragenden mißtrawens
und besen argwohns zwar nit gern bewilliget, aber auch
nit versagen khönnen. Nachdem sie das Gerä t wieder
z u r ü c k b e k o m m e n hatte, dachte sie sich, sie m ü s s e aus-
probieren, ob sie nun noch riehren k ö n n e . Das gelang ihr
zwar noch drei oder h ö c h s t e n s viermal , dann aber habe
sie bis heute nie mehr schmalzen k ö n n e n , auch wenn sie
fremde R ü h r k ü b e l b e n ü t z t e . Obwohl die Kuh genug Mi lch
gebe, sei diese doch ganz rueß biter undt kheines wegs
zubrauchen.
A n einem Sonn- oder Feiertag habe die Kaiser in die
Mader in einmal zu sich beruefen und sy erbethen, sy sol-
le khommen, ihr thuech zuebesichtigen. Dazu habe sie
sich widerwi l l ig ehrn halber bereit gefunden. W ä h r e n d
der Begutachtung des Tuches gab die Kaiser in ihrer
Nachbar in ein Stück Brot, welches diese jedoch nicht ass,
denn sie dachte sich, sy wolle sich vor dergleichen gefer-
lichen genuß enthalten. Wegwerfen wollte sie das Brot
auch nicht, deshalb habe sie es ihren jungen H ü h n e r n
vorgeworfen, deren sy 15 beisamen gehabt. In den näch -
sten zwei Tagen seien daraufhin zwölf H ü h n e r verendet.
Die üb r igen h ä t t e n unfelbar dasselbe Schicksal erlitten,
wenn ihnen nicht «heil ige Os te r t au f» in das Trinkgeschirr
geschü t t e t worden w ä r e .
Erst in den letzten Weihnachtsfeiertagen sei der Made-
r in ein grosses Schwein und dann acht Tage darauf ein
kleines ohne ainige zuvor verspürte khrankheit verre-
khet. Sie erlebte also die Drohungen der Kaiser in als
schmerzliche Real i tä t und wisse neben diser nachbarin in
ihrem 50 jährigen alter sich nit mehr zue ernehren.
Der zweite Zeuge bei der Inquisition ü b e r M a r i a Kaise-
r in am 11. Februar 1679 war der 50- j äh r ige Gerichtsbei-
sitzer Hans Öhre . Er e rk lä r t e , er habe von M a r i a Kaiser in
bereits vor vier Jahren gehör t , dass sie i h m gedroht habe,
weil er auf ihre verstorbenen diffamierten Schwester ne-
ben anderen miessen inquirieren helfen. Dabei habe sie
gesagt: Ja, der Johannes Öhri ist ain rechter mann, er
will mich zu ainer hexen machen. Wan ich ain solche bin,
so mues er wohl ain hailoser mann sein. Wan er mich nit
hinfürt, wo ich hinkhöre, der teüfel vergelte ims, wan er
solches nit thuet. Aber warte er nur, ich wils ihm schon
machen und eintrenkhen. Gleich darauf sei i h m eine
gesunde K u h , welche er am Haus der Kaiser in vorbei zu
einem Stier getrieben hatte, plötzlich niedergefallen und
verendet. Davor sei sie in alle hoch übersieh gesprungen
und habe mit allen vieren gestampfet und geschlagen. Bei
der Untersuchung des Kadavers zeigte sich, dass sein
Inneres ganz schwarz war, woraufh in auch der Nachr ich-
144
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
ter (der als Wasenmeister mit der Tierkadaverbeseitigung
beschäf t ig te Scharfrichter) bes tä t ig te , daß die khue ver-
hext seye worden. Bald darauf v e r s p ü r t e er selbst einen
solchen Schmerz im rechten Fuss, dass er wie ein Hund
an einer Kette geheult und so getobt habe, dass er ö f t e r s
von zwei M ä n n e r n gehalten werden musste. Dieses Elend
habe sieben Wochen lang g e w ä h r t . Dabei sei sein Fuss
weder geschwollen, noch rot, noch wund, noch verrenkt
gewesen. Erst geistliche Mittel hä t t en ihm geholfen. E r
wollte es jedoch dahingestellt lassen, woher das Unglück
gekommen sei. A u f Grund der Drohungen der Kaiser in
habe er einen Argwohn gegen sie gehegt, weilen bevorab
die capuziner gesagt, es khomme von bösen leüthen her.
Im Anschluss an Öhres A u s f ü h r u n g e n bes tä t ig te M a r i a
Mader in dessen Darlegungen und die Drohung der Kaise-
rin unter E id .
Die n ä c h s t e Zeugin war die 38- j äh r ige A n n a Öhrin , die
Ehefrau Hans Blaichers. Sie e rk l ä r t e unter E id , vor zwölf
Jahren habe sich ihr zwe i j äh r ige s Kind , ohne dass es
jemand wusste, ins Haus ihrer Nachbarin , der Kaiser in ,
begeben. Dort soll es nach deren eigenen Aussagen etwas
zu essen bekommen haben. Wieder zuhause wurde es auf
einen Acker, der zu j ä t en war, mitgenommen, wo es zu
schreien angefangen habe und sich ganz schieferig erzei-
get, aber khainen schlaf zuwegen=bringen mögen, sonder
anstat desselben in hegisten schmerzen sich auf dem
boden herumb gewalzet, so dass die Öhr in und M a r i a M a -
derin, die mit ihr ge jä te t hatte, glaubten, das kindt werde
nun so strakhs dahin fahren. Schliesslich erbrach es eine
ganz g r ü n e Materie. Daraufhin trug die Öhr in das K i n d
heim und holte am n ä c h s t e n Tag bei den Kapuzinerpatres
Rat und Hilfe, wodurch sie den unßath oder g ü f f t völlig
von dem kindt gebracht. Die erbrochene Masse sei nicht
nur ganz g rün gewesen, sondern habe wie froschlaich
gezitert, oder schier besser zue reden, auf der erden hin
und her gehupfft seye. Auch diese Aussage bes tä t ig te
M a r i a Mader in noch einmal unter E id .
A n n a Öhrin e rk l ä r t e bei der Inquisition weiters, dass
sie einmal, als sie im Kindbett lag, von der Kaiser in ge-
lauset worden sei, aber mit solchem effect, daß sye so
bald in hegste schmerzen gerathen und gleichsamb ganz
lamb worden. Deshalb habe man ihr geraten, sie solle die
Kaiserin umb gotes willen umb hilff ansprechen, welches
sye auch gethan, und aber zur antworth bekhommen, sye
khönne ihro nit rathen, solle die Capuziner umb hilf an-
sprechen, wan die nit helfen khönnen, so wisse sy khain
mitl. Daraufhin habe die Öhr in ihren M a n n zu den Patres
geschickt und schon durch das erste verwendete Mittel
Linderung erreicht. Bei der zweiten Anwendung wurde
die volle besserung erlanget.
Ausserdem erkrankte der Öhrin vor etwa acht Jahren
in der Nacht ein s c h ö n e s Ross, das bei empfangner nacht
fueterung noch frisch und. gesundt gewesen und sehr lu-
stig gefressen. Als ihre Magd Brigitta Paulin am Morgen
etwas f r ü h e r als sonst aufgestanden und zum Brunnen
Wasser holen gegangen war, weil sie Brot backen wollten,
trat die Kaiser in auf sie zu und fragte sie, ob sy etwas
khrankhs habe. Daraufhin antwortete die Magd, sie wisse
von nichts; sie sei bachens halber so früehe aufgestanden.
Dann ging sie mit dem Wasser heim, um sogleich das Vieh
zu fü t t e rn . Da entdeckte sie das kranke Pferd, das dann
nach zwei Stunden verendete. Wegen der Nachfrage der
Kaiser in habe sie den argwöhn auf sie geworffen. Die 26-
j ä h r i g e Brigitta Paulin und ihre Mutter Mar ia Mader in
bes t ä t ig t en diese Aussage unter E id .
Dr. Thomas Welz sprach sich im März 1679 und im Juni
1680 fü r ein scharfes Vorgehen des Gerichts gegen die
Kaiser in aus.
Sie wurde im Sommer 1680 gefangengenommen und
gefoltert. Sie soll zwei Vaterunser lang an der Folter ge-
standen sein, man hatte sie aber ihres alters halber nicht
aufgezogen. Ausser der Hexerei bekannte sie dabei, dass
sie ledigen Standes mit einem Knecht Blutschande began-
gen hatte. Das damals gezeugte Büble in habe sie in einem
Keller heimlich vergraben. Sie gab auch zu, zwei Schwei-
ne der Mader in mit verreithen verderbt zu haben.
M a r i a Kaiser in wurde 1680 hingerichtet.
A N N A M A R X E R I N A U S M A U R E N ,
E H E F R A U DES MÜLLERS A N D R E A S ÖHRE,
MÖGLICHE V E R W A N D T S C H A F T MIT
M A T T H I A S M A R X E R A U S M A U R E N 6 1 1
(SRg, fol . 100a - l04a ; S tAAug 2968, fol . 54a-55b;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 7 u. 11;
Welz 4, S. 2 f.)
Annas Mutter war verbrannt worden; das mereste volkh,
absonderlich die nachbauren, hielt auch die Marxer in für
nichts nutz.
A m 20. August 1680 sagte der 60 - j äh r ige Andreas
Wetzel aus Mauren aus, sein Sohn Hans habe vor sieben
Jahren im Alter von 24 Jahren beim Müller Enderle
Öhre gedient. Als er einmal hinter dem Haus arbeitete,
erhielt er von Enderies Frau A n n a Marxer in zum brendt
essen D ö r r b i r n e n . Sofort nachdem er diese verspeist hat-
te, habe er angefangen zu bluten und grosse Schmerzen
empfunden. Er wurde zu den gemachten (Genitalien)
sowie am ganzen Leib geschwollen und verstarb inner-
halb von acht Tagen. A u f dem Krankenbett habe der Sohn
611) Möglich,weil Maria laut Aussage von Ferdinand Wangner für
Matthias Marxer kochte.
145
zu den Eltern gesagt, er habe dörre bieren gessen, die
seyen sein todt. Kurz vor dem Tod habe er auch erklär t ,
er wisse schon, dass ihn die Marxer in nit mehr gehrn ge-
habt habe, sie h ä t t e ihm n ä m l i c h das Essen nicht mehr
gegönnt .
Die zweite Zeugin, die 28- j äh r ige M a r i a Lampart in von
Schellenberg, e rk lä r t e , Hans Wetzel, ihr verstorbener
Mann , habe sich ihr g e g e n ü b e r geäusse r t , seine Krank-
heit r ü h r e von den D ö r r b i r n e n her, die ihm die Marxer in
e i g e n h ä n d i g gebracht hatte. Darauf er leben und sterben
wolle. Nachdem er die Schmerzen bekommen habe, sei er
zu den Kapuzinern gegangen, die e rk l ä r t en , sobald sie ihn
gesehen hatten: Diser man hat ein besondere khrankheit.
Sie gaben ihm geweihte Sachen, die er mit sich im Sack
heimgetragen habe, aber nichts darmit ausgericht. W ä h -
rend der Krankhei t sei die Marxer in zu Hans Wetzel ge-
kommen und um sein Bett herum gegangen. F r ü h e r sei
ihr Mann gesund und fr isch gewesen.
Die vorangegangenen Aussagen wurden auch von
Hans Wetzeis Mutter, der 56 - j äh r igen Kathar ina Köchin
aus Mauren , unter E id bestä t igt .
Laut Rechtsgutachten vom 28. August 1680 war die Mar -
xerin gefangenzunehmen und zu foltern.
Dennoch erfolgte keine Inhaftierung, statt dessen wurde
am 3. September 1680 weiter ü b e r sie inquiriert . Dabei
sagte z u n ä c h s t der 38 - j äh r ige Hans Kiber aus, dass die
Marxer in in einem sehr üb len Ruf stehe und von jeder-
mann für ein n i c h t s w ü r d i g e s Mensch gehalten werde. Es
sei schon so weit gekommen, dass auch, das khindt auf
der gassen sie für ein unholdt gehalten. M a n frage ö f t e r s
auch, ob man sie noch nit auf das schloss geführt habe.
F r ü h e r habe er um sie geworben (umb sie ahnbuelet).
Sein Vater und seine Verwandten h ä t t e n aber eine Heirat
nicht zulassen wollen, wei l sie in einem schlechten Ruf
stand. Kiber betonte, dass er weder jemanden zu lieb
noch zu laid aussage, noch sei er dazu angericht worden.
Der n ä c h s t e Zeuge war der etwa 40 - j äh r ige Samuel
Matt aus Mauren. Er e rk lä r t e , er wisse nicht, dass ihm die
Marxer in je geschadet hä t t e . Sie stehe jedoch bei jeder-
mann in Stadt und Land in einem bösen und üblen ruef,
weil sie fü r Hans Wetzeis Tod verantwortl ich gemacht
wurde. A u c h Samuel Matt betonte abschliessend seine
Unparteilichkeit und e rgänz t e : Dise verschrey sey von
ehrlihen leüthen entsprungen.
Die vorangehenden Aussagen wurden vom 30- j äh r i -
gen Christ ian Risch aus Mauren unter E id bes tä t ig t .
Der 40 - j äh r ige Ferdinand Wangner aus Mauren gab zu
Protokoll, er sei bei This Marxer in Diensten gestanden
und habe einmal in einer Suppe etwas zu essen bekom-
men, dass er glaubte, er m ü s s e daran sterben. Er wisse
jedoch nicht, ob ihm die Suppe von A n n a Marxer in oder
Mar i a Mar t in zugerichtet und gegeben worden war, wei l
diese miteinander gekocht hatten. Dass es eine der beiden
gewesen war, k ö n n e er mit Gewissheit behaupten. E r
habe der Marxer in ü b r i g e n s selbst ins Gesicht gesagt, das
sie ihm dises zu fressen geben hatte. M a n halte auch
sonst wenig von ihr, sie stehe in einem schl immen Ruf. Er
betonte ebenfalls, dass er nicht aus Neid aussagte, son-
dern wei l es die Wahrheit sei.
Vor Gericht gestand die Marxer in ihre Schuld zwar schon
nach der ersten Folterung, ihre Angaben widerr ief sie
dann jedoch viermal. Deshalb wurde sie dreimal in das
Spanische Fusswasser und auch auf den Esel gesetzt.
Unter anderem bekannte sie dabei, dass sie ihrem Knecht
Hans Wetzel das vom leujfel subministrirte pulver in die
Suppe gegeben habe.
A n n a Marxer in wurde laut Prozessopferliste von 1682
in der ersten Prozessserie des Jahres l 6 8 0 hingerichtet.
146
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
ÜBERLEBENDE BEI DEN VERFAHREN
VON 1680 GEGEN PERSONEN AUS DER
HERRSCHAFT SCHELLENBERG
B A R B A R A MORATIN A U S M A U R E N ,
W I T W E H A N S S C H E C H L E S
(SRg, fol. 77b-83a; S tAAug 2968, fol. 39a+b;
StAAug 2971, fol. l l a - 1 2 b ; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 5 u . 11; Welz 2, S. 25 f.)
Drei Tage, nachdem ihre Halbschwester Kathar ina
Föhr in verbrannt worden war, hatte sich die Morat in
samt ihrem Sohn Jakob Schechle aus dem staub gemacht
und erst nach uolendten letsteren proceß wider eingefun-
den. Sie war zu Öthal [Ettal in Oberbagern] bey der mue-
ter gotes walfarten gewesen und habe deswegen brief und
sigel. das sy daß selbige maria bild aufzuheben mechtig
gewesen und per consequens from und kheine hex seye.
W ä h r e n d ihrer Abwesenheit wurde sie jedoch von der
s p ä t e r verbrannten Magdalena Eglin, die ihre Aussage
vor der Hinrichtung nicht widerrief, als Mithexe angege-
ben. Dieser Denunziation wurde insbesondere auch des-
halb grosse Glaubwürd igke i t beigemessen, weil die Eglin
vor ihren endt ein grosse rew bezeuget undt wenigst
eüserlichen schein nach sich aufrichtig zue gott bekhenet.
Bei einer Inquisition am 28. September 1675 e rk lä r t e der
32- jähr ige Hans Bregenzer aus Mauren, ein Bruder der
s p ä t e r ebenfalls inquirierten Kathar ina Bregenzerin, dass
er die Moratin wegen etlicher verendeter Tiere v e r d ä c h -
tigte, und zwar weilen er zuvor mit ihren söhnen ainigen
streit und zwitrachl gehabt hatte.
A m 3. September 1680 bes tä t ig te Hans Bregenzer seine
Aussage von 1675. Auch auf die Darlegungen des 30-
j äh r igen Christian Risch aus Mauren mit Bezug auf Ka -
tharina Bregenzerin wurde in den Unterlagen übe r die
Morat in eigens hingewiesen.
Als neuer Zeuge bei der Inquisition vom 3. September
1680 e rk lä r t e der 39 - j äh r ige Eustach Marxer aus Mauren ,
es beklagten sich die Nachbarn gar übel ü b e r die Morat in ,
besonders Mar t in Ritter, der ihr die Schuld gebe, dass er
weder glickh noch hayl habe. Auch dafür , dass sein Foh-
len vor zwei Jahren ausgerechnet vor ihrer Schmiede den
Fuss gebrochen hatte, machte er einzig und allein die M o -
ratin verantwortlich. Schliesslich habe ihr verbrannter
Sohn, Michael Schechle, zu Bal l i Gabriel selbst gesagt, es
solle niemanden wundernehmen, dass es Mar t in Ritters
Fohlen so gegangen sei, er habe seiner mueter de mach
gethan. Fideli Kiber f ü h r e ebenfalls all sein Unglück mit
den Tieren allein auf die Morat in zu rück . Sie sei in Stadt
und Land verschrien, gleich ihr muetter auch gewest und
werde von iedermenikhlich vor eine hex gehalten. Marxer
e rk lä r t e am Schluss noch, es wehre iederman fro, wan sie
nur baldt verbrent wurde. Ihr Sohn Jakob Schechle sei
ü b r i g e n s aus dem Land geflohen.
Bezüglich der Wallfahrt ins Kloster Ettal wollte sich Dr.
Welz nach dem Urtei l von Theologen richten. Liessen die-
se die dortige purgation nicht gelten, sollte die Morat in -
wie schon im Gutachten vom März 1679 dargelegt - ver-
haftet und gefoltert werden.
Laut Salzburger Rechtsgutachten wurde Barbara Morat in
am 30. August 1680 vor dem Gericht examiniert, nach
eigenen Angaben war sie A n f a n g September gefangenge-
nommen worden. Bei den güt l ichen Einvernahmen be-
kannte sie sich nicht schuldig, gestand jedoch, sich aus
Angst vor einem Prozess ausser Landes begeben zu
haben. Daraufhin wurde sie ein Miserere (Busspsalm)
lang an die folter geschlagen. A m dritten Tag habe man
sie in das Spanische Fusswasser gesetzt und darin zwei-
mal umgedreht. In einem Schreiben von 1682 schilderte
sie diese Folter, sovil ihro davon verlohrener vernunfft
halber noch erinnerlich war, folgendermassen: Zuerst
habe man sie auf ein niederes blökhlin gesetzt und ihr die
H ä n d e hinter dem Rücken mit einem Strick an der Wand
festgebunden, damit sye nit für sich fallen khönde. Damit
sie auch nicht z u r ü c k z u s i n k e n vermochte, wurde ihr ein
Strick um den Hals gelegt, der vorne befestigt war. Dann
spreizte man ihre Beine mittels zwei Brettern, die man
vor das Schienbein und hinter die Waden gelegt hatte,
weit auseinander. Anschliessend band man einen Strick
um ihre Knie und zog ihn mit schrauffen zusammen, wel-
ches ein solcher schmerlzen seye, das ihren gleich alle
sinn vergangen seien. Darum wisse sie nicht, wie lang sie
in solcher marler gesessen sei.
Drei Tage s p ä t e r habe man sie mit zwayen steinen ahn
die waag oder follter aufgezogen und etwa eine Viertel-
stunde daran h ä n g e n lassen, gleich darauf noch auf den
Esel gesetzt und mit verbundenen äugen ahngeschrauffl.
Dann seien die Amtleute zum Mittagessen gegangen und
sye also jämerlich sitzen lassen. Nachdem sie wieder ge-
kommen waren, machte man ihr einen rauch unter das
hemet. Als sie sich schliesslich nicht mehr regte, habe
man sie herabgelassen und in das Verliess gelegt.
Etliche Tage s p ä t e r wurde sie wieder ins Spanische
Fusswasser gesetzt. Auch dabei habe sie aber nichts be-
kannt. Deshalb sei sie nach zehn Tagen Gefängn i s wieder
freigelassen worden.
Obwohl das Gericht der Morat in kein G e s t ä n d n i s ab-
ringen hatte k ö n n e n , forderte es von ihr 170 Gulden. Da
das Geld von ihrer Familie nicht eingezogen werden
konnte, stellte die Obrigkeit auf zwei ihrer Liegenschaften
einen Zinsbrief' in der H ö h e von 100 Gulden aus und ver-
kaufte diesen an einen Juden.
147
Barbara Moratin verfiel spätestens gegen Lebensende in
Wahnsinn und verstarb laut Totenbuch der Pfarrei Mau-
ren am 21. November 1699 in ihrer Heimatgemeinde. 612
KATHARINA BREGENZERIN AUS MAUREN,
EHEFRAU PETEH KIBEHS
(SRg, fol. 70a-74b; StAAug 2968, fol. 33a-35b;
StAAug 2971, fol. 13a+b; VLA.., HoA 76, 17 Liste von
1682, S. 4 u. 11; Weiz 2, S. 22 f.)
(Zur genealogischen Orientierung sei vorangeschickt, dass
der im folgenden erwähnte Hans Bregenzer mit l'vlarga-
retha Kiberin - einer Stieftochter seiner Schwester Katha-
rina Bregenzerin - verheiratet war. Der ebenfalls ange-
führte Michael Schechle war ein Sohn der Barbara Mora -
tin, diese wiederum eine Halbschwester der verbrannten
Katharina Föhrin und eine Schwester der l'vlutter von Kat-
harina Bregenzerin.)
Nicht nur die (Halb-)Schwester ihrer l'vlutter, die ver-
brannte Katharina Föhrin, sondern auch ihre eigene Mut-
ter hatten Katharina Bregenzerin einen schlechten Huf
vererbt. Sie war bei möniglichen sehr verschrait. Ihr Va-
ter hatte als ein versoffener dokhelmauser gegolten.
Bei einer Inquisition am 5. September 1677 sagte die 30-
jährige Maria l'vlarxerin unter Eid aus, ihre Schwester
Elisabeth sei vor etwa drei Jahren zu ihrer ehemaligen
Nachbarin Katharina Bregenzerin mit der kwzkheli
(Spinnrocken613) auf Besuch gegangen. Als sie sich wieder
nach Hause begeben wollte, habe ihr die Bregenzerin ei-
nen bierenzelten mit den Worten gegeben: Nimm ihn
nuhr, es hat meine Schwägerin l'vlargaretha Kiberin, die
rothe hex, mich verschreyet, das ich mich ferchten mues,
wan ich ainem menschen etwas geben thue. weilen sy
vorgegeben, daß ich mit dergleichen darreichwzg einem
oder dem anderen einen schaden zugefiegt haben solle.
Daraufhin habe die Elisabeth den Zeiten angenommen,
aber gleich nach dessen Genuss grosse Schmerzen emp-
funden, die selbst durch geistliche Mittel nicht mehr zu
vertreiben waren.
Auf Grund dieser Aussage wurde Elisabeth i'vlarxerin
selbst einvernommen. Sie bestätigte das Angeführte,
konnte jedoch nicht mehr angeben, wann und wie bald
nach der Einnahme des Zeltens sie erkrankt war. Sie wis-
se nur, dass sie wegen der Erklärungen der Bregenzerin
über den Hexenverdacht vor dem Zeiten einen grausen
bekommen habe.
Im Anschluss an ihre Darlegungen ist im Inquisitions-
protokoll vermerkt, dass Elisabeth nach dem Genuss des
Zeltens gleichsamb ganz von sinnen eine geraume zeit ge-
wesen, also daß man vermaint. sy seye gar besessen.
Deshalb habe man sie nicht verhören können. i'vlan habe
148
mehr nach der Aussage ihrer Schwester als nach jener
Elisabeths richten müssen. Wenn diese bei gesundem
Verstand war, erklärte sie, das Übel sei nach der Anwen-
dung von geistlichen Mitteln von iro gebrochen. Sie ver-
dächtigte allein die Bregenzerin, von der ihr im Traum
vorgekommen sei, als ob sie zu ihr gesagt habe, sie solle
auch mit dem jungen volkh in Peter i'vlatts Behausung ge-
hen, dan es seye gar fein. wan daß junge volkh miteinan-
der gehe. Dazu war zu bemerken, dass Peter J\fatts Frau,
die der Bregenzerin nahestand, damahlen noch gelebt
wzdt aber entzwischen verbrendt worden war.
Die dritte Zeugin bei der Inquisition am 5. September
1677 war die 32-jährige Margaretha Kiberin, die Ehefrau
Hans Bregenzers aus l\fauren abm Stainböß. 614 Sie erklär-
te, dass sie im Kindbett wegen eines 1vluses, das ihr von
der Stiefmutter Katharina Bregenzerin zubereitet worden
war, grosse Schmerzen erlitten hatte. Sie soll deshalb
gewiss acht Wochen lang krank darniedergelegen sein.
Ursprünglich habe sie ihre Stiefmutter nicht verdächtigt.
Da sie aber von unterschiedlichen Personen, insbesonde-
re von der Laternserin, erfahren hatte, die Bregenzerin
sei mit dem abscheulichen Laster der Hexerei behaftet,
glaubte sie dann doch, dass diese an ihrem Leiden schuld
gewesen sein könnte. Dazu kam noch, dass ihr Mann,
Hans Bregenzer, mit seiner Schwester Katharina Streit
hatte. In dessen Verlauf seien nach entsprechenden
Androhungen Unfälle eingetreten, die den 1-lexereiver-
dacht verstärkten. Sie bat, über diese Geschehnisse ihren
Mann einzuvernehmen.
Dieser wollte jedoch von der Aussage seiner Frau
nichts wissen, sondern erklärte, er halte seine schwester
für fromb. Es sei schon einmal etwas wegen Michael
Schechle geredt worden, wodurch ein Streit entstand. Er
könne sich jedoch nicht mehr genau daran erinnern. Im
Protokoll ist dazu vermerkt, dass Hans Bregenzer durch
diese Aussage den vogel aus clisen fecleren zuerkhemzen
gegeben habe. Er wolle augenscheinlich der schwester
belz waschen, und ihne doch nit nezen.
Die nächste Zeugin war die 28-jährige ledige Magdale-
na Marxerin, Lienhards Tochter, aus Mauren. Sie hegte
gegen die Bregenzerin einen Argwohn, weil ihr Bruder,
der vor ungefähr 14 Jahren verstorben war, vor seiner
langwierigen Krankheit öfters die Bregenzerin besucht
hatte.
Dr. Weiz bezeichnete Katharina Bregenzerin im Gutach-
ten vom März 1679 als sehr suspect. Zur Folterung reich-
ten die Indizien jedoch noch nicht aus.
Am 2. September 1680 wurde abermals über die Bregen-
zerin inquiriert. Der 31-jährige Andreas Stral gab damals
zu Protokoll, er habe vor ungefähr fünf Jahren von den
Leuten gehört, die Bregenzerin sei auf Steinbös hinter ei-
nem Strauch gestanden, als Adam Schipfer auf eine Elster
geschossen habe. Dabei traf er aus Versehen die Frau und
kurierte sie später selbst. Man erzähle sich, sie habe aller
erst nach dem Tod Schipfers den arzetlohn mit dessen
Erben verrechnet. Ausserdem sage man, sie trage noch
de facto schrött im arm herum.
Der 38-jährige Michael Marxer erklärte am selben Tag,
dass auch er das Erwähnte von leiiten und so zu sagen
von iederman gehört habe.
Der Ehemann der Bregenzerin, der 7 4-jährige Peter
Kiber, gab an, er habe Zeit seines Lebens bei seiner Frau
nichts Verdächtiges bemerkt, ausser dass sie ihm einmal
auf dem tisch gleich wzder der hand daß broth verruckht
und anderst gelegt. Deshalb habe er etwas argwohn ge-
fast. Weiters hab sie ihme. so lang er mit ihr hause, im
khain ganzes broth auf den disch geben, er ihr vil mahl
gsagt, sie seye eine hex, er woll ihr helfen lassen. Sie
habe dem jedoch immer widersprochen. Darüber hinaus
habe sie seit anfang ihrer haushaltung stets den Besen
zmder ober sich hinder die thiier gestelt.
Am 3. September 1680 erklärte der 30-jährige Chri-
stian Risch, er könne nichts Gutes von der Bregenzerin
sagen. Der verstorbene i'vlichael i'vlarxer, den er in seiner
Krankheit gepflegt hatte, habe noch im Totenbett behaup-
tet und sei darauf gestorben. das sie ihm die khrankheit
habe angethan. Als i'vlichael Schechle gefangen worden
sei, hätten sich Katharina Bregenzerin und ihre Schwe-
ster Maria zu dessen Mutter, der l\foratin, begeben und
sich mit ihr beratschlagt. Sie liessen dann verlauten,
Michael müsse die Hexerei in der Fremde gelernt haben.
Als man später Katharina gefangennahm, seien deren
Geschwister wieder zusammengekommen.
Der 70-jährige Ferdinand VVang(n)er aus l\fauren legte
dar, dass die Mitglieder der Familien Bregenzer und l'vlo-
ratin in einem üblen Ruf stünden und sich öfters träfen.
Er habe im ganzen Leben nichts Gutes von ihnen gehört.
Die Bregenzerin wurde am 22. August 1680 vor Gericht
einvernommen. Nach zweimaliger Folterung, wobei sie
unter anderem drei Stunden lang im Spanischen Fuss-
wasser gesessen war, wurde die Bregenzerin cws dem
schloß entlassen. Kaum befand sie sich in Freiheit, ver-
haftete man sie jedoch gleich widerumben und folterte sie
abermals zweimal. Ihre Widerstandskraft konnte jedoch
nicht gebrochen werden.
In einem Schreiben von 1682. mit dem sie sich um
Rückerstattung der Konfiskationsgelder an die kaiserliche
Kommission gewandt hatte, schilderte die Bregenzerin
ihren Gefängnisaufenthalt. Wie die Moratin führte auch
sie einen anderen Zeitpunkt der Gefangennahme als das
Salzburger Rechtsgutachten an: Sie soll am 26. August in
die Vaduzer keuchen gebracht worden sein. Nachdem sie
bei der ersten Examination nichts gestanden hatte. wurde
sie ins Spanische Fusswasser gesetzt, das sie gleich be-
«DER TEUFEL UND DIE HEXEN MÜSSEN AUS
DEM LAND ... » / MANFHED TSCHAIKNEH
schrieb wie die Moratin. Sie sei drei Stunden darin geses-
sen und zweimal umgedreht worden. Bei der folgenden
Einvernahme habe man sie aufgefordert, sie solle nur
bekhennen. das sye ein grausame hex seye. Als sie das
nicht tat, wurde sie ahn die waag geschlagen und eine
halbe viiertel stund daran hangen lassen. Nach vier
Tagen habe man sie vor die Amtleute kommen lassen und
ihr mit guethen wortten gesagt, weilen sye nichts ahn
ihren befunden. wollen sye selbige auf wohlverhallten der
gefängnus erlassen. Als sie aber unter das Schlosstor
gekommen war und heimgehen wollte, seien zehn oder
zwölf Mann gekommen, welche sye rükhlingen aufgehöbt,
auf ain laitter gebunden unnd widerwnb in die marterstu-
ben getragen hätten, wo sie der Landvogt abermals ex-
aminierte und hernach an die Folter schlagen liess. Dort
blieb sie mit stain an den Füssen eine halbe Stunde lang
hängen. Nach fünf Tagen wurde sie neuerlich in das er-
schrökhliche fueßwasser gesötzt wrnd wohl drey stwzd
darinnen gelassen. Acht oder zehn Tage später führte
man sie wieder vor die Obrigkeit und hatte sie nach aufle-
gung der rechten hand auf die linkhe brust (warbey Peter
Matt fiir sye ahn/oben miessen) wiederwnben nach hauß
erlassen.
Von ihrem Mann wurden in der Folge 180 Gulden Ge-
richtskosten verlangt. Schliesslich habe sich das Gericht
mit 100 zufrieden gegeben. Diese musste Peter Kiber ent-
leihen, so dass letztlich Ausgaben in der Höhe von 130
Gulden anfielen. Von der kaiserlichen Kommission erwar-
tete sich die Bregenzerin nicht nur die Hückerstattung des
Geldes, sondern auch einen abtrag für allen erlittenen,
vor keuschen augen unndt ohren zuenemzen nit gepührli-
chen spott, sc/wnd wrndt ohnbeschreibliche leibs=marter.
Katharina Bregenzerin verstarb am 8. Mai 1693 in ihrer
Heimatgemeinde Mauren und wurde am örtlichen Fried-
hof begraben. 615
612) Freundlicher Hinweis von Frau Eva Pepic. Schaan.
613) Vorarlbergisches Wörterbuch. Bd. 2. Sp. 190.
614) «Abfallende Wiesen mit Häusern nordöstlich vom Wegacker.
westlich von Neusträssle und Gaggalätsch»: L.Nb Mauren. S. 40 f.
Zur Ethymologie des Namens vgl. Banzer u. a .. Flur und Name.
S. 108 f.
61 S) Freundlicher Hinweis von Frau Eva Pepic. Schaan.
149
INQUIRIERTE PERSONEN AUS DER
GRAFSCHAFT VADUZ
G R E T A SCHIERSERIN A U S S C H A A N
(Welz 1, S. 59)
Greta Schierserin scheint im Salzburger Rechtsgutachten
nicht auf. Ihr wurde ein vorgegebner großer bauch zum
Vorwurf gemacht. Sie scheint sich vor einer Gefangennah-
me sehr ge fü rch te t und deshalb eine Schwangerschaft
vo rgeschü tz t zu haben.
Die Anschuldigungen gegen sie reichten laut Dr. Welz
nicht f ü r eine Verhaftung aus. Die Regel der Pragmatiker,
dass derjenige, der als unschuldig gelten wi l l und sich
entschuldigt, bevor er beschuldigt wi rd , sich zum Ange-
klagten macht (regula politicorum. quod, qui se excusat,
antequam incusetur, dum innocens videri cupit, sese
reum faciat), komme bei ihr nicht zur Anwendung.
M A R I A L A M P A R T I N A U S S C H A A N ,
T O C H T E R H A N S L A M P A R T S
U N D E H E F R A U J A K O B DINTLS
(SRg, fol. 172b-173b u. 223b-224a ; V L A , HoA 76,17
Liste von 1682, S. 13 u. 17; Welz 1, S. 25 f. u. 44 f.)
M a r i a Lampart in wurde e inmal denunziert und war von
ihrem ganzen geschlecht eigner person nach in bösem
ruß'. Ihr Grossvater vä te r l i cherse i t s sei der hexereg halber
entloffen, andere Verwandte habe man verbrannt. Ihr
schlechter Leumund r ü h r t e auch daher, dass sie zusam-
men mit ihrem Sohn in letsterm proceß entflohen war
und sich erst nach dem Ende der Gerichtsverfahren wie-
der zu Hause eingefunden hatte.
Über die Lampart in wurde schon am 9. August 1675 in-
quiriert. Damals sagte Thomas Walser aus Schaan aus, er
habe nicht richtig schmalzen k ö n n e n , als die Lampart in
bei ihm zu Hause gewesen sei. Daraufhin habe diese
jedoch auf 2 mahliges aufrühren sovil schmalz herausge-
bracht, daß weder vor oder darnach er nit mehr bekhom-
men habe.
A m 12. Jul i 1677 gab derselbe Zeuge zu Protokoll,
dass ihm von der Lampart in zum öfftern daß rihren ge-
nommen worden sei. E inmal habe er nach einem Besuch
der Lampart in in seiner Stube sechs Wochen lang kein
Schmalz mehr gewinnen k ö n n e n . Als sie von ihm der zau-
berey ins angesicht beschuldiget worden sei, habe sie nur
gesagt: Bin ich ein hex, so sein deß krummen Schneiders,
Michel Walsers, und Johannes Beckhen eheweiber auch
hexen.
Dr. Welz sprach sich in seinem Gutachten vom März
1679, in dem er ihren Fa l l versehentlich zweimal bearbei-
tete, gegen eine Folterung aus. Sie sollte etwas gelinder
procedirt werden.
A u f ein weiteres Einschreiten der Obrigkeit gegen die
Lampart in gibt es keinen Hinweis . Laut Prozessopferliste
von 1682 wurde gegen sie nicht prozessiert.
CHRISTOPH DINTL A U S S C H A A N ,
SOHN M I C H A E L DINTLS
(SRg, fol. 173b-174b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 13; Welz 1, S. 26 f.)
Christoph Dintl war von elitern, ahnen, uhr= und guggah-
nen [Ururahnen0"'] übel berüchtigel.
A m 9. August 1675 wurde ü b e r ihn inquiriert. Dabei warf
ihm Stoffel Wangner vor, dass er genau d a r ü b e r infor-
miert war, wie die Hexen zum Tanz auf dem Heuberg
zusammenkommen. E r wusste sogar ü b e r die Zahl der
S c h n u p f t ü c h e r und des Samens Bescheid. Den Vorwurf
Wangners, er m ü s s e bey solcher wissenschafft selbst
nichts nuz sein, habe sich Dintl nicht gefallen lassen. Ähn-
lich detailliert und aus füh r l i ch soll s ich Dintl auch gegen-
ü b e r der zweiten Zeugin, Kathar ina Jehlin von Planken,
ü b e r H e x e n t ä n z e g e ä u s s e r t haben.
Dr. Welz hielt im Gutachten vom März 1679 dafür , dass
Dintl bei den vorliegenden Indizien zwar gefangen, jedoch
nicht gefoltert werde. In den Akten findet sich kein Anze i -
chen, dass gegen den Inquisiten weiter vorgegangen wor-
den w ä r e .
Seine Existenz spricht ü b r i g e n s dagegen, dass die
Schaaner Famil ie Dintl (Düntel) - wie Peter Kaiser meinte
- bei den Hexenprozessen gleichsam ausgerottet wur-
de . 0 1 7
A N D R E A S W A L S E R , G E N A N N T K R I E G E R ,
A U S S C H A A N 6 1 8
(SRg, fol. 205a-206a; Welz 1, S. 36 f.)
Andreas Walser wurde zweimal denunziert, und man hat-
te auch sonsten alte indicia gehebt.
Bei einer Inquisition am 27. Jul i 1676 belastete ihn Georg
Conrad aus Schaan, der mit ihm in Streit lebte und ihn fü r
den Tod von zwei Schweinen verantwortl ich machte. A m
3. Februar 1679 war Hans Negele aus Schaan Zeuge bei
einer weiteren Inquisition ü b e r Walser.
Dr. Welz e rk lä r t e , dass Walser durch die erhobenen Vor-
w ü r f e nicht der Zauberei ve rdäch t ig t werden konnte,
empfahl aber dennoch die weitere Suche nach Indizien
150
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
und in der Folge auch Walsers Gefangennahme. Al lem
Anschein nach folgte die Vaduzer Obrigkeit dieser Emp-
fehlung nicht.
S U S A N N A K A U F M A N N I N A U S S C H A A N ,
E H E F R A U K A S P A R B E C K S
(SRg, fol. 236a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 18; Welz 1, S. 53 f.)
Gegen sie sagte am 6. August 1677 ihr eigener Bruder,
der Schneider Bartlme Kaufmann , aus. Er hatte vor drei
Wochen zusammen mit seinem Lehrjungen bei Susannas
Ehemann Kaspar Beck gearbeitet und von der Kaufman-
nin Kirschen und Birnen zum Essen erhalten. Davon hät -
ten Bartlme und der Lehrjunge schwere Magen- und
Kopfschmerzen bekommen. Dem Schneider seien d a r ü -
ber hinaus am ganzen Leib bunzel aufgangen, die sehr
gebissen hä t t en , aber bald wieder vergangen.
Dr. Welz betonte, dass die Kaufmannin in gutem Ruf
stand. Wenn schon jemand ve rdäch t ig sei, dann falle der
Argwohn h ö c h s t e n s auf ihren der zauberey suspecten
Mann.
A N N A M A R I A N E G E L I N UND IHRE G E S C H W I S T E R
AUS S C H A A N ; A N N A M A R I A W A R DIE E H E F R A U
M I C H A E L B E C K S , H A N S E N S O H N 6 1 9
(SRg, fol. 230a-231b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 17; Welz 1, S. 48 f.)
A n n a M a r i a Negelin wurde 1675 einmal denunziert. Ihre
Mutter sei der Hexerei wegen aus dem landt geschafft
worden, weiden ein ehrlicher man darauf gestorben, daß
sye ihme ein stier verritten habe.
Über die Negelin und ihre Geschwister wurde am 13. Jul i
1677 inquiriert. Der einzige bekannte Zeuge, Ulr ich Ne-
gele, war A n n a Marias Bruder. Er behauptete, sie könne
mause machen und [habe] neben ihme von der mutier
gelernet.
Für Dr. Welz war auch verdäch t ig , dass sich die Negelin
mit Michael Beck verheiratet hatte: Nascitur ex socio, qui
non cognoscit ex se. Er sprach sich im März 1679 d a f ü r
aus, dass sie gefangen, aber sehr bedächtlich und grada-
tim (stufenweise) einvernommen w ü r d e . Dazu scheint es
nicht gekommen zu sein.
ROSINA B E C K I N A U S S C H A A N ,
T O C H T E R M I C H A E L B E C K S ( H A N S E N SOHN)
UND E H E F R A U H A N S FROMOLTS
(SRg, fol . 229a-230a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 1.7; Welz 1, S. 47 f.)
Laut Salzburger Rechtsgutachten hatte man beide Gross-
m ü t t e r der Beckin verbrannt. Die Vorfahr in müt te r l i che r -
seits war jedoch « n u r » des Landes verwiesen worden.
Über Rosina Beckin wurde am 13. Juli 1677 inquiriert.
Dabei sagte M a r i a Walser in aus, dass sie einst mit den
Fromolt ischen bestimmte Güter geteilt und dabei beim
Ehemann der Beckin als Miterben ein kraut stehen lassen
habe. Nachdem sie dieses von der Beckin ü b e r n o m m e n
hatte, assen sie und ihr Mann am n ä c h s t e n Tag vom
Kraut, woraufh in ihnen gleich übe ! geworden sei. Nur den
Kindern , die auch davon gekostet hatten, habe es nicht
geschadet.
Hans Georg Fromolt e rk l ä r t e , dass er dem Ehemann
der Beckin ein khuele in der waydt verdingt habe, wobei
sich verschiedene Leute beim Melken abwechseln sollten.
Als die Beckin an der Reihe war, habe sie sich mit der
Aussage geweigert, wan dem kuele waß geschehe, so
wurde man sagen, sye wäre ein Beckhin. Nachdem Hans
Georg Fromolt aber das Tier vom Ehemann der Beckin
geholt und bei Christ ian Conrad pfelen (anpflocken, wei-
den) lassen hatte, erkrankte es am n ä c h s t e n Tag und gab
keine Mi lch mehr, bis er andere mittl gebraucht habe.
Für Dr. Welz reichten die Angaben im März 1679 nicht
fü r ein gerichtliches Vorgehen g e g e n ü b e r Rosina Beckin,
obwohl er deren Vater deß feüres würdig hielt.
616) Vorarlbcrgisches Wörterbuch. Bd. 1, Sp. 1259.
617) Kaiser, Geschichte. S. 433.
618) Örtliche Zuordnung durch die beiden Zeugen aus Schaan.
619) Aus den Unterlagen geht nicht klar hervor, welcher der beiden
der Hexerei verdächtigten Michael Beck aus Schaan gemeint
war. Da aber die Hochzeit von Dr. Welz als Indiz der Hexerei gewer-
tet wurde, dürf te es sich um den hingerichteten Michael Beck, Sohn
Hans Becks, gehandelt haben. Bei diesem ist auch ein Hexerei-
verdacht gegen seine Frau angeführ t .
151
M A G D A L E N A W A L S E R I N A U S S C H A A N 6 2 0 ,
E H E F R A U H A N S B E C K S , M A T T H I A S ' (THEISSEN)
S O H N 6 2 1
(SRg, fol. 204a-205a ; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 15; Welz 1, S. 35 f.)
Die Walserin wurde zweimal denunziert. Sie stand im
Verdacht, weil ihre Grossmutter, Mutter, deren Schwester
und auch ihre eigene Schwester als Hexen verbrannt wor-
den waren.
Über Magdalena Walserin wurde am 7. Ju l i 1676 inqui-
riert. Was dabei Eva Gantnerin aus Schaan zu Protokoll
gab, unterscheidet sich in den Aufzeichnungen des Salz-
burger und des Lindauer Rechtsgutachtens sehr stark. In
ersterem heisst es, die Walserin habe einmal, als sie die
Gantnerin besuchte, gesagt, sie werde wohl gut schmal-
zen k ö n n e n , denn sie habe eine vorzügl iche K u h . Danach
sei das Tier drei Wochen lang von der milch khommen, bis
man geistliche Mittel einsetzte. Laut Dr. Welz habe die
Walserin zur Gantnerin, deren kuh schon 3. wochen die
milch hinwegkommen, gescherzt, daß sie werde wohl
schmalz bekommen, indem sie eine gute kuh habe.
Für den Lindauer Gutachter reichte im März 1679 der
Sachverbalt, den die Gantnerin angegeben hatte, nicht fü r
eine Gefangennahme aus. Über die Walser in liegen keine
weiteren Prozessunterlagen vor.
M I C H A E L B E C K A U S S C H A A N ,
SOHN DES P U L V E R M A C H E R S M A T T H I A S B E C K
(SRg, fol . 206b+207a; StAAug 2971,
fol. 34a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 15;
Welz 1, S. 38)
Über Michael Beck wurde am 30. Jul i 1676 inquiriert .
Dabei machte ihn Roni Tschetter fü r den Tod eines Viehs
verantwortlich, weil Beck davor gedroht hatte, er woll
ihm schon einen andern dienst thun. Tschetter konnte
aber nicht sagen, ob Beck ü b e r h a u p t in der N ä h e des Tie-
res gewesen war oder dieses sogar a n g e r ü h r t hatte. Als
weiterer Zeuge sagte Ender l i Conrads Sohn aus.
Dr. Welz empfahl, weitere Indizien gegen Beck zu suchen
und ihn dann gefangenzunehmen. Es liegen jedoch keine
weiteren Prozessunterlagen vor.
B E R N H A R D B E C K , WIRT Z U S C H A A N
(SRg, fol . 261a+b; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682, S. 20)
Über Beck wurde am 25. Februar 1679 inquiriert . Dabei
gab Thomas Walser aus Schaan, der Sohn des gleichna-
migen Vaters, zu Protokoll, dass er und seine Geschwister
einmal zusammen mit Beck, dessen Bruder sowie dessen
Schwester, die inzwischen hingerichtet worden waren,
das Korn ge jä te t hatten. Als sie rasteten, sei Beck biswei-
len verschwunden. A n seiner Stelle sei dann ein Fuchs um
die Geschwister herumbgehupffet. K a u m war das Tier
verschwunden, sei Beck wieder hier gewesen.
Diesen Vorfal l e rk l ä r t e Dr. Moser damit, dass Beck ins
Korn gegangen sei und dadurch den Fuchs aufgescheut
habe; m ö g l i c h e r w e i s e habe er ihn sogar bewusst heraus-
getrieben.
M A R G A R E T H A FROMOLTIN A U S S C H A A N ,
E H E F R A U S E B A S T I A N STIGERS
(SRg. fol . 213a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 16; Welz 1, S. 41 f.)
Die Fromolt in wurde zweimal denunziert. Ihr Urana von
der muetter seye alß ein hex bekant und besibnel, aber pr.
500 f . redimirt worden. Der Bruder und die Schwester
ihrer Mutter sowie ihr eigener Bruder wurden der zaube-
rey überwiesen und theils verbrennt, theils sonsten im
carcere gestorben.
Über Margaretha Fromolt in wurde am 10. Jul i 1677 in-
quiriert. Der erste Zeuge, Andreas Conrad, gab ein Ge-
s p r ä c h mit ihr im Bofel (Kulturland südwes t l i ch und nord-
westlich des Dorfes 6 2 2 ) zu Protokoll , das einem G e s t ä n d n i s
der Hexerei gar nahe kompt, in dem sie sich dieser nach-
dencklichen worien bedienet, am Banx nehme man sie
nicht an, weilen sie daselbsten im ruff der hexerey stehe:
und wann sie eine hex seye, soll man sie hieroben ver-
brennen, wo man sie verbrennen soll.
Die anderen Zeugen waren Hans Köchlin und A d a m
Parfuess. Beide belasteten die Fromolt in nach Meinung
Dr. Mosers ebenfalls nicht. Laut Dr. Welz hatte ihr K ind
h e r u m e r z ä h l t , daß seine muter mauß machen könte.
Das Lindauer Gutachten sprach sich d a f ü r aus, dass die
Fromolt in zwar gefangen, jedoch nur ohne Folter einver-
nommen werde, bis weitere Indizien gegen sie vor lägen .
G e m ä s s Prozessopferliste von 1682 wurde gegen sie nicht
prozessiert.
M A R I A HOPPIN, GEBÜRTIG AUS V A D U Z ,
E H E F R A U GEORG N E G E L E S IN S C H A A N
(SRg, fol . 213b-214b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 16; Welz 1, S. 42 f.)
Nächs t e Verwandte der Hoppin waren wegen Hexerei
verbrannt worden. Ihr urana aber hette sich pr. 1000 f .
redimirt. Die Hoppin selbst wurde einmal denunziert.
152
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Über sie wurde am 10. Ju l i 1677 inquiriert . Georg A n -
ger beschuldigte sie, i hm fünf Tiere geschäd ig t zu haben.
Nachdem sie sich einmal Mi lch ausgeliehen habe, sei
gleich darauf die Kuh ex vi sympathetica ... ins abnehmen
kommen. Die Hoppin sei auch gar o f f t für sein zeugens
stall zu schwingen [Hanf oder Flachs bearbeiten623] khom-
men, welches sye auch zu hauß hette verrichten khönen.
Dr. Welz e rk lä r t e im März 1679, dass M a r i a Hoppin bei
den vorliegenden Indizien verhaftet werden k ö n n e . Laut
Prozessopferliste von 1682 bestanden keine Anhaltspunk-
te dafür , dass gegen sie prozessiert wurde.
GEORG N E G E L E A U S S C H A A N ,
E H E M A N N DER M A R I A HOPPIN
(SRg, fol. 214b-215a ; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 16; Welz 1, S. 42 f.)
Georg Negele und seine Ehefrau standen nicht alleine von
ihren vorfahren beederseits in schlechtem r a f f .
Über Negele wurde wie ü b e r seine Frau am 10. Jul i 1677
inquiriert. Dabei belastete ihn Georg Anger. Für Dr.
Moser war Anger aber selbst ve rdäch t ig , weil er beim
Doktor am Hirschensprung Rat geholt hatte, als er von
seinen vier H ü h n e r n keine Eier bekam, obwohl sie jeden
Tag gelegt h ä t t e n .
Dr. Welz e rk lä r te , dass das gegen Negele vorliegende
Indiz unterschiedlich gewertet werden k ö n n e und die
Entscheidung ü b e r eine eventuelle Gefangennahme beim
Richter liege. Laut Prozessopferliste von 1682 lagen keine
Unterlagen d a r ü b e r vor, dass gegen Negele prozessiert
wurde.
H A N S B L E N K A U S S C H A A N
(SRg, fol. 222b-223b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 17; Welz 1, S. 44)
Hans Blenk wurde einmal denunziert. Sein ana hette man
für ein öffentliche hex gehalten. Sein Vater und dessen
vier Geschwister waren verbrannt worden.
Über Blenk wurde am 12. Jul i 1677 inquiriert. Der einzi-
ge Zeuge, Hans Dressel, e rk lä r t e , Blenk sei zwecks eines
« K u h h a n d e l s » in seinen Stall gekommen und habe die
Hände auf seine zwei Rinder gelegt, die er zu kaufen
beabsichtigte. Daraufhin sei i h m die s c h ö n e r e K u h hin-
geschwungen.
Für Dr. Welz bestand kein ausreichender Grund für eine
Gefangennahme.
M A R I A W A G N E R I N A U S S C H A A N ,
W I T W E U L R I C H B L E N K S
(SRg, fol. 224a+b; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682, S. 17;
Welz 1, S. 45)
Die Wagnerin wurde zehnmal denunziert.
A m 12. Jul i 1677 fand eine Inquisition ü b e r sie statt, bei
der Thomas Walser zu Protokoll gab, dass ihm die Wag-
nerin ihr noth geklagt mit vermelden, sye wolte alles gern
leyden, wan man nur mit denen armen hexen ein endt
machete. Der Hunger, den sie litt, sei nicht so schl imm,
wann nur daß andere nicht wäre, aber es wolle mit dem
proceß gegen die arme hexen noch kein ende nehmen. Als
zweiter Zeuge sagte Landammann Bürkle aus.
Die Indizien gegen die Wagnerin reichten laut Dr. Welz
nicht fü r eine Verhaftung aus. Laut Prozessopferliste von
1682 wurde gegen sie nicht prozessiert.
CHRISTIAN FRICK A U S S C H A A N
(SRg, fol . 234a-235a; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 18; Welz 1, S. 51 f.; Welz 5, S. 7 f.)
Fricks Mutter, deren Schwester, seine eigene Schwester
und seine verstorbene erste Ehefrau waren verbrannt
worden.
A m 13. Jul i 1677 wurde ü b e r ihn inquiriert . Dabei gab
A d a m Parfuess aus Schaan einen worthstreitt zwischen
Frick und A d a m Maier auf einer Hochzeit zu Protokoll, in
dessen Verlauf ersterer Hexenmeister genannt worden
war.
In seinem Gutachten vom März 1679 meinte Dr. Welz
dazu, man m ü s s e die wahre Sachlage der Verdäch t igun-
gen zuerst r ichtig erkunden, bevor man gerichtlich ein-
greife.
Dieser Aufforderung kam das Vaduzer Gericht nach.
Bei einer Inquisition am 17. März 1680 wurde Frick
durch Aussagen von Thomas Walser und Georg Conrad
aus Schaan belastet. Laut Gutachten vom November 1680
sollte M a r i a Kaufmann in die Angaben Walsers noch
eidlich bes t ä t igen , dann bestand die Möglichkeit , Frick
gefangenzunehmen. Dazu d ü r f t e es aber nicht mehr ge-
kommen sein.
620) Örtliche Zuordnung durch die Zeugin und den Ehemann.
621) Im SRg, fol. 204b. heißt sie Hannsen Theusen seel. weib.
622) LNb Schaan, S. 18 f.
623) Vorarlbergisches Wörterbuch. Bd. 2, Sp. 1112.
153
S E B A S T I A N HILTI AUS S C H A A N ,
SOHN DES H A N S U N D B R U D E R A D A M
UND CHRISTIAN HILTIS
(SRg, fol . 235a+b; S tAAug 2969, fol . 49a; S tAAug 2971,
fol. 15a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 18;
Welz 1, S. 52 f.)
Sebastian Hilt i war der Hexerei verdächt ig , weil seine Mut-
ter von der hexenmäßigen raza der gallanderische[n] kin-
der624 abstammte, die teils wegen Hexerei verbrannt wor-
den und teils enüoffen waren. Sebastians Bruder Chris-
tian wurde 1679 als Hexenmeister hingerichtet.
Über Hilti wurde am 13. Jul i 1677 inquiriert. Dabei sagte
A m m a n n Georg Wolf aus, dass der Inquisit vor einem
Jahr ganz bekhumert zu ihm gekommen sei und gefragt
habe, ob man ihn wirk l ich , wie er vernommen habe, als
Hexenmeister fangen werde. Hil t i bat den A m m a n n , ihn
diese Absicht rechtzeitig wissen zu lassen, denn er m ö c h -
te davor mit einem sluckh gelt ins Schweizerland reisen,
die heylige orth zubesuechen.
Dr. Welz sprach sich im März 1679 gegen eine Verhaftung
aus.
Dennoch floh Sebastian Hil t i 1679 oder 1680 aus dem
Land, woraufhin 700 Gulden aus seinem Besitz konfis-
ziert werden sollten. 687 Gulden waren ta t säch l ich einge-
zogen worden und waren von der Obrigkeit laut Eintra-
gung in der Prozessopferliste von 1682 wieder zu rückzu -
erstatten.
Sebastian Hil t i liess sich zu Beginn der achtziger Jahre
in der N ä h e von Strassburg nieder, wo er eine Gemeinde-
schmiede pachtete.
H A N S J E H L E AUS P L A N K E N
(SRg, fol. 231b+232a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 17; Welz 1, S. 49)
Über Jehle wurde am 13. Juli 1677 inquiriert. Dabei gab
K l a u s 6 2 5 Negele eine Aussage zu Protokoll, die er s p ä t e r
noch einmal wiederholte.
Dr. Welz sprach sich im März 1679 d a f ü r aus, dass Jehle
wegen einer unertragliche[n] und höchst straffenswürdi-
ge[n] gottes=lästerung bestraft, aber nicht als Zauberei-
gefangen werde.
A N N A N E G E L I N A U S P L A N K E N ,
E H E F R A U A N D R E A S G A N T N E R S
(SRg, fol. 240a+b: V L A , H o A 76,17 Liste von 1682, S. 18;
Welz 1, S. 55)
Die sehr schlecht beleumundete A n n a Negelin hatte ein-
mal wegen einer Blutschande, die sie mit ih rem schwäher
(Schwiegervater) begangen hatte, als Busse vor der Ki r -
che stehen m ü s s e n .
Übe r sie wurde am 9. August 1677 inquiriert . Dabei gab
Chris t ian Negele zu Protokoll , A n n a Negelin habe seiner
Frau Eier geschenkt, woraufh in aber die eigenen sechs
Hennen kein einziges mehr legten.
Dr. Welz tat sich hier schwer, die Grenze zwischen Hexe-
rei, Hurerei und Diebstahl festzustellen. A u f alle Fälle be-
s t ü n d e n G r ü n d e , sie zu foltern. Laut Prozessopferliste von
1682 fanden sich jedoch keine weiteren Unterlagen ü b e r
ein entsprechendes Vorgehen.
A N N A OSPELTIN A U S V A D U Z
(SRg, fol. 225a-228a; Welz 1, S. 46 f.)
Gegen sie lag nur eine einzige Aussage im Zusammen-
hang mit Barbara Maurer in vor. Dr. Welz e rk lä r t e , dass
sie nicht f ü r eine Gefangennahme ausreiche.
M A R I A R E I N B E R G E R I N A U S V A D U Z
(SRg, fol . 180a+b; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682, S. 14;
Welz 1, S. 28)
Im vaduzischen Protokoll war vermerkt, dass die Reinber-
gerin bezügl ich der Hexerei übel beschregt gewesen sei.
Über sie wurde am 10. September 1675 inquiriert. Der
einzige Zeuge, Hans Ul r i ch W i l l i , konnte sie nicht richtig
belasten, zumal er selbst gegen die Reinbergerin keinen
Argwohn hegte. Laut Dr. Welz war sie vom Sohn ihres
Bruders und dessen Ehefrau bezichtigt worden, dass sie
ihnen ein Kind verlähmet habe.
Bei den vorliegenden Verdäch t igungen sprach sich der
Lindauer Jurist d a f ü r aus, dass die Reinbergerin zwar
gefangen und geschreckhet, aber nicht gefoltert werde.
Laut Prozessopferliste von 1682 fanden sich keine weite-
ren Unterlagen ü b e r die Reinbergerin.
154
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
HEINRICH OSPELT A U S V A D U Z
(SRg, fol. 224b-225a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 17; Welz 1, S. 45 f.)
Ospelt stand in einem schlechten Ruf, weil seine Mutter
verbrannt worden war und seine Schwestern in üblen
verdacht seyen.
Über ihn wurde am 12. Ju l i 1677 inquiriert. Der alte Zol-
ler Kaspar Schreiber behauptete dabei, Ospelt habe ihm
zwei Schweine verhext und durch zauberey getödtet. Der
Verdacht gegen ihn g r ü n d e t e auf der Tatsache, dass sich
Ospelt ungeheißner darum b e m ü h t hatte, die Schweine
beim Schnitt (wohl Kastration) zu halten, und dass die
Tierkadaver von raubvöglen in viel wochen lang nicht
angegriffen worden waren. Als zweiter Zeuge sagte Land-
ammann Georg Wolf gegen Ospelt aus.
Dr. Welz hielt eine Gefangennahme Ospelts f ü r nicht ange-
bracht. Laut Prozessopferliste von 1682 wurde gegen ihn
nicht prozessiert.
LUCIA W O L F I N A U S V A D U Z
(SRg, fol. 233b+234a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 17; Welz 1, S. 51)
Über die Wolfin wurde am 13. Jul i 1677 inquiriert. Stoffel
Wi l l i , ein Küfer aus Vaduz, konnte dabei nur von einem
gezanckh oder weiberischen worthstreitt zwischen der
Wölfin und ihrer S c h w ä g e r i n Susanna Straubin berichten,
bei dem die eine die andere als Hexe bezeichnet hatte,
welches wol öffters under denen gemainen weibern zuge-
schehen pflegt.
Dr. Welz meinte i m März 1679, dass die Inquisition nach
den vorliegenden Unterlagen eher ü b e r die Straubin als
ü b e r die Wolfin hä t t e erfolgen sollen. Er empfahl, eine
heimliche nachfrage ü b e r erstere zu halten.
M I C H A E L HILBI, MÜLLER Z U T R I E S E N
(SRg, fol. 180b-181b; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 14; Welz 1, S. 28)
Hilbis Vater und eine Schwester waren verbrannt wor-
den; ein Bruder Michael Hilbis hä t t e dasselbe Schicksal
erfahren sollen. Er selbst war etwas beschreyt.
A m 11. Oktober 1675 wurde ü b e r ihn inquiriert. Der Zeu-
ge Mart in Schurti e rk lä r t e , Hi lb i sei in seinen Stall gekom-
men und habe seine Kuh mehrmals angegriffen, worauf-
hin diese sogleich erkrankte. Schurti hegte jedoch keinen
Verdacht gegen Hilbi , sondern kenne ihn als einen guten
Nachbarn. Die Kuh sei auch vorher schon einmal krank
gewesen, ohne dass sie Hi lb i a n g e r ü h r t hatte. Er sei da-
mals bloss bei ihm im Stall gewesen.
Dr. Welz sprach sich gegen eine Verhaftung Hilbis aus,
stellte jedoch die Entscheidung dem herrn inquirenten
anheims. Laut Prozessopferliste von 1682 wurde gegen
Hi lb i nichts vorgenommen.
ULRICH RIG A U S T R I E S E N , B R U D E R J A K O B RIGS
(SRg, fol. 188a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 14;
Welz 1, S. 30)
Rig wurde e inmal denunziert und sei von derselben Art
gewesen wie sein Bruder Jakob, der verbrannt worden
war.
Über Ulr ich Rig wurde am 20. Juni 1676 inquiriert. Die
beiden Zeugen Cornelius Marogg und Jakob Bargezi
konnten ihn laut Dr. Moser nicht belasten. Auch fü r
Dr. Welz hatte der Inquisit dem Zeugen Marogg gegen-
ü b e r nur ganz dunckhle wort verlauten lassen. Bei einem
Streit hatte Ulr ich seinen verbrannten Bruder Jakob übr i -
gens e inmal der Hexerei bezichtigt, was er jedoch wieder
z u r ü c k n e h m e n musste.
In den Unterlagen finden sich keine Hinweise darauf,
dass gegen Ulr ich Rig weiter gerichtlich vorgegangen
wurde.
M A R I A E B E R L I N Z U T R I E S E N , 6 2 6 T O C H T E R
K A S P A R E B E R L I N S UND E H E F R A U H A N S
E B E R L I N S
(SRg, fol. 192a-193a ; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 15; Welz 1, S. 31 f.)
M a r i a Eberl in wurde einmal denunziert. Ihre Mutter sei
alß eine hexe, wie davor zu halten, von dem teüfel erwür-
get worden.
Über die Eberl in wurde am 27. Juni 1676 inquiriert. Da-
bei e rk l ä r t e Hans Barbier aus Triesen, sie habe ihn vor 20
Jahren dreimal in die Schulter gezwickt, was ihm grossen
Schmerz verursachte.
624) Bei einem Verhörtag in Vaduz wird am 26. Februar 1644 ein
Adam Gallander e rwähnt : LLA RA 144/175, S. 101.
625) Im SRg, fol. 231b, wird der Zeuge wohl versehentlich «Ulrich»
genannt. Die Annahme, daß er wahrscheinlich nicht mit dem Bruder
Anna Maria Negelins aus Schaan identisch war, wird auch durch die
unterschiedlichen Ortsangaben erhär te t .
626) SRg, fol. 192a+b.
155
Laut Prozessopferliste von 1682 wurde gegen sie - wie Dr.
Welz in seinem Gutachten empfohlen hatte - nicht prozes-
siert.
SIMON NIGG A U S T R I E S E N ,
B R U D E R M A R T I N NIGGS, DES RÄDERMACHERS,
W O H L EIN SOHN GEORG NIGGS
(SRg, fol. 236b+237a ; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 18; S tAAug 2969, fol . 48a; S tAAug 2971, fol . 18a;
Welz 1, S. 54)
Simon Nigg wurde mehrmals denunziert. Seinen Bruder
Mar t in Nigg, R ä d e r m a c h e r in Triesen, verbrannte man
1680. A u c h der Bruder des Vaters war auf diese Weise
hingerichtet worden; Simons Vater stand in schlechte-
stem Ruf.
Über Simon Nigg wurde am 6. August 1677 inquiriert.
Dabei e rk lä r t e Christ ian Beck, Simon Nigg und sein Bru -
der Mar t in hä t t en wider den landtvogt Prügler ge-
schmückt und selben iniurirt. Weiters gab Hans Kindle zu
Protokoll, dass Simon bestimmte Witterungen vorherge-
sagt habe, die ta tsächl ich eingetroffen seien.
Obwohl auch Dr. Welz Nigg ve rdäch t ig te , an den Vorberei-
tungen magisch erzeugter Unwetter beteiligt gewesen zu
sein, schlug er im Gutachten vom März 1679 eine milde
Vorgangsweise gegen ihn vor. M a n sollte ihn befragen,
woher er seine calender machen gelernet.
Davor war Nigg jedoch auf vilfältig öffentliches antrohn
der gefankhnus und uf mahnung des weibs und gueter
fründen (nach dem exempl anderer entwichner) aus dem
land entloffen. Wie auch aus der Konfiskationsgelderliste
vom 11. Ma i 1680 hervorgeht, sollte seine Familie 100
Gulden bezahlen. Die zum fahen. scheiter häufen ufzu-
richten und zu anderen dergleichen geschafften verord-
nete vermochten jedoch bei Niggs F rau und seinen vier
Kindern nur zehn Gulden aufzutreiben. Dabei hatte man
der Ehefrau trotz ihres Bittens und Weinens alles Holz
vom Haus w e g g e f ü h r t .
N . SPIESIN AUS T R I E S E N , 6 2 7
E H E F R A U J A K O B SCHURTIS
(SRg, fol . 244a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 18; Welz 1, S. 57 f.)
Ihre Urgrossmutter und Grossmutter mü t t e r l i che r se i t s
sowie deren Schwester waren verbrannt worden. Ihre
Mutter war entwichen.
Über die Spiesin wurde am 28. J ä n n e r 1679 inquiriert.
Die beiden Zeugen, die A m m ä n n e r Georg Wolf und Kas-
par Schreiber, e rk l ä r t en , die Spiesin habe die Jäger , die
vor einiger Zeit ö f t e r s einen Wolf verfolgt hatten, ausge-
lacht und zu ihnen gesagt, man werde ihn nicht fangen,
denn er stelle sich in eine hohle Buche oder Tanne und
lasse seine Verfolger vorbeigehen.
F ü r Dr. Welz bildete diese Aussage einen Grund, die Spie-
sin zu verhaften und zu befragen. F ü r eine Folterung
reichte das Indiz jedoch nicht aus. Mehr ist nicht bekannt.
J A K O B PANZER A U S T R I E S E N , 6 2 8 SOHN S T E F A N
PANZERS; E H E M A N N DER M A R T A N E G E L I N
(SRg, fol. 244b-245b; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 18; Welz 1, S. 58)
Über Jakob Panzer und seine Frau Mar ta wurde am
25. J ä n n e r 1679 inquiriert. Dabei sagte Leonhard Kindle
manches aus, was er nur g e h ö r t hatte. D a r ü b e r hinaus
gab er zu Protokoll, seine Buben h ä t t e n e inmal den pockh
aus dem stahl und selbigen kurzweil halber springen las-
sen, wobei Panzer und seine Frau zusahen. Als daraufhin
der Bock an den Hinterbeinen lahmte und nur durch
geistliche Mittel wieder geheilt werden konnte, wurde das
Ehepaar d a f ü r verantwortl ich gemacht, da schliesslich
ausser ihm keine fremde Person dem springenden Tier
zugesehen hatte.
Dr. Welz e rk l ä r t e im M ä r z 1679, dass bei dieser Voraus-
setzung eine Verhaftung nicht angebracht sei, zumal auch
das Ehepaar Panzer stets in gutem Ruf lebte.
M A R J A i 6 2 9 N E G E L I N , E H E F R A U J A K O B P A N Z E R S
A U S T R I E S E N 6 3 0
(Vgl. oben)
H A N S G A S S N E R V O M ROTABODA A M T R I E S E N B E R G ,
SOHN DER M A R I A S C H L E G L I N ,
B R U D E R DER M A R G A R E T H A G A S S N E R I N
(SRg, fol. 172a; Welz 1, S. 23-25; V L A , H o A 76,17 Liste
von 1682, S. 12)
Über Hans Gassner wurde durch Landrichter Dr. Christ i-
an und Landvogt Köber le am 3. März 1667 inquiriert. Da-
bei e rk lä r t e Hans Büeh l e r , 6 3 1 dass ihn die Nachbarn fü r
den Tod von vier Kä lbe rn verantwortl ich machten.
Dr. Welz sprach sich 1679 gegen eine Folterung aus.
156
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
M A R G A R E T H A G A S S N E R I N V O M ROTABODA
A M T R I E S E N B E R G ,
TOCHTER DER M A R I A S C H L E G L I N ,
S C H W E S T E R DES H A N S G A S S N E R
(SRg, fol. 172b; Welz 1, S. 23-25; V L A , HoA 76,17
Liste von 1682, S. 13)
A m 3. März 1667 wurde durch Landrichter Dr. Chris t i -
an und Landvogt Köberle auch ü b e r Margaretha Gass-
nerin inquiriert. A n n a Beckin, die Ehefrau Hans Becks,
gab dabei zu Protokoll, dass ihr bei der Mi lch Schaden zu-
gefügt worden sei. Bei der Identifizierung des S c h ä d i g e r s
war sie auf daß wahrsagen des Christa Theni gangen.
Die zweite Zeugin war A n n a Negelin, die Ehefrau Hans
B ü e h l e r s . 6 3 2 Sie sagte wegen der bezauberten kennen in
ihrer Stube aus.
Die Gassnerin soll sich ü b r i g e n s auch g e g e n ü b e r A m -
mann Hans Negele vom Tr iesenberg 6 3 3 mit den specialitä-
ten von deß teuf eis (deus sit nobiscum) verräthereyen und
beredungen gegen die böse leüthe herausgelasen haben.
Dr. Welz sprach sich 1679 gegen ihre Folterung aus. In
den Akten fand Dr. Moser keine Belege fü r ein Gerichts-
verfahren.
M A R I A S T E G N E R I N V O M W A N G E R B E R G 6 3 4
A M T R I E S E N B E R G ,
E H E F R A U DES H A N S GÖTSCH
(SRg, fol. 167b-169a; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 12; Welz 1, S. 20 f.; bei SRg, fol. 167b, und Liste von
1682, S. 12, fälschlich «S t reger in» genannt)
Mar i a Stegnerin wurde einmal als Hexe denunziert. Von
den Eltern her stand sie in keinem schlechten Ruf, sie
selbst jedoch hielten zahlreiche Leute fü r eine zauberin.
Deshalb habe man sie unangesehen ihres gueten vermö-
gen zuheyrathen gescheühet.
Über die Stegnerin wurde durch Johann Christ ian Köber-
le sowie Dr. Christ ian am 10. September 1675 und s p ä t e r
unter Landvogt Dr. Brügler inquiriert . Sie stand wegen ge-
führter verdächtigen reden im Verdacht, alß ob sie den
Martin Eberle durch ihre zauberey umb eine kalbte, wi-
derumb den Jörg Fromoldt umb ein aug und 3 stückh
vieh, weiters den Adam Jäger umb seine gesundheit ge-
bracht habe, nachdem dieser eine Speise von ihr einge-
nommen hatte. Georg Fromolt habe die Stegnerin übe r -
dies etliche Male eine Hexe genannt, ohne dass sie sich
dagegen zur Wehr gesetzt hä t t e .
Zeugen bei der Inquisition waren Mar t in Eberle, Georg
Fromolt und Adam Jäger . Letzterer e rk lä r t e , dass er nicht
sicher sagen k ö n n e , ob seine Krankhei t von der Stegnerin
oder jemandem anderen h e r r ü h r e . A u c h die anderen Be-
schuldigungen waren nur vage fundiert, so dass sich Dr.
Thomas Welz d a f ü r aussprach, mit einem gerichtlichen
Verfahren gegen sie bis zum Vorliegen von zusä tz l i chen
Indizien oder Denunziationen zu warten. M a n k ö n n e die
Stegnerin nicht allein wegen der Aussage hastu doch nur
ein aug fü r Georg Fromolts K ö r p e r s c h a d e n verantwort-
lich machen.
Gegen die Stegnerin scheinen daraufhin keine weiteren
gerichtlichen Schritte unternommen worden zu sein.
H A N S K A U F M A N N V O M T R I E S E N B E R G
(SRg, fol. 202b-204a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 15; Welz 1, S. 33-35; Welz 5, S. 2 f.)
Kaufmanns Mutter war verbrannt worden. Er selbst
wurde einmal denunziert. Ausserdem habe er alle jähr,
als Prozesse gegen die Hexen begannen, sich flichtig ge-
macht, da er doch zu hauß hette zuthun gehebt.
Über ihn wurde am 4. Jul i 1676 inquiriert . Dabei gab Bar-
bara Schedlerin zu Protokoll, er habe, als man dem Lan-
d e s f ü r s t e n Ferdinand K a r l an läss l ich seiner Regierungs-
ü b e r n a h m e huldigte , 6 3 5 in ihrem Haus geschimpft und
dabei gesagt, er wolle hingehen, daß ihne der teüfel holen
soll. Hans Negele e rk l ä r t e nicht, ob er selbst gehö r t oder
nur von anderen Leuten vernommen hatte, dass Kauf-
mann im Haus von Negeles Bruder verlauten liess, das
hexenwerch. deßgleichen schade einem nichts. Mögli-
cherweise ä u s s e r t e er sich so, als er sich mit andern jun-
gen knaben lustig gemacht hatte. Dennoch habe Christian
Schedler daraufhin zu Kaufmann gesagt, er köndte gewiß
mehr, als daß vatter unser betten. Im Gutachten von Dr.
627) Die Herkunft der Spiesin schliesso ich daraus, dass sämtl iche in
den He.xenakten angeführ ten Vertreter des Namens «Schurti» aus
Triesen stammten.
628) Die Herkunft ist aus der Zeugenschaft (Leutnant) Leonhard
Kindles zu schließen.
629) Im SRg versehentlich «Martin» geschrieben.
630) Örtliche Zuordnung durch die Zeugenschaft (Leutnant) Leon-
hard Kindles.
631) Im SRg, fol. 172a. lautet der Name Hans «Püeller», bei Welz 1,
S. 24. Hans «Büchler»
632) Im SRg, fol. 172a, lautet der Name Hans «Püeller», bei Welz 1,
S. 24. Hans «Büchler»
633) Vgl. Ospelt, Landammänner-Verze ichnis . S. 46.
634) Weiler südlich des Dorfzentrums: LNb Triesenberg, S. 66 f.
635) Kaiser, Geschichte, S. 443.
157
Welz ist eine andere Reihenfolge der Ereignisse ange-
führ t : Zuerst habe Schedler Kaufmann provoziert, dann
habe dieser i m Spass die Wirkungslosigkeit der Hexerei
behauptet.
Die erste Zeugenaussage wertete Dr. Welz nicht als Indiz
für Zauberei, sondern als Got tes läs te rung , die leicht mit
zwei bis drei Wochen Turmstrafe oder einer hohen Geld-
strafe zu ahnden w ä r e .
Dass Kaufmann in der heiligen Messe nicht betten ge-
sehen worden sei, kommentierte Dr. Welz mit der Aus-
sage: Das schadet nicht, dann ein mensch sihet auf die
Uppen und daß vor äugen ist, der herr aber sihet daß
herz an, 1. Sam. XVI, 7. Ps.
Auch im Gutachten vom November 1680 sprach sich
Dr. Welz noch gegen eine Verhaftung aus. Wenn Kauf-
mann allerdings abermals das Verbot der Herrschaft, sich
bei Hexenprozessen ausser Landes zu begeben, ü b e r t r e t e ,
lägen genug G r ü n d e vor, ihn bei seiner Rückkehr zu fas-
sen.
A m 12. A p r i l 1684 klagte Kaufmann vor dem Vaduzer
Gericht, dass Georg Beck zum Grafen gesagt habe, er soll
ihm beistehen und es nemme ihme wunder, das er disem
Kauffmann, der doch ain hexenmaister seye, so uil glau-
be. Georg Beck e rk lä r te , er habe ihn nur bedingungsweise
einen Hexenmeister gescholten, und zwar wann er, der
Kauffmann, ihme sein gueth anspreche. Ausserdem habe
der Kläger behauptet, dass Becks Vater im dobel size. Die
Beschimpfungen wurden gerichtlich aufgehoben und eine
Wiederholung bei einer Strafe von 50 Reichstalern verbo-
ten. Die Gerichtskosten mussten beide Parteien zur Hälf te
ü b e r n e h m e n , da sie nichts beweisen k ö n n e n hat ten. 6 3 6
U R S U L A S C H E D L E R I N V O M T R I E S E N B E R G , 6 3 7
T O C H T E R V A L E N T I N S C H E D L E R S
(SRg, fol. 232a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 17;
Welz 1, S. 50)
Über die Schedlerin wurde am 13. Jul i 1677 inquiriert.
Dabei gab der Gerichtsmann Georg Beck zu Protokoll, sie
sei letzten Winter, als seine Frau im Kindbett lag, zu ihnen
ins Haus gekommen. Beck habe ihr damals verwehrt, das
Kind aufzunehmen. Kurze Zeit s p ä t e r erschien sie aber
wieder ungebettner bei der Kindbetterin, woraufh in sich
diese gleich übl befunden habe und etlich wochen bethli-
gerig gewesen sei.
F ü r Dr. Welz war die Sache nach einer hexerey gar zu
stinckend, als dass sie nicht geahndet werden sollte. Des-
halb m ö g e sich der Richter seines Ermessensspielraums
bedienen, um sie zu bekantniß ihres lasters zu bringen.
Das Vaduzer Gericht ging jedoch auf dieses Angebot nicht
ein.
A D A M L A M P A R T V O M ROTABO D A 6 3 8 A M T R I E S E N B E R G
(SRg, fol. 232b-233b; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 17; Welz 1, S. 50 f.; Welz 5, S. 7)
Lamparts Mutter war lange Zeit wegen Hexerei gefangen
geseßen, hatte sich jedoch per omnes gradus torturae
purgiri. Wenn sie aber nicht vorher verstorben w ä r e , hä t -
te man sie s p ä t e r wieder gefangengenommen. Die Schwe-
ster und einen Bruder der Mutter hatte man verbrannt.
Ahe anderen B r ü d e r standen in schlechtestem Ruf und
waren denunziert worden.
Über A d a m Lampart wurde am 13. Jul i 1677 inqui-
riert. Dabei warf ihm der Zeuge Georg Beck vor, eine
seiner Kühe , die er zuvor gelobt hatte, bezaubert zu
haben, so dass sie keine Mi lch gab, bis man geistliche Mit-
tel anwandte. A u c h der Gerichtsmann Christoph Anger
e rk lä r t e , ihm sei von Lampart ein Vieh bezaubert worden.
Dr. Welz riet im März 1679 von einem Einschreiten der
Obrigkeit ab. In seinem Gutachten vom November 1680
sprach er sich dann f ü r eine Verhaftung aus, wenn man
feststellen k ö n n e , dass Lampart selbst in schlechtem Ruf
stehe. Mehr liegt nicht vor.
A N N A N . V O M T R I E S E N B E R G ,
E H E F R A U A N D R E A S L A M P A R T S V O N DER M A T T E N 6 3 5
(SRg, fol . 243a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 18;
Welz 1, S. 56)
Das Datum der Inquisition ü b e r sie ist nicht bekannt. Aus
der Reihenfolge der Eintragungen im Salzburger Rechts-
gutachten und in der Prozessopferliste von 1682 geht je-
doch hervor, dass sie Ende 1678 oder Anfang 1679 vorge-
nommen worden sein musste. Dabei e rk l ä r t e Kathar ina
Lampart in vom Rotaboda , 6 4 0 A n n a habe in ihrem Stall ei-
ner s c h ö n e n Kuh ü b e r den Rücken gestrichen, woraufh in
diese keine Mi lch mehr gab.
Obwohl Dr. Welz im März 1679 keine anderen Angaben
zur V e r f ü g u n g standen, sprach er sich f ü r eine Verhaftung
aus. Allerdings sollte A n n a nicht gefoltert werden. Mehr
ist nicht bekannt.
SIMON V O N V I L L A U S B A L Z E R S ,
SOHN DES T H O M A S V O N V I L L
(SRg, fol . 260a-261a ; V I A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 20)
Simons Mutter und Geschwister sowie andere Verwandte
müt t e r l i che r se i t s standen in einem sehr üb len Ruf. Er
selbst habe sich w ä h r e n d eines Hexenprozesses nach
158
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Rom begeben und sei dort ein ganzes Jahr, biß sich
gleichwol der proceß geendet, geblieben.
Über Vonvill wurde am 25. Februar 1679 inquiriert.
Laut Dr. Moser sagten sämt l i che Zeugen vom H ö r e n s a g e n
aus; sie konnten Simon damit seiner Meinung nach nicht
belasten.
UM 1680 NEU INQUIRIERTE PERSONEN
AUS DER GRAFSCHAFT VADUZ
Bei allen folgenden Personen, bei denen kein genaues
Datum der Inquisition angeben ist, fand diese in der letz-
ten Phase der gerichtlichen Verfolgungen des Jahres 1680
statt.
L E N A L A M P A R T I N A U S S C H A A N ,
W I T W E H A N S B E C K S ;
S T I E F M U T T E R M I C H A E L UND C O N R A D B E C K S
(SRg, fol. 282b-283b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 20; L L A RA 144/138; L L A AS 1/ 2, fol . 128b-129b.)
Der Ehemann der Lampar t in war als ein hexenmaister
hingerichtet worden.
A d a m Maier e rk l ä r t e an läss l ich einer Inquisition, von sei-
nem K i n d vernommen zu haben, dass die Lampart in in
seiner Abwesenheit seine zwei Kühe gemolken hatte.
Schon am n ä c h s t e n Tag war von demjenigen Tier, das
ihm selbst gehö r t e , nur mehr wenig M i l c h zu gewinnen.
Die andere Kuh hingegen, die Maier von der Lampart in
gegen Zins entlehnt hatte, gab weiterhin M i l c h wie ge-
wöhn l i ch . Nach dem Einsatz geistlicher Mittel sei es auch
bei seiner Kuh wieder besser geworden.
Dieser Fal l wurde vom Vaduzer Gericht nicht weiter ver-
folgt. Gegen die Lampar t in fand etliche Jahre später , am
12. A p r i l 1684, ein Injurienprozess statt, 6 4 1 der an ande-
rer Stelle dargestellt i s t . 6 4 2
636) LLA AS 1/ 2, fol. 128a.
637) Örtliche Zuordnung durch die E r w ä h n u n g des Zeugen Georg
Beck, Gerichtsmann am Triesenberg.
638) LNb Triesenberg, S. 52 f.
639) Vermutlich heutiges Gasthaus Matu. südlich des Alphotols
Gaflei; LNb Triesenberg, S. 46 f.
640) SRg, fol. 157b-l60b. Heute Rotaboda: LNb Triesenberg. S. 52 f.
641) LLA AS 1/ 2, fol. 128b-l30a.
642) Siehe S. 40 f.
159
M O N I K A KÖCHIN A U S S C H A A N
(SRg, fol. 266b-268a ; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 20; Welz 5, S. 8 f.)
Die Köchin wurde im letzten Prozess denunziert. Ihre
Mutter war verbrannt worden.
A m 17. und am 20. März 1680 fand eine Inquisition ü b e r
sie statt, bei der Thomas Walser als erster Zeuge aus-
sagte. Dabei bezog er sich auf ein v i e r j äh r iges K i n d , als
wan deme waß von der inquisitin widerfahren wäre. Der
zweite Zeuge wurde nicht namentlich e r w ä h n t . E r ver-
däch t ig te die Köchin, die bei ihm im Haus wohnte, des
Milchdiebstahls, ohne dass er ihn beweisen konnte. Er
habe in seinem Zorn gesagt, er wolle, daß der donner und
hagl die hex erschlueg, die ihme die milch nembe. Der
dritte Zeuge, A d a m Walser, gab zu Protokoll, dass die
Köchin ihn und seine Leute gewarnt habe, wan sye die
kölber nit aus der bündt thuen, wolle sye solche schon
daraus bringen. Daraufhin seien ihm drei Kälber nach
und nach verreckt. A d a m Walser wurde s p ä t e r noch ein-
mal am 23. November 1680 einvernommen.
Dr. Welz sprach sich unter anderem wegen der leichtferti-
gein] bezeügung ihres gemüths bey Verbrennung der mu-
ter f ü r ein Vorgehen des Gerichts gegen die Köchin aus.
RONI T S C H E T T E R A U S S C H A A N
(SRg, fol. 268b-269b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 20; Welz 5, S. 9 f.)
Über Tschetter wurde am 20. M ä r z 1680 inquiriert. Die
Zeugen Hans Conrad, Bär t l ins Sohn, und A d a m Kauf-
mann konnten ihn laut Dr. Moser nicht belasten. Als ihn
die Beckhischen mit « H e x e n m e i s t e r » und mit ä h n l i c h e n
Worten auffgezogen hä t t en , habe er sich dagegen ordent-
lich gewehrt.
A m 23. November 1680 fand erneut eine Inquisition
statt. Dabei sagte Stoffel Quaderer aus, Tschetter und
seine Frau seien erschrockhen, da viel männer vor ihrem
hauß gewesen und hinein begehrt h ä t t en . Christ ian Con-
rad e rk lä r te , dass er nicht soviel schmalzen k ö n n e wie die
Ehefrau Tschetters, die drei oder viermal mehr Schmalz
erzeuge, obwohl sie nicht mehr Kühe habe als er. Da er
aber nach dem Gebrauch von geistlichen Mitteln nicht
nur wieder ordentlich schmalzen konnte, sondern nun
Tschetters Ertrag zurückg ing , glaubte Conrad, dass dieser
an vorigem abgang des Schmälzens schuldig sey.
F ü r Dr. Welz waren die vorgebrachten Angaben im No-
vember 1680 nicht ausreichend für die Einleitung eines
Gerichtsverfahrens.
B A R B A R A B L E N K I N A U S S C H A A N ,
T O C H T E R ULRICH B L E N K S U N D DER
M A R I A W A G N E R I N ; 6 4 3
E H E F R A U BARTHOLOMÄUS K A U F M A N N S
(SRg, fol. 274b-275b; V L A , HoA 76,1 7 Liste von
1682, S. 20)
Sie wurde neunmal denunziert.
Bei der Inquisition e rk lä r t e Hans Georg Fromolt , dass die
Blenkin e inmal ohne erkennbaren Anlass zuhinterst in
seinen Stall gekommen sei; da hetten seine 2 küe wider
geloffen, so acht tag continuirt, biß er geistliche mittl ap-
plicirl. Landammann Wolf gab zu Protokoll, er habe die
Blenkin vor vier Jahren am St. Johannestag i m Sommer
bei ihrem Haus in der F r ü h um ihren Misthaufen herum-
gehen sehen, als ob sie junge H ü h n e r einfangen wollte.
Schliesslich habe sie sich gebückt , vier oder fünf Stroh-
halme aufgehoben und sei dann ihrem Haus zuegeloffen.
Bei weiteren Aussagen bezog sich Wolf nur auf Ä n g a b e n
des Mesners.
Über diese Anschuldigungen holte das Vaduzer Gericht
kein Rechtsgutachten ein.
B A R B A R A N E G E L I N A U S S C H A A N
(SRg, fol. 275b+276a; V L A , HoA 76.1 7 Liste von
1682, S. 20)
Als einziger Zeuge bei der Inquisition ü b e r sie scheint
Thomas Walser auf, der mit ihr verfeindet war.
Das Vaduzer Gericht holte auch ü b e r die Negelin kein
Rechtsgutachten ein.
A N N A FROMOLTIN A U S S C H A A N 6 4 4
(SRg, fol. 282a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 20)
Chris t ian Conrad, Hansen Sohn, e rk l ä r t e bei einer Inqui-
sition gegen die Fromolt in , mit der er einmal wegen eines
trabs und weegs über einen ackher in zanckh gerathen
seye, er vermute Zauberei dahinter, dass sie darauf mehr
ernten konnte als er.
A u c h ü b e r diesen Fal l holte das Vaduzer Gericht kein
Rechtsgutachten ein.
160
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
H A N S E B E R L E A U S P L A N K E N ,
BRUDER DER M A R I A E B E R L I N 6 4 5
(SRg, fol. 266a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 20;
Welz 5, S. 6)
Hans Eberle wurde zweimal denunziert.
Bei einer Inquisition gab Christ ian Negele, der mit Eberle
auff der kirchweyh händel gehabt hatte, zu Protokoll,
dass eine von diesem ausgestossene Drohung ernste Fol -
gen nach sich gezogen habe.
Laut Lindauer Rechtsgutachten vom November 1680 war
Eberle auf Grund der vorliegenden Indizien nicht gefan-
genzunehmen. Er wurde erst im folgenden Jahr wider-
rechtlich verhaftet . 6 4 6
M A R T I N J E H L E A U S P L A N K E N
(SRg, fol. 266b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 20;
Welz 5, S. 6 f.)
Bei der Inquisition ü b e r ihn e rk lä r t e Christ ian Negele, der
mit Jehle ebenso wie mit Hans Eberle auff der kirchweyh
händel gehabt hatte: Als sie sich wieder vertragen hä t t en ,
habe ihm Jehle bei einer Arbei t geholfen und ihn dabei
an der Hand gestreift. Daraufb in sei Negele die Hand
schwarz und blau geworden, auch ein rolh brauner bigl
aufgefahren.
Das genüg te laut Dr. Welz nicht fü r eine Verhaftung Jeh-
les.
M A R I A J E H L I N A U S P L A N K E N , 6 4 7
TOCHTER T H O M A S J E H L E S UND
E H E F R A U P E T E R N E G E L E S
(SRg, fol. 277b+278a;VLA, HoA 76,17 Liste von
1682, S. 20)
Bei der Inquisition übe r sie sagte Ursula Negelin aus, vor
zwei Jahren habe die Jehlin zu ihr gesagt, sie wolle, daß
der jamer ihren vatter schon lengst über spiz und perg
getragen hete. sye fürchte, sye müesse noch etwas an
ihme erleben. E in anderes Ma l habe M a r i a Jehl in ihr
g e g e n ü b e r e rk lär t , wenn man schon den alten Hans Jeh-
le nembe, so werde man doch nichts aus ihren schnellen
nemben.
Das Vaduzer Gericht leitete diese Aussagen nicht zur
Begutachtung weiter.
S U S A N N A J E H L I N A U S P L A N K E N 6 4 8
(SRg, fol. 279a+b; V L A , H o A 76,17 Liste von
1682, S. 20)
Über Susanna Jehlin wurde am 19. M ä r z 1680 inquiriert.
Dabei gab Christ ian Negele, Sohn des Klaus, zu Protokoll,
dass die Jehl in vor anderthalb Jahren in sein Haus
gekommen sei und sein h a l b j ä h r i g e s Söhnle in auf den
A r m genommen habe. Daraufhin habe das Kind gleich
angefangen zu aben und sei bislang nicht mehr genesen.
A u c h diesen Fal l liess das Vaduzer Gericht nicht rechtlich
begutachten.
A N D R E A S R E I N B E R G E R A U S V A D U Z
(SRg, fol. 264b-265b; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 20; Welz 5, S. 5 f.)
Der Vater Andreas Reinbergers war als Hexenmeister
hingerichtet w o r d e n ; 6 4 9 er selbst wurde achtmal denun-
ziert.
A m 20. März 1680 fand eine Inquisition statt, bei der
Georg Dressel e rk lä r t e , dass Reinberger nicht rechts seye,
weihen er in sorgen stehe, man werde ihne auch beyfan-
gen. Hans Ospelt, der Landwaibel zu Vaduz, sagte aus,
dass sich Reinberger f ü r c h t e t e und verbarg, wenn man
andere in causa veneficii in verhafft genommen habe.
A m 29. Oktober 1680 gab Reinbergers uogtdochter
(Mündel) M a r i a Lorenzin aus Vaduz zu Protokoll, dass er
ihr g e g e n ü b e r habe verlauten lassen, er wolle hinweckh-
ziehen und sye zeugin wie auch sein weib mit sich nem-
men. Diesen Vorsatz machte er daraufhin zumindest fü r
sich wahr, obwohl dies verboten war.
Laut Gutachten vom November 1680 lagen durch die
Denunziationen und die ohne wissentliche genügsame
redliche ursach geplante Flucht Reinbergers g e n ü g e n d
G r ü n d e vor, ihn als einen zauberer einzuziehen. Da er
643) Über sie wurde ebenfalls inquiriert (siehe S. 153).
644) Örtliche Zuordnung auf Grund des Zeugen Christian Conrad.
645) Büchel, Protokolle, S. 117.
646) Vgl. S. 34 f.
647) Örtliche Zuordnung auf Grund der Zeugin und der Familienna-
men der Beteiligten.
648) Örtliche Zuordnung auf Grund des Zeugen Christian Negele.
649) LLA AS 1/ 2. fol. 71a.
161
sich auß dem staub gemacht hatte, sollte man ihn vors
Gericht zitieren und im Falle seines Fernbleibens seinen
Besitz konfiszieren.
1681 wurde von Sebastian Conrad und Hans Straub ge-
gen ihn ein Injurienverfahren angestrengt, 6 5 0 das an an-
derer Stelle dargelegt i s t . 6 5 1
CHRISTOPH WILLI , K Ü F E R 6 5 2 A U S V A D U Z
(SRg, fol. 276a ; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 20)
Von Christoph Wi l l i gab der Sattler Peter Walser zu Proto-
koll , er habe zu ihm gesagt, er wolle ihne auf ein gewisse
zeit bezallen, wenn man ihn so lange leben lasse.
Diese Aussage wurde vom Vaduzer Gericht nicht wei-
ter verfolgt.
UDO K R A N Z A U S V A D U Z
(SRg, fol. 281b+282a; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 20; L L A AS 1/2, fol . 25a.)
Der im folgenden Jahr verbrannte Burgvogt Hans Rusch
hatte am 29. A p r i l 1678 im Zuge einer Gerichtsklage vor-
gebracht, dass Udo Kranz zu Vaduz zum Korpora l Hein-
r ich Hoffmann gesagt habe, so baldt ain gn. herrschafft
außer landt sein, man den hexen prozeß wider anfangen
und under den ersten der burgvogt verbrendt werden.
Spä te r wurde Kranz selbst von denen veneficis e inmal
als Feldwaibel und sechsmal als ein Spielmann denun-
ziert. Christoph W i l l i und Leonhard Koch e r k l ä r t e n bei
der Inquisition, Kranz habe bei einem Umtrunk gegen das
Gericht geschmähet und troworth ausgegossen, wei l man
seinen Namen ins Protokoll gesetzt hatte.
Das Gericht ging diesem Fall nicht weiter nach.
B A R B A R A RIGIN A U S T R I E S E N ,
T O C H T E R J A K O B RIGS
(SRg, fol . 268a+b u. 278a-279a; V L A , H o A 76,17
Liste von 1682, S. 20; Welz 5, S. 9)
Barbaras Vater, Jakob Rig, war verbrannt worden. Sie
selbst wurde einmal denunziert und floh acht Tage vor
der Inquisition.
Über sie wurde am 20. März 1680 inquiriert . Der einzige
Zeuge war dabei Jakob Bargezi. Er e rk lä r t e , dass die
Rigin vor zwei Jahren zu seiner Ehefrau gekommen sei,
als diese am Schmalzen war. Nachdem man ihr wie
g e w ü n s c h t Schmalz geliehen hatte, sei am n ä c h s t e n Mor-
gen Bargezis K u h erkrankt. Durch den Einsatz geistlicher
Mittel besserte sich ihr Zustand wieder.
Laut Rechtsgutachten vom November 1680 konnte die
Rigin auf Grund dieses Vorfalls nicht r e c h t m ä s s i g verhaf-
tet werden.
FRIDLI F E H R L I N A U S T R I E S E N 6 5 3
(SRg, fol. 281a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 20)
Bei der Inquisition e rk l ä r t e Georg Fehr l in , er sei mit F r id -
l i in Streit geraten, wei l dieser seine Kitze nicht von sei-
nem Acker oder Kornfeld weggetrieben habe, obwohl ihn
Georg des ö f t e ren ermahnt und ihm damit gedroht hatte,
er wolle sonsten die küz in den nechst entlegnen güessen
[Graben] werffen. Als Rache habe Fr id l i Ungeziefer per
maleficium auf das Kornfeld gebracht.
Dieser Fal l wurde vom Vaduzer Gericht nicht an Dr.
Welz weitergeleitet.
H A N S NIGG A U S T R I E S E N ,
B R U D E R GEORG NIGGS
(SRg, fol. 279b-281a; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 20)
A m 20. März 1680 gab Chris t ian Beck bei einer Inquisiti-
on zu Protokoll, dass seine Frau mit Nigg und dessen K i n -
dern wegen aufgeleßenen obsl geplaget hatte. Sie stritten
auch um zwei N u s s b ä u m e , von denen zwei Drittel der
F r ü c h t e Beck und ein Drittel Nigg zustanden. Dieser hä t t e
die B ä u m e gerne von seinem Grund entfernt. Beck aber
wollte sich dazu nie verstehen. Nigg sei darauf auf den
g r ö s s e r e n Nussbaum gestiegen, habe mit der schittrue-
then die nussen herunder geschlagen und den Baum mit
einem Zauber verdorben.
A u c h dieser Streit wurde vom Vaduzer Gericht nicht wei -
ter verfolgt.
M I C H A E L G A S S N E R V O M T R I E S E N B E R G ,
SOHN DES G L E I C H N A M I G E N V A T E R S ,
B R U D E R F L O R I A N G A S S N E R S
(SRg, fol . 273b+274a; S tAAug 2969, fol. 47b;
S tAAug 2971, fol. 22a u. 41a; V L A , HoA 76,17
Liste von 1682, S. 20)
Bei der Inquisition ü b e r Michael Gassner sagte Georg
Negele aus, sie hä t t en einmal miteinander Kühe gemol-
ken. Da sei Gassner under den khüen aufgestanden,
welche darauf ruckhig worden und. über die knecht, so
noch gemolckhen, ausgesprungen w ä r e n . Nachdem Ne-
gele daraufhin zu Gassner gesagt hatte, wan er ihne nicht
162
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
für ainen bidersman hielte, so mainte er, daß es inquisi-
tus gethan, lachte Gassner nur und sagte nichts dagegen.
Ausserdem habe es einmal, als Negele zusammen mit
Thomas Gassner in die alp gefahren, ein groß tonner: und
haglwetter gehabt. Spä t e r wurden sie von Michael Gass-
ner gefragt, ob es auch bei ihnen geregnet habe. Als sie
die Frage bejaht hatten, sagte Michael auf fä l l ige rweise
nichts mehr.
Michael Gassner, Vater von fünf kleinen Kindern , floh vor
seiner Gefangennahme. Von der geplanten Konfiskations-
summe, die sich auf 50 Gulden belief, konnte nichts ein-
getrieben werden.
Der kaiserlichen Kommiss ion g e g e n ü b e r e rk lä r t en M i -
chael und sein Bruder F lor ian Gassner, ihre Mutter habe
sich einst zu A m m a n n Wolf begeben, nachdem sie von
den Leuten erfahren hatte, dass ihre Söhne verschrien
waren. Bei der zweiten Vorsprache habe ihr der A m m a n n
im Vertrauen mitgeteilt, dass diese belastet seien. Als die-
se das h ö r t e n , waren sie gantz sehr erschockhen und uns
die sach unbekhant für komen, das mir sotten in ainen
solchen eilenden standt sein. F lor ian suchte daraufhin
bei den Kapuzinern zu Mels Rat. Sie e rk l ä r t en aber nur,
sie wisen den grosen gewalt gar wol, sie konen ihne selbst
nit u[e]rstehen.
Schon am n ä c h s t e n Tag kamen vier Mann und f ü h r t e n
Flor ian als Hexenmeister gefangen zum Schloss. Nach-
dem sie bereits eine Stunde lang unterwegs gewesen
waren, gelang ihm jedoch aus schickhung gottes die
Flucht. In der folgenden Zeit sei er in dem ellendt her-
umbgangen. Aus schreckhen f loh auch Michael Gassner
am selben Tag, als sein Bruder gefangengenommen wor-
den war.
In den erhaltenen Unterlagen sind die beiden landtsßüch-
tigeln] mit einer Konfiskat ionssumme von zusammen 120
Gulden vermerkt. (70 Gulden entfielen dabei auf Florian.)
Nach eigenen Angaben sollten von ihnen 125 Gulden ein-
gezogen werden.
In den Akten des Staatarchivs Augsburg befindet sich ein
Ansuchen Michael Gassners vom Triesenberg, der im Stift
Einsiedeln in Arbei t stand. E r bat darin 1680 um die
Erlaubnis zur «Rückkehr in die H e i m a t » . 6 5 4
FLORIAN G A S S N E R V O M T R I E S E N B E R G ,
B R U D E R M I C H A E L G A S S N E R S
(Vgl. oben)
M A R T I N B E C K V O M T R I E S E N B E R G 6 5 5
(SRg, fol. 276b+277a; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 20)
Bei einer Inquisition sagte Sebastian Beck ü b e r Mar t in
Beck nur aus, was er vom H ö r e n s a g e n wusste.
ULRICH WEISS, WIRT IN B A L Z E R S 6 5 6
(SRg, fol. 269b-271a; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 20; Welz 5, S. 10 f.)
Weiss wurde dreizehnmal von hingerichtet! persohnen
denunziert. Er soll sich dreimal bei Hexenversammlungen
als ein spillman oder geiger gebrauchen lassen haben.
Seine Mutter und die Mutter seiner Ehefrau waren als He-
xen verbrannt worden. Er werde von yederman vor einen
hexenmaister angesehen. Obwohl man ihm das vorge-
worfen hatte, habe er sich doch nie dagegen zur Wehr ge-
setzt. Dass er auff beschehenes schellen sich darwider nie
gesezzet, f ü h r t e man auf sein schlechtes Gewissen
zurück .
Dr. Welz sprach sich im November 1680 für die Verhaf-
tung des Wirts aus, obwohl seiner Meinung nach recht
wenige Indizien vorlagen.
K A T H A R I N A NIGGIN A U S B A L Z E R S ,
W I T W E CHRISTIAN S T E G E R S
(SRg, fol. 276a+b; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682, S. 20)
Bei einer Inquisition wurde sie von Jakob Wi l l i bezichtigt,
durch Zauberei einige S c h ä d e n verursacht zu haben.
Die Anschuldigung wurde vom Vaduzer Gericht nicht wei-
ter verfolgt.
650) Ebenda, fei. 71a-72b.
651) Vgl. S. 23 f.
652) SRg, fol. 233b.
653) Örtliche Zuordnung durch die Herkunft des Zeugen.
654) StAAug, Fürststift Kempten, Hohenems.-Repert. Nr. 2026
(Sammelakt Triesen und Triesenberg).
655) Örtliche Zuordnung auf Grund des Zeugen Sebastian Beck, der
mehrmals in dieser Funktion am Triesenberg nachgewiesen ist.
656) Büchel, Protokolle, S. 137 f. u. 140.
163
CHRISTIAN NIGG A U S MÄLS
(SRg, fol. 262a-264a; V L A , HoA 76,17 Liste von
1682, S. 19; Welz 5, S. 3 f.)
BEI DEN VADUZER PROZESSEN VON 1679
HINGERICHTETE PERSONEN
Nigg wurde achtmal denunziert.
Bei einer Inquisition am 19. März 1680 e rk l ä r t e Kathar i -
na Beckin, Nigg habe ihrer Tochter durch seinen Sohn
Anton Wein ins Kindbett bringen lassen, den deren Ehe-
mann, Gregori Steger, in ein anderes Gefäss u m s c h ü t t e t e ,
bevor er der Kindbetterin davon zu tr inken gab. Gleich
nach dem Genuss des Weines empfand diese jedoch gros-
se Schmerzen und verlor in Folge dessen auch die Mi l ch .
Daraufhin schickte Christ ian Nigg zwei Männer , Jos Bür-
gle und Hans Braunhard, zu Kathar ina Beckin und liess
ihr e rk l ä ren , er habe ihrer Tochter nichts Unrechtes in
den Wein getan. Weiters bat die Tochter Niggs den Ehe-
mann der Kindbetterin, daß er aus der sach nichts ma-
chen solle. In diesem Zusammenhang kam noch zur
Rede, dass der kleine Anton Nigg einmal mit vier
Schnecken das Haus der Kindbetterin betreten wollte.
Zwecks Heilung ihrer Tochter hatte Kathar ina Beckin den
Schwiegersohn zu einem Dr. Weiler gesandt, der dazu
riet, dass man niemanden zur Patientin lasse, wer immer
es auch sei.
Für Dr. Welz lagen auf Grund der Denunziationen ausrei-
chende G r ü n d e fü r eine Verhaftung vor, wenn die Zeugen-
aussagen davor noch auf ihre Stimmigkeit hin ü b e r p r ü f t
w ü r d e n . Mehr ist nicht über l ie fe r t .
K A T H A R I N A V O N B A N K I N , G E N A U E H E R K U N F T
U N B E K A N N T , T O C H T E R GEORG V O N B A N K S
(SRg, fol. 264a u. 277a+b; V L A , HoA 76,17 Liste
von 1682, S. 20; Welz 5, S. 4 f.)
Der einzige Zeuge bei der Inquisition am 18. März 1680
war Balthasar Kaufmann, der mit Kathar ina Vonbankin
in Streit geraten war, wei l sie Dung von seinem Haus
weggetragen haben soll. Ihrer Schwester hatte er sogar
eine Ohrfeige gegeben. Er beschuldigte Katharina, dass
ihm nach ihren Drohungen zwei Mi lchkühe ergaltet und
zwei Schweine verendet seien. Einer weiteren K u h habe
sie die Mi lch genommen, ihr Kalb sei zu schandt gangen.
Da keine Denunziationen und auch kein schlechter Leu-
mund vorlagen, riet Dr. Welz in seinem Gutachten vom
November 1680 von einer Gefangennahme ab.
H A N S S C H E D L E R A U S L A V A D I N A 6 5 7 A M T R I E S E N B E R G
(SRg, fol . 169a-172a ; S tAAug 2969, fol . 50a ; S tAAug
2971, fol. 22b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 12 u.
20; Welz 1, S. 21 f.)
Hans Schedler wurde f ü n f m a l denunziert. E r stand nicht
wegen seiner Eltern, sondern auf Grund seines eigenen
Verhaltens in schlechtem Ruf und soll sich bei f r ü h e r e n
Prozessen, so man contra maleßcos angestellt hatte,
ö f t e r s aus dem staub gemacht haben, obwohl man ihn
nicht verhaften wollte.
A m 9. August und 11. Oktober 1675 wurde ü b e r ihn in -
quiriert. Be im zweiten Termin sagte Hans Beck aus, dass
Schedler einmal in der A l p unaufgefordert in seine M i l c h -
kammer gekommen sei. Deshalb habe er die Mi lch von
100 Kühen von einem Tag auf den anderen nicht mehr
schmalzen k ö n n e n , bis er geweihte Sachen angewandt
hatte. Ebenso h ä t t e n zwei Besuche Schedlers bei Becks
Schweinestall und das dabei ausgesprochene Lob diesen
jedesmal ein Schwein gekostet.
Der zweite Zeuge, Georg Fromolt , e rk l ä r t e , dass ihn
Schedlers Ehefrau dazu aufgefordert habe, den Tod einer
Geiss, die drei Tage nach einem Streit mit ihm eingegan-
gen war, dem Gericht anzuzeigen.
Dr. Welz vermutete, dass sie wohl noch mehr übe r die
Missetaten ihres Mannes wisse. Sie sollte nach dessen
Verhaftung eidlich einvernommen werden.
Hans Schedler wurde schliesslich am 15. M ä r z 1679
examiniert, konstituiert und an die Folter geschlagen. Sei-
ne Denunziationen von angeblichen Mi t tä te rn liess er
s p ä t e r durch den Beichtvater widerrufen. Der Prozess en-
dete mit seiner Hinr ichtung.
Das Gericht konfiszierte aus seinem Besitz 270 Gul -
den, von denen am 1. A p r i l 1680 noch 140 a u s s t ä n d i g
waren. Laut Triesner Liste belief sich die Summe auf
wenigst 150 fl.
A N N A S C H E D L E R I N V O M W A N G E R B E R G 6 5 8
A M T R I E S E N B E R G
(SRg, fol . 181b-185b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 14 u. 20; S tAAug 2971, fol. 21b; Welz 1, S. 28 f.)
A n n a Schedlerin war eine kinderlose Witwe, die zweimal
(laut Dr. Welz dreimal) als Hexe denunziert und von den
verbrennten personen per forza zu sich auf den holzstoß
begehret worden [war], weil sie kein haar beßer, alß die
164
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
anderen. Ausserdem sei ihr Vater übel beleumundet ge-
wesen und ihre Mutter verbrannt worden.
Über sie wurde am 11. Oktober 1675 inquiriert . Der erste
Zeuge, Christian Beck, e rk l ä r t e , er habe vor u n g e f ä h r
sechs Jahren das Vieh neben der Schedlerin nach Hause
getrieben, wobei diese unter anderem eine von den
Kühen seines Vaters lobte. A m n ä c h s t e n Tag habe die K u h
lauter bluet gegeben, auch sonsten abgenommen sowie
am halben eüler gefaulet. Vor Gericht musste die Schedle-
rin gestehen, sie habe dieser Kuh auf der Weide etwas
unter das Euter gelegt, was ihr der böse Geist gegeben
habe.
Auch die Beschuldigung durch den zweiten Zeugen
Michael Eberle, n ä m l i c h dass sie i h m nach einer entspre-
chenden Drohung ein Kalb verzaubert und umbgebracht
habe, musste die Schedlerin im Prozess bes tä t igen .
Der dritte Zeuge, Christ ian Lampart , gab am 12. Jul i
1677 zu Protokoll, dass er vier Tage lang keinen zig er
(Topfen 6 5 9) machen konnte, nachdem er einen sennkeße
(Sennkessel) von der Schedlerin wieder z u r ü c k b e k o m m e n
hatte. Erst nach dem Gebrauch geistlicher Mittel ä n d e r t e
sich dieser Zustand. Die Schedlerin musste s p ä t e r beken-
nen, dass sie ihm daß käsen durch zauberey benommen
habe.
Landammann Georg Wolf und Landammann Georg
Bürkle bes tä t ig ten , dass man die Schedlerin schon f r ü h e r
verhaftet und zur Rechenschaft gezogen hä t t e , wan sye
nicht wäre damahls groß leibs gewesen.
Beim folgenden Prozess im F r ü h j a h r 1679 widerr ief
sie ihr erstes G e s t ä n d n i s und die Denunziationen. Nach-
dem sie der Scharfrichter neuerlich zu einem Bekenntnis
der Schuld gezwungen hatte, konnte sie zum Tod verur-
teilt werden.
Aus ihrem Besitz wurden 300 Gulden konfisziert. Ihr
Vieh, Heu und Hausrat hatten einen Wert von 60 Gulden.
E L S A S C H E D L E R I N V O M T R I E S E N B E R G ,
W I T W E CHRISTIAN P F E I F E R S A U F M A S E S C H A ,
E H E F R A U L E O N H A R D E B E R L E S A M W A N G E R B E R G 6 6 0
(SRg, fol. 240b-243a; S tAAug 2969, fol. 50a;
StAAug 2971, fol . 21b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 18 u. 20; Welz 1, S. 56)
Die kinderlose Elsa Schedlerin wurde viermal denunziert
und stand im schlechtesten Ruf der Hexerei. Sie hä t t e im
letzten Prozess (vor 1679) schon gefangengenommen
werden sollen; damals war sie jedoch schwanger.
Über sie wurde am 22. Dezember 1678 inquiriert . Dabei
sagte Magdalena Schedlerin, die Ehefrau Hans Büehle r s ,
aus, sie sei einmal im Februar 1676 ganz närisch gewor-
den, nachdem sie Elsa Schedlerin an dem kopff gelauset
hatte. Erst durch geistliche Mittel habe man ihr helfen
k ö n n e n . A m Sebastianstag ein Jahr danach sei sie von
Elsa Schedlerin besucht worden, als sie i m Kindbett lag.
Damals habe Elsa ihr die haar über den kopff hindersich
gestrichen, worüber ihr fliegen in die haar kommen und
also gesumbset, als ob sie mäste widerumb närisch wer-
den. Bei ih rem Prozess musste Elsa gestehen, dass sie der
Madgalena beim Lausen auf Anst if tung des Teufels einen
kleinen schwarzen Samen, den sie von ihm erhalten
hä t t e , auf den Kopf gelegt habe, wodurch diese schwer
erkrankt sei und starkes Kopfweh bekommen habe. Sie
sei ganz wilt und närisch worden; erst durch geistliche
Mittel habe man ihr helfen k ö n n e n .
Der zweite Zeuge, Ulr ich Schlegl, e rk l ä r t e , er habe die
Elsa bey ainer Stauden ganz nackhent gelegen angetrof-
fen. Neben ihr stand eine weisse Geiss. Es sah aus, alß
wan die gaiß mit ihr waß zuschaffen gehabt hette. Als ihn
die Schedlerin bemerkt hatte, habe sie gesagt, er hette
sye bald beym flehen erwischt (beim Entfernen von
Flöhen) .
Dr. Welz f ü h r t e zwar Anschuldigungen g e g e n ü b e r der
Schedlerin auf na tü r l i che G r ü n d e zu rück , sprach sich
aber wegen ihres sehr schlechten Rufes und der bereits
f r ü h e r vorgesehenen Gefangennahme d a f ü r aus, dass
sie verhaftet und wie eine leicht Verdächt ige behandelt
w ü r d e .
Vor Gericht soll Elsa Schedlerin ohne(!) Folterung
gestanden haben, dass sie durch Unzucht zur Hexerei
gekommen sei. Neben den g e w ö h n l i c h e n Angaben denun-
zierte sie eine hohe Zahl von vermeintlichen Kompl izen ,
die sie jedoch vor ihrer Hinrichtung widerrief.
Von ihr sollten 150 Gulden eingezogen werden. Laut
Konfiskationsliste vom 1. A p r i l 1680 hatte ihr Mann
jedoch 170 Gulden zu bezahlen.
A N T O N PANZER A U S T R I E S E N
(SRg, fol. 174b-177b; S tAAug 2971, fol. 19a ;
StAAug 2969, fol . 50b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 13 u. 20; Welz 1, S. 27)
Anton Panzer war verheiratet und hatte 7 mehrenthails
sehr jung kinder. E r stand wie seine Mutter in schlechtem
Ruf und war zum öfftern denunziert worden. Im Salzbur-
657) Weiler südöstlich oberhalb von Triesenberg: LNb Triesenberg,
S. 42 f.
658) Weiler südlich des Dorfzentrums: LNb Triesenberg, S. 66 f.
659) Vorarlbergisches Wör terbuch , Bd. 2, Sp. 1708.
660) Weiler südlich des Dorfzentrums: LNb Triesenberg, S. 66 f.
165
ger Rechtsgutachten heisst es, dass sein muetter Schwe-
ster sowie seine drei Halbgeschwister verbrannt worden
seien. Vermutl ich gehö r t e zwischen «muetter» und
«Schwester» ein Beistrich, denn Dr. Welz e r w ä h n t e nur,
dass man seine Mutter hingerichtet hatte.
Der erste Zeuge bei der Inquisition am 10. September
1675 war Christian Beck aus Triesen. Er e rk lä r t e , dass
Panzer w ä h r e n d der Hexenprozesse nicht zu hauß bleibe,
sonder sich anderstwohin begebe. Beim «vor igen» Pro-
zess war aufgefallen, dass er alle nacht sich aus dem
hauß gemacht, ohne vor anbrechendem tag nicht wider
nach hauß zukommen.
Weitere Zeugenaussagen stammten von den Triesner
Nachbarn M a r i a Eberl in , Georg Fehrl in und Jakob Bar-
gezi. Die von Panzer letzterem g e g e n ü b e r ausgestossene
Drohung, auf welche die zauberische T ö t u n g einer K u h
gefolgt sein soll, bildete laut Dr. Welz die schwerste A n -
schuldigung g e g e n ü b e r Panzer
Der Jurist schrieb in seinem Gutachten: Ich förchte, es
därffte diesem Banzer schwärfallen, von gegenwerligem
proceß lebendig hinweg zu kommen.
Beim Gerichtsverfahren i m März 1679 gestand er das
Laster der Hexerei und wurde in der Folge hingerichtet.
Von Anton Panzers Besitz sollten 550 Gulden eingezo-
gen werden. Laut Konfiskationsliste vom 1. A p r i l 1680
hatten seine Erben schon 320 Gulden bezahlt.
SIMON RIG AUS T R I E S E N ,
SOHN J A K O B RIGS
(SRg, fol. 188a-192a; S tAAug 2969, fol . 50a ;
StAAug 2971, fol . 19b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 14 u. 20; Welz 1, S. 30 f.)
Simon Rigs Vater war verbrannt worden.
Bei einer Inquisition unter Landrichter Dr. Christ ian und
Landvogt Köberle sagten nach Christ ian Albrecht und
dessen Ehefrau, die Rig bezichtigten, ein füllin zu schän-
den gerichtet zu haben, auch Leutnant Leonhard
Kindle und Jakob Bargezi als Zeugen aus. Die beiden
letztgenannten gaben zu Protokoll, Rig habe behauptet, er
wolte den Urheber, so daß vich auf der alpen ruckhig ge-
macht, gleich anzeigen, wan er nur durch einen ermbl
sehe. Leonhard Kindle soll er auf lange zeit die milch ver-
derbt und zum schmalzen undüchtig gemacht haben.
Weiters e rk lä r t e Franz Kindle, er habe sich bei Hans
Marogg, der laut Dr. Moser mit underschidlichen teufels-
bossen umbgangen war, einen Rat geholt, wer ihme daß
schmalzen genommen. Dabei war er auf Simon Rig ver-
wiesen worden.
Franz Öhre aus Triesen gab an, er habe von Simon Rig
gehör t , wenn er eine Nadel ober der Stal l türe hinein-
stecke und der Stall voller angebundener Kühe sei, so mä-
sten sye doch so lang springen, biß sye alle ledig her-
auskhämen.
Dr. Welz b e f ü r w o r t e t e die Gefangennahme Rigs und - im
fall beharrlichen ablaugnens - auch dessen Folterung.
Vor Gericht gestand Rig am 2. M a i 1679 z u n ä c h s t nur
etliche fornicationes simplices (einfache Hurereien). Drei
Tage darauf wurde er gefoltert und zum G e s t ä n d n i s der
Hexerei gezwungen. Dabei f ü h r t e er eine grosse Zahl von
H e x e n t a n z p l ä t z e n und Kompl izen an, die er aber s p ä t e r
durch den Beichtvater widerrufen liess.
Rig wurde zum Tod verurteilt. Die Konfiskat ionssum-
me belief sich auf 350 Gulden.
U R S U L A L A M P A R T I N A U S S C H A A N , 6 5 1
E H E F R A U A D A M M A I E R S , S C H W E S T E R
F L O R I A N L A M P A R T S A U S T R I E S E N
(SRg, fol. 215a-218b; S tAAug 2969, fol . 49b;
V L A , HoA 76,1 7 Liste von 1682, S. 16 u. 20; Welz 1,
S. 43 f.)
Ursula Lampar t in wurde zweimal denunziert. Ihre Mutter
hatte man verbrannt, ihr ehnin und ihr Vater standen in
üb lem Ruf. 1679 wurde auch ihr Bruder Flor ian hinge-
richtet.
Über sie wurde am 10. Jul i 1677 inquiriert. Der erste Zeu-
ge, Ursulas Ehemann A d a m Maier, e rk l ä r t e unter ande-
rem, er habe eines Nachts seine Frau gesucht, weil sie
sich nicht mehr im Bett befand. Da sei sie aus dem
heeßlrog herausgeschloffen und. sich mit deme entschul-
digt, daß sye wegen der ßehe sich dahin gelegt. Ausser-
dem wurde Ursula unterstellt, alß ob sie ihrem eignen
ehmann g i f f t beigebracht hä t te .
Die zweifach erfolgte Denunziation bildete das Zeugnis
des Ehemannes fü r Dr. Welz mehr alß genug Grund, sie
zu verhaften. Seiner Meinung nach war die Tatsache, von
dem bett und dem mann hinweg sich verstohlner weise in
kästen oder trog zu legen, nicht alleine der vernunfft,
sondern auch der ehelichen liebe und pflicht gänzlich
entgegen. Ausserdem habe sie einmal e rk lär t , daß sie so
gut sey alß Christa Hilti, den man 1679 ebenfalls h inr ich-
tete.
Die Lampart in wurde am 19. A p r i l 1679 gefangenge-
nommen und examiniert. Dabei gestand sie, ledigen Stan-
des mit dem Ehemann ihrer Schwester incestum began-
gen zu haben. A u f der Folter e rk lä r t e sie dann, sie habe
den bösen Geist f ü r ihren Schwager gehalten. Die im Ge-
s t ä n d n i s angegebenen Kompl izen liess sie vor ihrer H i n -
richtung durch den Beichtvater widerrufen.
In der Konfiskationsliste vom 1. A p r i l 1680 scheint ihr
Ehemann A d a m Maier mit 20 Gulden auf.
166
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
F L O R I A N L A M P A R T A U S T R I E S E N ,
B R U D E R DER U R S U L A L A M P A R T I N
(SRg, fol . 237a-240a ; S tAAug 2969, fol. 49b;
StAAug 2971, fol. 19a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 18 u. 20; Welz 1, S. 54 f.)
Gegen Florian Lampart lagen vier Denunziationen vor.
Laut Dr. Welz war er ein ungehorsamer unterlhan, der
sich nicht gescheitet, ohne vorhergegebne anleithung,
wider seine gnädige herrschafft, zugleich ganz auffriihri-
sche und verdächtige wort aufzustoßen. Seine Mutter
war verbrannt, seine Grossmutter müt t e r l i che r se i t s - laut
Dr. Moser durch Geld - redimirt worden, sein Vater ver-
starb im schlechtesten Ruf. Flor ian Lampart hatte acht
theils unerzogne Kinder. 1679 wurde auch seine Schwe-
ster Ursula hingerichtet.
Über ihn wurde am 7. August 1677 inquiriert . Dabei er-
klär te Franz Öhre aus Triesen, er sei mit Lampart im ver-
gangenen Früh l ing vom Wirtshaus nach Hause gegangen.
Als sie zu ihren Äckern kamen, neckte Lampart seinen
Nachbarn Öhre , indem er sagte, seine rueben stehen gar
schön, es geschehe ihnen nichts. Er bekomme da Rüben ,
soviel er wolle. Acht Tage darauf hä t t en die würm ihme
alles hinweckh gefressen. Anderen Äckern rundum, unter
anderem auch Lamparts Acker, sei aber nichts gesche-
hen.
Dr. Welz sprach sich d a f ü r aus, dass F lor ian Lampart ver-
haftet und seines lebens halber zur Rechenschaft gezogen
werde.
Als man ihn im F r ü h j a h r 1679 gefangennahm und s p ä t e r
das Holz zum Scheiterhaufen sowie den Wein fü r die
faher, das Gericht und den Henker abholte, wurden vil be-
nachbarte auß mitleiden zu weinen verursacht, weil der
arme Flory ein sehr dienstbarer man wäre und. die kinder
mäniglich sehr lieb.
Nachdem Lampart vor dem Gericht die Hexerei ge-
standen, die angegebenen Kompl izen jedoch widerrufen
hatte, wurde er hingerichtet.
Das starke Interesse der S t ä n d e an den Geldern aus den
Hexenprozessen veranschaulichen die Aufzeichnungen
vom 1. A p r i l 1680 ü b e r die noch ausstehenden Konf iska-
tionssummen. Dort heisst es, die Schuld der Erben F lo r i -
an Lamparts in der Höhe von 4300 Gulden sei auf gned.
herrschaft ratification hin um 1300 Gulden moderiert
worden. Der Landvogt Walser sowie die A m m ä n n e r Ge-
org Wolf und Kaspar Schreiber setzten jedoch fest, dass
die bereits bezahlten 292 Gulden bei diesem Abschlag
nicht berücks ich t ig t werden sol l ten . 6 6 2
So wurde von den Nachkommen Lamparts die unge-
heuer hohe Summe von 3300 Gulden konfisziert. Der
Schaden e r h ö h t e sich noch dadurch, dass zwecks Eintrei-
bung des Geldes auch Vieh , Heu, Wein, Zinngeschirr und
anderes viel zu güns t ig verkauft wurde.
M I C H A E L B E C K A U S S C H A A N ,
SOHN H A N S B E C K S (SPÄTERER E H E M A N N
DER M A G D A L E N A L A M P A R T I N ) ,
H A L B B R U D E R K A S P A R B E C K S ,
(SRg, fol. 193a-199a ; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 15 u. 20; S tAAug 2969, fol . 49b; Welz 1, S. 32 f.)
Michael Beck stand wie seine Verwandtschaft in schlech-
tem Ruf, unter anderem seines eigenen leichtfertigen und
ärgerlichen lebens halber, und wurde auch etliche Male
denunziert. Die Eltern und vier seiner Geschwister hatte
man verbrannt.
Über Michael Beck wurde am 30. Juni 1676 inquiriert.
Dabei sagten die Zeugen Christ ian Conrad, Hans
Conrad, Christ ian Walch und Christoph Quaderer, F ä r b e r
zu Schaan, laut Salzburger Rechtsgutachten nur vom
H ö r e n s a g e n aus. Stoffel Walser e rk lä r t e , er sei einmal mit
Beck vom weintrinckhen heimgegangen. Dabei habe die-
ser unterwegs geschworen und geflucht, wei l man seine
Ehefrau (wohl A n n a M a r i a Negelin) diffamierte, alß wan
sye Haug Kranzens weib durch die überschickte biern
verzaubert hette. In Wirkl ichkei t habe er die Birnen übe r -
sandt; wenn sie also verhext gewesen seien, so k ö n n e dies
nicht durch seine Frau geschehen sein. Über diesen Fal l
soll schon in einem ä l t e ren Inquisitionsprotokoll einiges
gestanden sein.
Kaspar Schreiber gab zu Protokoll, dass er mit Cle-
ment Angerer und dem Beck e inmal getrunken habe. A m
n ä c h s t e n Tag hatte sich Angerer übel befundten.
Ulr ich Walch e rk lä r t e , dass Beck seinem Sohn Hans
Walch durch einen Käse soll geschadet haben. Er k ö n n e
aber nicht sagen, wen er wegen der Krankhei t mehr ver-
däch t ige , den Beck oder seine Frau . Weiters e rk l ä r t e der
Zeuge, bei einem gemeinsamen Gasthausbesuch habe
Beck den Wein mit dem seinigen vermischt, woraufh in
Walch also bezecht und unbesinnt gewest, daß es ihme
sein leblag nit also geschehen.
M a r i a Quaderin, die Michael Beck die zauberische
T ö t u n g eines Tieres vorwarf, war ihm auch deshalb nicht
güns t ig gesonnen, wei l ihr M a n n bei ihm sowie seinem
Vater lange Zeit Schulden gehabt und diese nicht bezahlt
hatte.
661) Örtliche Zuordnung durch ihr Fehlen in der sog. Triesner Liste
und die E r w ä h n u n g des Ehemanns in Schaan.
662) StAAug 2969. fol. 49b.
167
Dem n ä c h s t e n Zeugen, Jakob Weinzier l , hatte Beck mit
einer Klage gedroht, wei l er von ihm das Ge rüch t verbrei-
tete, er habe Weinzierls Schwester krumb und lamb ge-
macht.
Georg Anger und Hans Ulr ich Wi l l i bezeugten, dass
Beck dem Anger ein Glas Wein angeboten habe, das oben
auf weiß schleimig und schmuzig gewesen sei.
Hans Negele e rk lä r t e nur, dass er einmal einen Trunk
abgelehnt habe, den ihm Beck angeboten hatte. Das galt
allem Anschein schon als B e s t ä r k u n g des kursierenden
Verdachts.
Hans Öhre machte Beck fü r eine Krankhei t verant-
wortl ich, die er durch sein Zutrinken bekommen habe.
Gegen Öhre sprach, dass auch andere Leute aus demsel-
ben Glas getrunken hatten, ohne dass sie erkrankt waren.
Die Witwe M a r i a Knechtin legte laut Dr. Moser sehr
u n g l a u b w ü r d i g e U m s t ä n d e dar.
Margaretha Winnewiser in e rk lä r t e , dass Beck einmal
voller weiß nach Hause gekommen sei und ihr e r zäh l t
habe, waß wunderliche begegnussen er underweegs mit
ainen pockh und anders gehebt.
Laut Dr. Welz konnte sich Beck r ü h m e n , daß in diesem
ganzen protocollo wider keinen größere, schwärere und
haüffigere clagen eingekommen s ind. Da 15 beeidigte
Zeugen gegen ihn aussagten, 6 6 3 ging der Gutachter auf die
einzelnen Vorwürfe gar nicht mehr ein. W ä h r e n d f ü r
Dr. Moser sämt l i che Angaben der Zeugen nicht e inmal fü r
eine Verhaftung ausreichten, e rk l ä r t e Dr. Welz, dass Beck
wegen des so o f f t begangenen veneficy und ermördung
anderer unschuldiger leülhe und eigner dienslbotten,
auch öffentlich gebrauchter zauberey dergestalt überwie-
sen ist, daß [man] wider disen höllenbrand. die justitia.
vor andern zu insurgiren und wider ihne mit strengem
recht nach seinen meriten zu verfahren haben wirdt.
Michael Beck wurde am 15. März 1679 gefangenge-
nommen. Unter der Folter gestand er, dass er verschie-
dene Personen auf zauberische Weise getöte t habe: die
Ehefrau des Haug Kranz mit Birnen; Ursula Weinzier l mit
einer Substanz, die ihm vom b ö s e n Geist gegeben worden
sei und einer schwarzen latwergen gleich gesehen hä t t e ;
sowie seinen Knecht Hans Walch mit einem Käse . Ausser-
dem habe er dem Hans Conrad an vich geschadet, wei l
dieser seine Schulden nicht bezahlen wollte. Obwohl er
u r sp rüng l i ch eine grosse Menge von H e x e n t a n z p l ä t z e n
und Kompl izen a n g e f ü h r t hatte, liess er letztere s p ä t e r
durch den Beichtvater widerrufen. Beck wurde zum Tod
verurteilt und hingerichtet.
In der Konfiskationsliste vom 1. A p r i l 1680 ist ange-
führ t , dass von seinem Vermögen nichts zu hoffen war.
K A S P A R B E C K A U S S C H A A N ,
SOHN H A N S B E C K S
(SPÄTERER E H E M A N N DER M A G D A L E N A
L A M P A R T I N ) , H A L B B R U D E R M I C H A E L B E C K S ;
E H E M A N N DER S U S A N N A K A U F M A N N I N
(SRg, fol. 207a-210a; S tAAug 2969, fol. 49a; V L A ,
HoA 76,17 Liste von 1682, S. 16 u. 20; Welz 1, S. 39 f.)
Wie bereits bei seinem Halbbruder Michael Beck ange-
f ü h r t wurde, waren Kaspar Becks Eltern, zwei seiner Brü-
der, zwei Schwestern und eilich ander Verwandte ver-
brannt worden. Fünf Delinquenten bei Hexenprozessen
hatten ihn auf der Folter denunziert.
Übe r Kaspar Beck wurde am 10. Jul i 1677 inquiriert . Der
erste Zeuge war Christoph Quaderer, der zu Beck gesagt
hatte, daß einer nit vil werth sein künde, deme man vat-
ter und muetter verbrent. Ihm soll Beck ein Kalb verzau-
bert haben, so dass es an drei Stellen schwarz befunden
worden sei. Hans Dressel beteuerte, Beck habe seinen
Stier bezaubert und Kühe getötet . Der Verdacht g r ü n d e t e
auch auf der Tatsache, dass Beck den Stier ohne Wissen
und Erlaubnis des E i g e n t ü m e r s aus dem Stall genommen
hatte. Der dritte Zeuge, Thomas Walser aus Schaan, gab
zu Protokoll, Beck sei e inmal zu ihm in den Stall gekom-
men und habe seinen Kälbern ü b e r den Rücken gestri-
chen. A m Tag darauf bekam ein Tier so viele Läuse , dass
sie ihme bühel wie baumnuß auffgefreßen hä t t en und es
nach sechs Tagen verendete. Drei Tage darauf folgte ein
zweites Kalb .
A m 19. März 1679 wurde Beck gefangengenommen. Da
er nichts f re iwi l l ig einbekannte, wurde er am folgenden
Tag an die Folter geschlagen. Dort gestand Beck die Hexe-
rei . Die denunzierten Kompl izen liess er durch den
Beichtvater widerrufen.
Dr. Moser kritisierte s p ä t e r die suggestiven Fragestel-
lungen des Landvogts Dr. Brügler. So wollte dieser wis-
sen, ob Beck auf den H e x e n t ä n z e n nicht g e h ö r t habe, dass
sich jemand r ü h m t e , die Ehestreitigkeiten der gräf l ichen
Herrschaft verursacht zu haben. Beck wurde 1679 hinge-
richtet.
In der Konfiskationsliste vom 1. A p r i l 1680 belief sich
die Summe, die Becks Erben zu erstatten hatten, auf
350 Gulden.
A N N A R E I N B E R G E R I N A U S V A D U Z
(SRg, fol. 199a-202b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 15 u. 20; Welz 1, S. 33)
A n n a Reinbergerin wurde von vielen Leuten für eine Hexe
gehalten und bei den Prozessen viermal als solche denun-
ziert.
168
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Bei einer Inquisition am 27. Juni 1676 beschuldigte Leon-
hard Beck die Reinbergerin, einer Kuh mit s c h ö n e m Euter
nachgesehen zu haben, worauf das Tier gleich « a b g e n o m -
m e n » habe.
Margaretha Gassnerin e rk lä r t e , die Reinbergerin sei
einmal zu ihr gekommen, als sie gerade geschmalzt habe.
Nachdem sie in den Kübel der Gassnerin hineingesehen
habe, hä t t e diese nicht mehr schmalzen k ö n n e n . Bei
ihren weiteren Angaben bezog sie sich auf ihren Vater,
Christian Gassner. Dieser wiederum bes tä t ig te deren Aus-
sagen, wobei laut Salzburger Rechtsgutachten manche
Ungereimtheiten festzustellen waren. So e rk l ä r t e die
Tochter, die Kuh , welche die Reinbergerin einst im Stall
besichtigt hatte, sei verendet; der Vater jedoch gab zu
Protokoll, sie habe « a b g e n o m m e n » und sei dann von ihm
geschlachtet worden.
Peter Pallasar und Stoffel Walser wiesen darauf hin ,
dass die Reinbergerin und ihre Töch t e r sehr erschrocken
waren, als sie mit der gefangenen M a r i a Tannerin zu
ihrem Haus kamen. Damals seien die Reinbergerin und
ihre Töch te r also sehr erschrocken und ertattert, daß
auff gethane begrüssung sie nicht einmahl geantwortet,
sondern angefangen in den haaren zu zupfen, die töch-
tern aber gar hinweg gelauffen. Dr. Welz fügte diesen Dar-
legungen die rhetorische Frage hinzu: Warumb das? und
folgerte: conscientia nulle testes.
Nach ihrer Gefangennahme weigerte sich die Reinberge-
rin, f re iwi l l ig die Hexerei einzubekennen. Sie wurde dar-
aufhin gefoltert, ohne dass man sie zu einem G e s t ä n d n i s
zwingen konnte. Deshalb liess man sie am 8. A p r i l 1679
vor einer weiteren Einvernahme exorzieren. In der Folge
bekannte sie, dass sie vor der Hochzeit mit ih rem Ehe-
mann fornicationem simplicem (einfache Hurerei) began-
gen hatte. Spä t e r brachte man sie auch zu einem Ein -
ge s t ändn i s der Hexerei. Dabei gab sie ein fast unglaubl.
zahl an H e x e n t a n z p l ä t z e n und Komplizen an. Letztere
liess sie vor ihrer Hinrichtung durch den Beichtvater
widerrufen.
Die Reinbergerin wurde 1679 hingerichtet.
B A R B A R A M A U R E R I N A U S V A D U Z
(SRg, fol. 225a-228a; S tAAug 2969, fol. 50a;
V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 20; Welz 1, S. 46 f.)
Die Maurer in wurde bei den Hexenprozessen zweimal
denunziert. Laut Salzburger Rechtsgutachten waren ihre
beiden G r o s s m ü t t e r sowie eine Schwester der Mutter ver-
brannt worden. In den Darlegungen von Dr. Welz heisst
es, dass Verwandte väter l icher- und müt t e r l i che r se i t s der
Hexerei berüchtiget [waren], also gar, daß sehr viel davon
zu beederseit auff den holzstoß gesezt und, zu aschen ver-
brennet worden.
Über die Maurer in wurde - gleichzeitig mit der A n n a
Ospeltin - am 12. Jul i 1677 inqui r ie r t . 6 6 4 Die erste Zeugin,
Susanna Schreiberin, war erst 15 Jahre. Ihr Vater, Kaspar
Schreiber, konnte sich bei seiner Aussage nur auf die
Wahrnehmungen seiner Tochter s tü tzen . Fü r Dr. Welz
war das an Susanna begangene «venef i c ium» deshalb
g l a u b w ü r d i g , we i l die Maurer in Ort, Zeit und Ar t der Er-
krankung vor an zu sagen gewust sowie der Geschäd ig t en
später , als sich diese wieder etwas erholt hatte, unter der
T ü r e einen neidischen und « s a u r e n » Blick zugeworfen
habe.
A m 26. A p r i l 1679 wurde die Maurer in gefangengenom-
men und examiniert. Da sie statt der Zauberei nur eine
begangene Unkeuschheit eingestand, wurde sie gefoltert.
Dabei gestand sie die üb l ichen Merkmale der Hexerei und
eine grosse Zahl von H e x e n t a n z p l ä t z e n sowie Komplizen,
die sie durch den Beichtvater widerrufen liess. Sie be-
kannte auch, sie habe Susanna Schreiberin, wie sye zum
opfern gangen, verzaubert, daß sye krumb und lamb wor-
den. Die Maurer in wurde 1679 hingerichtet.
In der Konfiskationsliste vom 1. A p r i l 1680 ist sie mit
einer Summe von 75 Gulden verzeichnet.
MATTHÄUS C O N R A D A U S V A D U Z ,
SOHN S E B A S T I A N CONRADS U N D DER B A R B A R A N .
(SRg, fol . 185b-187b; V L A . HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 14 und 20; S tAAug 2969, fol . 50a; Welz 1, S. 29)
M a t t h ä u s ' Mutter war laut Vaduzer Liste auf dem esel ge-
storben unnd under den galgen begraben worden.665 Er
selbst stand wegen seiner der hexerey iiberwisenen mut-
ter in schlechtem Ruf und wurde viermal denunziert.
Übe r M a t t h ä u s Conrad wurde am 20. Juni 1676 inqui-
riert. Der erste Zeuge, der Amtsbote Hans Ulr ich W i l l i ,
gab zu Protokoll, Conrad habe in vorbeygehen des hoch-
gerichts gemelt [verlauten lassen], er khomme gwiß auch
dahin, weillen man sein muetter verbrenl, welche er auch
verflucht hette. Da die beiden zuvor miteinander Wein ge-
trunken hatten, musste laut Dr. Moser be rücks ich t ig t wer-
den, dass Conrad bei dieser Aussage bezecht gewesen
sein konnte.
663) Im SRg verzählte sich der Verfasser auf fol. 195 b. Ausserdem
merkte er nicht, dass es sich beim 5. und beim 17. Zeugen um die-
selbe Person handelte (fol. 194b+196b).
664) Im SRg. fol. 225a, ist versehentlich von einem Kriminalprozess
die Rede.
665) StAAug 2971, fol. 38a+b.
169
Der zweite Zeuge Stoffel Fromolt aus Schaan gab zu
Protokoll, Conrad habe beim Abschluss eines Weinkaufs
die E i n s c h r ä n k u n g gemacht, wan ihne gott und der hen-
kher leben lasse.
A m 21. A p r i l 1679 wurde M a t t h ä u s Conrad verhaftet. Vor
der Folterung bekannte er nur, dass er mit seiner Schwe-
ster zweimal Inzest begangen und sich auch sonsten mit
zwei ledigen Weibsbildern fleischlichen versündiget habe.
Nachdem er durch die Folter zum G e s t ä n d n i s der Hexerei
gebracht worden war, gab er ü b e r hundert Kompl izen an,
die er s p ä t e r alle widerrief. Conrad wurde in der Folge
hingerichtet.
Seine Erben waren der Herrschaft laut Konfiskations-
liste vom 1. A p r i l 1680 eine Summe von 130 Gulden
schuldig.
H A N S GRÜSCHLE A U S V A D U Z
(SRg, fol . 256a-258a; S tAAug 2969, fol . 50a; S tAAug
2971, fol. 39a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 19;
Welz 1, S. 60)
Grüschle wurde bei den Hexenprozessen elfmal denun-
ziert und war von seinen vorfahren und eigenem leben
her diffamirt.
W ä h r e n d das Inquisitionsprotokoll Dr. Welz noch vorlag,
fehlte es in den Unterlagen fü r den Salzburger Rechtsgut-
achter.
Hans Grüschle war von Kaspar Schreiber angegeben
worden, weil er w ä h r e n d eines Hexenprozesses sich in
sein herrn zeügen hauß zu vielen mahlen dahin verneh-
men laßen, er müße verzweiflen. Dr. Welz legte diese Aus-
sagen nicht als Melancholie, sondern wie Kaspar Schrei-
ber als schlechtes Gewissen aus. Da er ü b e r d i e s von zahl-
reichen Delinquenten denunziert worden war, sollte er
verhaftet werden.
A m 21. A p r i l 1679 stand Grüschle vor Gericht. Ohne Fol-
terung bekannte er nur ein sechsfaches peccalum bestia-
litatis (Sünde der Sodomie) sowie etliche fornicationes
simplices (einfache Hurereien). A m folgenden Tag wurde
er unter Anwendung der Folter examiniert. Dabei gestand
er die Hexerei. Die grosse Zahl an Kompl izen widerr ief er
s p ä t e r durch den Beichtvater und vor zwei Gerichtsbeisit-
zern, die zu i h m gesandt worden waren.
Da im Protokoll verzeichnet war, dass sich Grüsch le
beklagt hatte, wie daß er auf diser weit alzeit für einen
naren seye gehalten worden, vermutete Dr. Moser, der
Angeklagte sei vielleicht nicht bey rechter vernunffl gewe-
sen. Der Delinquent meinte mit seiner Aussage aber wohl ,
dass er auf der Welt zum Narren gehalten worden war.
Hans Grüsch le wurde 1679 hingerichtet, scheint aber
in der Liste der Vaduzer Hingerichteten nicht auf. Laut
Liste vom 1. A p r i l 1680 mussten seine Erben 600 Gulden
bezahlen. Ihm waren eine K u h samt Kalb sowie ein
G r u n d s t ü c k konfisziert worden. D a r ü b e r beklagte sich
s p ä t e r sein Schwiegersohn Hans Laterner samt den sechs
Geschwistern seiner Frau.
H A N S R U S C H , BURGVOGT, V A D U Z 6 6 6
(SRg, fol. 245b-252b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 19 f.; S tAAug 2969, fol . 49b; S tAAug 2971, fol . 40a;
Welz 1, S. 58 f.)
Laut Dr. Welz soll Rusch schon lange in schlechtem Ruf
gestanden sein.
Über ihn wurde am 10. Ju l i und am 5. August 1677 inqui-
riert. Hans Ulr ich W i l l i gab dabei zu Protokoll, er habe
von Hans Ospelt ein Ross gekauft. Da sei Rusch dazuge-
kommen und um das Tier herumgegangen, warauf das
roß weder hindersich noch fürsich gehen wollen. Wi l l i
habe das Pferd deshalb gar nit brauchen kündten, sonder
solches dem verkeüffer wider zuegestellt. Danach sei es
gegangen und habe gezogen wie davor.
Der zweite Zeuge, A m m a n n Georg Wolf, e rk lä r t e , als
er e inmal im Schloss ass, sei ihm vom Burgvogt ein Känn-
lein Wein vorgesetzt worden, i n dem er vier kleine weisse
dingte wie mügglen gleichsamb herumbhupfen gesehen.
Nachdem er von diesem Wein getrunken hatte, sei ihm zu
Hause gleich übel geworden. A u f Grund eines f r ü h e r e n
Vorfalls ve rdäch t ig t e er daraufhin Rusch der Zauberei.
Er hatte ihn näml i ch davor e inmal besucht, als er
krank war. Da habe ihm der Burgvogt e röf fne t , er sei mit
dem laster der zauberey behafft, wolle es aber beichten.
Daraufhin liess Wolf einen Kapuziner kommen, der dem
Burgvogt die Beichte abnahm. Im Anschluss daran habe
der Pater zum A m m a n n gesagt, er hette zwar von seinem
beichtkindl alle satisfaction empfangen, ausser aines,
dörffe es aber nit sagen, gleich aber dise worth geredt,
der pact, der pact. Auf Wolfs Zusprechen hin bat Rusch
um Aufschub und künd ig t e an, er wolle auf erlangle ge-
sundtheit zu ihme pater ins closter gehen und daselbst
alle satisfaction geben.
Weiters habe der Burgvogt von ihm, Wolf, als einem
Gerichtsbeisitzer zu wissen begehrt, ob er denunziert
worden sei, von wem und wie oft. E r erkhenne sich vor
ainen grossen sünder.
Als weiter nicht belegte Aussage eines einzelnen Zeu-
gen, der zudem teilweise aus pe r sön l i che r Betroffenheit
aussagte, bildeten diese Angaben und der u n r e c h t m ä s s i g e
Bruch des Beichtgeheimnisses durch den Pater fü r Dr.
Moser keinen ausreichenden Grund zur Folterung.
170
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Dr. Welz jedoch e rk lä r t e in seinem Rechtsgutachten, dass
der dem A m m a n n dargereichte Trunk als Mordversuch
zu werten sei. Die A u s f ü h r u n g e n g e g e n ü b e r Georg Wolf
und dem Pater Guardian wertete er ohnehin schon als Ge-
s t ä n d n i s s e der Hexerei. Der Jurist forderte deshalb die
Richter auf, der gerechtigkeit zu steür wider einen sol-
chen schädlichen menschen ex officio zu procediren und
selbigen nach erfundener beschaffenheil seiner großen
laster gebührend abzustraffen.
Rusch wurde am 21. März 1679 gefangengenommen
und examiniert. Bei der zweiten Einvernahme mit Einsatz
der Folter bekannte er, dass er zur Hexerei durch Unzucht
geraten sei, wei l er beslialitatem, fornicationes simplices
und ein adulterium [Sodomie, einfache Hurerei und einen
Ehebruch] begangen habe. Nachdem Rusch alle Folter-
grade durchgemacht hatte, widerr ief er das G e s t ä n d n i s .
Nach der Konfrontat ion mit vier namentlich nicht ge-
nannten Personen und einer Bedenkzeit wurde er jedoch
zu einer neuerlichen Bes tä t igung des Verbrechens ge-
zwungen. A u c h die Frage, ob er sich auf denen hexenver-
samblungen nit gerumbt habe, daß er in der hochgräfß.
ehe die Uneinigkeit mit zauberey verursacht, musste er
bejahen und e rk l ä ren , er habe dazu ein maleficium «ge-
l e g t » . 6 6 7 Alle von ihm denunzierten Personen widerr ief
Rusch vor seiner Verurteilung zum Tod.
Seine Witwe Kathar ina Gassnerin mit ihren drei klei-
nen Kindern beklagte sich s p ä t e r bei der kaiserlichen
Kommission, dass sie mehrmals selbst h ö r e n hatte m ü s -
sen, wie man gegen ihren Mann mit einer unerhörten
thorthur verfahren war. Übe r diese unchristliche Vor-
gangsweise habe sie sich beim Landvogt beklagt und zur
Antwort bekommen, Rusch sei an diesem Tag nur zwei
Stunden im Spanischen Fusswasser gewesen. S p ä t e r
habe man aus ihrem Besitz 550 Gulden einziehen wollen,
obwohl ihr Mann von seinen Eltern nicht einen Kreuzer
geerbt hatte, sondern die meisten Güte r w ä h r e n d ihrer
Ehezeit erwirtschaftet worden waren. Aus der Konf iska-
tionsliste vom 1. A p r i l 1680 geht hervor, dass damals der
Grossteil der Konfiskat ionssumme schon bezahlt war.
FIDELIS W A G N E R A U S S C H A A N
(SRg, fol. 164a-167b; Welz 1, S. 18-20; V L A . HoA 76,17
Liste von 1682, S. 12 u. 20; S tAAug 2969, fol. 49b;
bei Welz 1 und in der Liste w i rd er «Wagne r» genannt,
im Salzburger Rechtsgutachten « W a n g n e r » )
Wagner wurde f ü n f m a l denunziert. Sein Grossvater, sein
Vater und zwei Schwestern seines Vaters waren ver-
brannt worden. Die Mutter lebte in schlechtem Ruf.
Bei einer Inquisition am 4. M a i 1 6 7 5 6 6 8 sagte Andreas
Conrad gegen Wagner aus und bes tä t ig te seine f r ü h e r e n
Darlegungen am 10. Ju l i 1677 unter E id . Damals e rk lä r t e
d a r ü b e r hinaus A m m a n n Georg Bürkle , dass ihm Wagner
einen Trunk aufzwingen wollte, in dem drei weisse
dinglen als wie schleissenM,'} im selbigen herumbgefahren
und aufgehupfft seyen. Deshalb habe er das Glas samt
dem Wein weggeworfen. Thomas Tanner habe ihn f r ü h e r
schon davor gewarnt, von Wagner einen Trunk anzuneh-
men. Wie Landammann Bürkle bes tä t ig te auch Andreas
Conrad, dass Wagner von Thomas Tanner in daß gesteht
ein Schelm und Giftmischer genannt worden sei. Wagner
habe diese Anschuldigung bezeichnenderweise einge-
schluckt und ohne wiederred bey sich behalten.
Kathar ina Wi l l i n , die Angerische Witwe, gab zu Proto-
kol l , ihr Mann habe auf ungestümmes zusprechen deß
Wagners ein wenig aus einem Glas Wein getrunken, sich
aber sobalden mit ausstehung unbeschreiblicher schmer-
ze?! legen mäßen, bis er durch die Einnahme von Theriak
einen schweiß zu wegen gebracht, und selbiger in etwas,
doch aber biß in den tod nicht völlig restituirt werden
können.
Weitere Zeuge bei der Inquisition von 1677 waren A m -
mann Georg Wolf und A d a m Parfuess. Über dessen Anga-
ben bezügl ich einer S c h m ä h u n g des Gerichts sollte laut
Dr. Welz Gretha Walserin einvernommen werden.
Wagner wurde am 15. M ä r z 1679 vor dem Landvogt Dr.
Brügler konstituiert, examiniert und torquiert. Dabei wei-
gerte er sich, das Laster der Zauberei zu gestehen. Spä t e r
soll er jedoch laut Protokoll in der güette bekannt haben,
daß er ein hexenmaister seye. E r fügte dieser Aussage
noch bei: warumb ers nit sein solle, er seye durch die
armuth darzue kommen. Er habe sich dem bösen geist mit
leib und seel ergeben, gott und allen heyligen abgesagt,
daß hochwürdige guett auf den hexentänzen entunehret,
sodomiam mit dem sathan begangen. Eine grosse Anzah l
von Denunzierten liess Wagner durch den Beichtvater
widerrufen.
Von Wagners Erben wurden 25 Gulden konfisziert.
666) Möglieherweise war er ein Nachkomme des Sebastian Ruosch,
der 1662 als Burgvogt e r w ä h n t ist: LLA RA 144/96.
667) Zur Ehekrise des Grafen vgl. StAAug, Fürstst if t Kempten. Ho-
henems.-Repert. Nr. 1936.
668) In SRg, fol. 164a, fälschlich 1679 geschrieben; daran schliesst
Dr. Moser aber eine ausführ l iche Kritik an der vaduzischen Vor-
gangsweise an (fol. 164b+165b).
669) «Fasern von alten Reibtüchern, wie solche beim Abreiben von
nassen Trinkgläsern ... am Glase haften bleiben»: Vorarlbergisches
Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 954.
171
A D A M SCHIERSER A U S S C H A A N
(SRg, fol. 206a+b; S tAAug 2971, fol . 3a ; S tAAug 2969.
fol . 37b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682, S. 16;
Welz 1, S. 37)
Kaspar Tschetter hatte A d a m Schierser und dessen Bru -
der Stefan bei einem Streit das hexenwerch vorgeworffen.
Darauf antwortete A d a m nur, dass Tschetter nü besser
seye alß sye. Das bildete in den Augen mancher Leute
eine indirekte Selbstbezichtigung. Sonst stand A d a m
Schierser mit Ausnahme eines leichten Verdachts, der
von seinem vatter auff ihne f iel , in gutem Ruf.
Dennoch wurde am 27. Jul i 1676 wegen des genannten
Vorfalls ü b e r A d a m Schierser inquiriert . Die einzige Zeu-
gin war Lena Kaufmannin . Sie e rk lä r t e , Schierser habe
sich e inmal w ä h r e n d der Prozesse aus Furcht, er k ö n n t e
gefangen werden und seines vatters entgelten müessen,
aus dem Fenster hinausbegeben und fliehen wollen.
Für Dr. Welz lag deshalb noch kein Grund für eine Verhaf-
tung vor.
Mögl icherweise fand sich bald darauf neues Bela-
stungsmaterial, denn gegen Schierser d ü r f t e noch 1679
ein Prozess eingeleitet worden sein. Das geht auch daraus
hervor, dass der Delinquent in den s p ä t e r e n Lindauer
Gutachten nicht mehr aufscheint.
Laut Darlegungen von A d a m Schiersers Sohn(!) Ste-
fan, der sich ü b e r das Schicksal seines Vaters 1682 vor
der kaiserlichen Kommiss ion beklagte, war seinem Vater
nach der Gefangennahme alle tortur angelhan worden,
ohne dass man ihn zu einem G e s t ä n d n i s brachte. Danach
liess man ihn bis vor das Schloss hinausgehen, nahm ihn
jedoch gleich wieder gefangen und trug ihn auf einer lei-
ther in die verhörrstuben. Dort wurde er dergestalten tor-
tiert, das er morgens todt gefunden worden, worauf sie
den cörper in einen sakh gestäkht, an ein ungewohlihes
orth geführt und begraben. Die Erben h ä t t e n das dazu
verwendete Ross bezahlen, eine Kuh und noch 300 Gul -
den Konfiskationsgelder abliefern m ü s s e n .
CHRISTIAN HILTI DER ÄLTERE, A U S S C H A A N ,
SOHN DES H A N S , B R U D E R DES A D A M U N D
DES S E B A S T I A N HILTI
(SRg, fol . 210a-213a; S tAAug 2969, fol . 49b; S tAAug
2971, fol . 15b+16a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 16 u. 20; Welz 1, S. 40 f.)
Christian Hilt i selbst wurde nie denunziert. Seine Mutter
und deren Bruder hatte man jedoch verbrannt, und die
gesamte müt te r l i che Verwandtschaft stand im schlechte-
sten Ruf. Dr. Welz sprach auch von der ganz beschreyten
hillischen raza.
Bei der Inquisition am 10. Jul i 1677 gab Christoph Qua-
derer zu Protokoll, Hil t i habe e rk lä r t , wenn er jung w ä r e ,
wolte er in disem landt nit bleiben. Laut Andreas
Conrad hatte Hilt i zu seinem Sohn gesagt, dass er mit i h m
nicht zufrieden sei, daß er noch werckhe und sich nit aus
dem landt begebe.
Hans Conrad e rk lä r t e , Hi l t i habe sich über die geführte
Processen erzürnet, sonderlich aber, daß man sein muet-
ter verbrent. E r füg te h inzu , wan sye ein hex gewesen, so
seye er auch ein hexenmaister, dan er alzeit der muetter
liebstes kind gewesen.
Den vierten Zeugen, A m m a n n Georg Bürkle, hatte H i l -
ti zweimal ungestümme gefragt, wie seine muetter zur he-
xerey kommen und ob er auch ein Hexenmeister sei.
Wenn sich nicht andere Leute beschwichtigend einge-
mischt hä t t en , w ä r e es zwischen Bürkle und Hil t i zu einer
Schlägere i gekommen.
Fü r Dr. Welz bildeten die Fragen an A m m a n n Bürkle ei-
nen Ausdruck der Angst, dass sein geheimes Treiben ge-
richtsbekannt geworden sei. Der Vergleich mit der Mutter
sei als ein G e s t ä n d n i s zu werten, Hi l t i m ü s s e ihr deshalb
auch als liebstes K i n d auf den Scheiterhaufen folgen. Aus
dem Lindauer Rechtsgutachten geht weiters hervor, dass
Hi l t i seine büchse zum bett gestellt hatte, um sich gegen
die Schergen des Gerichts zu wehren. Ausserdem hatte er
sich beschwert, dass er nach der Konfiskat ion das Gut
seiner Mutter z u r ü c k k a u f e n musste.
Dr. Welz empfahl nicht nur die sofortige Verhaftung des
alten Christ ian Hil t i , man sollte auch seinen Sohn, den der
Vater aufgefordert habe zu fliehen, genauer beobachten
und eventuell inhaft ieren.
A m 16. März 1679 wurde Hil t i gefangengenommen.
Nachdem man ihn unter der Folter zum G e s t ä n d n i s der
Hexerei gezwungen hatte, wurde er hingerichtet.
In der Konfiskationsliste vom 1. A p r i l 1680 sind Chr i -
stian Hiltis Erben mit einer Summe von 550 Gulden ein-
getragen, von der jedoch nur 150 ausbezahlt wurden.
CHRISTIAN E B E R L E A U S S C H A A N
(SRg, fol . 218b-222b; S tAAug 2969, fol. 49a; V L A ,
H o A 76,17 Liste von 1682, S. 16 u. 20; Welz 1, S. 44)
Über Christ ian Eberle wurde am 14. Jul i 1677 inquiriert.
Dabei belastete ihn z u n ä c h s t sein schwecher (Schwieger-
vater) Franz Gantner aus Schaan, der mit seinem Schwie-
gersohn in Unfr ieden lebte, wei l dieser seine Ehefrau übel
mit strolchen tractirt, auch sonsten übel gehalten habe.
W ä h r e n d der Salzburger Rechtsgutachter diese Vorwürfe
wegen Befangenheit als irrelevant einstufte, s tü tz te sich
Dr. Welz bei seiner B e f ü r w o r t u n g der scharffen verhaff-
tung besonders auf Gassners A u s f ü h r u n g e n ü b e r die
172
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
greuliche thaten. verübte grausamkeiten gegen sein ehe-
weib, betrohungen, sie zu tödten und darauf/ erfolgten
erbärmlicher zauberischer effect und andere s. h. an
schwein, rindern und pferden begangene veneficia.
G e g e n ü b e r dem zweiten Zeugen, Christ ian Conrad,
habe Eberle beim Weintr inken e rk lä r t , dass er als Ge-
schworener ihn fangen und sein recht anthuen müesse,
man verbrenne ihn lieber heut alß morgen. Dabei habe er
bitterlich gewaint.
Eberle wurde i m F r ü h j a h r 1679 gefangen, gefoltert und
zu einem G e s t ä n d n i s der Hexerei gezwungen. Eine der
Fragen an ihn hatte gelautet: Wie undt wo sich der burg-
vogt berüembl, daß er seine gdge. herrschafft in der ehe
entzweyt und in Uneinigkeit gebracht habe, daß kaines
daß ander leyden möge. Eberle bekannte, seine Kinder
mit Ausnahme von zweien dem Teufel versprochen und
seiner Ehefrau ein Teufelspulver in die Mi lch getan zu ha-
ben, von der sie beide genossen hä t t en . Ihm habe es nicht
geschadet; und seine Ehefrau sei davor schon ganz eng-
brüstig gewesen. Die denunzierten Komplizen widerr ief
Eberle vor seiner Hinrichtung.
Laut Konfiskationsliste vom 1. A p r i l 1680 hatten seine
Erben der Herrschaft 140 Gulden zu erstatten.
M I C H A E L DINTL A U S S C H A A N ,
E H E M A N N DER K A T H A R I N A W A G N E R I N
(SRg, fol . 177b-180a; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 13 u. 20; S tAAug 2969, fol . 49a; S tAAug 2971,
fol. 36a+b; Welz 1, S. 27 f.)
Michael Dintl , der in einem sehr schlechten Ruf stand,
hatte mit Kathar ina Wagnerin, deren Schwester Chris-
tina hingerichtet worden war, sechs kleine Kinder. Laut
Vaduzer Inquisitionsprotokoll war er von sieben Delin-
quenten denunziert worden. Seinen Vater, dessen Bruder
und andere nahe Verwandte hatte man als Hexen oder
Hexer hingerichtet.
A m 10. September 1675 wurde ü b e r Michael Dint l inqui-
riert. A d a m Hilti e rk lä r t e , dessen Ehefrau habe ihren ei-
genen Ehemann einen Hexenmeister genannt.
Obwohl von ihm nur die - nicht beeidigte - Aussage sei-
ner Ehefrau, die siebenfache Denunziation und die Ver-
wandtschaft mit verbrannten Personen vorlagen, sprach
sich Dr. Welz fü r Dintls Gefangennahme und Folterung
aus.
Beim daraufhin eingeleiteten Prozess im F r ü h j a h r
1679 widersprach Dintl dem Hexereivorwurf. Er gestand
allerdings, vor 20 Jahren das peccatum bestialitalis (Sün-
de der Sodomie) etliche Male begangen zu haben. Damals
habe er sich auch mit einer Magd fleischlich versündiget.
Unter der Folter musste er jedoch bald e rk l ä r en , er h ä t t e
kurze Zeit danach gemerkt, dass die Magd der böse Geist
gewesen sei und dass er der Hexerei verhaftet war. A u f
die Frage nach Kompl izen gab er ü b e r 90 Personen an,
die er s p ä t e r alle durch den Beichtvater widerrufen liess.
Die Hexenversammlungen und - t änze hielt er nur vor ein
blenlerey.
Michael Dintl wurde nach der Verurtei lung als Hexen-
meister geköpf t und verbrannt. Fü r das Verfahren gegen
ihn verlangte die Obrigkeit 40 Gulden. In der Konf iska-
tionsliste vom 1. A p r i l 1680 ist eine Summe von 30 Gul -
den eingetragen. Die u n v e r m ö g e n d e n Erben Dintls zahl-
ten jedoch nur 13 Gulden. Der Rest - bis auf 5 fl die sie
mit zehn Viertel Most abstatteten - wurde ihnen auf
Grund ihrer A r m u t auß gnaden nachgesehen.
Kathar ina Wagnerin, die Ehef rau Michae l Dintls, e rk lä r t e
später , sie habe einmal bei A m m a n n Bürkle wegen ihres
hingerichteten Mannes geiameret unnd geklagt. Da sagte
er ihr in das Gesicht, sye solle ihme nit vül machen oder
er wolle ihren den kopff selber abhawen. Dabei habe er
den Säbel herausgezogen und 1000 sacrament geschwoh-
ren. Waraus erscheint, das die saubere ambtleuth zumahl
cläger, richter unnd henkher sein wollen.
A N D R E A S C O N R A D , IN DER O B E R E N G A S S E Z U
S C H A A N W O H N H A F T ,
SOHN DES G E R I C H T S M A N N E S
A N D R E A S C O N R A D DES ÄLTEREN
(SRg, fol . 252b-256a; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 19; S tAAug 2969, fol. 49a ; S tAAug 2971, fol . 44a.)
Bei einer Injurie am 23. Februar 1679 e rk l ä r t e Stoffel
Fromolt, Conrad habe einmal im Rausch seltsam gestiku-
liert und Reden ge füh r t , wie es ihme und seinen kindern
ergehen werde. Nach dem zweiten Zeugen, Christoph A n -
ger gab A m m a n n Georg Bürkle zu Protokoll, er habe ein-
mal mit Conrad ainen trunk gethan. Be im Heimgehen
habe dieser daraufhin nicht beim Hochgericht oder Gal-
gen vorbeigehen wollen, sondern einen anderen Weg
genommen, underwegs aber von teuffei, als wan er ge-
genwärtig wäre, wie auch von hexentänzen angefangen
zu reden. Dabei e rk l ä r t e er, dass ihn der Teufel umbr in-
gen werde, weil er das letzte M a l nicht bei den Hexenver-
sammlungen gewesen sei. Conrad tobte und benahm sich,
als wolle er ins Wasser springen. Dabei behauptete er, er
seye ein hexenmaister. Schliesslich brachte ihn Bürkle in
ein Wirtshaus und legte ihn in ein Bett, wo Conrad eigen-
artige Gesten machte, daß ihme die schweißtropffen auf
dem gesteht gelegen. Nachdem er sich erholt hatte, fragte
ihn Bürkle , warumb er also närrisch gethan habe. Er
bekam zur Antwort , es seye ihme auch darnach gewesen.
173
Als Bürkle ein anderes M a l mit Conrad getrunken hat-
te, fing dieser ebenfalls an zu schwitzen, daß ihme die
tropffen im angesicht gestanden. Auch damals redete und
gestikulierte er so seltsam, alß wan der teuffei gegenwärt-
ig wäre.
Der n ä c h s t e Zeuge, Thomas Walser, gab zu Protokoll,
dass Conrad nach einem eingenommenen Trunk anfing
zu zittern, zu schwitzen, zu weinen und zu iämern, als
wan der teüffel vor ihme stundte.
Andreas Conrad wurde 1679 gefangengenommen und
durch die Tortur zu einem G e s t ä n d n i s der Hexerei ge-
zwungen, das er s p ä t e r z u r ü c k n a h m , nach einer weiteren
Folterung jedoch bes tä t ig te . Die angegebenen Kompl izen
widerr ief Conrad vor seiner Hinrichtung.
Laut Liste vom 1. A p r i l 1680 wurden von seinem
Besitz 2 400 Gulden konfisziert. D a r ü b e r beklagten sich
s p ä t e r Conrads Söhne Andreas und Christ ian sowie sein
Schwiegersohn Georg Anger samt den anderen zehn Ge-
schwistern bei der kaiserlichen Kommiss ion . M a n habe
ihren Vater in diser ellendt eingezogen und hingericht
und die [unterlassenen weisling durch die harte Konfis-
kation in den bettel ges türz t . Die Schergen h ä t t e n noch
am selben Tag, als der Vater hin w e g g e f ü h r t wurde, alles
inventarisiert und die gesamte Barschaft, Silber sowie
Gold mitgenommen. Noch vor dem Tod des Vaters habe
man schon den g r ö s s e r e n Teil der 13 Stück Vieh, Heu,
Gewand, Tischzeug, Geschirr und ähn l i ches abgeholt. E in
Fass Wein wurde in Feldkirch verkauft. D a r ü b e r hinaus
sollte die Famil ie der Obrigkeit noch 2 000 Gulden erstat-
ten.
BEI DEN VADUZER PROZESSEN VON 1680
HINGERICHTETE PERSONEN
ERSTE PROZESS-SERIE
K A T H A R I N A D1NTLIN A U S S C H A A N , E H E F R A U DES
P U L V E R M A C H E R S M A T T H I A S B E C K S
(SRg, fol. 133a-136a; S tAAug 2969, fol. 48a ; S tAAug
2971, fol . 34a+b; V L A , HoA 76,17 Liste von 1682,
S. 8 u. 11; Welz 1, S. 35)
Kathar ina Dint l in wurde dre imal (laut Dr. Welz sechsmal)
denunziert. Ihr Vater, dessen Bruder, ihre Stiefmutter, ihr
Bruder und dessen Kinder waren vomfeür verzehrt wor-
den. (Die Verbrennung ihres Mannes ist nicht e r w ä h n t . )
Bei einer Inquisition am 29. Juni 1676 e rk l ä r t e A n n a M a -
r ia Lampar t in , dass sie e inmal mit einer anderen Nach-
barin vor dem Haus der Dint l in im haimbgarten gesessen
sei. Da ging Elisabeth Har tmannin v o r ü b e r und antworte-
te auf eine entsprechende Nachfrage, sye müesse ihr rind
suechen, so sye schon 3 tag und 3 nacht verlohren. Die
Dintlin meinte daraufhin , sye solle nur hingehen, sye
werde ihr rind auf der Schauer wisen todt finden. Von der
Tochter der Har tmannin erfuhr die Lampart in später ,
dass dies t a t säch l ich der Fal l gewesen war. Die Dintl in un-
tersagte ihr daraufhin, die Geschichte mit dem Rind wei-
t e r z u e r z ä h l e n . Deshalb und weil sie ohnehin in bösen
geschrey stehe habe die Lampar t in die Dintlin v e r d ä c h -
tigt, den Tod des Rinds verursacht zu haben.
Dr. Welz sprach sich schon im Rechtsgutachten vom März
1679 fü r eine Gefangennahme der Dintlin aus.
Sie wurde aber erst im A p r i l 1680 gefangengenommen
und examiniert. Dabei gestand sie das Verbrechen der
Hexerei, nachdem sie zweieinhalb Stunden ins Spanische
Fusswasser gesetzt worden war. Sie e rk l ä r t e unter ande-
rem, dass sie zusammen mit M a r i a Wagnerin dem Stoffel
Quaderer ein Rind und vor zwei Jahren im Herbst dem
Schmied Endterlin Andre Conrad, Bartl ins Sohn, ein
braunes Kalb mit der Teufelssalbe verdorben hä t t e . K a -
thar ina Dintl in wurde 1680 hingerichtet.
Ihre Kinder Michael , A n n a , M a r i a und Kathar ina Beck er-
k lär ten , dass die Familie 300 Gulden Konfiskationsgeld
zahlen musste. 50 Gulden wurden bald gelifert, so dass in
der Über s i ch t vom 11. M a i 1680 nur noch 250 Gulden an-
g e f ü h r t s ind. Die Gerichtsleute h ä t t e n schon zwei Kühe
aus dem Stall holen lassen, noch ehe die Dint l in exami-
niert worden sei und gestanden habe, woraus ja handt-
greißich zueverspüren, das der ambtleuthen begürd auf
174
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
gueth und blueth zumahl in ono instanti [«auf das schnel-
le Geld»] gericht gewesen unnd wo das gueth ainmahl
ahngegriffen worden, das blueth darumben vergossen
werden miessen, damit die spöttliche widerhaimbgebung
des entfüehrten vermitten werde.
D A N I E L W A L S E R A U S V A D U Z ,
SOHN H A N S W A L S E R S
UND B R U D E R DER JOFIANNA W A L S E R I N IN M A U R E N
(SRg, fol. 130b-132b; S tAAug 2969, fol . 47a ;
StAAug 2971, fol . 4a; V L A , H o A 76,17 Liste von 1.682,
S. 11; Welz 1, S. 59 f.)
Daniel Walser stand wegen seines 1648 verbrannten
Vaters in schlechtem Ruf.
Bei einer Inquisition am 5. September 1678 e rk l ä r t e Eva
Jenin, dass Daniel Walser und Andreas Hemerle be im
Brunnen dazu gekommen seien, als sie einmal geflügel
abgestochen und gebuzt habe. Nachdem ersterer ein ge-
buzte henn in die hand genommen hatte, entdeckte die Je-
nin, daß die henn im maul und. halß voll weisser wurm
seye, darumben sye besagten Daniel Walser ausge-
schmückt, daß er ihr die henn verdörbt. Be im Gerichts-
verfahren gegen ihn musste er s p ä t e r gestehen, dass er
der Henne ein weisses Gift, das ihm der Teufel gegeben
hä t te , in den Schnabel geschoben habe, darvon die leüth,
wan sye es genossen, hetten sterben müessen. A n n a Güf-
lin gab zu Protokoll, sie habe der Jenin beim Ausnehmen
der Hennen geholfen und davor keinen Mangel am Tier
bemerkt.
Weiters e rk lä r t e die Mutter Daniel Walsers, Kathar ina
Ospeltin, unter E id , daß ihr söhn nicht nuz und zu keinem
gebett zuvermögen seye; hat sich auch beklagt, daß ihr
kue kein milch gebe und daß kalb darvon entrent worden.
Dafür habe sie ihren Sohn jedoch nicht ausd rück l i ch ver-
antwortlich gemacht.
Laut Rechtsgutachten von 1679 sollte Walser nur gefan-
gen, nicht jedoch gefoltert werden.
Er wurde erst am 10. A p r i l 1680 verhaftet und am fol-
genden Tag an die Folter geschlagen, wo er - laut einer
s p ä t e r e n Eintragung - zwei Vaterunser lang hing. Neben
den üb l ichen G e s t ä n d n i s s e n gab er an, der Teufel habe
ihm schwarze Erbsen gegeben, um das Vieh damit zuver-
zaubern und zuverdörben. Seiner Mutter wollte er ein ro-
tes Schwein, ein Ferkel , ein Schaf und mehrere Kälber
mit den Erbsen magisch geschäd ig t haben. Weiters h ä t t e
er Matthias Hopp ein Ross mit pulver verdörbt sowie Kas-
par Schreiber zwei Schweine durch vergiftetes Futter zu
schänden gericht. Die 28 Personen, die Walser u r s p r ü n g -
lich als Kompl izen angegeben hatte, liess er s p ä t e r durch
den beicht vatter widerrufen.
Nach seiner Hinr ichtung scheinen seine Mutter und
seine Erben in der Konfiskationsliste vom 11. M a i 1680
mit 250 Gulden auf. Daniel d ü r f t e also noch nicht verhei-
ratet und der j ü n g e r e Bruder der Johanna Walserin, Ehe-
f r au Mar t in Hopps in Mauren, gewesen sein.
CHRISTIAN N E G E L E A U S V A D U Z ,
E H E M A N N DER A N N A HOPPIN;
V E T T E R G E R O L D N E G E L E S
U N D N E F F E DES K A P L A N S G E R O L D H A R T M A N N
A U S S C H A A N
(SRg, fol . 109a-117b ; S tAAug 2969, fol . 50a ;
StAAug 2971, fol . 45a; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 7 u. 11)
Über Negele liegen keine Inquisitionsakten vor. Nachdem
er 1679 von denen lezt verbrenten 12 mahl seye denun-
cirt worden war, hatte er bey den lezt geführten proceß
sich flüchtig gemacht, we i l sowohl sein Vater als auch
sein Bruder verhaftet worden waren und ihn letzterer de-
nunziert hatte.
Christians Witwe A n n a Hoppin e rk l ä r t e später , der Land-
vogt Dr. Brügler habe ihren M a n n abholen wollen und ihn
schon vor dem Haus als Hexenmeister herausgerufen. So
hat er sich erschöckhen lassen und nit gewist, dem ge-
walt ein widerstandt zu thuen. E r f loh daraufhin aus dem
Land. Als er wieder nach Hause kommen wollte, sei er zu
Veldkirch verkundschafftet und zur gefänkhnus gebracht
worden, warauß er sich ledig gemacht und bald gar ent-
runen wäre.
Negele wurde am 3. A p r i l 1680 constituirt und examinirt.
Da er gütl ich nichts einbekennen wollte, wurde er 2 oder
3 vatter unser oder aufs längste ein miserere lang ent-
hebter von der erde an die Folter g e h ä n g t . Dabei folterte
man ihn - laut Aussage seiner Witwe - so grausam, dass
sie es selbst aus dem Schloss Vaduz heraus bis i n den
Weingarten gehö r t hatte.
Negele legte unter der Folter nicht nur das gewöhnl i -
che G e s t ä n d n i s ab, sondern gab auch 32 Kompl izen an.
Unter anderem e rk lä r t e er, die Johanna Kranzin sege ein
wolgeklaydte und. fürnemme dama gewesen. E r habe mit
anderen Hexenpersonen zusammen einen solchen W i n d
erzeugt, dass grosser Schaden entstanden sei, und in
Schaan schaden an den trauben verursacht.
Laut Prozessopferliste von 1682 wurde Chris t ian Ne-
gele 1680 hingerichtet.
S p ä t e r beklagte sich die Witwe samt ihren drei Kindern
vor der kaiserlichen Kommiss ion ü b e r die unbilliche Kon-
fiskation und die leichtfärtige verschreyung meines
maus. Die eingezogene Summe belief sich auf 250 Gul-
den.
175
M A R T I N NIGG, RÄDERMACHER IN T R I E S E N ,
B R U D E R DES G E F L O H E N E N SIMON NIGG,
W O H L EIN SOHN GEORG NIGGS
(SRg, fol . 121b-126b; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 8 u. 11; StAAug 2969, fol . 47a; S tAAug 2971, fol . 19b;
Welz 1, S. 30)
Mar t in Nigg, dessen Vater öffentl ich pro malefico gehalten
wurde, war in vorigen processen (vor 1679) v iermal - laut
Dr. Welz sogar f ü n f m a l - denunziert worden. Der Bruder
seines Vaters, sein eigener Bruder sowie das ganze
Geschlecht, die ganze raza, standen in mala fama, i m
schlimmen credit. (Vgl. auch die Verwandtschaftsangaben
bei Mart ins Bruder Simon Nigg.)
Bei der Inquisition am 20. Jun i 1676 gab der erste Zeuge,
C o r n e ü u s Marogg, zu Protokoll, dass sich Nigg zur Zeit
der Malefizprozesse von 1651 fast tägl ich in sein Haus
auß vorwandt der kälten begeben habe, nach vollendtem
proceß aber seye er nit mehr khomben. Da fü r habe nach
seinem Besuch eine K u h an der milch abgenommen. Ob-
wohl Nigg das Tier nie a n g e r ü h r t hatte, wurde er von M a -
rogg - wie auch fü r den Rückgang der Mi lchprodukt ion
bei anderen Kühen - wegen seines schlechten Rufes ver-
antwortlich gemacht.
M a r i a Rigin hegte gegen Nigg den - aus der Sicht des
Salzburger Rechtsgutachters - schon vor 20 jähren unbe-
gründten verdacht, dass er an ihren Schmerzen schuld
gewesen sei, die sie erlitten habe, weillen sye ihme ihr
gehabtes schapele nicht, sondern einen andern gegeben,
obwohl der Nigg solches gern gehabt hette. Sie glaubte
also, dass sich Nigg fü r die Z u r ü c k s e t z u n g bei der Braut-
werbung g e r ä c h t hatte. Die Krankheit , die daraus resul-
tiert sei, habe sie durch geistliche Mittel wieder vertriben.
Magdalena Lampart in e rk l ä r t e ferner, Niggs eigene
Schwiegermutter A n n a Schurtin habe ihn deß feures wür-
dig geschäzt.
Dr. Welz e rk lä r t e 1679 eine Gefangennahme und Folte-
rung fü r mögl ich .
A m 20. März 1680 wurde Jakob Bargezi ü b e r Nigg ver-
hör t , den er nun f ü r seine Krankhei t verantwortl ich
machte, da er sich durch den Besuch Niggs in der aderläß
entsezt und nach solcher übel auf befundten habe. E in
weiterer Zeuge gegen Nigg war damals Chris t ian Beck.
A m 6. A p r i l 1680 wurde Mar t in Nigg gefangengenommen
und am folgenden Tag, da er f re iwi l l ig nichts gestehen
wollte, an der Folter befragt, wobei er zwei Miserere lang
von der erd enthebt war und doch keine schmerzen emp-
funden hatte. Dennoch brachte man ihn zum G e s t ä n d n i s
der Hexerei. Daraufh in wurde er - wie sich die Gerichts-
leute g e r ü h m t haben sollen - kostenlos, also umb gottes
willen verbrent, weil nichts vorhandt, daß sie nemmen
könten. Die vorliegenden Unterlagen bes tä t igen , dass von
i h m nichts zu konfiszieren war.
M A R I A B E C K I N V O M T R I E S E N B E R G ,
T O C H T E R H A N S ULRICH B E C K S U N D
E H E F R A U T H O M A S OSPELTS
(SRg, fol . 117b-121b; S tAAug 2969, fol . 47a; S tAAug
2971, fol . 22a; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 7 u. 11; Welz 1, S. 56 f.)
Bei der Inquisition am 11. J ä n n e r 1679 sagte z u n ä c h s t
A n n a Eberl in am Gartschin670 aus, die mit der Beckin ver-
feindet war. Die zweite Zeugin war Lena Ospeltin vom
Triesenberg, die der Beckin vorwarf, sie habe ihr eine
K u h an der milch verdörbt, dan ein kalb und fehrle [Fer-
kel] verzaubert, so dass beide eingegangen waren. Laut
Salzburger Rechtsgutachten e rk l ä r t e die Ospeltin weiters,
M a r i a Beckin gewinne deshalb so viel Schmalz, wei l sie
ein schwarzes mändle hinder dem herd habe, das ihr da-
bei helfe. Dr. Welz hingegen e r w ä h n t einen selzame[n]
und höchst suspectetn] bericht von dem schwachen maid-
lin, daß ihr schmalzen helffe. Mögl icherweise liess also
der Salzburger Rechtsgutachter Dr. Moser auch in diesem
Fal l einen Verdacht unsinniger erscheinen, als er war.
Da fü r spricht, dass vom Vaduzer Gericht auf diese ausser-
gewöhn l i che Erscheinung ü b e r h a u p t nicht Bezug genom-
men wurde.
Die n ä c h s t e Zeugin, A n n a Negelin aus Lavadina, e rk lä r t e ,
diejenigen Kühe , welche die Beckin auf Bitte ihres M a n -
nes Hans Hi lb i gemolken habe, seien verendet.
Im März 1679 b e f ü r w o r t e t e Dr. Welz die Verhaftung und
Folterung der Beckin .
Sie wurde a m 5. A p r i l 1680 gefangengenommen und
examiniert. A m folgenden Tag h ä n g t e man sie ein Misere-
re lang an die Folter, wobei sie das Hexenwerk gestand.
Als F luggerä t wollte sie dabei keinen Stecken, sondern
einen Stuhl b e n ü t z t haben. Al le 16 Personen, die sie als
Kompl izen angegeben hatte, liess sie durch den beichtvat-
ter widerumben revocir[en]. Die Beckin bekannte d a r ü b e r
hinaus, sie habe sich mit dem Bruder ihres schwähers
(Schwiegervaters), Thomas Ospelt, fleischlich versündiget
und also incestum begangen.
Nach ihrer Hinr ichtung hatten die Erben als Konf i ska-
tionsgeld 60 Gulden zu entrichten.
176
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
E V A GÖTSCHIN V O M T R I E S E N B E R G ,
TOCHTER P A U L GÖTSCHS
(SRg, fol. 126b-130a; S tAAug 2969, fol . 47b; S tAAug
2971, fol. 22a; V L A , H o A 76,17 Liste von 1682,
S. 8 u. 11; Welz 1, S. 36)
Eva wurde zweimal denunziert, stand in bösem geschrey
und war eine hexe nach außag ihrer eigenen eiteren.
Bei der Inquisition am 21. Jul i 1676 sagten Hans Schedler
aus Lavadina und dessen Ehefrau Barbara Tannerin aus,
die mit Eva Götschin in Streit lebten. Von der Tannerin
war diese auch Hexe gescholten worden, denn sie habe
ihr im schlaff eine hexereg vor daß gesteht gemacht und
sie in noch wehrende traurigkeil gestürzet.
Weitere Zeugen waren M a r i a Lampart in und Sebastian
Beck aus Lavadina. Letzterer gab zu Protokoll, die Göt-
schin sei w ä h r e n d der Hexenprozesse niemahlen in ihrem
hauß, sondern allezeit anderer orten über nacht gewesen.
Als er einmal in seinen Stall gehen wollte, habe die Göt-
schin, sobald sie ihn gesehen hatte, aufs geschwindeste
die flucht in die alp a u f f s berglin, n. b. durch einen ohn-
gewohnten weg, in stund weit genommen.
Lena Ospeltin sagte aus, dass die Götschin ihr ein jun-
ges fährlein am Rücken angegriffen habe, worauf es acht
Tage s p ä t e r an einer Geschwulst eingegangen sei.
Obwohl sich Dr. Welz schon ein Jahr davor fü r ihre Gefan-
gennahme ausgesprochen hatte, kam es erst am 8. A p r i l
1680 dazu. A m folgenden Tag soll sie an der Folter drei
Vaterunser lang aufgezogen worden sein. Unter anderem
gab sie dabei an, dass sie Hans Kaufmann zwei rote Käl-
ber und Hans Schedler aus Lavadina ein Kalb mit zaube-
rey verdörbt habe.
Nach ihrer Hinrichtung wurden 150 Gulden aus ih rem
Besitz konfisziert.
M A R I A FROMOLTIN V O M T R I E S E N B E R G
(SRg, fol. 136a-138b; S tAAug 2969, fol. 47b;
S tAAug 2971, fol . 22a; V L A , H o A 76.17
Liste von 1682, S. 8 u. 11)
Schon Dr. Moser lag kein Inquisitionsprotokoll ü b e r die le-
dige Mar i a Fromolt in vor. Gegen sie wurde am 27. A p r i l
1680 vor Gericht verfahren. Nach einem ersten Ges t änd -
nis widerr ief sie ihre Angaben. Das zweite M a l habe sie
jedoch nach güettlichen zuesprechen und ohne torquiren
bekennt. Sämt l iche Denunzierungen nahm sie vor ihrer
Hinrichtung wieder zu rück .
Aus ihrem Besitz wurden 60 Gulden konfisziert.
H A N S ULRICH B E C K V O N «GARTENALP» 6 7 1
A M T R I E S E N B E R G
(SRg, fol . 104a-109a u. 272a-273b; S tAAug 2969,
fol . 47a; S tAAug 2971, fol . 21b u. 42a; V L A ,
H o A 76,17 Liste von 1682, S. 7 u. 11)
Die Unterlagen zur Inquisition ü b e r Beck lagen schon Dr.
Moser nicht mehr vor. Er musste sich deshalb auf einen
Extrakt s tü tzen .
Georg Negele warf Beck vor, dass die Kuh , die er ihm ab-
gekauft hatte, keine gute Mi lch gab. Das Schmalz, das er
daraus gewann, habe nach dem Genuss Schmerzen im
Leib verursacht. Die K u h konnte man ü b e r d i e s nicht zum
Wassertrog f ü h r e n , sondern musste ihr daß trinkhen in
den stall tragen.
Der zweite Zeuge, der Gerichtsmann Georg Beck, sagte
nur vom H ö r e n s a g e n aus, indem er sich auf Aussagen von
Becks Schwiegersohn bezog.
Margaretha Ospeltin gab zu Protokoll , dass Beck auf
ein oder anders orth gangen, alwo er nichts zuthuen ge-
hebt hette. Obwohl die Ospeltin nicht von einer mögli-
cherweise geplanten Flucht Becks gesprochen hatte,
schloss die Obrigkeit darauf, wei l die Zeugin e r w ä h n t hat-
te, sie sei zusammen mit ih rem M a n n , der s p ä t e r ver-
brannt wurde, und dem Beck von Steg abends noch l'/z
stundt in Maltum [Malbun] schlaffen gangen, obwohl sie
dort nichts zu tun hatten.
Der vierte Zeuge, Sebastian Beck, e rk lä r t e , dass man
Hans Ulr ich Beck ins gesicht ein saureüther gescholten
habe, ohne dass er sich dagegen zur Wehr gesetzt hä t te .
Beck wurde gefangengenommen und nach der güt l ichen
Einvernahme einmal - laut s p ä t e r e r Eintragung ein Mise-
rere lang - an der Folter von der erd enthebt gehanget.
Dabei gestand er die Hexerei , woraufh in er vermutlich
schon bei den Prozessen i m F r ü h j a h r 1680 hingerichtet
wurde.
Laut Liste vom 11. Ma i 1680 wurden 900 Gulden eingezo-
gen, in der «Tr i e sne r Liste» sind 950 Gulden vermerkt.
Gegen diese Konf isz ie rung beklagte sich s p ä t e r Becks
Schwiegersohn Hans Gassner vom Triesenberg samt den
sechs Geschwistern seiner F r a u vor der kaiserlichen
Kommiss ion . Die Schergen h ä t t e n schon, als sie Beck ge-
fangennahmen, 17 Gulden mitgenommen und dann noch
am selben Tag seinen Besitz zwecks Konfiskat ion inventa-
risiert. A m n ä c h s t e n Tag holten sie dann noch verschiede-
nes anderes.
670} Örtliche Zuordnung auf Grund der Verdächtigten und der
übrigen Zeugen am Triesenberg.
671) wohl Gnalp, westlich unterhalb des Kulms; LNb Triesenberg, S. 34 f.
177
ZWEITE PROZESS-SERIE
CHRISTINA W A G N E R I N A U S S C H A A N ,
E H E F R A U T H O M A S FRICKS UND S C H W E S T E R DER
K A T H A R I N A W A G N E R I N ( E H E F R A U M I C H A E L DINTLS)
(SRg, fol . 143a-147b; S tAAug 2971, fol . 36a+b; V L A , H o A
76,1.7 Liste von 1682, S. 9 u. 11; Welz 1, S. 53)
Die Wagnerin wurde zweimal denunziert und stand in
schlechtestem Ruf, wei l sie einen entsprechenden Lebens-
wandel f ü h r t e und n ä c h s t e Verwandte verbrannt worden
waren.
Über die Wagnerin wurde am 6. August 1677 inquiriert .
Dabei e rk l ä r t e die erste Zeugin, M a r i a Quaderin aus
Schaan, die Witwe Thomas Walsers, was auch die zweite
Zeugin, ihre Magd, die 16- j äh r ige Agatha F ö h r i n aus Rug-
gell, bes tä t ig te , näml ich dass die K u h der Quaderin wegen
der Wagnerin weniger M i l c h gegeben habe.
Dr. Welz hielt die vorliegenden Angaben im März 1679 fü r
ausreichend, um gegen die Wagnerin gerichtlich vorzuge-
hen, wozu es jedoch nicht kam.
Vor der Gefangennahme der Wagnerin i m November
1680 muss noch einmal eine Inquisition vorgenommen
worden sein. Dabei gab A d a m Walser zu Protokoll, dass
er wegen eines Schadens zu einem Heilkundigen, Dr. Wil-
ler genant, geritten war, um Rat zu suchen. Dieser bot
sich an, i h m diejenige F rau in einem Spiegel zu zeigen,
die ihm mit zauberey geschadet habe. Es war die Wagne-
r in , die er fortan (noch s t ä rke r? ) ve rdäch t ig t e .
A m 20. November 1680 stand Christ ina Wagnerin vor Ge-
richt. In ihrem erfolterten G e s t ä n d n i s e r w ä h n t e sie, dass
sie bei den Hexentreffen bestimmten Personen Wein aus
dem Keller entwendet habe. Damit ihre Abwesenheit
nicht auffiel, soll sie ihrem Mann ein blöckhle ins Bett
gelegt haben. Weiters bekannte sie, sie habe der braunen
K u h der Quaderin die milch genommen, in deme sye sol-
che mit ainer ruethen 2 mahl auf den ruggen geschlagen.
Weiters soll A d a m Walser von ihr lahm und krank ge-
macht worden sein, weihen er über die salb und würzet
getreuen, so sye ihme auf die stiegen gelegt. Die denun-
zierten Kompl izen widerr ief die Wagnerin vor ihrer H i n -
richtung.
Aus ihrem Besitz wurden 30 Gulden konfisziert.
GEORG NIGG A U S T R I E S E N , W O H L
V A T E R M A R T I N U N D SIMON NIGGS
(SRg, fol . 147b-151b; V L A , HoA 76,17 Liste v. 1682,
S. 9 u. 11; S tAAug 2971, fol . 19b; Welz 1, S. 38 f.)
Der Witwer Georg Nigg, dessen Geschlecht i m schlechte-
sten Ruf stand, wurde zweimal denunziert. Seinen Bruder
A d a m hatte man (vor 1679) bei letstern proceßen auf den
holzstoß gesezt und verbrennt. Georg Nigg soll zweimal
geflohen sein, e inmal alleine und das andere M a l zusam-
men mit seinem Bruder.
Bei der Inquisition am 25. J ä n n e r 1679 gab Jakob Bar-
gezi zu Protokoll , dass ihm eine tragende Geiss, die er
anstelle einer Geldzahlung von Nigg erhalten hatte, vier
Wochen s p ä t e r zerfallen sei. Laut einer anderen Aussage
Bargezis sei das Tier vom Hir ten be im ersten Austreiben
verlohren worden, daß kein mensch wisse, wo sye hin-
khommen. Der n ä c h s t e Zeuge, Leonhard Kindle , sagte aus,
dass ihn Nigg geflohen sei, weill er zeug beym hexen Pro-
cessen als ein ghtsman [=Gerichtsmann] thails zum bey-
fangen, thails zum beysizen seye gebrauchet worden.
Dr. Welz b e f ü r w o r t e t e i m M ä r z 1679 eine Gefangennah-
me und Examinat ion Niggs.
Nach einer weiteren Inquisition am 20. M ä r z 1680 dü r f t e
der Prozess gegen Nigg am 22. November eingeleitet
worden sein. Im Gefängn i s versuchte dieser zweimal , sich
von denen bandten ledig zumachen. Da er die erste Tortur
ohne G e s t ä n d n i s ü b e r s t a n d e n hatte, setzte man ihn spä-
ter ins Spanische Fusswasser. Dort wurde er w ä h r e n d an-
derthalb Stunden zweimal herumbgetrilt. So zwang man
ihn schliesslich zu einem G e s t ä n d n i s der Hexerei. Bei der
Folterung meinte der Scharfrichter, bei Nigg das Zeichen
gefunden zu haben, aus dem das Blut f ü r die Unterzeich-
nung des Teufelspaktes genommen worden war. Nigg ge-
stand unter anderem, dass er Jakob Bargezi ein braunes
Kalb verdorben habe, das aber noch lebe. Über den Zeu-
gen Bargezi sagte er nebenbei, er seye gar ein boßhaffti-
ger mann.
Spä te r widerr ief Georg Nigg sein G e s t ä n d n i s mit der
B e g r ü n d u n g , daß er solches ex metu torturae et crucia-
tuum [aus Angst vor der Folter und den Martern] gethan
habe. Dabei blieb er, bis m a n ihn widerumb zu den
schröckhen gebunden und an die folter geführt habe. Dort
wurde sein Widerstand gebrochen, so dass er die f r ü h e -
ren Angaben bes tä t ig te .
Nach der Hinr ichtung Niggs wurden von seinen Erben
115 Gulden konfisziert.
178
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
PETER O S P E L T 6 7 2 V O M T R I E S E N B E R G
(SRg, fol. 155b-157b u. fol. 228b+229a ; S tAAug 2971,
fol . 22b; V L A . H o A 76,17 Liste von 1682, S. 10 f. u. 17;
Welz 1, S. 47)
Ospelt wurde nur einmal denunziert, stand aber im Ruf
eines gottlosen und verruchten, unbußfertigen, l iederli-
chen Lebens. Er war verheiratet und hatte vier Kinder,
seine Frau war zum Zeitpunkt seines Prozesses wieder
schwanger. Ospelts Mutter hatte man verbrannt.
Bei der Inquisition am 13. Jul i 1677 gab Mar i a Fromol-
tin, Stefan Schedlers Ehefrau, zu Protokoll, dass Ospelt
ihre Kuh , nachdem sie ihm ein bisschen Mi lch v e r s c h ü t t e t
hatte, dreimal ein hexen khue gehaissen und gesagt habe:
Ich will dirs wol machen. Daraufhin gab die Kuh bald gar
keine Mi lch mehr. Durch den Einsatz geistlicher Mittel
brachte man sie soweit, dass wenigstens die Hälf te der
u r sp rüng l i chen Milchmenge gewonnen werden konnte.
Auf Grund der vorliegenden Indizien b e f ü r w o r t e t e Dr.
Welz schon 1679 ein gerichtliches Vergehen gegen Ospelt.
Bei seiner Einvernahme am 29. November 1680 soll
Ospelt z u n ä c h s t verneint haben, dass er in dem laster der
hexereg verhaffl sei. Dann habe er ohne Folterung be-
kannt, dass er gott und alle heylige verlaugnet, sich dem
bösen geist ergeben, mit demselben sodomiam begangen,
wie auch auf die versamblungen der veneficorum khom-
men seye. Sämt l iche von ihm denunzierten vermeintl i-
chen Komplizen widerr ief er vor seiner Hinrichtung.
Obwohl ihm der Graf die confiscation geschenkhl hatte,
erpressten die Kriminal is ten von seiner Familie 18 Gul -
den und verlangten 1682 noch weitere drei.
M A R I A S C H L E G L I N V O M R O T A B O D A 6 7 3
A M T R I E S E N B E R G ,
E H E F R A U N . G A S S N E R S , M U T T E R H A N S G A S S N E R S
UND DER G R E T A G A S S N E R I N
(SRg, fol. 157b-160b; S tAAug 2971, fol. 22a u. 43a;
V L A , HoA 76,17 Liste v. 1682, S. 11; Welz 1, S. 23-25;
Welz 5, S. 8)
Über M a r i a Schleglin wurde bereits am 3. März 1667 in-
quiriert. Dabei soll der erste Zeuge, Hans B ü e h l e r 6 7 4 vom
Triesenberg, laut Dr. Moser nur vom H ö r e n s a g e n und
damit nichts Belastendes ausgesagt haben. Seine Ehefrau
Anna Negelin bestä t ig te diese Angaben, die sie zum Teil
selbst betrafen. So sei sie einmal von der Schleglin am
Schenkel b e r ü h r t worden, woraufhin sye sich gleich übel
befunden hette. Ihr M a n n schilderte den Schaden und die
Schmerzen weit g r ö s s e r als seine Frau .
Dr. Welz sprach sich 1679 gegen eine Folterung der
Schleglin aus. M a n k ö n n e sie nur verhaften und ihr güt-
lich zusprechen.
Im folgenden Jahr sammelte man weiteres Belastungs-
material. Der Zeuge Georg Beck. Gerichtsmann vom Berg,
e rk l ä r t e damals, er und Andreas Fromolt hä t t en die
Schleglin ganz blau im Gesicht angetroffen, was sie auf
eine Verletzung beim Holzscheiten z u r ü c k f ü h r t e . Als er
sie in seiner Funktion als Gerichtsmann befragt habe, sei
sie sehr erschrocken.
In seinem Gutachten vom 28. November 1680 sprach sich
Dr. Welz selbst bei den neu hinzugekommenen Indizien
gegen eine Verhaftung der Schleglin aus. Dennoch wurde
sie bald darauf inhaftiert. Mögl icherweise war sie durch
Denunziationen belastet worden.
Als sie nach der Festnahme auch an der g e w ö h n l i c h e n
Folter nichts einbekennen wollte, setzte man sie ins Spa-
nische Fusswasser. Dort gestand sie etliches, was ihr
ihrem bekhennen nach im schlaff vorkhommen sei. Sie be-
kannte, was ihr bereits bei der Inquisition vorgeworfen
worden war, n ä m l i c h dass sie Unwetter verursacht habe,
die S c h ä d e n an Korn , Bohnen und Obst angerichtet hä t -
ten. Tiere jedoch wollte sie nicht magisch geschäd ig t ha-
ben. Die von ihr angegebenen Kompl izen liess sie vor ih-
rer Hinr ichtung durch den beichtvatter widerrufen.
Die Obrigkeit verlangte 90 Gulden Konfiskationsgelder.
Ihr Sohn Chris t ian Gassner beklagte sich dagegen 1682
auch im Namen seiner vier Geschwister vor der kaiser-
lichen Kommiss ion . Da ihre Mutter in disen ellendt hin-
richt worden und. an hab und gueth nichts verhanden ge-
wesen und mir arme kinder auch nichts haben ausser
schwere Arbeit , hatte man Christ ian Gassner seinen A r -
beitslohn in der Höhe von 45 Gulden g e p f ä n d e t , den er
sich mit seinem bluetigen Schweis verdient habe.
672) In SRg, Fol. 155b, heißt er Peter Ospelt, in der Delinquenten-
liste von 1682 heisst er Peter Oswalt. Er war möglicherweise
ein Sohn der oben angeführ ten Maria Beckin, die bei den ersten
Vaduzer Prozessen von 1680 hingerichtet wurde.
673) LNb Triesenberg, S. 52 f
674) Im SRg, fol. 158a, ist von Hans «Püeller» die Rede, bei Welz 1.
S. 24. von Hans «Büchler».
179
M A R I A OSPELTIN V O M T R I E S E N B E R G ,
LEDIGE TOCHTER DER E L S A , DIE DEN THOMA
SELLIN GEHEBT/'75 W O H L S T I E F S C H W E S T E R
W I L H E L M S E L E S
(SRg, fol. 160b-163b; Welz 1 S. 22 f.; S tAAug 2971,
fol. 22a; HoA 76,17 Liste v. 1682, S. 10 f.)
Die Ospeltin wurde zweimal denunziert. Zwei Schwestern
ihrer Mutter und diese selbst seien i m Ruf der Hexerei ge-
standen. Eine Tante war verbrannt, die andere gefangen
worden. Die Mutter soll nur durch ihren f r ü h e n Tod die-
sem Schicksal entgangen sein.
Es ging die gemeine sage, dass die Ospeltin und ihre
Mutter den eigenen vatter gelähmet und verhexet und in
der Folge hingerichtet h ä t t en . Das Gerüch t wurde da-
durch bes tä rk t , dass der arme mann in seiner kranckheit
von der töchter sowol alß der mutter sehr schnöd und
übel tractirt und gehalten worden seye.
Über die Ospeltin wurde am 20. März 1669 inquiriert . (Im
Salzburger Rechtsgutachten ist f ü r diesen Zeitpunkt ver-
sehentlich ein Kriminalprozess ange füh r t . ) Hans Fromolt,
Thebusen Sohn, e rk lä r t e , dass ihm die Ospeltin im M a i
1668, als er sich als galan (Liebhaber) bei ihr befunden
hatte, ein Brot zu essen gegeben habe, worauf er sich
übel befunden und grosses huesten gehebt, biß ihme
durch medicin geholffen worden.
Für Dr. Welz war diese Aussage zusammen mit den Anga-
ben zum Umgang mit dem Vater zwar ein ausreichendes
Indiz zur Anwendung der Folterung, dennoch riet er dem
Richter 1679, mit der Verhaftung der Ospeltin zu warten
und z u n ä c h s t gegen andere Personen zu verfahren, deren
sünden mehr offenbar und an dem tage liegen.
Bei den «Walse r i schen P rozessen» im folgenden Jahr
wurde die Ospeltin jedoch verhaftet. Sie bekannte dabei
in der ersten constitutio nichts, bei der zweiten gestand
sie auf güttliches zuesprechen hin, daß sye in dem laster
der zauberey verhafßtjet sei. Als sie jedoch weiter nichts
aussagen wollte, wurde sie an die folter geschlagen und
danach noch eine halbe Stunde lang in das Fusswasser
gesetzt. Auch dort brach man ihren Widerstand nicht.
Endtlichen alß man ihr mit der confrondation getrohet
und begnebens zum schrockhen die händ gebunden hatte,
gestand sie die Hexerei. A m 13. Dezember 1680 e rk l ä r t e
die Ospeltin, sie habe auf das Brot Hans Fromolts ein
weisses Gift gestrichen, das ihr der b ö s e Geist gegeben
hatte. W ä h r e n d Fromolt den Vorfal l auf 1668 datierte,
gab sie an, er hä t t e sich vor sieben oder acht Jahren
ereignet. Die denunzierten Kompl izen liess sie vor ihrer
Hinrichtung durch den Beichtvater widerrufen.
Aus ihrem Besitz sollten 150 Gulden konfisziert wer-
den.
UBERLEBENDE DER VADUZER PROZESSE
VON 1679 UND 1680
G E R O L D N E G E L E A U S S C H A A N , M I N I S T R A N T DES
S C H A A N E R K A P L A N S G E R O L D H A R T M A N N
(SRg, fol. 258b-259b; S tAAug 2971, fol. 32a-33b;
V L A , H o A 76,17 Liste von 1682, S. 19)
Die Inquisitionsprotokolle ü b e r den 16- oder 17 - j äh r igen
Gerold Negele liegen nicht mehr vor. Der Prozess gegen
ihn ist i m Salzburger Rechtsgutachten auf den 6. M a i
1679 datiert.
Christ ian Har tmann aus Frastanz in der ö s t e r r e i ch i s chen
Herrschaft Sonnenberg, ein Bruder des Kaplans Gerold
Hartmann, e r w ä h n t in einer s p ä t e r e n Eingabe, dass die
A m m ä n n e r Gerold Negele gefangengenommen hä t t en ,
obwohl dieser bereits von ihnen auskhaufft gewesen war.
Deshalb habe er sich auch unter dem Vorwand einer Zeu-
geneinvernahme auf das Schloss Vaduz locken lassen. Als
er dort ohne ainigen argwöhn erschienen war, wurde er
in die fragstuben zitiert, wo man einen Rauch machte und
ihm ein ge fä l sch tes Schr i f t s tück vorlegte, das aussah, als
ob es ein e i g e n h ä n d i g e s G e s t ä n d n i s seines Vetters, des
Schaaner Kaplans Gerold Hartmanns, ü b e r Negele w ä r e .
Dabei wollten die Amtleute von ihm wissen, wie oft er sei-
nem Vetter auf den H e x e n t ä n z e n beim Al tar gedient hatte.
Anschliessend zeigte man ihm die Folterinstrumente. Der
Jüng l ing habe sehr erschrocken geantwortet, er wisse von
keinem Hexentanz. Daraufhin wurde er weiter zu dem ge-
fä l sch ten Schr i f t s tück befragt.
Schliesslich bekannte Negele, vor etwa zwei Jahren
auf Anst i f tung seines Vetters hin Gott und alle Heiligen
ausser dem hl. Joseph verleugnet, sich dem b ö s e n Geist
mit dem eigenen Blut verschrieben, mit ihm Unzucht
getrieben zu haben und mit seinem Vetter auf Hexenver-
sammlungen gefahren zu sein. Er habe aber niemandem
zauberisch geschadet und auch keine Unwetter erzeugt.
Wegen dieser mildernden U m s t ä n d e bat er die Obrigkeit,
ihn gegen Zahlung von 400 Gulden zu begnadigen. Er
versprach auch ein bussfertiges Leben.
S p ä t e r gelang es ihm, durch ein ohngebrauchtes secret
(Abort) aus dem Gefängn i s zu entfliehen. Beim folgenden
Richttermin exekutierte man symbolisch seinen z u r ü c k g e -
lassenen Hut und Rock: Der Hut wurde mit dem Schwert
entzweigeschlagen und samt dem Rock verbrannt. Bei
diesem Vorgang handelte es sich um eine sogenannte
«execut io in effigie», die vor allem bei weltlichen und
geistlichen Majes t ä t sde l ik t en wie politischen Verbrechen
oder der Ketzerei vorgenommen w u r d e . 6 7 6 Die Verurtei-
lung Negeles in dessen Abwesenheit e rmög l i ch t e es, sein
Vermögen zu konfiszieren.
180
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Da das G e s t ä n d n i s durch die gefä l sch ten Anschuldigun-
gen Kaplan Hartmanns erschwindelt und von Negele
schrift l ich widerrufen worden war, bat Christ ian Hart-
mann die kaiserliche Kommiss ion , seinen Vetter wieder
in vorigen ehrenstand zuesötzen und die eingezogenen
Güter z u r ü c k z u e r s t a t t e n .
Es spricht einiges fü r die Vermutung Otto Segers, dass Ne-
geles Verhaftung mit seinem V e r m ö g e n zusammenhing.
Er war vermutlich der j ü n g s t e Verurteilte der liechtenstei-
nischen Hexenprozesse um 1 6 8 0 . 6 7 7 Von Simon Rig aus
Triesen ist nur bekannt, dass er i m Jüng l ingsa l t e r stand.
M A R I A E B E R L I N A U S P L A N K E N ,
E H E F R A U T H O M A S L A M P A R T S
(SRg, fol. 138b-143a; S tAAug 2969, fol . 37a;
StAAug 2971, fol . 26a-31b; Welz 1, S. 49 f.
[hier ist sie versehentlich als M a r i a Lampart in
a n g e f ü h r t ] ; Welz 5, S. 2)
Die Eberl in soll ganz verschreit gewesen sein, unter ande-
rem auch deshalb, wei l ihr Grossvater und die Schwester
ihrer Mutter verbrannt worden waren.
Über M a r i a Eberl in wurde am 13. Jul i 1677 eine Inquisi-
tion vorgenommen. Dabei soll der erste Zeuge, Ul r ich Ne-
gele, Georgs Sohn, von Planken, ü b e r bestimmte Vorfälle
nur vom H ö r e n s a g e n ausgesagt haben. Unter anderem
wurde eine verwegne und wider gnädige herrschafft
stachlichte alß verdächtige rede a n g e f ü h r t . Der zweite
Zeuge, Christ ian Negele, Klausen Sohn, e rk lä r t e , dass die
Eberl in i m F rüh l ing 1677 sein e in j äh r ige s K i n d auf dem
Schoss gehalten und mit i h m gescherzt habe. A m n ä c h -
sten Tag sei diesem auf der rechten seilhen die rüple
ganz eingetruckt und das brüstle hoch gewesen, das es in
6 wochen hernach verstarb. Wie Chris t ian Negele wusste
auch der dritte Zeuge, Ulr ich Negele, Hansen Sohn, von
Planken, noch viel vom H ö r e n s a g e n ü b e r die Eber l in zu
berichten, unter anderem von verhexungen deß rühr-kü-
bels.
Im Gutachten vom März 1679 lehnte es Dr. Welz ab, den
Vorfal l mit dem verstorbenen K i n d als magische Schäd i -
gung einzustufen. Aufgrund der anderen beiden Vorwür fe
sprach er sich jedoch fü r eine Gefangennahme und Befra-
gung der Eberl in aus.
A m 19. März 1680 wurden weitere Zeugen ü b e r die Eber-
lin einvernommen. Dabei belastete sie Thomas Beck von
Planken unter anderem mit dem Vorwurf, dass er wegen
ihr manchmal nicht schmalzen konnte. Ursula Negelin,
die mit der Eberl in in Streit lebte, e rk lä r t e , diese habe
ihren Vater beschuldigt, das Trinkwasser verunreinigt zu
haben. Die Eber l in h ä t t e auch verlauten lassen, es mües-
sen des Martin Fromolts undt anderer leüth gaiß darauf
gehen. Ta tsächl ich seien der Negelin daraufhin vier Stück
verreckt.
M a r i a Eber l in wurde am 19. November 1680 gefangen-
genommen. Da sie gütl ich nichts gestand, wurde sie also
gleich an die Folter geschlagen. Be im folgenden Bekennt-
nis der Hexerei gab sie an, nicht mit einem Stecken, son-
dern mit einer Gabel geflogen zu sein und nur sich selbst
Vieh geschäd ig t zu haben, weillen sye andern leüthen nit
habe schaden kündten.
Im Rechtsgutachten vom 28. November 1680 stellte Dr.
Welz fest, dass die Eber l in vor Gericht bereits ihre unta-
then und zauberey gestanden und folglichen denjenigen
lohn zu erwarthen hat, welchen ihre bekennende untha-
ten verdienen. Der Eber l in gelang es aber, w ä h r e n d des
Verfahrens aus dem Schloss Vaduz zu flüchten. (Otto Se-
ger blieb diese Tatsache unbekannt. Er glaubte vielmehr,
man h ä t t e sie nicht verurteilen k ö n n e n , wei l sie keinen
Schadenzauber ausser solchen a m eigenen Besitz gestan-
den habe . 6 7 8 Wie etwa das Beispiel Miche l Keckhlins aus
Hohenems/Reute vom Jahr 1623 zeigt, 6 7 ' 1 h ä t t e sie deswe-
gen ü b r i g e n s ohne weiteres hingerichtet werden können . )
Laut einer Eingabe der Eberl in aus dem Jahr 1682 an
die kaiserliche Kommiss ion war sie bei ihrer Flucht
z u n ä c h s t durch ein Ofenloch gekrochen und durch andere
R ä u m e in den Dachstuhl des Schlosses gelangt. Nachdem
sie einige Ziegel w e g g e r ä u m t hatte, kletterte sie vom Dach
an einigen zusammengebundenen Le in tüche rn , die sie
mitgenommen hatte, die Mauern hinab und gelangte so in
die Freiheit.
Sie begab sich nach Feldki rch und liess den dort an-
sä s s igen kaiserlichen Notar Johann Conrad Ha im zu ihrer
ehren defendierung am 4. Dezember 1680 eine revoca-
tion, protestation, contradiction, provocation und reser-
vation verfassen und am n ä c h s t e n Tag dem Vaduzer
Landvogt sowie seinen Beamten zus te l len . 6 8 0 Wie bereits
dargelegt wurde, gab sie damit den ersten bekannten A n -
stoss zur Beendigung der liechtensteinischen Hexenpro-
zesse.
Nachdem ihr und anderen F lücht l ingen vom Kaiser
das freie Geleit zugesichert worden war, begab sie sich
zu ihren Verwandten in der Herrschaft Schellenberg und
675) SRg, fol. 160b.
676) Vgl. dazu Schild, Geschichte der Gerichtsbarkeit, S. 66.
677) Seger, Hexenprozesse, S. 96.
678) Ebenda, S. 71 u. 98.
679) Tschaikner, «Damit das Böse ausgerottet werde», S. 104 f.
680) StAAug 2971, fol. 26a.
181
liess ihr Haus leerstehen. Im Jahr 1681 und i m A p r i l 1682
wurde sie jedoch von zwei Musketieren aus der Herr-
schaft Schellenberg zweimal in ihr ödes haus zu rück-
ge führ t . Nach der Aufhebung ihres Todesurteils wurde
der Vaduzer Obrigkeit angeordnet, die konfiszierten 234
Gulden und 30 Kreuzer z u r ü c k z u e r s t a t t e n .
K A T H A R I N A G A S S N E R I N , GEBÜRTIG V O M
T R I E S E N B E R G , E H E F R A U CHRISTOPH G A S S N E R S
Z U T R I E S E N
(SRg, fol . 152a-155b; V L A , HoA 76,17 Liste v. 1682,
S. 9 u. 11; Welz 1, S. 48 u. 57; T ü b i n g e r
Rechtsgutachten)
Als ü b e r Kathar ina Gassnerin am 13. J ä n n e r 1679 inqui-
riert wurde, war sie etwas ü b e r dreissig Jahre alt und
hatte vier Kinder. Ihr Vater und ihre Mutter waren wegen
Hexerei übel beschreyet, verschiedene Blutsverwandte
deshalb auch verbrannt worden.
Der erste Zeuge bei der Inquisition war Hans Kindle, ein
Sohn Leonhards. Er gab zu Protokoll, dass die Gassnerin
an einem Sonntag sein etwa zwei Monate altes K i n d , das
über alle müssen bißdahin fromb, ruheig und still gewe-
sen war und bey seiner muetter mülch und gewöhnlichem
müeßlin zuesehen begehrt hatte, zusehen begehrt, selbes
aufgenommen und gelobt haben solle. Sie sagte-. Ey, wie
habt ihr doch so ein frommes kündt, aber ich förchte, eß
werde nicht lang wehren, dan dergleichen künder können
sich unvermuethlich verenderen und bald gueth, bald böß
sein. A m n ä c h s t e n Tag, an einem Montag im Spä the rb s t ,
sei die Gassnerin etwa zwischen neun und zehn Uhr
abends noch zu seinem Haus gekommen und habe unge-
s t ü m an der verschlossenen T ü r geklopft. A u f die Frage,
was sie so spä t noch wolle, antwortete sie, eß thüe ihr
noth, dan ihr söhn einen bösen fueß habe und grossen
schmerzen leide. Sie wollte deshalb zu Fr id l i Nigg, der in
der oberen Stube von Kindles Haus wohnte. Er war zwar
ein Metzger, «ging» aber - wie es hiess - mit «Arznei»
« u m » , ohne dass man wusste, woher er die wissenschafft
habe, ausser daß er selbsten malae famae war. Die Frau
Kindles wies sie daraufhin zu Nigg hinauf. Davor jedoch
wollte die Gassnerin in die Stube der Famil ie Kindle kom-
men. Dort sass sie eine Weile bei dem schlafenden Kind
und lobte es wieder mit ä h n l i c h e n Worten, ohne dass sie
es b e r ü h r t e . Ü b e r r a s c h e n d e r w e i s e verliess die Gassner in '
nach einer Weile das Haus, ohne weiter nach Nigg zu ver-
langen.
A m n ä c h s t e n Morgen habe dann das K i n d die Mutter-
brust mit hartem geschrey nicht mehr annemmen wollen,
sich zwar feündtlich und lustig, doch nicht sogar alß
zuvor, erzeigendt. Zuerst glaubten die Eltern an eine
na tü r l i che Unpäss l ichke i t , am Abend jedoch schon an ein
beygefüegt maleficium, und zwar von der Gassnerin.
Kindle wandte sich in dieser Sache an den Pfarrer von
Kriss um geistliche Hilfe. Dieser gab ihm einen Benedic-
tus-Pfennig, den sich die Mutter u m h ä n g t e . A u f des Pfar-
rers Anordnung hin wurde auch das Kinderbett durch-
sucht. Dort fand sich im deckhbethlin etwas in länge eines
guethen mannsfüngers, gleich einein gefetschten kündlin
voller haar und schwarzlechten federlin und dan ferners
im unterbettlin eben dergleichen ungewöhnliche federlin,
da es doch sonst ganz keine feder in sich begriffen habe.
Durch die Wi rkung des Benedictus-Pfennigs sei das K i n d
so weit gebracht worden, dass es wieder ein wenig saug-
te, aber rechte Besserung stellte sich nicht ein. Nach drei
Monaten, die das Kleine in solchem jamerstand zuege-
bracht hatten, gelang es endlich mit Hilfe der Kapuziner,
den Zustand des armen Kindes zu stabilisieren.
Verwundert war Kindle , als er sich ü b e r den Zustand
des Sohnes der Gassnerin an jenem Abend, als sie Fr id l i
Nigg sprechen wollte, bei zwei Frauen erkundigte, die da-
mals bei ihr auf Besuch gewesen waren. Sie lächel ten und
meinten, es were nirgendts so böß gewesen, er habe sich
zwar in etwas geclagt, aber darbey noch immerzue pfeif-
fen können. Die Gassnerin sei erst nach elf Uhr nachts
wieder heimgekommen. Soviel Kindle erfahren konnte,
habe sie noch in einem verdächtigen andern hauß sich
auffgehallen, nemblich in Jacob Schurtins, welcher zwar
eines erträglichen, seine fraw aber eines von der hexerey
desto üblem rueffs seye.
Weiters e rk l ä r t e Sebastian Beck, die Gassnerin habe zu
seiner F rau gesagt: Dein mann hat mir meine mutter ver-
than, aber ich will ihme noch wohl eine leze laßen, und
zwar zur zeit, wann er nicht daran gedenckhen wirdt.
Im Rechtsgutachten vom März 1679 sprach sich Dr.
Welz fü r die Gefangennahme und Folterung der Gassne-
r in aus, wozu es aber wie bei vielen anderen Personen
nicht mehr kam.
Sie wurde erst am 26. November 1680 von fünf M ä n n e r n
gefangengenommen. (Darunter befanden sich der Al t -
A m m a n n und Gerichtsmann Hans Negele aus Triesen-
berg.) Diese hatten die Gassnerin nicht daheim bei ih rem
Ehemann vorgefunden, sondern drei Stunden vor Tag auf
dem Triesenberg etwa eine halbe Stunde weit von ihrem
Haus bei Michae l H i lb i . Schon f rühe r , als man den einen
oder anderen eingezogen hatte - und besonders nach
dem Ende des ersten Schellenberger Prozesses, als daß
grümmel gegangen, man werde gleich dar auff zue Triesen
wider anfangen - , habe sie sich mitunter drei oder vier
Nächte lang nicht bei ihrem Mann , sondern an unge-
wöhnlichen öhrteren aufgehalten, wei l sie sich zurecht
vor einer Gefangennahme fü rch t e t e .
182
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Vor ihrer Verhaftung war die Gassnerin zweimal von
Delinquenten denunziert worden. Als man sie schliesslich
gefänglich eingezogen hatte, habe sie noch ein heyl. meß
von herrn pfarrer begehrt. Diesem Wunsch sei ihr M a n n
nachgekommen und habe deshalb die Messe bey dem
pfarrer angefrümbt.
Bei der ersten Einvernahme vor Gericht bekannte sie
sich der Hexerei nicht schuldig, sondern e rk lä r t e , sie seye
fromb erzogen und alzeit zum betten angehalten worden.
Der Herr K ä m m e r e r und Pfarrer Valentin von Kriss werde
für sie meß lesen, damit die warheit hera.uß komme.
Da sie f re iwi l l ig nichts gestand, wurde sie am folgen-
den Tag, am 27. November 1680, an die folter geschlagen
und aufgezogen. Als sie dort drei Vaterunser lang h ä n g t e ,
habe sie getan, alß wan sie nichts empfinde. Deshalb
nahm man sie herab und setzte sie f ü r drei Stunden ins
Spanische Fusswasser. Daraufh in wurde sie noch zwei -
mal aufgezogen. Danach brachte man sie wieder ins
Gefängnis zurück , ohne dass man ein G e s t ä n d n i s erlangt
hatte.
Als man sie am 29. November neuerlich einvernahm
und gebunden zur Folter brachte, e rk lä r t e sie sogleich,
dass sie durch das Buhlen zu einer Hexe geworden sei. Da
sie nicht mehr gestehen wollte, wurde sie daraufhin zum
schreckhen wider an die folter geführt. Dort gab sie an,
sie sei vor zwölf Jahren hinter den Teufel geraten. E r sei
u n n a t ü r l i c h kalt gewesen und sie habe ihn nach dem Bei-
schlaf in schändtlicher grüner gestalt gesehen. Sie h ä t t e
Gott und alle Heiligen verleugnen, i h m ihre künf t igen K i n -
der und sich selbst mit Leib und Seele schrifftlich ver-
schreiben müessen. Ausserdem habe sie nicht mehr beten
dü r f en .
,4m Nachmittag bes tä t ig te die Gassnerin diese Aussa-
gen und fügte noch hinzu, dass sie eine Salbe besass,
deren leeren Behä l t e r die Schergen bei ihr auf dem Ofen
liegen gesehen hatten. Damit habe sie eine Katze einrei-
ben m ü s s e n , um auf die T ä n z e zu fliegen. Diese sollen auf
Tuas und auf dem Heuberg stattgefunden haben, und
zwar am Mittwoch und am Freitag, sonderlich im sommer
und in der heyl. zeit. Danach gab sie viele, zumeist noch
lebende Kompl izen an. Der Teufel habe ihnen befohlen,
Leuten und Vieh zu schaden. Deshalb hä t t e sie mit Be i -
hilfe zweier M ä n n e r ein rindlin von Florian Lamparts
Ehefrau so verderbt, dass es innerhalb von zwei Tagen
verendete. Weiters sei sie auf einem roten Kalb von Jerg
Sprengers volckh im Früh l ing zu einem Tanz geritten. Vor
allem aber habe sie Hans Kindles K i n d aufgenommen und
auf Befehl des Teufels zweimal in seinem Namen ange-
haucht, womit sye dem kündt die ruhe genommen; und
habe sie mehr schaden thun sollen, da sie eß aber nit al-
lezeit gethan, seye der teüfel zornig auff sye worden und
habe sie o f f t geschlagen.
Diese Aussagen bes tä t ig te sie am 4. Dezember 1680.
Dabei negierte sie trotz umbständtlich fragen, dass sie
jemand die Hexerei gelehrt und dass sie dem Teufel ihre
Kinder geschenkt habe. Von ihr sei auch nie etwas Zaube-
risches eingegraben oder das Wasser vergiftet worden;
sie habe weder die Hostie unrecht gebraucht, noch einen
solchen Missbrauch auf den T ä n z e n je gesehen. Schliess-
lich e rk l ä r t e sie, daß ihr von herzen laid seye, gott also
beleidiget zuehaben.
Bei einer weiteren Einvernahme am 14. Dezember
aber widerr ief sie alle ihre Aussagen, besonders die A n -
gaben ü b e r ihre vermeintl ichen Kompl izen . Sie e rk lä r t e ,
das sie auß furcht der folter also ausgesaget und daß sie
eß von andern leüthen habe sagen hören, sie hab auch
gehört, daß man alle umbständt auff dem plaz verlesen
habe.
Nachdem man ihr gut zugesprochen hatte, hat sie die
obrigkeith mit einem fueßfahl [Kniefall] umb verzeichung
gebetten und gesagt, sye habe eß deswegen gethan, sye
habe vermaint, man werde sie etwan wider nach hauß
lassen zue ihren kündern, daß leben seye auch edel und
der todt erschröckhlich. Daraufh in bekannte sie sich wie-
der zu ihren f r ü h e r e n Aussagen; es stimme alles, was sie
gestanden habe. Sie bat nun das Gericht noch, man solle
fü r sie beten, sie wolle eß auch in jener weit vor daß
ganze gericht thuen.
Bei der « B e s i e b n u n g » am 16. Dezember bes tä t ig te die
Gassnerin ihr G e s t ä n d n i s zum letzten M a l . Daraufhin
wurde sie vom Gericht zusammen mit vier oder fünf an-
deren Delinquenten zum Tod durch das Feuer verurteilt.
Das weitere Schicksal der Gassnerin nach dem Einspruch
des Pfarrers von Kriss wurde bereits i m ersten Abschnit t
dargestellt.
Laut einer s p ä t e r e n Injurienklage e rzäh l t e man sich
von ihr, dass man ihr «auf einem Messerspitz etwas ein-
gegeben, als dann sie schwatzen habe k ö n n e n und sagen,
was man sie gefragt h a b e » . 6 8 1
681) Büchel. Protokolle. S. 118.
183
VERFAHREN VOR D E M GEISTLICHEN
GERICHT IN CHUR
G E R O L D H A R T M A N N , K A P L A N IN S C H A A N
(StAAug 2971, fol. 2a, 9a u. 32a-33b; V L A Vogt.arch.
Bludenz, Sch. 38/321)
Nachdem die vaduzischen Amtleute den aus Frastanz
stammenden Schaaner Kaplan Gerold Har tmann in Chur
angezeigt hatten, wurde er s p ä t e s t e n s i m F r ü h j a h r 1679
nach C h u r 6 8 2 zitiert, dort wegen suspicionem magiae
(Zaubereiverdachts) verhaftet und s p ä t e r ad sanctuni o f f i -
cium inquisitionis nacher Maylandt gebracht. W ä h r e n d
seiner d re i j äh r igen Gefangenschaft musste er grausame
Torturen ü b e r s t e h e n , bis er schliessbch durch päps t l i che
Verordnung von der Heiligen Kongregation in Rom wie-
der restituiert wurde. A m 28. August 1682 verfasste er
f ü r die kaiserliche Kommiss ion einen Erfahrungsbericht
ü b e r die Vorgangsweise be im Spanischen Fusswasser.
Noch Anfang 1682 wandte sich die Bludenzer Obrig-
keit in der causa Har tmann an die Innsbrucker Regie-
rung. Ein Bruder des Kaplans, Christ ian Har tmann aus
Frastanz, versuchte damals zu verhindern, dass dessen
Vermögen , das sich auf etwas unter 600 Gulden belief,
zue bischöfflichen henden nacher Chur gezogen werde.
Der Bludenzer Vogt riet der Regierung mit Schreiben vom
1. Februar 1682, das Geld in Raten auszuzahlen, und
zwar nur dann, wenn der Angeklagte dies nachweislich
selbst verlange. Bald darauf kehrte Gerold Har tmann
jedoch nach Frastanz zurück . Über sein weiteres Schick-
sal wurde ebenfalls bereits i m allgemeinen Teil berichtet.
682) Dort sind über seinen Fall keine Akten mehr erhalten (Seger,
Hexenprozesse, S. 96).
184
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN AUS
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Anhang
ABKÜRZUNGEN
A n m .
Anmerkung
Auf l .
Auflage
bearb.
bearbeitet
Bd(e).
B a n d / B ä n d e
Cod.
Codex/Codices
d.
die/der
ders.
derselbe
Diss. phil .
Dissertation an einer
philosophischen Faku l tä t
f.
folgende Seite
fol.
Blatt
H D A
H a n d w ö r t e r b u c h des
deutschen Aberglaubens,
siehe Literaturverzeichnis
Hrsg.
herausgegeben
HoA
Hohenemser Arch iv im
V L A
Hs.
Handschrift(en)
Kap.
Kapitel
L L A
Liechtensteinisches Lan-
desarchiv, Vaduz
LNb
Liechtensteiner Namen-
buch, siehe Literaturver-
zeichnis
masch.
maschinengeschrieben
Nr.
Nummer
ÖStA
Ös te r re i ch i sches Staatsar-
chiv, Abt. Haus-, Hof- und
Staatsarchiv, Wien
o. fol .
ohne Blattnumerierung
o. J .
ohne Jahresangabe
o. Nr.
ohne Numerierung
S.
Seite
s. a.
siehe auch
Sp.
Spalte
SRg
Salzburger Rechts-
gutachten von 1682
S tAAug
Staatsarchiv Augsburg
T l .
Teil
T L A
Tiroler Landesarchiv,
Innsbruck
u.
und
u. a.
und andere(n)
v.
von/vom
V L A
Vorarlberger Landes-
archiv, Bregenz
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Vogteiarchiv
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Rechtsgutachten von
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Vorarlbergisches Wör t e r -
buch mit E insch luß des
F ü r s t e n t u m s Liechten-
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1548-1637. Sigmaringen,
1994 (Konstanzer
Geschichts- und Rechts-
quellen. Neue Folge der
Konstanzer Stadtrechts-
quellen 34).
189
REGISTER
Im folgenden Register
werden die Namen, die
auf den Seiten 100-102,
110 f., 113 und 115
aufgelistet sind, nicht
berücks icht ig t . A u c h bei
den Abschnitten ü b e r
bestimmte Personen im
Dokumentationsteil sind
deren Namen nur in der
Über sch r i f t registriert.
Sehr schwierig ist es,
verschiedene Personen
gleichen Namens aus-
einanderzuhalten oder sie
als identisch zu erkennen.
Manche getrennt ange-
f ü h r t e Personen k ö n n t e n
identisch sein, hinter
einzelnen Namen verber-
gen sich vielleicht ver-
schiedene Persön l ichke i ten
(zum Beispiel Vater und
Sohn gleichen Namens).
E i n Teil der Ortsnamen,
die den Personennamen
be igefügt sind, wurden
nur aus dem Kontext
erschlossen. (Besonders
bei Triesen und Triesen-
berg dü r f t e es manche
Ü b e r s c h n e i d u n g e n geben).
A
Albert inus
- Ägidius , 30
Albrecht
- Christ ian, 166
Anger
- Christoph, 39, 45, 173
- Christoph, Gerichts-
mann, 158
- Georg, Schaan, 58, 153,
168, 174
Angerer
- Clement, 167
B
Barbier
- Hans, Triesen, 155
Bargezi
- Jakob, Triesen, 72, 92,
114, 155, 162, 166,
176, 178
Barvier
- Lienhard, Triesen, 13
Batliner
- Hans, Eschen, 142, 143
- Jakob, Eschen, 54, 128
Baumgartner
- Johann Georg, Land-
schreiber, 9, 10, 66
Beck
- Bernhard, Wir t
i n Schaan, 55, 110, 152
- Christ ian, Triesen, 114,
156, 162, 164, 166,
176
- Conrad, Schaan, 159
- Erhard ,
Triesenberg, 19
- Georg, Gerichtsmann,
Triesenberg, 40, 49,
114, 121, 158, 159,
177, 179
- Hans Ulr ich , Triesen-
berg, 176, 177
- Hans, Schaan, 40, 41,
49, 151, 159, 167, 168,
186
- Hans, Triesenberg, 19,
152, 157
- Kaspar, Schaan, 167
- Kaspar, Schaan, 136,
150, 169
- Leonhard, Vaduz, 168
- Mar t in , Triesenberg,
19, 163
- Matthias, Pulvermacher
in Schaan, 18, 21, 152,
174, 210
- Michael , Schaan. 21,
50, 86, 151, 152, 167,
168, 174
- Sebastian, Triesenberg,
51, 114, 163, 177, 182
- Thomas, 34
- Thomas, Planken, 181
Beckin
- Anna , Schaan, 21, 174
- Anna , Triesenberg, 157
- Kathar ina , Mals , 164
- Kathar ina , Schaan, 21,
174
- Mar i a , Schaan, 21, 174
- Mar i a , Triesenberg, 19,
54, 93, 122, 176, 179
- Rosina, Schaan, 48,
151
- Ursula, Triesenberg, 19
Behringer
- Wolfgang, 7, 106
Bensperg
- N . , Lindau, 80, 81
Bildstein
- Matthias Christoph,
Landvogt, 9
Binsfeld
- Peter, Weihbischof,
Trier, 95
Blaicher
- Hans, Eschen, 145
- Jakob, Eschen, 48, 52,
71, 77. 81, 87, 141,
142
- Valentin, Eschen, 77,
122, 141
Blaicher in
- Mar ia , Eschen, 49, 81,
142, 143
Blenk
- Hans, 153
- Jakob, 74
- Ulr ich , Schaan, 21,
153, 160
Blenkin
- Barbara , Schaan, 160
Bodman
- Rupert von, 23, 25, 30,
32, 33, 34, 38, 39, 45,
62, 80, 89, 91, 103,
116, 119, 120, 121,
123, 124
Boss
- Otmar, 34
Braun
- F ranz Anton, 24, 25,
62, 66
- Zacharias, Bludenz, 66
Braunhard
- Hans, 164
Bregenzer
- Farn., Mauren , 93
- Hans, Mauren , 147,
148
Bregenzerin
- Kathar ina , Mauren , 55,
56, 63, 64, 70, 81, 93,
118, 127, 147, 148,
149
Brendl in
- A n n a , 137
- Georg, Eschnerberg,
139
- Hans, 51, 138
Bruder
- Klaus, Vaduz, 46
Brügle r von Herkelsberg
- Dr. Romaricus, Land-
vogt, 7, 10, 11, 17, 22,
23, 24, 33, 44, 60, 61,
62, 63, 66, 70, 81, 87,
88, 90, 106, 108, 119,
157, 168, 171, 175
- Johann Christoph, 62
Büchel
- Andreas, Ruggell, 122,
1 3 1 , 1 3 3
- Georg, Ruggell, 130
- Hans, F ä h n r i c h , Rug-
gell, 1 2 6 , 1 3 1 , 133
- Hans, Ruggell, 122, 131
- Johann Baptist, 5, 7,
60, 62, 116
- Josef, 61, 123
- Ulr ich , Ruggell, 139
190
«DER T E U F E L UND DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Büchele
- Lic . Johann, 24, 25, 57,
61, 62, 63, 64, 66, 80,
87, 96, 118
Büchlin
- Anna , 133, 149
- Katharina, Ruggell, 21,
130 ,136
- Mar ia , Ruggell, 132
Büehler
- Hans, Triesenberg, 156,
159, 165, 179
Buocher
- J ak ob ,19
Bürgle
- Jos, 164
Bürk
- Johann A d a m Ernst
von, Kempten, 32
Bürkle
- Georg, A m m a n n ,
Schaan, 20, 22, 25, 34,
35, 63, 64, 66, 98, 114,
153, 165, 171, 172,
173 ,174
Burmeister
- K a r l Heinz, 10, 21, 61,
63
Butscher
- Michael , Ruggell, 136
C
Carpzow
- Benedikt, 85, 88
Christian
- Dr. Georg, 21, 22, 61,
156, 157, 166
Conrad
- Andreas, Schaan, 46,
98, 1.52, 171, 172, 173,
174
- Bartie, Schaan, 46
- Christian, Schaan, 114,
133, 151, 160, 161,
167, 173, 174
- Georg, Schaan, 40, 153
- Hans, Schaan, 26, 80,
81, 1.60, 167, 168, 172,
181
- Ma t thäus , Vaduz, 97,
169 ,170
- Sebastian, Vaduz, 35,
70, 162, 169
D
Dilger
- Dr. Johann Jakob, L i n -
dau, 18, 60
Dintl
- Christoph, Schaan, 19,
150
- Farn., Schaan, 18, 150
- Jakob, Schaan, 150
- Michael , Schaan, 150,
173 ,178
Dint l in
- Kathar ina, Schaan, 21,
174
Dressel
- Georg, Vaduz, 161.
- Hans, Schaan, 153, 168
Drexel
- Jeremias, SJ, 30
Duntel, s. a. Dintl
- Aristoteles, Schaan, 13
E
Eberle
- Christ ian, Schaan, 98,
172
- Hans, Planken, 16, 17,
34, 35, 80, 160, 161
- Leonhard, Triesenberg,
165
- Mar ia , Planken, 81,
129
- Mar t in , Triesenberg,
157
- Michael , Planken, 6,
34, 35
- Michael , Triesenberg,
165
Eber l in
- Agatha, 137, 138
- Anna , Triesenberg, 176
- Hans, Triesen, 155
- Kaspar, Triesen, 155
- Mar i a , Planken, 25, 28,
34, 35, 118, 161, 166,
181
- Mar ia , Triesen, 155,
166
Eberz
- A n n a Chris t ina von,
Isny, 80
Eggenberg
- Johann Seyfried von,
Landeshauptmann von
K r ain, 62
Egle
- Andreas, Mauren , 52,
81, 88, 122, 129, 130,
140 ,141
- Hans, Mauren , 140
Egl in
- Magdalena, Mauren ,
21, 94, 140, 147
Ender l in
- Hans, Mauren , 134,
135
Erny
- Mag . Jakob, Pfarrer,
119
F
Falk
- Georg, 141
Fehr l in
- Fr iedr ich , Triesen, 162
- Georg, Triesen, 162,
166
F ö h r
- Hans, 142
- Hans, Ruggell, 129
- Jakob, Eschnerberg,
130, 143
- Jakob, Ruggell, 130,
136
- Sebastian, Eschner-
berg, 139, 143
Föhr in
- Agatha, Ruggell, Magd
bei M a r i a Quaderin,
Schaan, 114 ,178
- Kathar ina , Mauren , 21,
147, 148
Franz Johann
- Bischof von Konstanz,
30
Frick
- Alexander, 18, 99
- Christ ian, Schaan, 82,
153
- Thomas, Schaan, 178
- Tobias, Balzers, 37
Fri tsch
- Jos, Balzers, 13
Fromolt
- Andreas , Triesenberg,
179
- Christoph, Schaan, 170,
173
- Georg, Triesenberg,
157 ,164
- Hans Georg, Schaan,
1 5 1 , 1 6 0
- Hans, Schaan, 151
- Hans, Triesenberg, 180
- Mar t in , Planken, 181
- Thebus, Triesenberg,
180
Fromolt in
- A n n a , Schaan, 160
- Margaretha, Schaan,
6 0 , 1 5 2
- Mar i a , Triesenberg, 90,
176, 179
F röwis
- Andreas, A m m a n n ,
Feldkirch, 45
Furtenbach
- Fam. , Feldkirch, 45, 46
G
Gabrie l
- Ba l l i , 147
Gallander
- A d a m , 155
- Fam. , 154
Gantner
- Andreas, Planken, 154
- Franz, Schaan, 172
Gantnerin
- Eva, Schaan, 152
Ganzmann
- Christ ian, Schaan, 13
Gassner
- Christ ian, Triesen, 37
- Christ ian, Triesenberg,
179
- Christ ian, Vaduz, 169
- Christoph, Triesen, 182
191
- Flor ian, Triesenberg,
37, 98, 162, 163
- Hans, Triesenberg, 19,
156, 157, 177, 179
- Michael , Triesenberg,
28, 162, 163
- N . , Triesenberg, 179
- Thomas, Triesenberg,
163
Gassnerin
- Kathar ina, Triesen, 27,
50, 51, 63, 71, 77, 89,
119, 122, 182
- Kathar ina, Vaduz, 171
- Margaretha, Triesen-
berg, 19 ,156 , 157
- Margaretha, Vaduz,
169
Gehring
- Paul, 96
Geiger
- Valentin, 142
Gobat
- Georg, SJ, 30
Godelmann
- Johann Georg, Rostock,
96
Göldi
- Ul r ich , 139
Götsch
- Hans, Triesenberg, 157
- Paul, Triesenberg, 177
Götschin
- Eva, Triesenberg, 97,
98, 99, 177
Grenzing
- Johann von, Bludenz,
45
G r i m m
- Jakob, 116
Grüschle
- Hans, Vaduz, 90, 99,
170
Güfel
- Leonhard, Ruggell, 127,
132
Güflin
- Anna , Vaduz, 175
- Barbara , Ruggell, 81,
130
Gugger
- Dr. Franz, Feldkirch,
23, 24, 33, 60, 68, 72,
88, 124
Gulmann
- Antoni , Soldat, 46
H
Haim
- Johann Conrad, Notar,
Feldkirch, 27, 181
H ä r d e r
- Dr. Johann Jakob,
Rankwei l , 18, 60
Har tmann
- Christ ian, Frastanz, 45,
1 8 0 , 1 8 1 , 184
- Gerold, Kaplan ,
Schaan, 40, 45, 60, 68,
69, 70, 175, 180, 184
- Jakob, Frastanz, 45
- Marx , Scharfrichter, 71
Har tmannin
- Elisabeth, Schaan, 41,
45, 46, 48, 174
- Magdalena, Frastanz,
45
Hasler
- Johann Baptist,
Mauren , 135
- Jakob, Mauren , 134,
135
Haunold
- Christoph, SJ, 30
Heb
- A d a m , Ruggell, 127
- Jakob, Ruggell, 49, 127,
139
- Norbert, 130
Hebin
- Anna , Ruggell, 138,
139
Heider
- Daniel, Lindau, 80, 81
Hemerle
- Andreas, Vaduz, 175
Heyl
- Johann Adolf , 122
H i l b i
- Hans, Triesenberg, 176
- Michael , 5, 21, 99, 139
- Michael , Triesen, 112,
155
- Michael , Triesenberg,
182
Hil t i
- A d a m , Schaan, 26, 28,
3 4 , 1 7 3
- Christ ian, Schaan, 98,
154, 166, 172
- Hans, Schaan, 41
- Sebastian, Schaan, 28,
3 6 , 1 5 4 , 1 7 2
- Thomas, A m m a n n ,
Vaduz, 16, 18, 68
Hir t
- Christoph, Scharfr ich-
ter, Bregenz, 67, 71
Hof fmann
- Heinr ich , Korpora l , 21,
162
Hohenems
- Ferdinand K a r l von,
10, 11, 23, 41, 124,
157
- Franz K a r l von, 124
- Franz Wi lhe lm von, 15,
16
- Jakob Hanniba l von, 39
- K a r l Fr iedr ich von, 16,
67
- Kaspar von, 10, 15
- M a r i a Jakobe Eusebia
von, 9
Hopp
- Andreas, Ruggell, 20,
129
- Anton, Ruggell, 63, 81,
9 2 , 1 3 7 , 1 3 8
- Hans, genannt Pfeifer,
Ruggell, 20, 21, 131,
132, 136, 137, 138,
139
- Hans, Ruggell, 20
- Jakob, Ruggell, 52, 133
- Mar t in , Mauren , 127,
175
- Mar t in , Ruggell, 20,
129
- Matthias, 175
- Silvester, Ruggell, 20,
21, 52, 81, 92, 131,
136
Hoppin
- A n n a , Vaduz, 175
- Euphemia, Ruggell, 49,
71, 81, 119, 133, 139,
140
- Kathar ina , Eschner-
berg, 51, 81, 138, 139
- Mar i a , Ruggell, 81, 93,
94, 97, 128, 129, 130
- Mar i a , Schaan, 152
- Mar i a , Vaduz, 60
Huchler
- Hans, Hofschneider, 34
J
J ä g e r
- A d a m , Triesenberg,
157
- Andreas, 72
J ä g e r i n
- Mar i a , Vaduz, 18
Jehle
- Hans, Planken, 154,
161
- Mar t in , Planken, 82,
161
- Thomas, Planken, 161
Jehl in
- Katharina, Planken,
150
- Mar i a , Eschen, 142
Mar i a , Planken, 97,
150 ,161
- Susanna, Planken, 161
Jenin
- Eva, Vaduz, 175
K
Kaiser
- Peter, 7, 10, 11, 14, 15,
16, 17, 18, 20, 41, 72,
1 0 7 , 1 1 6 , 1 2 0 , 121,
150
- Thebus, 144, 180
Kaiser in
- Mar i a , Eschen, 49, 55,
64, 71, 81, 88, 144,
145
192
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
K a r l
- Erzherzog, 31
K a r l V., Kaiser, 90
Kaufmann
- A d a m , 160
- Balthasar, 164
- B a r t h o l o m ä u s , Schaan,
151, 160
- Hans, Triesenberg, 20,
40, 86, 121, 157, 177
Kaufmannin
- Anna , Ruggell, 130
- Magdalena, Schaan,
172
- Mar ia , Schaan, 153
- Susanna, Schaan, 151,
168
Keckhl in
- Michael , Hohenems,
181
Keyser
- Hans, 16, 17
Kiber
- Fidelis, Mauren , 126,
131 ,147
- Hans, Eschnerberg,
128
- Hans, Mauren, 94, 126,
134, 146
- Peter, Mauren, 148,
149
- Sebastian, Eschner-
berg, 92, 128
- Ulr ich, Eschnerberg,
81, 128, 129
Kiber in
- Margaretha, Mauren ,
148
Kindle
- Franz, Triesen, 166
- Hans, Triesen, 18, 29,
56, 156, 166, 182, 183
- Leonhard, Triesen, 53,
61, 114, 156, 157, 166,
178
Knechtin
- Mar ia , 168
Köberle
- Johann Christoph,
Landvogt, 9, 10, 21, 69,
1 5 6 , 1 5 7 , 1 6 6
Koch
- Hans, Eschen, 142
- Leonhard, 162
Köchin
- Kathar ina, Mauren ,
146
- Monika , Schaan, 82,
160
Köchlin
- Hans, Bangs, 46
- Hans, Schaan, 152
Kranz
- A d a m , A m m a n n ,
Schaan, 16
- Haug, F ä h n r i c h und
Wirt , 18, 167, 168
- Udo, Vaduz, 21, 75,
162
K r a n z i n
- Johanna, 75, 175
Kreiss
- N . , Oberst, 31
Kriss
- Ursula von, Triesen, 29
- Valentin von, Pfarrer,
Triesen, 27, 28, 29, 30,
37, 38, 44, 57, 100,
103, 1 1 8 , 1 1 9 , 1 2 1 ,
1 2 2 , 1 8 2 , 1 8 3
Kurz
- Franz Kar l , Land-
schreiber, 10
L
Lampart
- A d a m , Triesenberg, 82,
158
- Andreas, Triesenberg,
86, 158
- Christ ian, Triesenberg,
165
- Flor ian, Triesen, 24,
52, 166, 167, 183
- Hans, 150
- Kaspar, Schaan, 118
- Thomas, 45
- Thomas, Planken, 181
Lampart in
- A n n a Mar ia , Schaan,
174
- Kathar ina, Triesenberg,
158
- Magdalena, Schaan, 40,
41, 49, 159, 167, 168,
176
- Mar i a , Schaan, 49, 146,
150
- Mar i a , Schellenberg,
146
- Mar ia , Triesenberg,
177
- Ursula, Schaan, 166,
167
Laterner
- Hans, 170
Laternserin
- N . , 148
Lauterbach
- Dr. Wolfgang A d a m ,
T ü b i n g e n , 80
Laymann
- Paul, SJ, 30
Leopold I., Kaiser, 22
Lochbüh le r in
- Mar tha , 16
Lorenz
- Gabriel , Meister, 141
Lorenzin
- Mar ia , Vaduz, 161
Ludwig X I V , f ranz. König,
11
Lutzin
- A n n a Mar i a , Lindau, 80
M
Macchiavel l i
- Nicolo, 84
Mader
- Andreas, Matscheis,
131 ,132
- Jakob, Matscheis, 132
- Jos, Matscheis, 46, 131
Mader in
- Mar i a , Eschen, 144,
145
Mahler
- Dr. Johann Heinr ich ,
Feldkirch, 33, 89
Maidor f
- Marianne, 117, 119,
122 ,123
Maier
- A d a m , Schaan, 40, 97,
153, 159, 166
- M a t t h ä u s , Eschnerberg,
128
- Vest, Schaan, 13
Maie r in
- Regina, Ruggell, 92, 93,
137 ,138
M a n z i n
- Leopold, SJ, 30
Mariss
- Elsa, Schaan, 13
- Fam. , Schaan, 18, 19
- Klaus, Schaan, 13
Marogg
- Cornelius, Triesen, 94,
97, 155, 176
- Hans, Triesen, 56, 166
- Kr i sp in , Triesen, 56
Mars i i i
- Hippolyt de, 88
Mar t in
- Mar i a , 146
Marx er
- A d a m , Ruggell, 114,
122, 126, 127, 129,
130 ,136 , 137, 139
- Eustach, Mauren, 147
- Ferdinand, Eschen,
135, 142
- Georg, Ruggell, 114,
127, 129, 136, 139
- Hans, Ruggell, 122,
1 2 6 , 1 3 2 , 1 3 3
- Hans Jörg , Ruggell, 9,
50, 81, 126
- Jakob, Mauren, 122,
140, 141
- Matthias, Mauren , 130,
1 3 6 , 1 4 5
- Michael , Mauren , 149
- Peter, Ruggell, 136, 139
- Rochus, Ruggell, 133
- Stachus, Ruggell, 52,
114, 132, 133, 137,
138 ,139 , 141
- Ul r ich , Ruggell, 133
Marxe r in
- A n n a , Mauren , 63, 71,
8 1 , 1 4 5 , 1 4 6
- Elisabeth, Mauren , 148
193
AA p rtr\ p l p r i z\ IVlfliirpn
IVldgUdlCIld, l * l d U l U l i ,
M i i l l p r — CiPfircf Tripcjpn ?7 n1 O s n p l t i n
W JU G l Llll
93, 148 — Man*? F r a s t a n z 45 92 95 156 162 176 - A n n a , Vaduz, 154, 169
— M a r c c a r p t h a M a u r p n R
l ' l C l l tiCLl C LI LCL, 1*1CXLX1 tili , VJ ,
- Paul 72 178 — Elsa , Triesenberg, 180
9, 81, 126 — H a r m T r i p ^ p n 1 6 ?
l l C L l l O , I I I C / J U U , I V J L i
— Katharina V a d u z 1 7 5
1VC* l i l l U r l 11 U l i , V Cli\_A LIZJ , X I KJ
— M a r i a 148
IV ld l 1 CL, l l u
— T o r p n 7 F r a ^ t a n 7 4S — M a prl a l p n a T r i p s p n -
1* 1 C l IX Uiivlltl, 1 1 ICi JuU
M a t t N — M a r t i n Tr ip t ;pn R 38
1*1 C l l t i l i , 111 O D V j l t , *J , t J C> ,
here 54 122 176 177
— PtH A I I Q M f l 11 r p n ^ 7 i tuc i ia , i v i c i U - i C i i , J i , 52 94 97 1 5 6 176 — M a r ? a rpth a T r i pspn -
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P p t p r W i r t M a n r p n
1 t J L C J L , VV1IL, 1'ICIUI U l i ,
— C h r i Gtia n Pia n k"pn
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1 5 6 1 7 6 1 7 8 — M a r i a Tripcipnhpro" 2 7
1* 1 vLl l l A r , 1 1 1U JViUUul ti, 1 ,
1 4 3 148 14Q 154, 161 180
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M a n r P r
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V J C U l g , l l l t J o o l l J J C l g ,
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— T a k o h T r i p s p n 1 ^6
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D C l l J J C l g, ± / , J. OzZ.
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M i l i a r
IVl l l l t J l
1^1 181
I U I , 1 O 1
F ^ r h p n ? 0 ? 4 ? S 6 4 C flthflrinfl 4 6
— V j d i i i d i i i i d , i \.)
— /-VIIUI edb, U d ü i p i l l l , — 1 cLtJi, r l d l l K c i l , I O l 6^ 66 1 1 4 1 3 ^ 1 4 P U J , u u , n t , i o J , ^ n c n n n a ^/Pi'Vi T-ni r t o n -— O U b d l l l l d , V UI11. V Ul l O l l
1 5 1 , 1 O D 1 UrirVi P l a n V o n "̂ 4 — U l i lu l l , I Id l lKbl l , O t , O J , 1 4 4 1 4 ^ Vi o f* r i l n 1H O 1 r l L^i vf* n A.(-\ UdOIllIl, F ülLlJxlI 011, T T O ' ,
I 1 im ri TI IVUllt)! Hl 1 R'] l o l U n n c r f a n o n n t P r f l p ~ f l d l l b , gtJIldllllL C g l c , 4 7
— K d i i i d r u i d , nuggtJi i , I J O — U l i ICH, O C l l d d l l , 1 J l R n a a p l l 81 1 9R 1 ?Q l l U g g c l l , O l , I £ o , i L " , r d l lUUab
— ividgüdiend, nuggeii, t y , iNtigUllIl 1 A rl o m v c h ' J i i n 11/1 — /ALldl l l , oOIlddl l , 1 1 T ,
112 1 1 4 1 3 3 136 — A n n a M a r i a S r h a a n
( I I I 1 1 CL 1*1 C L l 1CL , LJ ul J ,
— H a n s P f a r r p r S r h a a n
1 1 U ' l l O , 1 1 CL 1 I O l , U l f l l t X C L l l ,
152, 153, 171
137 20, 60, 151, 167 40 Paulin
Montfort - Anna , Mauren , 8, 126, - Hans, Schaan, 168 - Brigitta, Eschen, 145
- N . , Graf von, 30 127 - Michae l , Barbier, 132 - Peter, Eschen, 144
Morat in - Anna , Planken, 154 - Ul r i ch , Ruggell, 127 Pfeifer
- Barbara , Mauren , 64, - Anna , Triesenberg, - Vinzenz, Ruggell, 133 - Christ ian, Triesenberg,
70, 81, 94, 97, 99, 118, 157 ,176 , 179 Öhr in 165
130, 142, 146, 147, - Barbara , Schaan, 160 - Anna , Eschen, 145 Pitschi
148, 149 - Marta , Triesen, 156 - Mar i a , Mauren , 140 - Leonhard, Mauren , 140
- Fam. , Mauren , 147 - Ursula, Planken, 161, - Mar i a , Ruggell, 126 Pufendorf
Moser 181 Ospelt - Samuel von, 30
- Dr. Johann Baptist, Nescherin - Christ ian, Vaduz, 18 Pürckh
Salzburg, 56, 83, 84, - Ursula, Eschnerberg, - Hans, 56, 170 - Johann A d a m Ernst,
89, 90, 91, 92, 93, 94, 139 - Hans, Landwaibe l zu Kempten, 44
95, 9 6 , 134, 152, 155, Nigg Vaduz, 161 Putzer
157, 159, 160, 166, - A d a m , Triesen, 178 - Heinr ich , Vaduz, 155 - Peter, 83, 85, 89, 91,
167, 168, 169, 170, - Anton, Mäls, 164 - Peter, Triesenberg, 24, 92, 116, 124
1 7 1 , 1 7 6 , 1 7 7 , 1 7 9 - Christ ian, Mäls, 81, 164 27, 179
Motz - F r id l i , Triesen, 56, 182 - Thomas, Triesenberg,
- Johann Jakob, Kemp- 176
ten, 32, 44
194
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D ...» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
Q
Quaderer
- Christoph, Schaan, 40,
41, 45, 46, 114, 160,
167, 168, 172, 174
Quaderin
- Mar ia , Schaan, 114,
167, 178
R
Rapp
- Ludwig, 6, 17
Rehm
- Dr. Daniel, Lindau, 25,
63, 80
Reinberger
- Andreas, Vaduz, 24,
28, 35, 37, 40, 53, 62,
161
Reinbergerin
- Anna , Vaduz, 53, 61,
99, 168
- Mar ia , Vaduz, 154
Rietmannin
- Anna , Lustenau, 47
Rig
- Fam. , Triesen, 29
- Jakob, Triesen, 21,
155, 162, 166
- Simon, Triesen, 56, 95,
166 ,181
- Ulr ich, Triesen, 155
Rigin
- Barbara , Triesen, 82,
162
- Mar ia , Triesen, 52, 176
Risch
- Christian, Mauren , 114,
1 4 6 , 1 4 7 , 1 4 9
Ritter
- Mar t in , Mauren, 143,
147
Rotmayer
- Hans, Pfarrer, Eschen,
142
Ruosch
- Sebastian, Burgvogt,
Vaduz, 171
Rusch
- Dr. N . , Appenzel l , 58,
137 .138
- Hans, Burgvogt, Vaduz,
21, 55, 57, 64, 120,
137, 162, 170, 171
S
Schechle
- Georg, Ruggell, 127
- Hans, Mauren , 143,
147
- Jakob, Bangs, 46
- Jakob, Mauren , 131,
147
- Michael , Mauren , 56,
81, 92, 93, 143, 144,
147, 148, 149
Schedler
- Christ ian, Triesenberg,
157
- Hans, Triesenberg, 99,
121, 164, 177
- Stefan, Triesenberg,
179
- Valentin, Triesenberg,
158
Schedlerin
- Anna , Triesenberg,
164, 165
- Barbara , Triesenberg,
157
- Elsa, Triesenberg, 49,
56, 165
- Magdalena, Triesen-
berg, 165
- Ursula, Triesenberg,
86, 158
Schierser
- A d a m , Schaan, 97, 172
- Stefan, Schaan, 172
Schierserin
- Margaretha, Schaan,
150
Schindelin
- Hans Ulr ich , Feldkirch,
18
Schipfer
- A d a m , Mauren , 56,
1 2 6 , 1 4 9
Schlegl
- Ul r ich , Triesenberg, 56,
165
Schleglin
- Mar i a , Triesenberg, 19,
27, 82, 156, 157, 179
Schmidl in
- Kathar ina, Mauren ,
134, 135
Schonberg
- Markus von, 44
Schreiber
- Fidelis, 142
- Jakob, A m m a n n ,
Eschen, 20, 24, 25, 64,
65, 66, 141
- Kaspar, Zoller und
A m m a n n , Vaduz, 22,
24, 25, 64, 66, 90, 112,
134, 155, 156, 166,
167, 169, 170, 175
Schreiberin
- Mar i a , Vaduz, 46
- Susanna, Vaduz, 169
Schueler
- Peter, Eschen, 144
Schurti
- Jakob, Triesen, 122,
156 ,182
- Mar t in , Triesen, 112,
155
Schurtin
- Anna , Triesen, 176
Seger
- Otto, 5, 6, 7, 17, 20, 21,
23, 27, 33, 35, 37, 39,
41, 44, 45, 61, 62, 63,
66, 67, 69, 84, 85, 91,
92, 93, 94, 95, 99, 100,
101, 107, 108, 116,
117, 118, 119, 120,
121, 122, 123, 125,
1 8 1 , 1 8 4
Seie
- Thomas, 180
- Wi lhe lm, 29, 180
Senn
- Kaspar, Triesen, 56,
142
Soldan
- Wi lhe lm Gottlieb, 116
Somweber
- Er ich , 19, 63
Spalt
- Bartie, 127
Spaltin
- Magdalena, Ruggell, 51,
81, 94, 122, 127, 128,
129
Spee
- Fr iedr ich von, SJ, 30
Spiesin
- N . , Triesen, 122, 123
Sprenger
- Georg, Triesen, 183
Stadel
- Ferdinand Franz von,
Konstanz, 30, 31
Stark
- Jakob, Bangs, 46
Starkin
- Ursula, 128
Steger
- Christ ian, Balzers, 163
- Gregor, Mäls, 164
Stegnerin
- Mar ia , Triesenberg, 48,
157
Stiger
- Sebastian, Schaan, 152
Stral
- Andreas, Mauren , 8,
92, 114, 126, 127, 148
Straub
- Fidelis, Gampr in , 139
- Hans, Vaduz, 24, 162
Straubin
- Susanna, Vaduz, 155
Striger
- Jakob, 132
Sulz
- K a r l Ludwig von, 12
- Rudolf von, 12
T
Tanner
- Nikolaus, Triesen, 16,
18, 75
- Thomas, Schaan, 171
Tannerin
- Barbara , Triesenberg,
99, 177
- Mar ia , 99, 169
- Ursula, 74
1 9 5
Thöni
- Christ ian, 56
- Jos, A m m a n n , Eschen,
19
Thön in
- Barbara, 18
Tschetter
- Kaspar, Schaan, 172
- Roni, Schaan, 82, 152,
160
Ü
Ülin
- Dr. Diethelm, Bregenz,
15
V
Vogt
- Paul, 7, 84, 85, 99,
103, 107, 116, 117,
119
Vonbank
- Georg, 164
Vonbankin
- Katharina, 81, 93, 164
Vonbun
- Franz Josef, 8, 9, 77
Vonvill
- Simon, Balzers, 98,
158, 159
- Thomas, Balzers, 158
W
Wagner
- Bernhard, 143
- Fidelis, Schaan, 171
Wagnerin
- Christina, Schaan, 27,
58 ,178
- Katharina, Schaan, 24,
173, 178
- Mar ia , Schaan, 21, 153,
160, 174
Walch
- Christ ian, Schaan, 167
- Gabriel , Bangs, 46
- Georg, Ruggell, 114,
136, 137
- Hans, Schaan, 167, 168
- Mar t in , Matscheis, 132
- Ul r ich , Schaan, 50, 167
Walser
- A d a m , Schaan, 58, 160,
178
- Andreas Joseph, Land-
vogt, 10, 24, 25, 33, 60,
62, 90, 166
- Andreas, Schaan, 86,
150
- Christ ian, Vaduz, 127
- Christoph, 167, 169
- Daniel , Vaduz, 19, 97,
1 2 7 , 1 7 5
- Hans, Eschen, 49, 81,
93, 134, 135, 136, 143
- Hans, Vaduz, 16, 18,
127, 175
- Johann Jakob, Feld-
kirch, 62
- Michael , Schaan, 49
- Peter, Vaduz, 162
- Sebastian, Vaduz, 16
- Thomas, Schaan, 98,
112, 114, 150, 152,
153, 160, 168, 174,
178
Walserin
- Johanna, Mauren , 8.
81, 127, 175
- Magdalena, Schaan,
152
- Margaretha, Schaan,
171
- Mar ia , Mauren , 9, 21,
8 1 , 9 4 , 134, 135
- Mar ia , Schaan, 151
Wanger
- Harald , 17
- Matthias, 19
Wangner (Wanger)
- Christoph, Schaan, 150
- Ferdinand, Mauren , 93,
114, 126, 145, 146
Wangnereckh
- Heinr ich, SJ, 31
Wangnerin
- Kathar ina, Ruggell, 8,
21, 46, 55, 57, 81, 82,
92, 122, 131, 132, 133,
134, 136, 137, 138,
139
Weber
- Max, 84
Weiler
- Dr. N . , 58, 137, 164
Weinzier l
- Jakob, Schaan, 167
- Ursula, Schaan, 168
Weiss
- Ul r ich , Wirt , Balzers,
75, 82, 163
Welz
- Dr. Gebhard, Konstanz,
80
- Dr. Johann Conrad,
Lindau, 80, 81
- Dr. Thomas, Konstanz,
80
- Dr. Thomas, Lindau,
20, 21, 22, 23, 25, 29,
54, 55, 58, 59, 60, 61,
63, 76, 77, 80, 81, 82,
83, 84, 85, 86, 87, 88,
92, 95, 96, 98, 99, 126,
127, 128, 129, 130,
131, 134, 135, 136,
137, 138, 139, 140,
141, 142, 143, 144,
145, 147, 148, 150,
151, 152, 153, 154,
155, 156, 157, 158,
160, 161, 162, 163,
164, 165, 166, 167,
168, 169, 170, 171,
172, 173, 174, 175,
176, 177, 178, 179,
180, 181, 182
Wetzel
- Andreas , Mauren , 145
- Hans, Mauren , 146
Wi ld
- N . , Hofmeister, 74, 75
Wi l l i
- Christoph, Vaduz, 155,
162
- Hans Ulr ich , Vaduz,
114, 154, 168, 169,
170
- Jakob, 163
Wi l l i n
- Kathar ina , Schaan, 171
Winnewiser in
- Margaretha, 168
Wohlwend
- B a r t h o l o m ä u s , Ruggell,
133
- Leonhard, 46
- Norbert, Ruggell, 129
Wolf
- Georg, A m m a n n ,
Vaduz, 20, 22, 24, 25,
63, 64, 66, 90, 98, 112,
154, 155, 156, 160,
163, 165, 167, 170,
171
- Peter, Balbierer, Feld-
kirch, 57, 132
Wolf in
- Lucia, Vaduz, 155
Z
Zindt
- Chris t ian, Schaan, 22,
45, 46
196
«DER T E U F E L U N D DIE H E X E N MÜSSEN A U S
D E M L A N D .. .» / M A N F R E D T S C H A I K N E R
BILDNACHWEIS
S. 8, 26, 36, 68, 69:
StAAug
S. 12: Flugschrift aus
Derneburg in der Graf-
schaft Reinstein im Harz,
1555
S. 14: Druck von Johann
Zainer, Ulm, um 1490
S. 32: L L A
S. 42: Gemeindearchiv
Schaan (Bestand im LLA)
S. 67, 73, 76, 77: Richard
van Dülmen (Hrsg.):
Hexenwelten. Magie und
Imagination. Frankfur t
a. M . , 1987
S. 70: Flugschrift aus dem
Jahre 1571, von Reinhard
Lutz, katholischer Pfarrer
in Schlettstadt (Selestat)
im Elsass
ANSCHRIFT DES AUTORS
Dr. Manfred Tschaikner
Beim Kreuz 42
A-6700 Bludenz
LIECHTEN-
STEINISCHE Q U E L L E N
Z U M ZIGEUNER-
RECHT
PETER PUTZER
«Von Zegeineren:
Demnach Auff Etliche
underschidliche ge-
haltene ...»
LIECHTENSTEINISCHE QUELLEN ZUM ZIGEUNERRECHT
PETER PUTZER
«Wer die Zigeuner
schädigt frevelt nicht»
REICHSTAGSABSCHIED 1500
Am Anfang dieser kleinen Studie müssen zwei
terminologische Klarstellungen erfolgen: Unter «Zi-
geunerrecht» wird hier des weiteren nicht das
eigene Recht der Zigeuner verstanden; sondern
die repressiven und diskriminierenden rechtlichen
Reaktionen, mit denen in Europa auf das Auftau-
chen dieser fremden Ethnie reagiert wurde.1 Und
wenn hier des weiteren bewusst der Terminus «Zi-
geuner» verwendet und nicht durch die von den
Betroffenen zwischenzeitlich vorgezogenen Begriffe
Sinti und Roma ersetzt wird ist das dadurch be-
gründet, dass mit «Zigeuner» ein Wort der Quellen-
sprache übernommen wurde. 2
Den Spuren von derartigem Zigeunerrecht wur-
de vom Verfasser auch in Liechtenstein nachgegan-
gen; in bescheidenem Ausmass konnten sie auch
angetroffen werden. Dabei wurde deutlich, dass
hierlands die bereits aus der gesamteuropäischen,
insbesondere der deutschen Entwicklung bekann-
ten Strukturen und Normen zutage traten. Sie sol-
len daher in ihren wesentlichen Zügen vorgestellt
und ihnen die in Liechtenstein vorfindlichen zigeu-
nerrechtlichen Quellen zugeordnet werden. Vorweg
ist dazu festzuhalten, dass trotz des generell fest-
stellbaren rechtlichen Druckes auf die Zigeuner das
jeweilige örtliche und regionale Zigeunerrecht
stark von den historischen Bedingungen seiner
Erzeugung geformt wurde. Liechtenstein als ein
von der deutschen Verfassungsentwicklung ura-
fasstes Gebiet macht demnach deutlich den Ein-
fluss der Reichsgesetzgebung sichtbar. Das räum-
lich unmittelbar angrenzende Graubünden steht
für eine andere Konzeption: Wenn auch im Ziel
identisch - starke Repression gegenüber den Zi-
geunern - lassen die Bündner zigeunerrechtlichen
Quellen keinen unmittelbaren Einfluss des Reichs-
rechtes und der deutschen Zigeunerpolizei ab dem
16. Jahrhundert erkennen.3
Ganz allgemein gilt es festzuhalten, dass die
zigeunerrechtlichen Normen insofern ein gesamt-
europäisches Phänomen sind, als sie durchwegs
von der zunehmenden rechtlichen Ausgrenzung
und Verfolgung berichten, mit denen die Obrigkei-
ten auf das Auftauchen und die Anwesenheit der
Zigeuner reagierten.4 Diese in Stämmen, Sippen
und Familien organisierte wandernde ethnische
Minderheit konnte sich bis ins 20. Jahrhundert
eine eigenständige Lebensweise und Kultur bewah-
ren. Ihre besondere soziale Organisation und ein
tradiertes System von Wertvorstellungen und Nor-
men erhielten die ursprünglich aus dem indischen
Raum stammenden Zigeuner5 als eine distinkte
1) Vgl . dazu P. Putzer: Grundzüge des Erzstift-Salzburgischen Zigeu-
nerrechts. In: Gedächtnisschrif ' t Herbert Hofmeister, Hrsg. Ogris u.
Rechberger. Wien, 1996, S. 591 ff.; ders., Wie lustig war das
Zigeunerleben im Erzstift Salzburg? Ein Beitrag zur Geschichte des
Erzstift-Salzburgischen Zigeunerrechts. In: Salzburg Archiv 20,
Salzburg, 1995, S. 63 ff. Darauf, dass zum «Recht der Zigeuner»,
zum Rechtsleben und zu den Normen der Zigeuner kaum rechts-
historische Untersuchungen vorliegen, verweist K. Här ter in:
Zigeuner, Handwör te rbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte (HRG),
Bd. V, Berlin, 1993 ff, Sp. 1699 ff.
2) Mangels einer Selbstbezeichnung, vor allem eines alle S tämme
umfassenden historischen Begriffs ist die Verwendung des den
Quellen entnommenen Terminus durchaus sachgerecht. Zudem soll
hier kein Betrag zur aktuellen Begriffsdebatte erfolgen. Dazu auch
Härter, ebenda.
3) Zu den Reichskreisen, insbesondere dem Schwäbischen, vgl. hier
Anmerkung 27. Über die Ergebnisse seiner ersten Recherchen nach
zigeunerrechtlichen Quellen in Graubünden bereitet der Verfasser
einen kleinen Bericht vor.
4) Vielfach bilden derartige Normen die einzigen Belege für das
Auftauchen von Zigeunern; d a r ü b e r h i n a u s werden sie in histori-
schen Quellen kaum e rwähn t . Zur Geschichte der Zigeuner im
mit te leuropäischen, vor allem deutschen Raum vgl. H. Arnold: Die
Zigeuner. Herkunft und Leben der S t ämme im deutschen Sprach-
gebiet, Freiburg, 1965; S. J. Holtmann: Geschichte der Zigeunerver-
folgung in Deutschland, Frankfurt - New York, 1981. R. Gilsenbach:
Weltchronik der Zigeuner. 2000 Ereignisse aus der Geschichte der
Roma und Sinti, der Gypsies und Gitanos und aller anderen Minder-
heiten, die «Zigeuner» genannt werden.Teil 1: Von den Anfängen
bis 1599, Frankfurt, 1997 2 (= Studien zur Tsinganologie und
Folkloristik, Hrsg. J. S. Hohmann, Bd. 10). Vgl. dazu auch Härter.
5) Die Herkunft der Zigeuner aus dem indischen Subkontinent ist
durch linguistische Untersuchungen belegt.
201
ethnische Randgruppe. Durch ihre konsequent
nomadisierende Lebensweise war der Konflikt mit
der sesshaften Bevölkerung programmiert - der
sesshafte Kain und der Hirte Abel gerieten wieder
aneinander; und wieder wurde Abel erschlagen.6
Das erste Auftauchen von wandernden Zigeu-
nerstämmen in Europa fällt in das späte 14. Jahr-
hundert. Unmittelbar im Anschluss daran konnten
die Zigeuner in Europa - verglichen mit der spä-
teren Entwicklung - ein weitgehend repressions-
freies Leben führen; vor allem im deutschen Raum
überwog zuerst die soziale Akzeptanz. 7
Unter der Führung eines «Zigeuneradels» durch-
zieht ab 1417 eine Zigeunerschar Mitteleuropa; sie
nützen die religiöse Stimmung der Zeit als wan-
dernde Büsser auf Pilgerschaft aus und weisen
einen angeblich von Kaiser Sigismund aus 1423
stammenden Geleitbrief vor. 1418 tauchen sie erst-
mals im süddeutschen Raum auf; im Folgejahr er-
reichen sie Bayern. Zur Mitte dieses Jahrhunderts
verschwindet dieser erste Zigeunerzug spurlos.8
Bei diesem ersten Auftreten in der Mitte Europas
werden die Zigeuner durch die Verbindung von
christlicher Pilgerschaft und hochrangigen Schutz-
briefen geschützt. Das Konzept des mittelalterli-
chen Almosenwesens gab ihrer Armut eine für die
Gesellschaft bedeutsame religiöse Funktion: Ande-
ren war dadurch eine Teilhabe an ihrer Busse mög-
lich. 1443 noch hatte Friedrich III. den Zigeunern
ein weiteres Geleitschreiben ausgefolgt; dennoch
kam es seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zu er-
sten Konflikten mit städtischen Obrigkeiten und
zu gewaltsamen Vertreibungen. Als zudem gegen
Ende des 15. Jahrhunderts ein Gesinnungswandel
hinsichtlich des Almosensystems eintrat und dieses
zufolge seines Funktionsverlustes ab zirka 1500
zusammenbrach, setzten die ausgrenzenden und
zigeunerfeindlichen Rechtsakte ein. 9
Zwischenzeitlich hatte eine zweite Zuwanderer-
welle ab etwa 1438 die Zigeuner zu Dauerbewoh-
nern Mitteleuropas gemacht - wenn auch weiter-
hin nomadisierend. Ab jetzt lassen die Quellen
zunehmend erkennen, dass die Zigeuner als zu-
dringlich empfunden wurden und sich die Bevöl-
kerung durch sie geschädigt fühlte, was zu Mass-
nahmen seitens der Obrigkeiten geführt hat. Diese
wurden allerdings durch die Furcht vor den Zau-
berkräften, die man dem fremden Wandervolk
zusprach, eingebremst. Dennoch setzten bereits im
letzten Drittel des 15. Jahrhunderts gewaltsame
Massnahmen gegen die herumziehenden Zigeuner
ein - der Schutzbrief Sigismunds wurde bewusst
negiert. Weiterer obrigkeitlicher Schutz, wie er den
Zigeunern in diesem Jahrhundert vereinzelt noch
gewährt wurde, bildet daneben erkennbar eine
Ausnahme. Die zeitlich frühesten bisher bekannten
zigeunerfeindlichen Polizeivorschriften stammen
aus der Schweiz - 1471 wurden sie in Luzern er-
lassen. 1 0
Jenes «Goldene Zeitalter», währenddessen die
Zigeuner im deutschen Raum einigermassen unbe-
einträchtigt oder zumindest geduldet leben konn-
ten, endete dann definitiv mit einer Serie von
Reichstagen aus der Regierungszeit von Kaiser
Maximilian I.: Die rechtliche Diskriminierung der
Zigeuner durch die Reichsgesetzgebung setzte un-
ter Aspekten der Polizei auf dem Reichstag von
1495 ein; die Reichstagsabschiede von 1497, 1498,
1500 sowie die von 1544 und 1551 wiederholen
die Zigeunerartikel. Diese finden auch in den
Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577
Eingang. 1 1
Unübersehbar ist der Zusammenhang mit der
damals gerade im südostdeutschen Raum stark
ausgeprägten Türkenangst. Da die Türkengefahr
noch für zwei weitere Jahrhunderte das Reich be-
drohte, blieben die Zigeuner weiterhin den Türken
zugeordnet. Seit diesen reichsgesetzlichen Vor-
schriften des frühen 16. Jahrhunderts finden sich
daher wiederholt Anweisungen über die Behand-
lung der Zigeuner, die man nicht nur der Aus-
späherei für die Türken verdächtigte, sondern die
man auch mit anderen Gefahren (dabei ist deutlich
auch an Ketzerei gedacht) in Verbindung brachte.
Zur Mitte des 16. Jahrhunderts, am Augsburger
Reichstag 1551 wurde beschlossen, dass die Zigeu-
ner als vermutliche Zuträger der Türken innerhalb
von drei Monaten aus dem Land weichen müssten.
Die den Zigeunern darüberhinaus pauschal unter-
stellte Bedrohung der sozialen Sicherheit war auch
202
LIECHTENSTEINISCHE QUELLEN ZUM ZIGEUNERRECHT
PETER PUTZER
weiterhin Antrieb für mehrfache Reichstagsbe-
schlüsse, wo polizeiliche Massnahmen zur Beseiti-
gung dieser Gefahr angeordnet wurden. 1 2
Als 1529 die Türken ein erstes Mal Wien bela-
gerten, wurden die mit ihnen in Verbindung
gebrachten Zigeuner erneut für vogelfrei erklärt . 1 3
Nach einem Waffenstillstand mit den Türken zur
Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Zigeuner-
gesetzgebung etwas gemildert und umgestaltet:
Anstelle der bisher mehrheitlich angeordneten
Ausrottung trat jetzt zunehmend der Versuch, die
Zigeuner abzuschieben. Polizei- und Landesord-
nungen des 16. Jahrhunderts verfügten zudem,
dass Hab und Gut der Zigeuner konfisziert werden
müsse und diese insgesamt ausgewiesen werden
sollten.1 4
Nach neuerlicher Zunahme der Türkenbedro-
hung im frühen 17. Jahrhundert wurde der Verfol-
gungsdruck gegenüber den Zigeunern wiederum
gesteigert. Neuerdings wurde ihnen Ausspäherei
zugunsten der Türken unterstellt; Abschiebung
über die Landesgrenzen war dabei durchwegs vor-
gesehen.
Nach dem Dreissigjährigen Krieg, an dem sich
erwiesenermassen bewaffnete Zigeuner als Söld-
ner beteiligt hatten kam es zu einer kurzen Milde-
rung der Zigeunergesetzgebung. Dabei sind ambi-
valente Züge zu beobachten: Ansätze Richtung
Toleranz begegnen ebenso wie die alten Härten: So
wurde verboten, Zigeunern Unterkunft zu geben;
es wurde ihnen jedweder Handel untersagt; dazu
trat noch eine Reihe von kriminalisierenden Unter-
stellungen.
Die ständige rechtliche Ausgrenzung der Zigeu-
ner hatte zum Ergebnis, dass sie mit anderen
sozial randständigen Gruppen zu einer Bedrohung
für die öffentliche Sicherheit zusammengefasst
wurden: die fahrenden Leute. 1 5 Es darf daher nicht
Wunder nehmen, dass der Beschluss Maximilians
von 1500, die Zigeuner als vogelfrei anzusehen, in
Erinnerung gerufen wurde. Die immer wiederkeh-
rende Reihe von stereotypen Vorurteilen macht
letztlich erklärlich, dass die Zigeuner zur Zeit des
Hochbarock generell der Vogelfreiheit verfallen
sind, wozu als erschwerend trat, dass man sie nach
wie vor der Zuträgerei zugunsten der Türken ver-
dächtigte, die tatsächlich 1683 ein zweites Mal
Wien belagerten. Durch terroristische Strafandro-
hungen versuchten die territorialen Autoritäten,
Zigeunern das Betreten ihres Territoriums zu ver-
wehren; aufgegriffene Zigeuner wurden über die
Grenzen abgeschoben. Das blosse Auftauchen von
Zigeunern wurde bereits als Rechtsbruch erachtet,
der zu exemplarischen Massnahmen Anlass gab.
6) Dieser biblische Vergleich wurde hier ü b e r n o m m e n von E. Ha-
nisch: Nationalsozialistische Herrschaft in der Provinz. Salzburg im
Dritten Reich. «Salzburg Dokumenta t ionen» Nr. 71. Salzburg, 1983,
S. 205.
7) Dazu das oben A n m . 3 angeführ te Schrifttum, auch Här ter
ebenda. Sp. 1 700.
8) Für die geraffte geschichtliche Darstellung vgl. die Anm. 4
e rwähn te Literatur.
9) Zu der erst durch Schutz und Almosenwesen im 15. Jh. und dann
durch Rollenwechsel und Funktionsverlust ab 15 /16. Jh. bezeich-
neten Rechtslage der Zigeuner siehe M . Schenk: Rassismus gegen
Sinti und Roma. Zur Kontinuität der Zigeunerverfolgung innerhalb
der deutschen Gesellschaft von der Weimarer Republik bis in die
Gegenwart (Studien zur Tsinganologie und Folkloristik 11, Hrsg.
S. J . Holtmann). Frankfurt, 1994. S. 28 ff.
10) Arnold, S. 36, Anm. 1.
11) Genauere Belege bei Härter, Anm. 1, Sp. 1700. Ders. ausführl i -
cher in: Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung des
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im 16. Jahrhundert,
in; lus Commune 20, 1963, S. 61-141.
12) Bereits dieses f rühe «Zigeunerrecht» lässt jene Strukturen
erkennen, die vom Feindbilddenken geprägt sind. Ähnlichkeiten zur
Entfaltung des Antisemitismus sind auffällig. Die Kriminalisierung
der Lebensform der Zigeuner liefert die Rechtsgrundlage für
obrigkeitliches Einschreiten. Administrative Massnahmen gegen sie
sind als kr iminalprävent ive Aktivitäten legitimiert. Dazu vgl.
G. Bohne: Zigeuner. In: Handwör te rbuch der Rechtswissenschaft.
Berlin, 1929, S. 1011 ff. Auch Holtmann, (vgl. Anm. 4) S. 36 f.
13) Vogelfreiheit bedeutete das Verbot jeglicher aktiver Unterstüt-
zung sowie völligen Entzug von Rechtsschutz; insbes. prozessrecht-
licher Art. Dazu R. Schmidt-Wiegand: Vogelfrei, in: HRG V. 1993,
Sp. 930 ff.
14) Holtmann (vgl. Anm. 4) verweist in diesem Zusammenhang auf
R. Kulemann: Die Zigeuner. Leipzig, 1869, S. 843.
15) Zur rechtlichen Stellung der Randständigen vgl. G. Philipp:
Leute, fahrende, in: HRG, Bd. 2. Berlin, 1978, Sp. 186 ff.
203
die Hälfte erhalten sollten bestimmt einen materiel-
len Anreiz auf «Zigeunerjagd» zu gehen.
Die völlige Entrechtung der Zigeuner ist in der
abschliessenden Bestimmung erkennbar, dass nie-
mand, der sich an Zigeunern (in diesem Zusam-
menhang werden sie mit einer Reihe von pauscha-
len Unterstellungen abqualifiziert) deliktisch ver-
geht, wie immer geartete rechtliche Sanktionen
befürchten muss.
Da der bis dato unedierte Landsbrauch nur in
Archiven und die erwähnte Reichspolizeiordnung
1577 auch nicht einfach zugänglich sind, sollen
diese beiden zigeunerrechtlichen Quellen hier nach-
stehend mitgeteilt werden:
LANDSBRAUCH, ABSCHRIFT 1664
Transkription der Textstelle «Von Zegeineren»- 5
Von Zegeineren
Demnach auff Etliche underschidliche gehaltene
Reichs Tag unndt sonnderlich durch jüngst jnn
Anno 1577 zue Franckhfurth ernewerte Reichs
Tags Pollecy Ordtnungen gebotten, beschlossen
unndt fürsechen worden, kheine Zigeiner in dem
Reich Teütschen Nation zuegedulten.
Also befehlen wür hiemit allen unndt jeden un-
sern Ober- unndt Unnderambtleüthen, Unndertha-
nen unndt Hindersässen, daß sye gemelte Zigeiner
noch ihrem Anhang jn- unndt durch diß unnßer
Landt zuziechen, zuehandlen oder zuewandlen,
unndt noch vill weniger kurz oder lang darinen zue
endthalten gestatten, sonndern von dannen heim
werckht [sie] weissen unndt mit Ernst darab halten
unndt sye daran weder Paßporten noch annders,
so sye auffweißen möchten, nicht hinderlassen.
Wo aber sye sich nit abweißen lassen, sondern
hieryber jnn- oder durch diß Landt ziechendt betre-
ten werden, sollen sye von den Unnserigen gefänckh-
lich angenommen, unnß gelüffert unndt alles, was
bey jhnen gefunden, es seye ahn Pferdten, Büchßen,
Wehren, Klaydern, Paarschafften oder annderen,
zum halben Thail under die jenigen, so sye beyge-
fangen unndt gelüffert, außgethailt werden.
Wann auch Jemandts etwas gegen solchen Ze-
geinern, die nur auffsechen unndt Verrhäther der
Christenheit, sonnder auch ehrliche Leuth mit Zau-
bereyen bestellen, belegen unndt betriegen, wie sye
jmmer kündten mögen, mit der That handien oder
vernemmen würdten, der soll daran nit gefrefflet
noch unrecht gethann haben.
POLIZEIORDNUNG 1577
Abschrift nach: Dritter Theil derer Reichs-Abschie-
de von dem Jahr 1552 bis 1654 inclusive.
XXVIII. Titul.
Von den Zeugeunern. (c)
Zeugeuner Ausspäher und Verräther.
Derjenigen halben, so sich Zeugeuner nennen / und
wieder und für in den Landen ziehen, gebieten wir
allen Churfürsten, Fürsten, und Ständen, bey den
Pflichten, damit sie dem. Heil. Reich verwand,
ernstlich, und wollen, daß sie hinfüro dieselben
Zeugeuner (nachdem man glaublich Anzeig hat,
daß sie Erfahr er / Verräther / und Ausspäher Sey-
en / und die Christen Land dem Türcken, und an-
dern der Christenheit Feinden verkundschafften)
inn und durch ihre Land nit ziehen, handeln noch
wandeln lassen, noch ihnen dessen Sicherheit und
Geleyt, auch kein Paßport geben, da auch die Zeu-
geuner einige Paßport erlangt hätten, oder nach-
mals erlangen würden, dieselbigen wollen wir hie-
mit cassirt, vernichtet und auffgehaben haben.
Meynen und wollen auch, daß sich die Zeugeuner
den nechsten aus den Landen Teutscher Nation
thun, sich der entäussern, und. darinn nicht finden
lassen, dann wo sie betretten, und jemands mit der
That gegen ihnen handeln, oder fürnehmen würde,
der soll daran nicht gefrevelt noch unrecht gethan
haben.
(c) Ref. Pol. 1530. Tit. XXXIII.
25) Privatarchiv Familie Rheinberger. Vaduz, Signatur Z1. Die Trans-
kription erfolgte durch Claudius Gurt, Bearbeiter des Liechtensteini-
schen Urkundenbuches.
206
LIECHTENSTEINISCHE QUELLEN ZUM ZIGEUNERRECHT
PETER PUTZER
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Auszug aus dem Lands-
brauch mit den für die
Herrschaften Vaduz und
Schellenberg geltenden
Bestimmungen zum
Zigeunerrecht (Abschrift
aus dem Jahre 1664)
207
Gleichfalls aus dem 17. Jahrhundert, allerdings
zeitlich etwas später, stammt die Abschrift eines
schwäbischen Kreistagsabschiedes vom November
1669, die im Landesarchiv in Vaduz erliegt.2 6
Diese Quelle läßt deutlich das organisierte Zu-
sammenwirken der im Reichskreis 2 7 verbundenen
Stände und Obrigkeiten erkennen. Ziel ist die Aus-
weisung oder Verhinderung der Einreise sowohl
von Zigeunern als auch von anderen Vaganten.
Ihnen wird recht pauschal unterstellt, dass sie mit
gefälschten Dokumenten Geld für den Loskauf von
Gefangenen der Türken oder für sonstige Zwecke
betrügerisch sammelten. Zur Abwehr dieser Be-
drohung der öffentlichen Ordnung werden die
schon früher erlassenen Kreispatente und deren
spätere Ergänzungen - vor allem gegen das zuneh-
mende Bettelunwesen - in Erinnerung gerufen.
Durch neuerlichen Druck und Neuverlautbarung
dieser Vorschriften und durch deren ernsthaften
Vollzug sollten die erwähnten Missstände abgestellt
werden.
Dafür ist auch eine enge Kooperation der
Reichsstände - vor allem der jeweils benachbarten
des Kreises - beschlossen worden. Durch Publika-
tion und öffentlichen Anschlag des Kreistagsschlus-
ses sollte bekräftigt werden, dass Vaganten unter
keinen Umständen geduldet würden, dass ihnen
weder Reisedokumente noch materielle Unterstüt-
zung in irgendeiner Form gewährt werden dürfe.
Ziel dieser Aktivitäten war die Vertreibung der
vagierenden Schichten aus dem Gebiet des schwä-
bischen Reichskreises, wofür koordinierte Aktio-
nen - Visitationen der Verkehrswege, Aufgreifen
von wandernden Zigeunerhaufen durch zusam-
mengefasste Streifen, auch gegenseitige Informa-
tion zur effizienteren Durchführung der Polizeiak-
tivitäten - vereinbart wurden. Bei Widersetzlichkeit
gegen diese Verfolgungsaktivitäten wurde verfügt,
dass den Zigeunern ihre Habe - vor allem auch
«falsche» Dokumente - abzunehmen und die Auf-
gegriffenen zu arretieren seien. Zudem sollte ihnen
gegenüber zu Leibes- und Lebensstrafen gegriffen
werden; auch Zwangsarbeit wurde vorgesehen.
Abschliessend hält dieser Kreistagsabschied
fest, dass eine Reduktion der Vagantenplage nur
durch koordiniertes Vorgehen möglich sei; daher
haben die Obrigkeiten des Kreises miteinander
Kontakt in der Vagantenbekämpfung zu pflegen
und sie sind zu Eigeninitiativen aufgerufen: Vor
allem sollte verhindert werden, dass Zigeuner und
andere Vaganten nur im Kreis herumgeschoben
werden.
Da auch dieses Dokument am besten für sich selbst
spricht soll es nach der Abschrift des Kreistags-
beschlusses, die im Landesarchiv Vaduz erliegt,
hier nachstehend publiziert werden.
KREISTAGSBESCHLUSS, ABSCHRIFT
Deß Löblichen Schwäbischen Craißes gesambte
Fürsten und Ständte, Ihnen hiermit jeder männig-
lich kundt und zu wüssen; Demnach bey jüngster
im November des abgewichenen 1669 ten Jahres
gehaltener allgemainer Crayßversamblung, under
anderm auch dises wolbedächtlich verabschidet
worden, daß zue außtreib- und abhaltung des
schädtlichen zigeuner volckhs auch ander Herren-
losen gesindts, warunder nicht weniger die mit
falschen briefen umb erledigung einiger vom türck-
hen gefangener persohnen oder zu ersamblung
einer angebenden brandt- und beysteuer, herumb-
schweifende leuth betrüger zuverstehen, die hiebe-
vorig ausgelassene gemaine Craiß patenta wider
erneuert, denenselben auch die bey erst angereg-
tem Crayßtag in Vorschlag gekommene weitere mo-
nita, sonderlich wegen deren mit falschen briefen
umbher streichenden vaganten und anderer starck-
hen bettler nit eingeruckhet, und widerumb durch
öffentlichen truckh in dem ganzen crayß publiziert
werden solten, daß dannenhero solchen gemain
nutzlichen crayß schluß hiermit würcklich nachge-
sezt, und im nahmen gesambter fürsten und ständ-
te dises crayses, mit allem Ernst und. Eyfer darob
und daran zuesein, einander in crafft dises festig-
lich versprochen werde, wie nicht allein ein jeder
standt vor sich selbsten dem jenigen, was disfahls
die heylsambe Reichs-Constitutiones und neben
denen selben alle bisherig dises Crayes abschied
208
LIECHTENSTEINISCHE QUELLEN ZUM ZIGEUNERRECHT
PETER PUTZER
auch die im September anno 1654 und im Julio an-
no 1661 ausgelassene patente in sich halten, sorg-
fältiglich nachkommen,sondern auch mit seinen
benachpahrten Crayß-ständten disfahls, in ieden
begebnussen mit rath unt that getreulich dahin
concurriren wolle, daß auf nochmahlige publica-
tion und öffentliche anschlagung dises Schlusses,
all obbeschribenes Gott- und Herrenlose gesindt-
lein in allerseitigen angehörigen landten und herr-
schaften von nun an und für aus weiter weder ge-
duldet noch beherberget viel weniger einige bey-
steuer oder passporten erthailet, sondern vielmehr
von einem jeden standt und obrigkeit, bey dero be-
ambten, underthanen und zuegehörigen, auf fort-
schaffung dergleichen verdächtigen persohnen die
befehlbare und zumahl nachtruckhsambe anstallt
verfüeget werden solle, zu dem Ende je zue zelten
aus vorher pflegende nachpahrliche vergleichung,
die Straßen zu visitieren, und wo sonderlich sich
etwas von dem zusammen gehengten zigeuner
schwärm sich finden solte, selbiger mit zusamme-
nen gelegt - bewehrter handt: warzue die benach-
pahrte durch gewise glockhenstreich, sturmschlag
oder auf andere weise einander ein gewißes zei-
chen zuegeben, derentwillen auch fleißig zu corre-
spondieren, und wo nöthig, die nachfolge doch ohne
einiges pro indiz zuegestatten: zutrennen, separa-
tim oder coniunctim zueverfolgen, aus thätliche
widersetzung Ihnen gar das Ihrige - zumahl auch
ihre falsche brief hinweg- und sie in haft zuneh-
men, nach befindung zue gemeiner Herrschaftli-
chen Gepäu-arbeit anzuhalten, oder mit ander-
wertiger leibs- und lebens- straff zuebelegen.
Wie nun hierdurch der gesambte crays, von dem
bishero denen armen undterthanen eine große be-
schwährung gewesenen schwärm dergleich unnüt-
zen gesindleins gereiniget wird, ohne nachpahr-
lich einmüthige zusammentrettung aber solchen
gemain nützlichen zweckhs erraichung nicht wohl
zuhoffen, also will auch einem jeden standt in par-
ticulari mit seinen benachpahrten, sowohlen mit
Crayß-ständten, als andern Herschafften, nicht
weniger löblicher freyer Reichs-Ritterschaft hie-
runder in fleißiger correspondenz zustehen, und
Selbsten obligen, damit wo dergleichen müssiggän-
ger, faulenzer und leuth-betrüger an einem orth
fortgeiagt, am andern nahegelegenen nicht wider
ausgenommen und Ihnen mithin gelegenheit in die
handt gespiehlt werden möge, Ihre ausschaffung
von daraus desto füglicher durch allerhandt nach-
stellung, bosheit und muthwillen zurächen.
Hieran wird der gemeine nutz in vielweg beför-
dert, und dahero um soviel weniger von jedem
standt dises crayses wie auch denen angränzem-
dem benachpahrten, die mit genemb- und festhal-
tung obbeschriebner gueter Intention verhoffet.
Signatur den 20. April 1670.
Die Ergebnisse einer ersten Spurensuche nach zi-
geunerrechtlichen Quellen in Liechtenstein wurden
hier vorstehend mitgeteilt: In einer zusammenfas-
senden Wertung der beiden hier vorgestellten Quel-
len - eine ist der Ebene des regionalen Rechtes
zuzuordnen, die andere dem der Reichskreisver-
fassung - kann festgehalten werden, dass sich auch
im Recht der kleinen Herrschaften Vaduz und
Schellenberg Reaktionen auf das Auftreten der
Zigeuner feststellen lassen, die sich deutlich im
Fluss der gesamtdeutschen Entwicklung des Zigeu-
nerrechts der Barockzeit bewegen. Der Einfluss,
welcher von der Reichsgesetzgebung ausgeht, ist
gut erkennbar; einmal durch direkten Bezug auf
diverse Reichstagsbeschlüsse im lokalen Recht
ebenso wie auch durch die sichtbaren Auswir-
kungen der «Zigeunerpolitik» des schwäbischen
Reichskreises.
Auf diesen Wegen gelangten auch in Liechten-
stein die durch Akte der Reichsgesetzgebung vor-
geformten stereotypen Vorurteile und rechtlichen
Konzeptionen des gemeindeutschen Zigeuner-
rechts zur Anwendung.
Das beantwortet aber nicht die Frage nach de-
ren Umsetzung in der sozialen Wirklichkeit. Wie
26) L L A RA 74/111: Beschluss des Schwab. Kreises vom 20./30.
Apr i l 1670 betr. Zigeuner und Vaganten.
27) H. Zimmermann: Reichskreise. In: HRG, Bd. IV, 1984, Sp. 685
ff.; A. Laufs: Der Schwäbische Kreis. Studien über Einungswesen
und Reichsverfassung im deutschen Südwesten zu Beginn der Neu
zeit. (GU NF, 16 mit Bibliographie z. Gesch. d. R.), 1971.
209
fast überall lassen sich auch in Liechtenstein gene-
relle Normen des Zigeunerrechts relativ leicht fest-
stellen; allenfalls gibt es noch Dienstanweisungen
an Vollzugsbeamte. So typisch wie die festgestellten
Quellen zum Zigeunerrecht in Liechtenstein ihrem
Inhalt nach waren, so typisch ist auch nach dem
ersten Eindruck die Quellenlage, was die konkrete
Anwendung dieses Zigeunerrechts anlangt: Es
wäre von grossem Interesse zu erfahren, auf wel-
che Art und in welchem Umfang die berichteten zi-
geunerrechtlichen Vorschriften in concreto zur An-
wendung gelangt sind. Es ist bezeichnend für den
inferioren Stellenwert der Zigeuner in der Sozial-
ordnung dass die Quellen zur aufgeworfenen Frage
weitgehend schweigen.2 8
Auch in Liechtenstein ist der einzelne konkrete
Zigeuner, der aus der Anonymität der generellen
Normen als Individuum hervortritt, noch nicht ge-
funden. Es ist mit ein Anliegen dieser kleinen
Studie, den Blick für dieses bisher weitgehend un-
berücksichtigte Problem zu schärfen. 2 9
BILDNACHWEIS ANSCHRIFT DES AUTORS
Privatarchiv Prof. Dr. Peter Putzer
Familie Rheinberger, Institut für österreichische
Vaduz Rechtsgeschichte
Universität Salzburg
Churfürstenstrasse 1
A-5020 Salzburg
28) Wenn konkrete «zigeunerische» Vorfälle in den Akten anzu-
treffen sind, ist vielfach eine klare ethnische Zuordnung nicht
möglich. Der Terminus «zigeunerisch» wird vielfach ganz allgemein
zur Bezeichnung der unterschiedlichsten Vaganten, der diversen
Gruppen von Randständigen wie auch einzelner Personen aus
diesem Kreis verwendet. Dazu G. Philipp: Leute, fahrende (vgl.
Anm. 15).
29) Es gehör t zur besonderen Tragik der zigeunerischen Existenz
f rühere r Jahrhunderte, dass sie, wenn übe rhaup t als Person, als
Individuum festgehalten, in den Quellen namenlos begegnen. Hier ist
allenfalls von einem zigeunerischen Menschen, einer zigeunerischen
Weibsperson etc. zu lesen. Während sogar der Schwerverbrecher
in seinen Prozessakten mit Namen und Personaldaten bezeichnet
werden kann, bleibt der einzelne Zigeuner hinter allgemeinen
Begriffen verborgen - die Formulierungen sind meist derart, dass
oft nicht erkennbar ist, ob mit «zigeunerisch» nur eine soziale
Missbilligung gemeint ist oder tatsächlich ein Angehöriger dieser
ausgegrenzten Ethnie.
210
SIEDLUNGS- UND
B A U F O R M E N DER
LIECHTENSTEINER
WALSER
THOMAS ZWIEFELHOFER
Inhalt
EINLEITUNG
ZUR THEMENWAHL
GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK ZU
TRIESENBERG
BILDUNG DES HEUTIGEN DORFES 221
WALSERISCHE LEBENSWEISE UND
SIEDLUNGSSTRUKTUR 222
HEUTIGER ZUSTAND UND PERSPEKTIVEN 225
BAUFORMEN 229
GRUNDSÄTZLICHES 229
WALSER BAUERNHÄUSER IN
LIECHTENSTEIN 230
Typologische Betrachtungen 230
Bauliche Merkmale - Konstruktion und
Materialisierung 236
Beschreibung zweier Häuser in Triesenberg 240
- Haus Nr. 19, genannt «Hagstickers»,
Üenaboda 240
- Haus Nr. 48, «bei der Muli», Litzi 242
LANDWIRTSCHAFTLICHE NUTZBAUTEN 244
Grundsätzliches 244
Der Stall 245
Maiensäss- und Alphütten 246
Heuhütten 248
ÖFFENTLICHE BAUTEN 249
LITERATURVERZEICHNIS 250
BILDNACHWEIS 250
213 SIEDLUNGSSTRUKTUR VON
TRIESENBERG 217
213
VON DEN «ALEMANNEN» ÜBER DIE
«WALSER» ZU DEN «TRIESENBERGERN» 217
215
ERSTE ANSIEDLUNG 220
212
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
Einleitung
Diplomwahlfacharbeit II
Abteilung für Architektur
ETH Zürich 1995/1996
Prof. H. Kramel
ZUR THEMENWAHL
Mitten im Fürstentum Liechtenstein mit seinem
ziemlich einheitlichen Mundartgefüge liegt das
Dorf Triesenberg, dessen Einwohner bis heute ei-
nen alten, nicht typisch liechtensteinischen Dialekt
pflegen, der stark an den alten Walliser Dialekt in
der Schweiz erinnert. Gerne gehen die Liechten-
steiner sonn- und werktags dort wandern, wenn
vor allem im Winter das restliche Land in der Tiefe
des Rheintales unter einer dicken Nebeldecke liegt,
Triesenberg aber Dank seiner höheren Lage am
Westhang des auslaufenden Rätikongebirges bis
spät am Nachmittag Sonne hat (Abb. 1). Den
wenigsten Besuchern aus dem Tal werden beim
Durchwandern des weitverstreuten Dorfes Unter-
schiede zwischen den Bauten in Triesenberg und
denjenigen im Talgrund auffallen und so be-
schränkt sich die Wahrnehmung einer Besonder-
heit im Normalfall auf den Dialekt und die geo-
graphische Lage.
Aufgewachsen im Fürstentum Liechtenstein, be-
schäftigte den Verfasser dieser Arbeit bei diversen
Bergtouren in Liechtenstein und Graubünden im-
mer wieder die Bauweise der alpinen Architek-
turen, und angeregt durch den Besuch der Wahl-
fachvorlesung «Traditionelle Bauformen» von Prof.
H. Kramel an der Architekturabteilung der ETH
Zürich kam es zum Entscheid, in diesem Fach eine
Diplomwahlfacharbeit zu verfassen.
Nach einem ersten, oberflächlichen Studium des
über das gewählte Thema vorhandenen Materials,
stellte sich dem Verfasser rasch die Frage, worin
denn bei den traditionellen Bauformen der Liech-
tensteinischen Walser auf Triesenberg die Unter-
schiede zu den im Tal gelegenen ursprünglichen
Bauformen der eingesessenen Bevölkerung ale-
mannischen Ursprungs bestehen. Offensichtlich
würde es schwierig, in dieser Hinsicht bedeutende
Unterschiede festzustellen, nachdem es im Verlauf
mehrerer hundert Jahre doch in vielen Bereichen
zu einer starken kulturellen Annäherung der Wal-
ser auf Triesenberg zur Lebensweise und Kultur
der übrigen Landesbewohner gekommen ist. Das
zweite Liechtensteiner Bergdorf, Planken, mit gros-
213
Abb. 1: Flugaufnahme
von Triesenberg
ser Wahrscheinlichkeit ebenfalls walserischen Ur-
sprungs,1 ist bei diesem Prozess gänzlich assimi-
liert worden und hat auch den typischen Walser-
dialekt verloren, der auf Triesenberg noch sehr
ausgeprägt vorhanden ist und gepflegt wird.
Trotz der vordergründigen Einheitlichkeit der
grossmassstäblichen Baustruktur in Tal und Berg
soll hier versucht werden, die Feinheiten und Un-
terschiede der Triesenberger Bauten im Bezug auf
jene im Tal aufzudecken und auf die teils wider-
sprüchlichen Aussagen in der Fachliteratur hinzu-
weisen.
Da es dem Verfasser als Einzelperson nicht mög-
lich war, ein typisches Walserhaus auf Triesenberg
detailliert aufzunehmen, und grössere Zusammen-
hänge von Siedlungsstruktur und Lebensweise
der Einheimischen, Gemeinsamkeiten mit anderen
Walsersiedlungen in Graubünden sowie typologi-
sche Betrachtungen der Herkunft des Triesenber-
ger Bauernhausgrundrisses genauso interessant
sind, liegt das Schwergewicht dieser Arbeit bei den
eben aufgezählten Punkten.
Für die genaue Betrachtung eines Einzelobjektes
in Plan und baugeschichtlicher Würdigung emp-
fiehlt der Verfasser die Konsultation einer noch in
Arbeit befindlichen Untersuchung des alten Hei-
matmuseums Triesenberg durch den Bauhistoriker
Peter Albertin. 2 Die erwähnte Untersuchung stellt
nach Abschluss übrigens die erste wissenschaft-
liche Dokumentation eines Liechtensteiner Walser-
hauses dar (div. Abb.).
An dieser Stelle sei den Gemeindebehörden von
Triesenberg und verschiedenen Landesämtern für
die Unterstützung und Verfügungstellung von Ma-
terial herzlich gedankt. Besonderen Dank auch an
die Familie Anton und Barbara Frommelt-Schäd-
ler, die im renovierten Haus Nr. 48 auf Müli/Litzi
wohnt, das als altes Walserhaus unter Denkmal-
schutz steht (div. Abb.). Nebst der Besichtigung
stellten sie mir auch die Pläne der Bauaufnahme
vor der Renovation zur Verfügung.
214
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
Abb. 2: Gross- und Klein-
steg im Saminatal
Abb. 3: Die Kapelle
St. Maria auf Masescha
GESCHICHTLICHER UBERBLICK
ZU TRIESENBERG
Bis zirka 1280: Sommerliche Bewirtschaftung der
Höhen oberhalb Triesen durch die eingesessene,
nicht-walserische Bevölkerung. 3
Ab zirka 1280: Ansiedlung der ersten Walser auf
den Höhen ob Triesen mit Erlaubnis und Unterstüt-
zung der Grafen von Werdenberg-Sargans, die ih-
nen von Beginn weg als Belohnung für die Nutzung
der Höhen eine bevorzugte Rechtsstellung verlei-
hen. Die Herkunft der ersten Walliser ist dabei ver-
1) Bucher (1992), S. 17 ff.
2) Vgl . hierzu: Albertin (1995).
3) Dass die Höhen ob Triesen bereits lange vor der Besiedlung durch
die Walser im Sommer bewirtschaftet wurden, verraten die Flur-
namen vorgermanischen Ursprungs. So sind z. B. Namen wie Prufa-
tscheng, Masescha, Foppa, Silum, Guflina, Mitätsch, Gnalp. Par-
mezg, Staviniel, Malbun, Lavadina u. a. m. eindeutig vorgermani-
schen (d. h. romanischen) Ursprungs.
215
mutlich nicht direkt das Wallis, sie sind vielmehr
ein weitergewanderter Teil der sogenannten «Da-
voser Gruppe», die sich dort wenige Jahre zuvor,
aus dem Wallis kommend, niedergelassen hatten.
1355: Erste urkundliche Erwähnung der «Walser
im Malbun». Kopie (1625) dieser Urkunde noch
vorhanden.
1371: Graf Heinrich von Werdenberg-Sargans zu
Vaduz gibt einigen «Wallisern von Triesenberg» die
Alpen Guschg und Guschgfiel als Erblehen.
1465: Erste urkundliche Erwähnung der kleinen
Kirche auf Masescha (Abb. 3), wo die Walserbe-
siedlung auf Triesenberg den ersten dichteren
Schwerpunkt bildet.
1497: Freiherr Ludwig von Brandis schlichtet
einen Streit zwischen den Triesnern und den Walli-
sern am Berg wegen gemeinsam benützten Wei-
den. Genaue Marken werden gezogen.
Abb. 4: Die erste Pfarrkir-
che aufÜenaboda, 1767
1513: Die Walser verlieren ihre Steuerfreiheit (Lan-
dessteuer).
1562: Graf Alwig von Sulz schlichtet einen Streit
der Triesenberger unter sich wegen der Benützung
der Alpen und erlässt auf deren Ansuchen eine
«Alpordnung».
Um 1600 hat Triesenberg eine Einwohnerschaft
von zirka 600 Personen und ist damit die bevölke-
rungsreichste Gemeinde des Oberlandes.
1618: Die Walser verlieren den letzten Teil ihrer
bevorzugten Rechtsstellung, die sog. «Freizügigkeit
ausser Landes» (d. h. das Land ohne Bezahlung ei-
ner Wegzugsgebühr verlassen zu können).
1700: Gemäss einer Haushaltszählung hat es in
Triesenberg 120, in Triesen 122 Haushalte.
1767: Fürst Wenzel von Liechtenstein lässt den
Waisern eine Pfarrkirche und ein Pfarrhaus auf
Üenaboda bauen (Abb. 4). Damit ist ein neuer Sied-
lungsschwerpunkt gesetzt.
1784: Triesenberg ist mit einer Einwohnerzahl von
603 immer noch die grösste Gemeinde des Ober-
landes. Im Vergleich dazu zählen Schaan 499 und
Triesen 426 Einwohner.
1813: Bau des ersten Schulhauses.
1864 bis 1867: Erschliessung Triesenbergs mit ei-
ner schmalen Fahrstrasse,4 von Vaduz, via Meier-
hof, Üenaboda, Lavadina, Kulm nach Steg. Bau des
Kulmtunnels (48 m, verbindet das Rheintal mit
dem Saminatal).
1868: Triesenberg ist bevölkerungsmässig nur
noch die zweitgrösste Gemeinde des Oberlandes.
Die Zahlen im Einzelnen: Triesenberg 960, Triesen
821, Schaan 899, Vaduz 845, Balzers 1073, Plan-
ken 110 (Liechtenstein total 7504).
1872: Bau einer zweiten Verbindungsstrasse von
Vaduz über Fromahus und Rotaboda nach Gnalp.
Um 1875: Erste Anfänge des Kur- und Ausflugtou-
rismus nach Triesenberg.
216
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
Siedlungsstmktur von
Triesenberg
Ab 1880: Erstellung zahlreicher Verbindungsstras-
sen zwischen den verschiedenen Häusergruppen
und Weilern.
1901: Alle Oberländer Gemeinden (ausser Planken)
sind nun bevölkerungsmässig grösser als Triesen-
berg. Die Zahlen im Einzelnen: Triesenberg 890,
Triesen 995, Schaan 917, Vaduz 995, Balzers
1012, Planken 56 (Liechtenstein total 7531).
1938/39: Bau der jetzigen Pfarrkirche anstelle der
alten Kirche von 1767.
1947: Bau des Strassentunnels (700 m) von Gnalp
nach Steg (Abb. 2).
1961: Eröffnung des ersten Heimatmuseums im
Haus Nr. 19 (div. Abb.) auf Üenaboda.
1961-1988: Melioration des gesamten Gemeinde-
gebietes. Versuche zur Einführung eines Zonenpla-
nes werden an der Urne abgelehnt.
Für 1993 lauten die Oberländer Einwohnerzahlen
wie folgt: Triesenberg 2406, Triesen 3776, Vaduz
5072, Schaan 5129, Balzers 3841, Planken 317
(Liechtenstein total 30 310).
1995: Unwetterschäden und Erdrutsche, die bis ins
Tal hinunter reichen und ganze Häuser zerstören.
Die Bevölkerungszahlen entstammen dem Anhang
von Alois Ospelt zu seiner Dissertation «Wirt-
schaftsgeschichte des Fürstentums Liechtenstein»
(JBL 72) sowie (für 1993) dem vom Amt für Volks-
wirtschaft herausgegebenen Statistischen Jahr-
buch. Die Angaben zur Geschichte von Triesenberg
stützen sich auf Engelbert Bucher (siehe Anmer-
kung 1).
VON DEN «ALEMANNEN» ÜBER DIE
«WALSER» ZU DEN «TRIESENBERGERN»
Die Siedlungsgeschichte der Walser auf Triesen-
berg beginnt genau genommen bereits mit der
grossen Völkerwanderung, die das allmähliche
Ende des römischen Reiches einläutete. Während
aber der Grossteil der damals bewegten Völker aus
dem Norden spätestens gegen die erste Jahrtau-
sendwende zur Ruhe kam und sich die neuen Sied-
lungsräume erkämpft hatte, dauerte die Wande-
rung einer kleinen Volksgruppe, die ursprünglich
als Alemannen von Norden in den heutigen süd-
deutschen Raum und die Schweiz eingedrungen
war, bis ins späte 14. Jahrhundert an.
Gegen 200 nach Christus vereinigten sich in der
Gegend des Mains verschiedene westgermanische
Stämme zum Stamm der «Alemannen» («alle Man-
nen»). Es waren kriegerische Leute, die in Raubzü-
gen bis nach Italien vorstiessen. Daneben waren
sie aber auch fleissige Hirten und Bauern, die sich
immer weiter südlich ansiedelten. Um das Jahr
300 liessen sie sich im heutigen Baden-Württem-
berg nieder, um 450 wanderten sie im Elsass ein,
nach 500 zogen sie in die heutige Schweiz. Nach
der verheerenden Niederlage gegen den Fran-
kenkönig Chlodwig flüchteten sie sich unter den
Schutz des Ostgotenkönigs Theoderich, der auch
die damaligen zwei rätischen Provinzen beherrsch-
te. Damit gehörte auch ein Grossteil der heutigen
Deutschschweiz zum Herrschaftsgebiet von Theo-
derich. Lange siedelten sie sich nun neben der an-
sässigen alten rätischen und gallorömischen Bevöl-
kerung an, dehnten ihr Siedlungsgebiet aber dabei
vor allem entlang der Aare und dem Rhein bestän-
dig aus. Während es entlang dem Rhein aufwärts
schwierig war, die ansässige rätische Bevölkerung
zu verdrängen und die Alemannen so nur langsam
vorwärts kamen, ging es entlang der Aare zügig
4) Bucher (1992), S. 51: «Dieser Fahrstrasse gingen schon uralte
Alpfahrtswege voraus: Einer führ te von Schaan über das Wild-
schloss, Prufatscheng und Masescha zum Kulm. Ein Anderer von
Triesen über Triesenberg, Gnalp, Kulm nach Sücka, Steg und
Malbun.»
217
Abb. 5: Die Wanderungen
der Walser vom 12. bis
zum 14. Jahrhundert
den Alpen entgegen, wobei die Alemannen viel
Land und Weide fanden. Gegen 700 war bereits
das Berner Oberländer Seengebiet erreicht und die
ersten germanischen «Berner» standen vor den A l -
pen, die eine natürliche Barriere bildeten.
Durch das beständige Wachstum und das da-
durch benötigte neue Acker- und Weideland waren
die im Berner Oberland siedelnden Alemannen
schliesslich gezwungen, die Alpen durchs Haslital
und den Grimsel oder den Lötschenpass und die
Gemmi zu überqueren und so das Goms und die
Gegend zwischen Brig und Leuk in Besitz zu neh-
men. Diese germanische Ansiedlung im Wallis fand
zwischen 750 und 1000 statt und hat noch heute
den Verlauf der Sprachgrenze östlich von Siders
(Sierre) zur Folge.
13. Jh. Vorarlberg
Damüls, Dalaas, Sübertal ,
Grosses und Kleines Walsertal
Liechtenstein
Triesenberg, Planken
Bünd. Herrschaft
Guscha, Rotels, Stürlis,
Says, Mastrils
Furggels, Sampans (St. Margr.bg.)
Schuders St. Antonien
Schlappin
- Prättigau
Furna, Danusa t
Klosters
Bläs
Schanfigg
Arosa Davos
Vals Saften
$1
Rheinwald
A \
Pomat
Chamonix Valtournache Grossoney
Aostatal
Sesiatäler
Avers
Ornavasso
218
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
So waren aus in der Ebene tätigen Bauern all-
mählich Bergbauern geworden, zugleich wurden
aus Westgermanen Schweizer, Berner und schliess-
lich Walliser.
Aber bereits im 12. Jahrhundert war für die
Walliser im Rhonetal der Boden wieder zu knapp
geworden und in drei Himmelsrichtungen ging die
Auswanderungswelle weiter (Abb. 5). Diese Walli-
ser, die zu jener Zeit das Rhonetal verliessen, be-
zeichnet man nun erstmals als «Walser».
Jenseits des Monte Rosa, des Simplons, des
Gries- und Theodulpasses die eine Gruppe, eine
andere über den Furkapass ins Urserental und
weiter über den Oberalppass ins Vorderrheinische,
verbreiteten sich die Walser immer weiter, ein Teil
zog sogar wieder nach Norden ins Berner Oberland
zurück. Damit war die Walserbewegung noch nicht
am Ende, sondern bald machten sich aus den
Tochterkolonien erneut einige Familien auf und
zogen weiter. Während die Berner Oberländer bis
in die Jurahöhen weiterzogen, erreichten die nord-
östlichen Walser nicht nur das obere Tessin, son-
dern auf verschiedenen Wegen auch um 1250 den
sogenannten Rheinwald im Hinterrheingebiet. Von
hier aus wurden in den nächsten 150 Jahren im
gesamten Graubünden Neusiedlungen mit bis zu
fünf Ablegern gegründet (vgl. Abb. 6).
Von der Rheinwälder Gruppe unterscheiden sich
jene Walser, die wohl nach 1270 in Davos einge-
wandert sind. Während die Rheinwälder Walser
wie die Walliser aus dem Goms sprechen, haben
die Davoser Walser einen Dialekt wie die Walliser
unterhalb Brigs. Die Fachwelt ist sich deshalb ei-
nig, dass es sich bei der Besiedlung von Davos um
Zuzüger direkt aus dem unteren Deutschwalliser
Siedlungsgebiet handelt.
Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte zog ein Teil
der Davoser Walser in das Prättigau weiter, einige
Hessen sich schliesslich in der Nähe von Maienfeld
auf Rofels und oberhalb der St. Luzisteig in Guscha
nieder. Noch heute zeugt ein sog. «Walser Rathaus»
im Weiler Rofels ob Maienfeld von dieser Besied-
lung, deren Bewohner im Verlauf der Zeit von der
ansässigen Bevölkerung assimiliert wurden. In ei-
nem zum Weiler Guscha gehörigen Berghof spielt
sich bekanntermassen auch die Geschichte «Heidi»
von Johanna Spyri ab.
Entweder entlang dem Rheintal oder von oben
über das Barthümel- und das Bettlerjoch ins Mal-
bun zogen dann die ersten Walser vermutlich kurz
nach 1280 in das Gebiet von Triesenberg ein, also
ins heutige Liechtenstein, und vereinzelt weiter in
das benachbarte Planken.
Mit dem Erreichen des grossen und kleinen
Walsertales, dem Montafon und den Höhen über
dem Bodensee im heutigen Vorarlberg fand schliess-
lich diese «späte Völkerwanderung» 5 gegen Mitte
5) Zinsli (1986), Kapitelüberschrif t auf S. 17 ff.
Abb. 6: Obermutten.
Haufenförmige Walser-
siedlung ob Thusis/
Tiefencastel.
219
Karte 1: Siedlungsbild
1892, Massstab zirka
1:25 000, inkl. Höhen-
kurven
Abb. 8: Triesenberger
«Beigla», Kerbhölzer. Auf
der Vorderseite ist das
Hauszeichen des jeweili-
gen Besitzers eingekerbt,
die Zeichen auf der Rück-
seite geben Auskunft über
die Anteilsrechte am
landwirtschaftlichen
Boden.
Karte 2-. Siedlungsbild
1943, Massstab zirka
1:25 000, inkl. Höhen-
kurven
WALSERISCHE LEBENSWEISE UND
SIEDLUNGSSTRUKTUR
Es wurde bereits dargelegt, dass die vormaligen
Abkömmlinge der Alemannen mit ihrem Einzug ins
Wallis und dem späteren Weiterzug in die schwach
besiedelten Hochtäler der Alpen zu typischen Berg-
bauern wurden.
Die Landwirtschaft stellt eindeutig immer schon
den Haupterwerbszweig der späteren Walser dar.
Das Schwergewicht liegt dabei auf der Viehwirt-
schaft, die Milchverarbeitung und Sennerei bilde-
ten dabei einen wichtigen Teil.
Während beim sogenannten Heimgut, das heisst
beim eigentlichen Wohngebäude und dem Heim-
stall, trotz der oft steilen Lage, Äcker unterhalten
wurden und mit viel Phantasie und Erfahrung das
Erodieren und Abrutschen der bearbeiteten Erde
verhindert wurde, zog der Walser Bauer mit sei-
nem Vieh wie ein Nomade zwischen Heimstall,
Stallgütern, Maiensässen und Alpen auf und ab.
Dazu kamen noch die Heuernten in den verschie-
denen Höhenlagen sowie die Obst- und Getreide-
ernten auf den Äckern. Wenn wir bedenken, dass
in den meisten Walsersiedlungen fahrbare Wege
erst sehr spät erstellt wurden - in Triesenberg um
1867 - können wir uns vorstellen, wie hart der
Transport von Gütern wie Lebensmittel oder Heu
222
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
Vaduz
und Holz bei diesen enormen Höhenunterschieden
gewesen sein muss.
Das landwirtschaftlich genutzte Gebiet erstreck-
te sich von 600 m. ü. M . bis auf 2000 m. ü. M . und
umfasste vier Teile:
1. das Gebiet der weit verstreuten Weiler und
Einzelhöfe mit den eigentlichen Heimgütern,
2. die aus den früheren Höfen (durch Hinabzie-
hen in tiefere Lagen) entstandenen Stallgüter (in
Triesenberg zum Beispiel Gnalp, Parmezg, Parsüla,
Guflina, etc.),
3. die sogenannten Maiensässe oder Voralpen
(in Triesenberg: Gross- und Kleinsteg, sowie Si-
lum),
4. die Gemeindealpen (in Triesenberg: Bargälla,
Garsälli, Sücka, Alpeti, Bärgi, Turna und Sareis).
Die drei Maiensässe sind sogenannte Genossen-
schaftsalpen, wo der Bauer in der Regel private
Heuwiesen und Anteile am Genossenschaftsbesitz
hat. Bei den Maiensässen Gross- und Kleinsteg
(Abb. 2) erkennt man eine, im Alpenraum einma-
lige, klare Aufteilung zwischen privaten Heuwiesen
und genossenschaftlichen Weideflächen. Im Innern
der Hüttenvierecke sind die einzelnen rechteckigen
Heuwiesen der einzelnen Bauern ablesbar, wäh-
rend ausserhalb der Vierecke das freie Weideland
liegt. Die Anordnung der Hütten geht auf vorwalse-
rische Zeit zurück, die Triesenberger bekamen ab
1406 Kleinsteg als «ewiges Erblehen» und erst
1615 konnten sie Kleinsteg käuflich erwerben.
Grosssteg ging 1652 von Schaan und Vaduz in den
Besitz der Triesenberger über.
Die Weide- und Holzanteile des einzelnen Ge-
nossenschafters am Gemeinbesitz wurden in Trie-
senberg bis 1868 ohne schriftliches Verzeichnis,
sondern mit sogenannter «Beigla» (Abb. 8) ge-
handhabt. Auf diesen Kerbhölzern gab auf der Vor-
derseite das eingeritzte Hauszeichen über den Be-
sitzer der Anteile Auskunft. Auf der Rückseite wa-
ren mit eingekerbten Strichen die Anteilsrechte
festgehalten: Ein ganzer Strich ist ein ganzer Anteil
an Weid, ein halber Strich die Hälfte eines Anteils,
eine eingekerbte runde Vertiefung nur ein Viertel-
Anteil. Die Beigla waren an einer Schnur aufgezo-
gen in einer Truhe in der Sakristei aufbewahrt,
zum Öffnen waren drei Schlüssel notwendig, die
der Pfarrer, der Richter und der Kirchenpfleger in
Verwahrung hatten. Änderungen an diesen Höl-
zern durften nur in Anwesenheit dieser drei Amts-
personen ausgeführt werden.
Der Jahresablauf des Walser Bauern in Triesen-
berg war vor allem bestimmt durch die häufigen
Viehauf- und -abtriebe.
Ende Mai bezog man die Maiensässe, von wo
das Vieh etwa drei Wochen später auf die höher-
223
Karte 3: Siedlungsbild
1988, Massstab zirka
1:25 000, inkl. Höhen-
kurven
Abb. 11: Lavadina,
Triesenberg
ein internationales Publikum an, daneben haben
auch viele Liechtensteiner aus anderen Gemeinden
ein kleines Ferienhäuschen im hinteren Talgrund.
Es gehört heute in einigen Gesellschaftsschichten
Liechtensteins geradezu zum guten Ton, im Mal-
bun, auf Masescha oder im Steg ein Ferienhäus-
chen oder zumindest eine Eigentumswohnung in
einem der neu erstellten, grossen Mietblöcke zu be-
sitzen.
Natürlich blieb auch Triesenberg selbst nicht
vom Wachstum durch Fremdenverkehr verschont.
Die Hotelbauten, auf Üenaboda, Rotaboda und Ma-
sescha/Gaflei beschränkt, nehmen hier aber nicht
eine so dominierende Stellung im Ortsbild ein wie
in Malbun. Seit den 40-er Jahren dieses Jahrhun-
derts hat wie im ganzen Land Liechtenstein auch in
Triesenberg - zusammen mit einer radikalen Mo-
dernisierung - ein Schrumpfungsprozess des in der
Landwirtschaft tätigen Anteils der Bevölkerung
stattgefunden. Neben Bankfilialen, verschiedenen
Detailhandelsgeschäften und sogar Treuhandbüros
finden sich heute in Triesenberg auch grössere
Industrie- und Handwerksbetriebe.
Alle diese erwähnten neuen Komponenten des
einstigen Bergbauerndorfes haben sich fast aus-
schliesslich auf Üenaboda/Litzi und Steinord ange-
siedelt und so den Prozess von einer Streusiedlung
über die Haufensiedlung mit Weilern zum zusam-
menhängenden Haufendorf verstärkt. Im Zusam-
226
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
menhang mit der immer noch fehlenden Zonen-
ordnung, die in mehreren Anläufen an der Urne
gescheitert ist, einem in Liechtenstein einzigarti-
gen Fall, ergeben sich natürlich ausserordentliche
raumplanerische Probleme, da eine geplante Ent-
wicklung der Gemeinde ohne gesetzliche Grund-
lage kommunalen Charakters schwierig zu kon-
trollieren ist. Gerade in Gemeinden mit einem so
starken Fremdenverkehrsanteil wirkt sich eine
ungeplante, spekulativ motivierte Entwicklung ver-
heerend auf das Ortsbild und die Siedlungsstruktur
aus. Beispiele für in diesem Zusammenhang ge-
machte «Bausünden» finden sich viele, nicht nur in
Malbun. Zu dieser Entwicklung kommt ein weiterer
bedenklicher Faktor in Form von kitschiger «Hei-
mattümelei» hinzu. Wie im ganzen Liechtenstein,
und wohl auch in der Schweiz und Österreich, er-
kennt man heute bei der Gestaltung von Neubauten
eine romantische Sehnsucht nach alten, Geborgen-
heit vermittelnden Formen. So wird unter Verwen-
dung von modernen Baustoffen und Konstruktio-
nen das alte Formenrepertoire der ursprünglichen,
regionaltypischen Bauten wahllos zitiert. Es ent-
stehen seltsame Mischformen aus Elementen nähe-
rer und weiterer Regionen, bei genauer Betrach-
tung entdeckt man Elemente aus dem Tessin oder
dem Engadin vermischt mit Formen aus dem Tirol,
das Ganze, anstatt aus Holz oder Naturstein, ist
gefertigt als Zweischalenmauerwerk oder ähnli-
chen modernen Konstruktionen (Abb. 12). Nur die
wenigsten Neubauten orientieren sich bewusst an
der lokalen Walser oder Rheintaler Bauernhaus-
tradition.
Es stellt sich ohnehin die Frage, ob mit den mo-
dernen Baumaterialien und Konstruktionstechni-
ken diese Typologien nachgeahmt werden können.
Gefragt wären vielmehr Interpretationen dieser Ty-
pologien, vielleicht können Arbeiten wie diese das
Bewusstsein der Planenden für einen sinnvollen
Umgang mit den alten Formen stärken.
Mit der grossen Melioration von 1961 bis 1988
wurde von der Gemeinde Triesenberg ein grosser
Schritt zu einer geplanten Zukunftsentwicklung ge-
tan. Durch die vielen Erbteilungen und komplizier-
ten Mitnutzungsrechte an einzelnen Bauten und
Grundstücken war eine wirtschaftliche Nutzung
des Bodens oft praktisch unmöglich, gleichzeitig
war das bestehende Strassennetz ungenügend.
Diese und weitere Probleme konnten dank der bei
der Melioration vorgenommenen Landumlegung
(Abb. 13 und 14) endlich gelöst werden. Im Jahre
1998 unternahm die Gemeinde Triesenberg wie-
derum einen Anlauf zur Einführung eines Zonen-
planes. In der Volksabstimmung vom 26. und 28.
Juni 1998 lehnten die Triesenberger Stimmberech-
tigten auch diesen Vorschlag der Gemeinde ab. Das
Bewusstsein der Triesenberger für eine kontrollier-
te Entwicklung ihrer Gemeinde ist offenbar noch
nicht weit genug gediehen.
Abb. 12: Neubau oberhalb
von Lavadina, Triesenberg
227
schiedene Gemeinsamkeiten mit den Nachbarn
anderer Herkunft zeigen; das heisst, <es gibt kein
ausschliessliches Walserhaus>.» 2 1
.0*
f
f
Badeofen
Four
Forno
Herd
Atre
Focolare
Küche
Cuisine
Cucina
Herd
Atre
Focolare
Wohnraum
Salle de sejour
Soggiorno
I I
0 ° 0 0 |
Abb. 15: Wohnhaus Jung-
steinzeit, Federseemoor (D)
WALSER BAUERNHÄUSER IN LIECHTENSTEIN
TYPOLOGISCHE BETRACHTUNGEN
Um die Ursprünge nordost-schweizerischer Bauern-
häuser aufzuspüren, gehen manche Fachleute bis
in die Steinzeit zurück. Auf dem links in Abbildung
15 gezeigten Grundriss eines jungsteinzeitlichen
Wohnhauses erkennt man bereits eine bewusste
Proportionierung der Raumverhältnisse. Die Haus-
breite verhält sich zur Länge ziemlich genau 3:5,
ein Mass, dem man bei vielen späteren Bauernhäu-
sern immer wieder begegnet. Auch ist der Wohn-
raum bereits annähernd quadratisch, wie es heute
noch in vielen Bauernhäusern zu sehen ist. Die
Trennung in Feuer- und Wohnraum sowie die kom-
binierte Nutzung der Feuerquellen als Koch- und
Wärmgelegenheit und die daraus resultierende
Lage in der Trennschicht zwischen den beiden
Räumen haben offenbar eine so zwingende Logik,
dass wir sie ebenfalls bereits in der Steinzeit an-
treffen.
Einen anderen Ansatz zur Entstehung der gän-
gigen Grundrisstypologien findet man in der ur-
sprünglichen Trennung von Feuerhaus und Schlaf-
haus sowie separaten Wirtschaftsbauten. Diese
Trennung, die heute zum Beispiel noch im Valser
Tal und im Tessin zu beobachten ist, geht zumeist
auf die - auf S. 222 f. beschriebene - Lebensart der
Bergbauern zurück und genügt nur den einfach-
sten Ansprüchen. Sie bietet nebst gewissen Nach-
teilen den Vorteil der Sicherheit, da das meist stei-
nerne Feuerhaus in gewissem Abstand zum in Holz
oder Stein gefertigten Schlafhaus steht und so die
Brandgefahr für die Bewohner reduziert. Ausser-
dem war diese Teilung an steilen Lagen, wo eine zu
grosse Bautiefe nicht möglich war, vorteilhafter. Die
Trennung der einzelnen Bauten bezeichnet man
auch als Mehrhausbau. An manchen Schlafhäusern
wurde eine separate Feuerung angebracht, um
auch diesen Raum zu beheizen.
Dieses Vorhandensein zweier Feuerstellen blieb
beim Verschmelzen zum zwei- oder dreiraumtiefen
Haus vielerorts erhalten, meist ist dabei der hintere
230
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
Küchen- und Speicherten vom vorderen Wohnteil
mit einer Gangzone getrennt (Abb. 18).
Um steigende Platzbedürfnisse (nach längerer
Besiedlung und Etablierung der lebenswichtigsten
Einrichtungen) zu befriedigen, ging die Entwick-
lung in zwei Richtungen. Während die eine eine Er-
weiterung in die Höhe erfährt und so zu einer ver-
tikalen Raumordnung gelangt, geht die häufiger zu
beobachtende Entwicklung in die Breite, es ent-
steht eine horizontale Raumordnung.
Bei der vertikalen Raumordnung enthält im
Prinzip jedes Geschoss nur einen Raum, so dass
mehrgeschossige, turmartige Bauten entstehen, die
ohne weiteres neun bis zehn Meter erreichen kön-
nen. Solche Bauten kennt man vor allem im Tessin,
in den Walsergebieten kommen sie eher selten vor
oder sind Zeugen romanischer Besiedlung vor
der walserischen Einwanderung. Die horizontale
Raumordnung hingegen vereinigt die Räume, min-
destens Küche und Stube, auf derselben Ebene und
hinter- oder nebeneinander, wie es bereits im
erwähnten jungsteinzeitlichen Wohnhaus der Fall
ist (Abb. 15, 18 und 22).
Das minimale Raumangebot dieser Grundfor-
men genügte bald nicht mehr. Die Bauten der verti-
kalen Raumordnung wurden horizontal erweitert,
d. h. ihre Grundfläche wurde grösser durch Ver-
doppelung oder Anbauten. Bauten mit horizontaler
Raumordnung erhöhte man um zusätzliche Ge-
schosse. Diese einfachere Erweiterungsmöglichkeit
begünstigte die Verbreitung der horizontalen Ord-
nung, die dabei eine grosse Formenvielfalt ent-
wickelte. Während bei Bauten in steilen Lagen die
Vergrösserung meist in die Breite ging, finden sich
im Talraum eher Verlängerungen oder quergestell-
te Anbauten zum ursprünglichen Kernbau.
Grundsätzlich lässt sich die horizontale Raum-
ordnung in zwei Gruppen aufteilen, die zweiraum-
tiefen und die dreiraumtiefen Bauten. Beide sind
im gesamten Walsergebiet verbreitet, aber durch
das Anbauen von Stall- oder anderen Wirtschafts-
bauten an die zweiraumtiefen Typen lässt sich oft
nur schwer ablesen, ob es sich um einen ursprüng-
lich dreiraumtiefen Typ oder einen erweiterten
zweiraumtiefen Typ handelt. Gute Beispiele dieser
Problematik sind das auf Abbildung 16 gezeigte
Haus des Weilers Hinder-Prufatscheng und das
Haus Nr. 5 auf Üenaboda (Abb. 17), bei dem der
hinten angefügte Wirtschaftsteil erst später dazu-
gekommen sein dürfte. Ob ursprünglich zweiraum-
tiefes oder dreiraumtiefes Haus würde sich beim
ersteren wohl nur bei detaillierter Untersuchung
21) Zinsli (1986), S. 102.
•PS
S - * - ™ . -
Abb. 16: Haus auf Hinder-
Prufatscheng, Triesenberg
Abb. 17: Haus Nr. 5,
Üenaboda, Triesenberg
231
b l b2
Abb. 18: Entwicklung
dreiraumtiefer Grundriss-
typen (Firstachse immer
senkrecht) Schlaf- und
Feuerhaus
2 Küche
x Feuerstelle
3 Stube
3a Nebenstube
4c Vorratskammer
5 Korridor, Vorhaus
4c
• X
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KS 1
—1—
3 3a
feststellen lassen, wie sie im noch genauer erläu-
terten Fall von Haus Nr. 48 auf Litzi vorliegt (Abb.
35 und 36). Dort wurde erst in unserem Jahrhun-
dert auf der Hangseite, hinter der Küche und dem
sogenannten Vorhaus, ein Wirtschaftsanbau hinzu-
gefügt.
Bei eingehender Betrachtung von Bauernhäu-
sern aus den liechtensteinischen Talgemeinden und
jenen von Triesenberg stellte der Verfasser fest,
dass - unter Einbezug der nachträglich zu drei-
raumtiefen erweiterten Bauten - in der gesamten
Region dies- und jenseits des Rheins eine einfache,
zweiraumtiefe Grundrissdisposition vorherrscht
(Abb. 19). Damit ist erwiesen, dass die isolierte
Betrachtung der Grundrisse nicht erlaubt, von ei-
nem typischen, durch Raumorganisation zu unter-
scheidenden liechtensteinischen Walserhaus zu
sprechen, das sich direkt von jenen des ursprüng-
lichen Siedlungsgebietes im Wallis oder der Mutter-
kolonie im Raum Davos ableiten lässt. Man erkennt
also, dass es nicht nur kein typisches Walserhaus
in Liechtenstein gibt, sondern dass die Häuser auf
Triesenberg in ihrer Grundrissanlage mit derjeni-
gen des sogenannten Rheintaler Hauses identisch
sind. Ja, es ist sogar fraglich, aufgrund der Grund-
risse von einem Rheintaler Haus zu sprechen, da
die gleiche Disposition zum Beispiel auch im Vor-
derrheintal oder in Schwyz vorkommt (Abb. 20 und
21). Bei dieser «klassisch», «gotisch» oder einfach
«spätmittelalterlich» genannten, zweiraumtiefen
Grundrisslösung, die auf Triesenberg genauso wie
im St. Galler Rheintal vorherrscht und bis ins 19.
Jahrhundert zur Anwendung kam, liegt im Erdge-
schoss auf der besonnten südlichen Seite Stube und
Nebenstube, dahinter auf der sonnenabgewandten
Seite quergestellt die Küche mit einem oder zwei
traufseitigen Eingängen. In Triesenberg sind diese
klassischen Kernbauten (wie alle Bauten) stets
gleich gestellt, nämlich mit der Giebelfront zur Tal-
seite, das heisst die Firstachse ist stets parallel zur
Hangfalllinie. Bei der schematisierten Zusammen-
stellung einiger zweiraumtiefer Grundrissvarianten
in Abbildung 22 erkennt man diesen Typus, der
einst im ganzen Alpenraum mit kleinen Variatio-
nen verbreitet war, bei den Nummern 6a, 8a, 9d,
10a und I I a wieder. Die Ausgangslage bildete
ein einfaches, aus zwei Räumen bestehendes Ge-
schoss. Diese simple Zweiräumigkeit, wie wir sie
232
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
bei Abbildung 18 in Ziffer d als Entstehung aus
Feuer- und Schlafhaus gesehen haben, kann auch
ohne dieses Zusammenwachsen aus ursprüngli-
cher Getrenntheit schon früher vorkommen, wie
Abbildung 15 beweist.
Die weitere Entwicklung zeigt (Abb. 22), wie
dem einst zweiräumigen Geschoss zuerst bei der
Küche ein Vorraum, bei den Waisern «Vorhus» ge-
nannt, abgerungen wurde (8a), oder der Stube eine
Nebenstube hinzugefügt wurde (9d), die auch als
Schlafkammer diente, solange das Gebäude noch
einstöckig war. Die Kombination dieser beiden Ty-
pen ergab den Typus 10a, eine weitere Verfeine-
rung den Typus I Ia , dem im Vorraum eine Vorrats-
kammer eingefügt wurde. Abb. 19 und 21 zeigen
die Entwicklungsstufe 9d, in Triesenberg zum Bei-
spiel mit Haus Nr. 19 (altes Heimatmuseum) vertre-
ten (Abb. 33), Abbildung 20 die Stufe I Ia , die wir
beim auf S. 242 f. näher erläuterten Haus Nr. 48 in
Triesenberg wiederfinden werden. Nebst diesen re-
gulären Fällen hat es natürlich auch in Triesenberg
etliche Ausnahmen, die nicht in dieses Schema
passen. So steht auf Parsüla, schräg unterhalb von
Gnalp, ein Bauernhaus (Abb. 23), dessen heutiger
Zustand eine Mischung aus Wohn- und Wirt-
schaftsbau ist.
Die genauere Untersuchung dieses Typus würde
im Rahmen dieser Arbeit aber zu weit führen.
Ähnliches ist bei einem Bau abseits des Weilers
Lavadina festzustellen, dessen äussere Struktur auf
Abb. 19: Erdgeschoss
eines der ältesten Häuser
Liechtensteins, Haus
Nr. 12 in Schellenberg,
zirka 1520
Abb. 20: Erdgeschoss
eines Hauses in Tavetsch
Abb. 21: Erdgeschoss
eines Hauses in Lauerz
233
6a
6b
Abb. 22: Grundrissvarian-
ten zweiraumtiefer Bauten
im Alpenraum (gleicher
Zeichenschlüssel wie
Abb. 18)
6c
6d
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5 2 2 7
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3 3a 3a 2
Abb. 23: Haus auf Parsüla,
Triesenberg
ein komplexeres Inneres hindeutet (Abb. 25). Die
durchgezapften Binnenwände lassen auf vier front-
seitige Räume schliessen, vielleicht handelt es sich
hier um ein sog. Doppelhaus (z. B. Abb. 22, 10c).
Der Verfasser weist in diesem Zusammenhang
noch auf ein Detail hin, das die These der Herkunft
der Triesenberger Walser von der Davoser Gruppe
stützen könnte. Auf Abbildung 24 erkennt man ein-
deutig, dass vor allem die Davoser Walser und jene
im Madris - die die Fachwelt als ebenfalls aus dem
unteren Oberwallis stammend erwähnt - bei drei-
raumtiefen Bauten nur eine Feuerstelle haben. Auf
Abbildung 18 erkennt man, dass der Typus c4 ge-
nau auf das schon mehrfach erwähnte Haus Nr. 48
in Triesenberg passt (Abb. 36) und eigentlich sehr
ähnlich zum Typus I I a von Abbildung 22 ist. Da in
Triesenberg die Mehrheit der zweiraumtiefen Bau-
ten mit diesen zwei Typen übereinstimmen oder
ähnlich sind und nur eine Feuerstelle aufweisen,
unterstützt diese Feststellung im Zusammenhang
mit der Darstellung auf Abbildung 24 die erwähnte
Herkunftstheorie.
234
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
235
Abb. 26: Haus Nr. 5,
Üenaboda, Triesenberg
Abb. 27: Haus oberhalb
von Lavadina
BAULICHE M E R K M A L E
MATERIALISIERUNG
KONSTRUKTION UND
Sowohl die Walser als auch die romanischen Bevöl-
kerungsteile errichteten im Alpenraum Häuser aus
Holz in Blockbauweise.
Bei dieser Konstruktionsform liegen die Balken
horizontal und werden an den Enden überkreuzt.
Durch Einschnitte oben und unten etwa 30 cm vor
Balkenende entsteht eine feste Verbindung, die
noch durch Holzzapfen verstärkt wird, die in grös-
seren Abständen die aufeinanderliegenden Balken
verbinden. Die vorstehenden Balkenköpfe heissen
«Gwett». Um Spalten zwischen den Balken abzu-
dichten und besser zu isolieren, hat man die vier-
kantigen Balken an der Ober- und Unterseite leicht
ausgehöhlt und mit Moos gefüllt. Durch das Ge-
wicht der Balken werden diese «Miesscheita» zu-
sammengepresst und lassen keine Zugluft mehr
eindringen. In der Ostschweiz und in Liechten-
stein spricht man dabei von «gestrickten» Häusern,
wenn viereckige Kanthölzer verwendet werden, bei
Rundlingen spricht man von «aufgetrölten» Häu-
sern, da die Rundhölzer beim Bau über eine schie-
fe Ebene nach oben gerollt wurden. Solche aufge-
trölte Bauten finden wir in Triesenberg nur mehr
bei Wirtschaftsbauten wie Ställen oder Alphütten,
im Prättigau und Davos zum Beispiel existieren
heute noch solche Wohnbauten. Die aus der Wand
herausragenden Gwettköpfe werden oft mit senk-
rechten Brettern verkleidet, manchmal nur beim
Wohngeschoss (z. B. Haus Nr. 48).
236
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
Der gestrickte Blockbau steht meist auf einem l
gemauerten Keller, f rüher meist nur unter dem 0
Wohnraum, das heisst unter der vorderen Raum-
schicht, wodurch dieser bei Hanglage und Giebel-
stellung zum Hang ein bis zwei Meter aus dem
natürlichen Terrain herausragt und schlitzartige
Öffnungen zur Belichtung aufweist (Abb. 17, 26,
27, 31 und 33). Bei Bauten, wo die hintere Raum-
schicht tief in das gewachsenen Terrain hineinragt
(Hanglage) oder Bauten, die später verbessert oder
renoviert wurden, trifft man bei den zweiraumtie-
fen Typen oft eine ummauerte Küche an (Abb. 16).
Manchmal ist sogar die gesamte hintere Raum-
schicht im Erdgeschoss massiv ausgeführt. Auch zu
diesem Thema finden sich verschiedene Zwi-
schenstufen, vom reinem Holzblockbau auf gemau-
ertem Keller (Haus Nr. 5, Abb. 26), über eine
gemauerte Rückwand (Haus Nr. 19, Abb. 33) bis
zur komplett ummauerten hinteren Raumschicht
(Haus Nr. 48, Abb. 35). Das vollständig gemauerte
237
Erdgeschoss mit klassisch zweiraumtiefem Grund-
riss hat der Verfasser auf Triesenberg nicht gefun-
den, hingegen existieren solche Adaptionen eines
typischen Holzbaugrundrisses in Mauerausführung
in anderen liechtensteinischen Gemeinden, ver-
mutlich entstanden diese meist erst in diesem Jahr-
hundert.
Die Dächer, ursprünglich schwach geneigt, spä-
ter teilweise mittelsteil, waren früher immer als
Pfetten-Rafen-Dächer konstruiert. Die Pfetten, im
einfachsten Fall drei (eine Firstpfette, zwei Wand-
pfetten), häufig aber auch eine «grössere» Zahl,
stehen an den Giebelseiten weit über die Block-
wand hinaus und ermöglichen so einen grossen
Dachüberstand. Neben diesen Pfettendächern mit
Firstpfette, gibt es bei einigen Bauten walserischer
Herkunft solche, bei denen die beiden obersten
Zwischenpfetten relativ nahe zusammenrücken, so
dass keine Firstpfette vorhanden ist. Stets wurden
aber Rafen über die Pfetten gehängt, die am First
paarweise verbunden wurden. Auf ihnen lagen die
Dachlatten. Als Bedachungsmaterial wurden ur-
sprünglich grosse Holzschindeln mit einer Länge
von 50 bis 70 cm verwendet. Sie waren nur auf-
gelegt, Schwerhölzer und Steine sorgten dafür,
dass sie von den Sturmwinden nicht weggetragen
wurden (Abb. 29). Steilere Dächer, seit ungefähr
dem 18. Jahrhundert üblich, wurden mit Nagel-
schindeln gedeckt. Ab dieser Zeit fand das Ziegel-
dach immer grössere Verbreitung und herrscht
heute fast ausschliesslich vor. So wurde beim Bei-
spiel Haus Nr. 19 auf Üenaboda vermutlich am
Ende des 18. oder in der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts das flach geneigte Rafendach mit Brett-
schindeldeckung durch ein steiles Sparrendach
mit in barocker Art erhöhtem Dachgiebel und Zie-
geldeckung ersetzt.22 Dasselbe passierte mit dem
bereits erwähnten alten Bauernhaus Nr. 12 in
Schellenberg (Abb. 19 und 28 unten).2 3 Beim in
Abbildung 29 gezeigten Haus wurde inzwischen
ebenfalls das flache Schwardach durch ein neues,
steileres Ziegeldach ersetzt, dabei wurden die vor-
ragenden Wandpfetten abgesägt.
Wie bei den Häusern Nr. 165 und Nr. 19 (Abb.
29 und 34) sichtbar, wurden den Wohnbauten oft
seitlich Lauben und Wirtschaftsbauten angehängt.
Das Dach wurde dabei geschleppt. Diese Anbauten
dienten verschiedenen Zwecken, so waren sie ei-
nerseits Witterungsschutz, anderseits konnten sie
zusätzliche Nutzungen wie Schweine- oder Geflü-
gelhaltung oder ähnliches aufnehmen und bildeten
so die bereits erwähnte horizontale Erweiterung
bei steigendem Platzbedarf. Dieses seitliche Anfü-
gen beobachtet man im Talgrund weit seltener und
238
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
Abb. 31: Haus Nr. 48,
Müli/Litzi, Triesenberg
Abb. 32: Haus im Weiler
Fromahus, Triesenberg
kann es daher als ein Merkmal der Bauernhäuser
auf Triesenberg festhalten. Interessant ist hierzu
ein altes Haus im Weiler Fromahus (Abb. 32), bei
dem auf der Südseite eine Laube angebaut wurde.
Die Stellung der Fenster im Erdgeschoss zeigt, dass
hier überraschend die Stube im Nord- anstatt wie
sonst üblich im Südwesten liegt. Dies deutet darauf
hin, dass diese Laube schon seit Beginn dort ge-
legen haben könnte, denn der Hauseingang erfolgt
durch diese Laube. Dass diese seitliche Erweite-
rung vor allem durch topographische Umstände
(Hanglage) bedingt war, und man bei auf flachen
Terrassen stehenden Häusern auch im Triesenberg
die (meist wohl nachträgliche) Verlängerung nach
hinten beobachten kann (Abb. 17), wurde bereits
im Zusammenhang mit der Problematik der Fest-
stellung ob zwei- oder dreiraumtiefer Typus er-
wähnt.
Ein bauliches Merkmal, das man in den liech-
tensteinischen Talgemeinden selten findet, wohl
aber bei etlichen alten Bauernhäusern auf Triesen-
berg, sind die «gekuppelten» Fensterreihen. Als
Beispiele in Triesenberg dienen hier das Haus
Nr. 48 auf Müli/Litzi (Abb. 31), das Haus Nr. 19 auf
Üenaboda (Abb. 34) oder das Haus Nr. 165 auf
Lavadina (Abb. 29). Interessanterweise findet sich
diese Art von Kuppelung bei Stubenfenstern auch
in den graubündischen Walsergebieten nur verein-
zelt; wieso ein Haus nun die gekuppelten Fenster
22) Vgl . Albertin (1995), S. 4.
23) Albertin (1992), S. 64 u. 65.
239
oder aber die häufigeren zweiflügligen Einzelfen-
ster hat (Abb. 23, 26, 27 und 32), lässt sich nicht
schlüssig erklären. Vermutlich soll die Reichhaltig-
keit der Fassaden auch anzeigen, wie wohlhabend
der Erbauer zum Zeitpunkt der Erstellung ist.
Erwähnenswert ist schliesslich die Tatsache,
dass es in Triesenberg einige ältere Häuser gibt, die
als Teil der sogenannten Fahrhabe mit dem Besit-
zer den Standort gewechselt haben, wie auch das
erwähnte Haus Nr. 12 in Schellenberg ein solches
Beispiel ist.
Nachfolgend beschreibt der Verfasser die zwei
seines Erachtens wichtigsten Bauobjekte in Trie-
senberg. Im Fall von Haus Nr. 48 auf Müli/Litzi
stehen dazu auch Pläne zur Verfügung, im ersteren
Fall von Haus Nr. 19 auf Üenaboda eine bauge-
schichtliche Würdigung als Vorarbeit zur bereits
erwähnten laufenden wissenschaftlichen Untersu-
chung und Bauaufnahme. 2 4
BESCHREIBUNG ZWEIER HÄUSER
IN TRIESENBERG
HAUS NR. 19, GENANNT «HAGSTICKERS»,
ÜENABODA
Das Objekt hegt in der Flur Üenaboda-Hag, im heu-
tigen Ortskern der einstigen Streusiedlung. Der
Standort ist gekennzeichnet durch eine ausgepräg-
te Westhanglage, dadurch liegt das Kellergeschoss
talseits etwa zur oberen Hälfte frei, zur unteren
Hälfte im Erdreich.
Das Mehrzweck-Bauernhaus besteht aus einem
zweigeschossigen Wohnhaus für eine Familie, er-
stellt als Gwettkopf-Strickbau in Kanthölzern. Die
Binnenwände sind vollständig durchgezäpft. Der
Dachaufbau wurde bereits auf S. 238 behandelt, es
handelt sich um ein sogenanntes Rafendach, das
heisst eine Mischform zwischen Sparren- und Pfet-
tendach. Teile dieses Kernbaues datieren vermut-
lich ins 16. oder 17. Jahrhundert zurück.
Auf beiden Traufseiten befinden sich einge-
schossige Ökonomieanbauten unter dem abge-
schleppten Wohnhausdach. Der nördliche Anbau
mit darüberliegendem Dachraum wurde mutmass-
lich zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert erbaut
und diente erst als Scheune oder Werkstätte. Um
zirka 1900 wurde er teilweise zur Erweiterung der
Nebenstube genutzt, zu diesem Zweck wurde die
Strickwand herausgetrennt und der Raum mit teils
maschinengesägtem Holz in den Scheunenraum
erweitert. Der dahinterliegende Stall stammt aus
dem 19. Jahrhundert und kam eventuell an die
Stelle eines älteren Stalles zu stehen.
Auf der Südseite bildet eine angehängte Laube
einen eingeschossigen Eingangsraum mit darüber-
liegendem Dachraum. Von hier hat es einen Zu-
gang zur Küche im Kernbau und einen Zugang
zum dahinterliegenden Schweinestall. Die Laube
ist als Gerüstbau mit aussenseits angeschlagenem
Brettschirm mit Deckleisten vermutlich um 1900
entstanden. Der erwähnte Schweinestall bergseitig
der Laube ist ebenfalls als Gerüstbau mit an-
geschlagenem, jedoch stumpf gestossenen Brett-
240
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
Abb. 33: Haus Nr. 19,
Üenaboda, Triesenberg
Abb. 34: Grundrissschema
Haus Nr. 19, Üenaboda
schirm und bergseitiger Massivmauer um 1900
erstellt worden.
Zum Schutz der historischen, bergseitigen Ost-
fassade vor Schnee und Nässe ist dieser eine ver-
breiterte Fachwerkwand vorgestellt worden, je-
doch erst in der ersten Hälfte unseres Jahrhun-
derts. Der dadurch entstehende Leerraum ist nicht
erschlossen und ungenutzt.
Auf der Südfassade des Kernbaus ist über der
Strickwand ein naturfarbener Rundschindelschirm
mit Regenabwürfen über den Fenstern angeschla-
gen worden, vermutlich in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts, anlässlich der Erneuerung der
Stubenfenster. Die Gwettköpfe sind mit Brettern
verschalt.
Bei der Westfassade, die als talseitige Ansicht
die repräsentativste Fassade bietet, findet sich im
Erdgeschoss über der Strickwand gestemmtes Tä-
fer und Zugladenkästen in Biedermeierart. Die
Gwettköpfe wurden auch hier mit Brettern einge-
kleidet und die beiden äusseren mit Drahtstiften
angeheftet, der mittlere Brettschirm ist mit Schmie-
denägeln geheftet und endet oben in ein Herzblatt,
er stammt vermutlich aus dem Ende des 18. oder
Anfang des 19. Jahrhunderts.
Der Innenausbau des zweigeschossigen Kant-
holz-Strickbaus gotischer Art zeigt vielfältige Spu-
ren der vergangenen Jahrhunderte.
Der Wohnteil ist teilweise unterkellert, das Kel-
lergeschoss ist aus Rüfesteinen massiv gemauert
und durch eine südseitige Aussentür erschlossen.
J Hanglailinie
Leerraum
7ZZZZZZZZZZZZZZZZZZ.
Nebenstube Stube
Schweine-
stall
24} Vgl. Anmerkung 2.
241
Die Küche ist als roher Strickbau konstruiert
und vom Küchenrauch stark verpecht. Früher war
sie wohl bis zum First offen, die Decke wurde erst
sekundär eingezogen. An Stelle einer früheren Lei-
ter befindet sich heute eine Treppe ins Oberge-
schoss zu den Schlafräumen. Die offene Herdstelle
in der Küche ist wohl wegen des seit 30 Jahren
musealen Charakters des Gebäudes rekonstruiert
(Abb. 30), entspricht aber den gängigen Herdstel-
len solcher Bauten. Die primäre, heute verschlosse-
nene Türe zur Nebenkammer hat ein gotisches
Türgericht mit einem Türblatt in der Art der Spät-
gotik/Renaissance.
In der Stube finden sich Wände aus gestemm-
tem Täfer in Biedermeierart aus der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts. Die talseitigen Westfenster
sind als gekuppelte Reihenfenster für Butzenschei-
ben konstruiert. Die heutigen Sprossenfenster wur-
den wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts angeschlagen. Aussenseitig befindet sich
ein mit Holzdübeln gehefteter Zugladenkasten in
Biedermeierart. Das südseitige Sprossenfenster
stammt vermutlich ebenfalls aus der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts.
Auch die Nebenstube ist in Biedermeierart ge-
täfert, die Tür und das Fenster wurden wohl um
1900 erneuert, heute ist diese Kammer als Schlaf-
gemach eingerichtet.
Im Obergeschoss befindet sich über den beiden
Räumen des Erdgeschosses eine grosse Kammer,
genannt «Dili», die von der Stube aus beheizt wer-
den konnte.
Vom sogenannten «Brüggli», der Vorzone, führt
eine Leiter in die «Obrdili», den First-Dachraum,
wo unter anderem das im Herbst gesammelte Bett-
laub gelagert wurde, seitlich gelangt man in die
über den Anbauten gelegenen Dachräume, wovon
derjenige über der Laube wie jener unter dem First
mit einem Fenster versehen ist und wohl als Sticke-
reilokal diente.
Dank seiner Verwendung als Museum ist das
ganze Gebäude in gutem Zustand und wird gut un-
terhalten.
HAUS NR. 48, «BEI DER MULI», LITZI
Das zweite näher betrachtete Objekt liegt in der
Flur Müh im Ortsteil Litzi. Es wird auch als «Müli-
hus» bezeichnet, der Name und die Flurbezeich-
nung stammen von der nahegelegenen Mühle, mit
der das Objekt selbst aber nichts zu tun hat.
Wie beim Haus Nr. 19 handelt es sich auch beim
Standort von Haus Nr. 48 um einen steilen West-
hang, was für den Keller die gleichen Konsequen-
zen hat, nämlich ein Herausragen und einen direk-
ten seitlichen Zugang. Die Firstachse liegt auch
hier in der Hangfallinie.
Wie auf der Westfassade deutlich vermerkt, wur-
de das Haus 1801 von einem Johannes Schlegel,
Organist, als zweigeschossiges Wohnhaus erbaut.
Das Gebäude beruht auf der bereits ausführlich
dargelegten zweiraumtiefen Typologie, nach der zu
dieser Zeit im gesamten Rheintal gebaut wurde.
Auf dem aus Rüfesteinen massiv gemauerten
Kellergeschoss ruht der Gwettkopf-Strickbau in
Kanthölzern. Die Binnenwände sind durchgezäpft.
Im Gegensatz zum Haus Nr. 19 auf Üenaboda ist
die hintere Raumschicht im Erdgeschoss (Küche
und Vorhaus) massiv gemauert, bei der Südfassade
bilden die stehenden Türrahmen den Abschluss
des gemauerten Teiles. Das Obergeschoss ist voll-
ständig als Strickbau aus Kanthölzern ausgeführt.
Das Dach war vor der Renovation tiefer gelegen,
weist aber noch dasselbe Konstruktionsprinzip
eines Pfetten-Sparrendaches auf stehendem Stuhl
auf, die Pfetten sind erhalten geblieben, ebenso das
Giebelfeld mit der erwähnten Inschrift.
Unüblicherweise wurde bei diesem LIaus um die
Jahrhundertwende berg- und nicht traufseitig ein
Schopf angebaut, dies trotz der steilen Hangsitua-
tion. Die so ins Gebäudeinnere zu liegen gekomme-
ne Ostfassade ist heute noch mit Fenster erhalten
und ermöglicht es, den alten Baukörper abzulesen.
Da dieses Haus, das unter Denkmalschutz steht,
für Wohnzwecke 1981 renoviert wurde und dabei
nebst dem Ersetzen des morschen Stubenbodens
durch eine Beton/Holzkonstruktion auch die an-
deren Raumhöhen und -einteilungen inklusive Kel-
ler, Schopf und Treppen beträchtlich verändert
242
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
wurden, beschränkt sich der Verfasser auf eine
grobe Beschreibung der räumlichen Anordnung
des Zustandes des Erdgeschosses vor dem Umbau.
Eine ausführlichere Beschreibung findet sich in
einem Text von David Beck. 2 5
Bevor mit der Beschreibung der Raumorgani-
sation begonnen wird, sei noch einmal auf den in
Abbildung 18 c4 aufscheinenden eventuell typolo-
gischen Zusammenhang verwiesen. Haben wir hier
einen Haustypus, der aus der Reduzierung des,
beim dreiraumtiefen Grundriss so typischen, Zwi-
Abb. 35: Haus Nr. 48,
Müli/Litzi. Nordfassade
Abb. 36: Haus Nr. 48,
Müli/Litzi. Südfassade
Abb. 37: Haus Nr. 48,
Müli/Litzi. Grundriss EG
Massstab 1:130
25) Beck (1957), S. 51.
243
schenkorridors als trennende Schicht zwischen
Wohn- und Nutzräumen entstanden ist, oder einen
Typus, der aus der Erweiterung des klassischen,
gotischen und zweiraumtiefen Grundrisstypus ent-
stand? Vermutlich ist eher letzteres der Fall.
Man betritt dieses Haus durch den traufseitigen
Eingang an der Südfassade (Abb. 36) und gelangt
so in das bereits öfters erwähnte Vorhaus. Von hier
führt eine zweiläufige Treppe auf das sogenannte
Brüggli, den oberen Verteilraum. Durch zwei Wän-
de abgetrennt, gelangt man durch eine Türe in
einen Raum, in dem die in den Keller führende
einläufige Treppe beginnt. Ob dieser Raum als
Abstellraum (quasi Garderobe) oder Vorratsraum
(entsprechend dem erwähnten Grundrisstypus)
diente, ist nicht klar. Vom Vorhaus führt eine Türe
in die grosse Stube, von dort weiter eine Türe in die
Nebenkammer. Geradeaus gelangt man vom Vor-
haus in die Küche, die wieder eine Verbindung in
die Nebenkammer hat.
Bei den Fassaden sind sowohl die Süd- als auch
die Westseite im Erdgeschoss mit vertikalen Bret-
tern verkleidet. Die Nordseite (Abb. 35) ist als Wet-
terseite bei der vorderen Raumschicht sogar bis an
die Traufkante verkleidet. Die Gwettköpfe sind im
Gegensatz zu Haus Nr. 19 nur im Erdgeschoss mit
einem Bretterschirm verkleidet.
LANDWIRTSCHAFTLICHE NUTZRAUTEN
GRUNDSÄTZLICHES
In den folgenden Punkten wird kurz auf die Eigen-
heiten der landwirtschaftlichen Nutzbauten der
Walser von Triesenberg eingegangen. Auf ausführ-
liche Analysen und Herstellen von grösseren Zu-
sammenhängen mit anderen Walsergebieten wird
hier verzichtet, da dieses immense Gebiet hier
nicht mit genügender Gründlichkeit abgedeckt
werden könnte.
Gerade bei den Waisern von Triesenberg haben
die landwirtschaftlichen Nutzbauten bis zum Be-
deutungsverlust der Landwirtschaft in den letzten
Jahrzehnten eine besondere Bedeutung, da sie im
Gegensatz zu den Talbewohnern als Bergbauern
ein komplexeres System von Viehwirtschaft zu be-
wältigen hatten. So existiert in Triesenberg eine
bedeutend grössere Anzahl von verschiedenen
Nutzbautypen als in den Talgemeinden. In die
Nähe kommen vielleicht noch jene Talbauern, die
im Ruggeller Riet Torf abbauten und zu diesem
Zweck spezielle Hütten errichteten.
Die Vielfältigkeit der landwirtschaftlichen Nutz-
bauten in Triesenberg wird noch verstärkt durch
die alte Walsertradition, den Stall abseits vom Haus
zu errichten. Es wird oft behauptet, dies hätte mit
der Angst vor komplettem Verlust aller Habe bei ei-
nem Brandfall zu tun. Diese Erklärung lässt sich
wissenschaftlich nicht erhärten, viel wahrscheinli-
cher hat diese Bautradition mit den bereits ein
paar mal erwähnten Problemen des Bauens am
Hang zu tun. Es ist aber nur natürlich, dass daraus
nach längerer Zeit eine Tradition geworden ist, die
unter anderem auch mit der Brandfallabsicherung
erklärt wird.
Auf jeden Fall findet man auch in Triesenberg
immer mehr Stallbauten, die von Beginn an oder
nachträglich an die Bauernwohnhäuser angebaut
wurden, so zum Beispiel auch der Fall beim be-
schriebenen Haus Nr. 48 auf Müli/Litzi.
244
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
DER STALL
Der zum Heimgut gehörige Stall stand wie erwähnt
noch im letzten Jahrhundert immer in einiger Ent-
fernung zum Haus.
Neben diesem Heimstall besitzen die alten Trie-
senberger Bauern noch viele Stallgüter, in einzel-
nen Fällen bis zu zehn Stück und mehr. Ein solches
Stallgut liefert ungefähr für durchschnittlich einen
Monat Futter, so dass die Bergbauern, wie auf
S. 222 bereits ausführlich geschildert, ähnlich den
Nomaden mit ihrer Viehhabe von einem Stallgut
zum andern ziehen mussten.
Die Ställe auf dem Gemeindegebiet von Triesen-
berg hatten alle in etwa dieselbe Bauart (Abb. 39).
Auf einem Steinfundament ruht der Blockbau, im
unteren Teil aus behauenen Balken dichtgefügt, im
oberen Teil oft aus Rundholz aufgetrölt. Dieser Teil,
der eigentliche Heustall, ist im Gegensatz zum un-
teren Teil nicht dicht gefügt, damit die Luft durch-
streichen kann und das Heu gut austrocknet.
Auch bei den Ställen ist wie bei den Wohnbauten
der First in der Regel gegen das Tal gerichtet.Von
der Talseite aus geht eine Tür in den Viehstall. Die-
se Türe ist gewöhnlich zweiteilig. Der obere Teil
dient der Lüftung und wird nur dann geschlossen,
wenn die Tiere sonst zu kalt hätten. An der Aussen-
wand rechts oder links ist der Milchbank zum Ab-
stellen der Milchtanse, dem sogenannten «Chübel».
Das Innere des Viehstalls ist in zwei Hälften
geteilt, rechts sind meistens die Kühe, links meist
das sogenannte Galt- und Kleinvieh. Die Krippe in
einem Walser Stall heisst «Barma», das Heu wird
von der «Rüschla» entnommen und in der Krippe
verteilt (Abb. 38). Die Rüschla ist eine im gesamten
Walsergebiet mit wenigen Ausnahmen vorkom-
mende Einrichtung und bildet im ganzen Walser-
gebiet ein gutes Unterscheidungsmerkmal eines
Walserstalles von einem Stall anderer Bevölke-
rungsteile. In die Rüschla wird das Heu vom über
dem Viehstall liegenden Heustall durch das soge-
nannte «Rüschlaloch» geworfen.
Hinter dem Stallteil ist das etwas höher gelegene
«Tend» gelegen, geöffnet wird dieses durch das
traufseitige, zweiflüglige Tendtor. Dieses Tor hat
Abb. 38: Inneres eines
Stalles mit den sogenann-
ten «Rüschla»
Abb. 39: Unter Denkmal-
schutz stehender Stall auf
Hinder-Prufatscheng,
Triesenberg
245
eine sehr grosse Höhe, damit der Bauer mit dem
Heuhaufen auf dem Rücken oder einem Karren gut
hineinkommt und so das Heu direkt in den Heustall
hinauf befördert werden kann. Auf der hinteren
Firstseite war früher oft ein Verschlag, den die
Walser «Hinderlegi» nannten. Dort wurde das vor-
her auf der vorderen Firstseite getrocknete Korn
und Stroh aufbewahrt, im Tend wurde auf breiten
Planken das Korn gedroschen. Mit dem Verschwin-
den des Getreideanbaus wurde der sogenannte
«Hist», an dem das Getreide zum Trocknen hing,
umfunktioniert als Aufhängevorrichtung für die
erst spät eingeführten Heinzen, die nicht typisch
walserisch sind.
So sieht man heute noch öfters an den Giebelsei-
ten von alten Ställen die vielen Heinzen an einer
Latte hängen, die eigentlich nicht für diesen Zweck
Abb. 40: Stall im Weiler
Lavadina, Triesenberg
konstruiert war. Durch das Verschwinden des Ge-
treides und dem damit nicht mehr benötigeten Hin-
derlegi und Tend wurde meist der Heustall nach
hinten verlängert, unten gewann man dadurch
einen zusätzlichen Raum.
Die heute noch auf ganz Triesenberg verbreite-
ten Ställe (Abb. 40) sind einfacherer Bauart, als der
eben beschriebene, von dem es nur noch wenige
Exemplare gibt. Die vertikale Aufteilung in Heu-
und Viehstall ist immer noch identisch, ebenso
noch häufig zu sehen ist die Konstruktion mit
Rundhölzern, das Innere des Viehstalles ist bei
einfacheren Ställen gleich organisiert wie bei den
aufwendigeren.
MAIENSÄSS- UND ALPHÜTTEN
Es wurde bereits auf S. 223 erläutert, was es mit
den Triesenberger Maiensässen Gross- und Klein-
steg sowie Silum auf sich hat. Auch auf das Thema
der Einzelsennerei sind wir bereits eingegangen.
Für diese Form der Milchbewirtschaftung brauchte
der Bauer einen Sennraum und einen Stall. Es ist
daher naheliegend, dass in den Triesenberger Mai-
ensässen Sennraum und Stall immer unter einem
Dach zusammengeführt waren.
Mit der bereits erwähnten Aufgabe der Einzel-
sennerei und der Verlagerung der Nutzung der
Bergwelt als Erholungsraum wurden - wie bereits
auf S. 225 f. ausgeführt - viele der alten landwirt-
schaftlichen Bauten entweder abgebrochen oder
direkt umgebaut, meist in Ferienhäuschen. So fin-
det sich um 1950 im Gross-Steg gerade noch ein
unverfälschtes Maiensässhüttchen (Abb. 41), in
Malbun schon gar keine mehr, das in Abbildung 42
gezeigte existiert schon längere Zeit nicht mehr in
dieser Form.
Auf der Traufseite der Steger Hütte liegt neben
dem Eingang in den Stallbereich der Schopf und
auf der anderen Seite der Eingang in die Hütte, wo
der Senn mit einfachen Mitteln lebte, Käse herstell-
te und sonstige Arbeiten verrichtete. Eine einfache
Feuerstelle diente dem Kochen und Heizen. Im hin-
teren Teil war ein kleiner Milchkeller, davor ging
246
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
ALpHCine im C;ROSST€C,
ZÜ HAÜS NR.97 VON TRiGSGNB&RC,
1 , 1 , 1 , 1 A C J f N A H f n e • ÖAVIÖ B6CK
o 1 i 3m€TCR /\üsp.:jo56f ppommeiT
eine Leiter in den darüberliegenden Schlafraum,
von dem man durch das Rüschlaloch in den mit
dem Viehstall verbundenen Heustall gelangen
konnte. Die Malbuner Alphütten waren bis zur
Jahrhundertwende alle von der gleichen Art. Auf
der talseitigen Firstseite waren nebst dem Schopf
auch die Eingänge in den Viehstall und den Senn-
raum. Der Bereich des Sennen ist hier differen-
zierter ausgestaltet, es hat einen küchenähnlichen
Raum, den man direkt vom Schopf aus betritt, und
dahinter eine Art Stube. Hier erkennt man wieder
wie bei den Wohnhäusern die Doppelfunktion der
Feuerstelle als Koch- und Heizgelegenheit für zwei
ALpHÜTTG im m/U-BüN, nxiSBÜCHei.
o ' i ' z 5tn€T6R AtJCNAume: Aö. HILÖ
Aüsp.-joset" ppommeLT
Abb. 41: Alphütte im Abb. 42: Alphütte in
Grossteg Malbun
247
Räume gleichzeitig. Unter dem Stubenbereich liegt
der Milchkeller, nur zur halben Höhe eingetieft, so
hat es von der Küche in die Stube einige Stufen.
Dieser Hüttentypus kam früher auch auf Silum
und Steg vor, dort verschwand er aber noch noch
früher als im Malbun.
In den zu Ferienhäuschen umgebauten alten
Hütten im Malbun erinnert nur noch wenig an die
ursprüngliche Baustruktur.
Abb. 43: Magerheu-Hütten
auf Matu, Triesenberg
HEUHÜTTEN
Auf Abbildung 43 sind sogenannte Magerheuhüt-
ten zu sehen, deren Heu der Bauer per Schlitten in
das gerade benützte Stallgut oder Heimgut bringen
konnte. In diesen oft winzigen Hüttchen hatte der
Bergbauer einen Vorrat an Heu angelegt, den er als
Reserve einsetzen konnte.
Da eine Umnutzung dieser abgelegenen Hütten
zu anderen Zwecken nicht möglich ist, findet man
noch heute in der Nähe des Kulmgrates (unter an-
derem auf der Flur Matu) einige dieser typischen
Bergbauernbauten.
Bei einem Vergleich von freistehenden Speicher-
bauten lassen sich ausserdem vielfache Ähnlichkei-
ten der Walser Speicher von Triesenberg mit denen
der Region Graubünden feststellen.
Mit der Aufgabe der Einzelsennerei und der Ein-
führung der genossenschaftlichen Sennerei ent-
standen in unserem Jahrhundert neue grössere
Alphütten, die aber mit Walserbautradition nichts
mehr gemein haben und deshalb hier auch nicht
erwähnt werden.
248
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
ÖFFENTLICHE B A U T E N
Der Ordnung halber wird hier noch kurz auf die
öffentlichen Bauten Triesenbergs eingegangen. Be-
reits auf S. 221 wurde bei der Behandlung der
ersten Ansiedlung das Kirchlein von Masescha er-
wähnt (Abb. 10). Dieses ist somit das erste von den
Waisern in Triesenberg errichtete Gebäude öffentli-
chen Charakters.
Auch hier stellt man bei Konsultation der Fach-
literatur wieder einen Hinweis auf die Abstam-
mung der Triesenberger Walser fest. Das Kirchlein
von Masescha ist eine Chorturmanlage, wie sie
auch bei den Davoser Waisern für kleine Kirchen
typisch ist. 2 6
Die zwei anderen Kapellen auf dem Gebiet von
Triesenberg entstanden wesentlich später und sind
nicht typisch für einen bestimmten Baustil. Im Steg
entstand 1817 aus einem Bildstock eine Kapelle,
die 1834 erweitert wurde und dem Bauernheiligen
Wendelin geweiht ist. In Malbun entstand 1950/51
aus Dankbarkeit über die Verschonung vor dem
Zweiten Weltkrieg die Friedenskapelle, entworfen
vom Maler und Architekten Johannes Hugentobler
aus Appenzell.
Auch die beiden bereits erwähnten Pfarrkirchen
haben mit dem gewählten Thema der Walserbau-
ten nichts zu tun und werden deshalb nicht näher
erläutert.
Das alte Pfarrhaus bildet heute das Rathaus, es
steht direkt neben der Pfarrkirche. Auch die Schul-
bauten bilden in Triesenberg wohl kein ausgespro-
chen walsertypisches Bauvermächtnis. Die ersten
Schulbauten dürften aber aus der Hand von Trie-
senberger Handwerkern stammen. Beim auf Ab-
bildung 44 gezeigten zweiten Schulhaus von 1846
erkennt man deutlich den aus Holz gebauten Schul-
glockenturm, der frei vor dem Gebäude steht und
früher eine normale Einrichtung für ein Schulhaus
war.
In den letzten Jahrzehnten ist Triesenberg - wie
bereits erwähnt - zu einer grossen Gemeinde mit
vielen verschiedenen Aufgaben und Funktionen
geworden. So sind aus dieser Entwicklung in unse-
rem Jahrhundert eine Reihe öffentlicher Bauten
hervorgegangen. Erwähnenswert sind hier unter
anderem die grosse Sportanlage Leitawis unter-
halb von Litzi, das vor kurzer Zeit fertiggestellte
neuste Schulhaus auf Obergufer, das wohl als er-
ster wirklich der Moderne verpflichteter Bau Trie-
senbergs bezeichnet werden kann, oder das etwas
ältere Gemeindezentrum, das einen grossen Saal,
das zweite, modernere Heimatmuseum, die Post
und Gaststätten beinhaltet.
26) Vgl . Poeschel (1950).
Abb. 44: Zweites Schul-
haus, 1846
249
LITERATUR-
VERZEICHNIS
Albertin (1992)
Albertin, Peter: Bauge-
schichtliches zum Haus
Nr. 12 in Schellenberg,
Haus Biedermann. In:
JBL91 (1992), S. 51-84.
Albertin (1995)
Aibertin, Peter: Denkmal-
schutzkommission der
Fürstlichen Regierung:
Triesenberg. Haus Nr. 19.
Baugeschichtliche Würdi-
gung, 1995.
Bandli (1969)
Bandli, Hans: Hausbau.
In: Terra Grischuna 28,
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BILDNACHWEIS
Liechtensteinisches
Landearchiv, Vaduz:
Abb. 1, 2, 4, 7
Thomas Zwiefelhofer,
Schellenberg:
Abb. 3, 9, 10, 11, 12, 16,
17, 23, 25, 26, 27, 31, 32,
38, 39, 40
Bucher (1992), S. 12:
Abb. 5, verändert
Simonett (1965):
Abb. 18, 22
Simonett (1968):
Abb. 6, 24
Josef Eberle, Triesenberg:
Abb. 8, 33
Gemeinde Triesenberg
(1987):
Abb. 13, 14
Gschwend (1977):
Abb. 15, 20, 21
Albertin (1992), S. 56:
Abb. 19, 28 unten
Luger, Ritsch (o. J.), S. 25:
Abb. 28 oben, links und
rechts
Beck (1957), S. 49 f.:
Abb. 29, 37, 41, 42
Walter Wächter, Schaan:
Abb.30
Albertin (1995), S. 10:
Abb. 34
Mario Broggi, Triesen:
Abb.43
Gemeindearchiv Triesen-
berg:
Abb. 44
250
SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN-
STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER
KARTENVERZEICHNIS
Karte 1: Gezeichnet vom
Verfasser anhand der
Karte «Gemeindewald
Triesenberg. 1892» (LLA)
und landestopographi-
schen Karten (Höhenkur-
ven).
Karte 2: Gezeichnet vom
Verfasser anhand der
landestopographischen
Karte von 1943.
Karte 3: Gezeichnet vom
Verfasser anhand der
landestopographischen
Karte von 1988.
ANSCHRIFT DES AUTORS
Dipl. Arch. ETH
Thomas Zwiefelhofer
Platte 138
FL-9488 Schellenberg
«... PFLANZT
GÄRTEN A N UND ESST
IHRE FRUCHT ...»
MITTELALTERLICHE BIRNENFUNDE AUS DER
«UNTEREN BURG» IN SCHELLENBERG
ULRIKE MAYR
WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT:
MARLU KÜHN
«... pflanzt Gärten an und
esst ihre Frucht
254
Abb. 1: Wildbirnenbaum
aus Südeuropa
«... PFLANZT GÄRTEN AN UND ESST IHRE FRUCHT ...»
ULRIKE MAYR
DIE HERREN VON SCHELLENBERG
Die untere Burgruine in Schellenberg liegt auf einer
Hügelkuppe in 595 m. ü. M . direkt am westlichen
Steilabhang des Eschnerberges gegen das Rheintal.
Heute sind noch die unteren Mauerpartien des
Bergfrieds, der Ringmauer mit den daran angebau-
ten Räumen und das westlich davon gelegene Vor-
werk im Gelände erkennbar. Im Zuge der letzten
Renovierungsarbeiten ist in der Südecke der
Anlage, wo während der Grabung eine Ofenstelle
nachgewiesen werden konnte, ein Backofen nach-
gebaut worden.
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts scheint der
Name der LIerren von Schellenberg das erste Mal
in Urkunden unserer Gegend auf.2 Das Geschlecht
dürfte während der Stauferzeit (1138-1268) zur
Sicherung der Alpenroute durch das Rheintal aus
Oberbayern auf den Eschnerberg versetzt worden
sein. Es hat den beiden Burgen auf dem Eschner-
berg ihren Namen gegeben.
Das älteste Gebäude im Bereich der «Unteren
Burg» wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts
errichtet. 1317 verkaufte Marquard von Schellen-
berg seinen Besitz am Eschnerberg an die Grafen
von Werdenberg-Heiligenberg. Mit dem Verkauf des
Patronatsrechtes der Kirche in Mauren an den
Ammann zu Feldkirch 3 im Jahre 1318 verschwindet
der Name der Herren von Schellenberg aus den
hiesigen Urkunden und taucht dafür vermehrt in
Urkunden im vorarlbergischen und schwäbisch-
bayrischen Raum auf.
Die erste urkundliche Nennung der «Unteren
Burg» geht in das Jahr 1364 zurück. 4 Im 14. Jahr-
hundert erfolgte wahrscheinlich unter den Meiern
von Altstätten, Vögte der Grafen von Werdenberg-
Heiligenberg auf Schellenberg, der Aus- und Umbau
der Burganlage. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts
befand sich die Burg im Besitz der Grafen von Mont-
fort-Tettnang.5 Während der Grabung Hessen sich
keine Indizien dafür erbringen, dass im Appenzeller
Krieg von 1405 diese Burg gebrandschatzt wurde,
wie es etwa Peter Kaiser in seiner «Geschichte des
Fürstenthums Liechtenstein» von 1847 berichtet.6
1434 fällte Kaiser Sigismund nach Familienstreitig-
keiten den Schiedsspruch, dass die Herrschaft
Schellenberg in den Besitz des Freiherrn Wolfhart I.
von Brandis übergehen solle. Die «Untere Burg»
dürfte nach den Funden bis ins 15. Jahrhundert
bewohnt gewesen sein.7 Zu Beginn des 16. Jahr-
hunderts gelangte die Herrschaft Schellenberg in
den Besitz der Grafen von Sulz, die sie 1613 an die
Grafen von Hohenems verkauften. Um 1616 werden
beide Schellenberger Burgen in der Emser Chronik
als «zerbrochen» 8 bezeichnet.
1699 legte der Erwerb der Herrschaft Schellen-
berg durch die Fürsten von Liechtenstein den
Grundstein für den heutigen Staat Liechtenstein.
1956 übergab Fürst Franz Josef die beiden Ruinen
als Schenkung dem Historischen Verein für das Für-
stentum Liechtenstein.
1) Jeremia 29,5.
2) Das erste Mal wird um zirka 1200 ein Albertus ä Scellenberch im
Verzeichnis des Klosters Pfäfers e rwähn t - LUB 1/1, S. 66; 1220 sind
als Domherren in Chur ein Heinrich und ein Konrad von Schellen-
berg genannt - LUB 1/1. S. 82.
3) Durch Heinrich von Schellenberg - LUB 1/3, S. 40.
4) LUB 1/1, S. 245 «Vnd ward dirr brief ze der Nüwen Schellenberg
gegeben». - In der Urkunde vermacht Walther, Meier von Altstetten,
seine Leibeigene Annen Rütner inen dem Kapitel St. Luzi in Chur.
5) Graf Albrecht von Werdenberg-Bludenz verkaufte am 31. Oktober
1412 die beiden Burgen Alt- und Neuschellenberg mit den dazu-
gehörigen Leuten, Gütern und Rechten an den Grafen Wilhelm von
Montfort-Tettnang. Vgl. LUB 1/3. S. 111-117.
6) Peter Kaiser, S. 244.
7) So befinden sich unter den Funden zwei Münzen, die in die
1. Hälfte des 15. Jh. datieren - ein Pfennig der Stadt Ravensburg
(1. Viertel 15. Jh., Archäologie FL, Inv. Nr. K 0816/0002) und ein
Pfennig Jakobs L, Markgraf von Baden (1431-1453. Archäologie FL,
Inv. Nr. K 0816/0003) - siehe: Zach (1994), S. 236.
8) Emser Chronik, S. 67.
255
FORSCHUNGSGESCHICHTE
In den Jahren 1930 und 1931 wurde 500 Meter von
der Ruine entfernt ein Münzschatz entdeckt,9 des-
sen Münzen hauptsächlich ins 14. und ins 15. Jahr-
hundert datieren und vielleicht mit der Hauptbele-
gungszeit der Burg in Zusammenhang stehen. Die
jüngste Münze, ein Sigismundkreuzer - geprägt um
1470 1 0 - legt die Verbergung der Münzen in dieser
Zeit nahe.11
Durch zahlreiche Einzelfunde, deren älteste
Stücke dem jüngeren Neolithikum (Ende 5./4. Jahr-
tausend v. Chr.) zugeordnet werden können, wurde
David Beck auf die Fundstelle aufmerksam. Er ver-
suchte 1954 mittels einiger Sondierschnitte die
urgeschichtliche Besiedlung des Platzes zu ergrün-
den. 1 2 Doch die mittelalterliche Überbauung hatte
die prähistorischen Schichten derart gestört, dass
keinerlei Siedlungsstrukturen mehr vorhanden
waren. Nur neolithische und bronzezeitliche Kera-
mikfragmente sowie Steinartefakte wiesen auf die
Anwesenheit von urgeschichtlichen Menschen auf
der Hügelkuppe hin.
Die Burganlage wurde in den Jahren 1978 bis
1980 in mehreren Grabungsetappen untersucht.
Mit den Ausgrabungen war Jakob Bill im Auftrag
des Historischen Vereins für das Fürstentum Liech-
tenstein betraut.13
Während sich überraschende Resultate in Hin-
blick auf die Anfänge der mittelalterlichen Bauten
ergaben, konnten in Bezug auf die urgeschichtliche
Besiedlung keine neuen Erkenntnisse erbracht wer-
den. Bei einer ersten Sichtung des Fundmaterials
während der Ausgrabungen stellte sich heraus,
dass die bisherige Bezeichnung «Alt-Schellenberg»
irreführend war. Die Funde sprachen für eine spä-
tere Entstehungszeit der «Unteren Burg» als bisher
angenommen. Im Gegensatz dazu handelt es sich
bei der in Luftlinie zirka 900 Meter entfernten «Neu-
Schellenberg», der zweiten Burgruine auf Schellen-
berger Gemeindegebiet, aufgrund ihrer Funde ein-
deutig um die ältere Anlage. Die Namensverwechs-
lung zwischen «Alt»- und «Neu-Schellenberg» muss
erst im Laufe des 18. Jahrhunderts geschehen sein.
In der Heber-Karte von 1721 wurden noch die rich-
tigen Bezeichnungen «das fordere alte Schlos» für
die «Obere Burg» und das «Hindere Schlos» für die
«Untere Burg» verwendet.14 Aufgrund der neuen
Erkenntnisse wurden vom Ausgräber die neutralen
Bezeichnungen «Untere Burg» und «Obere Burg»
eingeführt.
Einen Hauptanteil der mittelalterlichen Funde
aus der jüngeren Grabung stellten die verschiede-
nen Ofenkacheln dar. Zu den ältesten Stücken
gehören unglasierte Becherkacheln. Sie datieren in
die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts und wurden nur
im Bereich des frühesten Gebäudes im Innenhof der
Burganlage entdeckt. Aus der Zeit des Ausbaues im
14. Jahrhundert stammen grün glasierte Napfka-
cheln und Kranzkacheln mit Kopfaufsatz.
Des Weiteren kamen fünf Münzen, Zierbleche,
Nägel, Gürtelschnallen, Spielzeugfiguren, Gebrauchs-
keramik, zahlreiche Glasbecherfragmente, Schlüs-
sel, Türangeln und -bänder, Waffen in Form von
Armbrustbolzen, Pfeileisen und Lanzenspitzen, ei-
nige Messer, ein Dolchfragment, Sporen und Huf-
eisen sowie Tierknochen und Überreste von Birnen
zum Vorschein. Alle Funde datieren vom 13. bis
zum 15. Jahrhundert.
Die Tierknochen wurden von Robert Mittelham-
mer im Rahmen einer Dissertation an der Univer-
sität München bearbeitet. Seine Interpretation der
Zusammensetzung der Knochenfunde lässt auch
interessante Schlüsse auf die Birnenfunde zu. Dem-
nach scheinen die Bewohner der «Unteren Burg»
«weitgehend von Abgaben, beziehungsweise Liefe-
rungen aus der bäuerlichen Umgebung gelebt zu
haben, während die Bewohner der <Oberen Burg>
von einem in der Nähe liegenden Bauernhof belie-
fert worden sind». 1 5
256
«... PFLANZT GÄRTEN AN UND ESST IHRE FRUCHT
ULRIKE MAYR
.»
DIE BIRNEN
Die verkohlten Birnen wurden während der ersten
von Jakob Bill geleiteten Grabungskampagne am
30. Mai und am 6. Juni 1978 im Innenhof der «Unte-
ren Burg» in Schellenberg nahe der südöstlichen
Ringmauer entdeckt (Abb. 2). Ein Teil der Birnen
(Probe Inv. Nr. R 0816/0007) lag im Bereich einer
«Herdstelle», der andere (Probe Inv. Nr. R 0816/
0008) nur wenig davon entfernt zwischen zwei auf-
recht stehenden Steinen. Aufgrund der Fundum-
stände lassen sich die Birnen nach dem bisherigen
Erkenntnisstand ins 13. oder ins 14. Jahrhundert
9) Kittelberger(1931).
10) Freundliche Mitteilung von Daniel Schmutz.
11) Zach (1994), S. 234.
12) Beck (1954), S. 101-105.
13) Marxer (1978), S. 274 f.; Marxer (1979), S. 228 f.; Marxer
(1980), S. 310 f.; Bil l (1979), S. 10 f.; Bil l (1985), S. 22-33.
14) Das Original der Herber-Karte befindet sich im Besitz des
Fürs ten von und zu Liechtenstein auf Schloss Vaduz. Bis zur Berich-
tigung durch die Grabungsergebnisse von 1978-80 wurde diese
Bezeichnungen von den Historikern als Phantasieprodukt abgetan -
siehe dazu z. B. Ulmer (1925), S. 942.
15) Mittelhammer (1982), S. 148.
Abb. 2: Vereinfachter
Grundriss der «Unteren
Burg». Fundstellen der
Birnen in der Nähe der
Küche mit Punkten mar-
kiert. Hellgrau in der Mitte
der Burganlage das älteste
Gebäude um 1250, dunkle
Rasterung Turmbau um
1350, mittelgraue Raste-
rung Bauphase um 1380,
helle Rasterung Umbauten
um 1400
257
Abb. 3: Samen und
Samenfragmente von
Wild- und Kulturbirnen
(Inv. Nr. R 0816/0007)
Abb. 4: Fruchtinneres mit
Kerngehäuse und Kernen
(Inv. Nr. R 0816/0008)
V
datieren. Die botanische Bestimmung erfolgte durch
Marlu Kühn, Archäobotanisches Institut der Uni-
versität Basel.
Die Dokumentation über die Fundsituation ist lei-
der mangelhaft. Daher können keine Angaben über
die genaue Fundlage der Früchte gemacht werden.
Südwestlich der Fundstelle der Birnen befand sich
der Küchenbereich der Burganlage. Möglicherweise
waren die Birnen in der Nähe der Küche aufbewahrt
worden.
258
«... PFLANZT GÄRTEN A N UND ESST IHRE FRUCHT ...»
ULRIKE MAYR
BOTANISCHE BESTIMMUNGEN DER
BIRNENFUNDE
MARLU KÜHN
Bei den verkohlten Pflanzenresten handelt es sich
um ganze Früchte und Fruchtfragmente von Wild-
oder Kulturbirnen (Pyrus pyraster Burgsd. oder
Pyrus communis L.). Ausschlaggebend für diese
Bestimmung sind die mehr oder weniger deutliche
«Birnenform» sowie der flache Boden des Kelchan-
satzes am oberen Ende der Frucht. Der Kelchansatz
der Birne ist stärker verholzt als jener des Apfels
und erhält sich aus diesem Grund besser. Da sich die
Grösse der gefundenen Birnen nicht markant von
derjenigen heutiger Wildbirnen unterscheidet, lässt
sich nicht eindeutig festlegen, ob es sich bei den
Funden um Früchte von kultivierten oder wilden
Bäumen handelt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit
sind die Birnen von der «Unteren Burg» als kleine
Früchte einer Kulturbirne anzusprechen. 1 6
In Probe Inv. Nr. R 0816/0007 befinden sich 15
ganze Früchte, 30 Bruchstücke, 37 kleine Frucht-
fleisch-Fragmente sowie zwölf Samen. Neun Birnen
sind so gut erhalten, dass sie vermessen werden
konnten (Breite und Länge in cm). Probe Inv. Nr. R
0816/0008 enthält 16 ganze Exemplare, 48 Bruch-
stücke, 55 Fruchtfleisch-Fragmente, 15 Samen und
ein Bruchstück eines Fruchtstieles. Es konnten 14
16) Alle vorhandenen Messwerte der Birnenfrüchte lassen sich
beiliegender Tabelle entnehmen.
Messwerte in cm: Minimum (Durchschnitt) Maximum
Zustand Breite Anzahl
23 Schellenberg «Untere
Burg», FL
Oberwinterthur
Mörsburgstr. 23, ZH
Balzers Amtshaus, FL
Balzers Fürstenstrasse,
FL
Rezente Früchte
verkohlt 1.86 (2.269)
2.7
verkohlt 1.325 (1.809)
2.65
verkohlt
verkohlt
1.4 (1.575)
1.8
1.5
unverkohlt 1.77 (2.181)
2.48
Länge* Anzahl Bearbeiterin
1.8 (2.248)
2.74
1.31 (1.803)
2.34
1.25 (1.387)
1.5
20 1.57(1.903)
2.33
23 Kühn, Labor für
Archäobotanik, Basel
9 Kühn & Akeret,
Labor für Archäo-
botanik, Basel
4 Petrucci-Bavaud,
Labor für Archäo-
botanik, Basel
? Laboratoire Romand
de Dendrochronologie,
Moudon
20
* mit «Länge» ist die Messstrecke zwischen Stielansatz an der Frucht und dem Kelch bezeichnet
Birnenfunde (Pyrus pyra-
ster/communis) aus dem
Fürstentum Liechtenstein
und der Schweiz.
Vergleichende Tabelle
259
Stücke vermessen werden. Die Früchte sind im Ver-
gleich zu ebenfalls verkohlten Birnen von der mit-
telalterlichen Fundstelle «Mörsburgstrasse 23», 1 7
Oberwinterthur, und von der römischen Fundstelle
«Fürstenstrasse/Areal Amtshaus» 1 8 , Balzers, grös-
ser (vgl. Tabelle auf S. 259).
Bei den oben angeführten Funden handelt es sich
bisher um die einzigen Nachweise von ganzen Bir-
nen aus dem Fürstentum Liechtenstein und aus der
Schweiz seit der Römerzeit. Die seltenen Funde von
Birnen stehen im Gegensatz zur häufigen Erwäh-
nung sowohl wilder als auch kultivierter Birnbäume
in mittelalterlichen Quellen (Zeugenaussagen in
Gerichtsfällen, Güterbeschreibungen, Zinsverzeich-
nisse).19 Wahrscheinlich handelt es sich dabei um
eine Forschungslücke. Erschwerend kommt hinzu,
dass die Samen der Birnen nur in gutem Erhal-
tungszustand von denjenigen der Äpfel unterschie-
den werden können. Nicht eindeutig bestimmbare
Samen müssen häufig als Gruppe Apfel/Birne
{Malus/Pyrus) behandelt werden. Im Gegensatz zu
Nachweisen von Birnensamen, bei denen es sich um
Einzelstücke handelt, kommen Apfelsamen in mit-
telalterlichen Fundstellen regelmässig vor.2 0
ENTWICKLUNG UND GESCHICHTE DES
BIRNENANBAUS
Das Ursprungsgebiet der Birnbäume liegt in China.
Nach der letzten grossen Eiszeit vor zirka 10 000
Jahren verbreitete sich der Birnbaum über Südost-
europa bis nach Mitteleuropa. Die frühesten Belege
für den Konsum von Birnen stammen aus dem vor-
derasiatischen Raum aus dem 3./2. Jahrtausend v.
Chr. Auch in den Seeufersiedlungen von Zürich sind
Belege dieser frühen Nutzung von Wildbirnen aus
der Zeit des Neolithikums vorhanden.2 1
Die antiken Griechen kannten schon mehrere
Birnensorten. 2 2 Der römische Geschichtsschreiber
Plinius der Ältere beschreibt im 15. Buch seiner
enzyklopädischen Naturgeschichte über dreissig
verschiedene Sorten.2 3 Die Römer dürften die ver-
edelten Früchte in unser Gebiet gebracht haben, wo
bis anhin nur die Wildformen [Pyrus pyraster)
anzutreffen waren. Die ältesten Birnenfunde in
Liechtenstein datieren in römische Zeit. Sowohl bei
der Grabung in der «Fürstenstrasse» 1986 2 4 wie im
Areal «Amtshaus» 1995/96 - beide in der Gemeinde
Balzers - kamen verkohlte Birnen zum Vorschein.
Sie lassen sich in die Zeit des 2. bis 4. Jahrhunderts
n. Chr. datieren.
Aus der Zeit um 800 n. Chr. stammen zwei Inven-
tare von den kaiserlichen Gütern Asnapium (Anna-
pes, Dep. Nord bei Lille) und Treola (Triel-sur-Seine
bei Versailles). In den Listen der dort angepflanzten
Nutzsorten sind auch Birnbäume erwähnt . 2 5 Zu-
meist übernahmen Klöster die Mittlerrolle in der
Weitergabe der Gartenbaukunst. Sie machten sich
verdient um die Verbreitung der verschiedenen
Pflanzenarten, um ihren Anbau und um ihre Pflege.
Die Mönche bekamen wahrscheinlich Stecklinge
und Samen mit in die neugegründeten Tochterklö-
ster, von wo aus sie ihre Kenntnis an die Bauern der
Umgebung weitergaben. Den Stellenwert, den mit-
telalterliche Klöster dem Obstanbau beigemessen
haben, belegt auch der St. Galler Klosterplan aus
dem 9. Jahrhundert. Darin ist der Friedhof gleich-
zeitig als Obstbaumgarten eingezeichnet.26 Als ange-
pflanzte Sorten sind hier zum Beispiel Apfel, Birne,
260
«... PFLANZT GÄRTEN A N UND ESST IHRE FRUCHT ...»
ULRIKE MAYR
Pflaume, Kastanie, Feige, Pfirsich, Hasel- und Wal-
nuss sowie Quitte eingetragen.
Eine bedeutende Quelle stellt das byzantinische
Handbuch «Geoponika» aus dem 10. Jahrhundert
dar. Es handelt sich dabei um eine der wichtigsten
Schriftquellen zur Landwirtschaft dieser Zeit. Darin
konnte der Interessierte nützliche Ratschläge zur
Ungezieferbekämpfung finden und sich über die
Gartenkunst informieren. Weiters gibt das Hand-
buch Hinweise auf unterschiedliche Vermehrungs-
techniken und zur Baumpflege. Auch das erst viel
später allgemein verbreitete Aufpfropfen von ver-
schiedenen Obstsorten auf Quitten wird erwähnt.
Zahlreiche der darin zu findenden Anweisungen
sind heute noch gültig.
Seit dem hohen Mittelalter wurde den verschie-
denen Veredelungs-Techniken von Obst erneut ein
grosses Augenmerk geschenkt. Die Schriften des
Gelehrten Albertus Magnus (1193-1280) über die
Botanik und das «Pelzbuch» des Gottfried von Fran-
ken im 14. Jahrhundert2 7 blieben nach ihrem
Erscheinen als Standardwerke bis ins 18. Jahrhun-
dert aktuell. Erst ab dieser Zeit fand das vermehrte
Interesse an der Gartenkultur seinen Niederschlag
in einer steigenden Anzahl von Büchern. Als «Neue-
rung» setzte sich nun auch die schon seit längerem
bekannte Technik durch, Birnen und andere Obst-
sorten auf Quittenbäumen zu veredeln. Diese blie-
Abb. 6: Reife Wildbirnen
17) Kühn; Akeret. (Pyrus pyraster L. Burgs-
dorf)
18) Waid (1991), S. 182 f.; freundliche Mitteilung von Marianne
Petrucci-Bavaud (Bearbeiterin der botanischen Funde der Grabung
Balzers-Amtshaus).
19) Rippmann (1996).
20) Brombacher et al. (1997).
21) Jacomet et al. (1989), S. 262.
22) Caroll-Spillecke (1992), S. 154.
23) Weeber (1995), S. 267; C. Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde,
Bücher 14./15., Kap. XVI, S. 53-58.
24) Waid (1991).
25) Stiglmair (1988), S. 103 f.; Vogellehner (1984), S. 73 f.
26) Vogellehner (1984), S. 77.
27) Mühl (1991), S. 8; Schröder-Lembke (1984), S. 113.
261
ben kleiner als die übrigen Obstbäume und ermög-
lichten dadurch eine kürzere Reifezeit der Früchte
und höhere Erträge.
Mit verstärktem Interesse wurde seit dem 16.
Jahrhundert auch die Pomologie, die Lehre von den
Obstsorten und vom Obstbau, betrieben. Deren
erklärtes Ziel war es, die bekannten Sorten wissen-
schaftlich genau zu beschreiben, sie botanisch ein-
zuordnen, zu systematisieren und zu klassifizieren.
Ein weiteres Streben galt der Zucht möglichst vieler
verschiedener Früchte. Die Vererbungslehre von
Pater Gregor Mendel 2 8 lieferte die theoretische Wis-
senschaftsbasis dazu.
Abb. 7: Reife Kulturbirnen
der Sorte «Gute Luise»
(Pyrus communis). Diese
wurde zum ersten Mal
1778 in der Normandie
gezüchtet und 1796 durch
Pfarrer Sickler für den
deutschen Raum beschrie-
ben
SCHRIFTLICHE QUELLEN AUS
LIECHTENSTEIN
Zu den ältesten bekannten Schriftquellen, in der
Obst indirekt für das Gebiet des heutigen Liechten-
steins erwähnt wird, zählt ein Kaufvertrag aus dem
Jahre 933. Darin werden Baumgärten (Obstgärten?)
in Ruggell als Teil des Besitzes genannt.29
Eine Urkunde von 1398 belegt den Verkauf eines
Zinses vom Eigentum eines Kuntz im Holtz und sei-
ner Frau Agnes, wohnhaft «by der Nüwen Schel-
lenberg», an den Stadtschreiber von Feldkirch und
dessen Frau. Bei der Beschreibung seines Besitzes
erwähnt Kuntz auch «den Bomgarten der zu der sel-
ben Schellenberg gehört». 3 0
Peter Kaiser zählt in seiner Chronik für die Zeit
um 1500 folgende landwirtschaftliche Erzeugnisse
der Region auf: «Weizen, rauh Korn 3 1 , Haber, Ger-
ste, Fench, Hirse, Bohnen, Kraut, Rüben und viel
Hanf. Der Weinbau, wie die Obstbaumzucht waren
beträchtlich, desgleichen die Viehzucht.» 3 2
In liechtensteinischen Urkunden sind auch einige
direkte Hinweise auf die Kultivierung von Birnen zu
finden. Obwohl diese Schriftstücke mindestens 200
Jahre jünger sind wie die Funde von der «Unteren
Burg», kann angenommen werden, dass Obst, und
damit auch Birnen, regelmässig zum Speiseplan der
mittelalterlichen Einwohner der Gegend gehörte.
In einem Brief vom 30. Apri l 1584 wird über die
Zuteilung verschiedener Weide- und Nutzungs-
rechte zwischen Triesnern und Triesenbergern ent-
schieden. Darin heisst es unter anderem: «Was aber
nuß, kriesy, öpfel, bieren unnd dergleichen ops-
wächs 3 3 , so ob den angezaigten marckhen gelegen
unnd erwachßen würdet, betrifft, das sollen unnd
mögen die am Tryßnerberg allainig nutzen unnd
nießen.» 3 4
In einer jüngeren Urkunde vom 9. August 1596
kommt es zu einem Schiedsspruch zugunsten der
Gemeinde Planken gegen Schaan und Vaduz be-
treffs des Obstleserechts in der Allmeind an der
Grenze zur Herrschaft Schellenberg: «...waß ober-
halb der jetzgedachten Landtstraß gegen den berg
stet, aller handt obbs, es seien biren, öpfel, kriechen,
nuß oder annders dergleichen, schütten, lesen und
262
«... PFLANZT GÄRTEN AN UND ESST IHRE FRUCHT ...»
ULRIKE MAYR
inhaimßen mögen,.. .». 3 5 Auch hier werden wieder
Birnen dezidiert genannt.
Die Griechen bezeichneten die Birnen als «Göt-
tergabe» und priesen ihren köstlichen Geschmack.
Im Gegensatz zum Apfel hatten sie aber nie eine
grössere Bedeutung in der Obstbaumzucht. Das
hängt mit ihrem höheren Anspruch an den Stand-
ort und an das Klima zusammen. Weiters sind die
Früchte nicht so lange lagerfähig wie Äpfel. Den-
noch sind kultivierte Birnen in unserem Gebiet seit
der Römerzeit bekannt. Dies zeugt von einem
erheblichen Stellenwert dieser Früchte in der
Ernährung.
Auch im Brauchtum wird den Birnen eine grosse
Bedeutung zugemessen. So wurde im schwäbischen
Raum bei der Geburt eines Mädchens ein Birnbaum,
bei der Geburt eines Knaben ein Apfelbaum
gepflanzt. Birnen galten in China als Symbol des
Alters und in Mitteleuropa als Zeichen der Frucht-
barkeit. Der «Birnbaum auf dem Wasserfeld» soll
gar mit seinen Blüten die grosse Weltenschlacht am
Ende der Zeiten verkünden. 3 6
Die Bedeutung des Birnenfundes von der «Unte-
ren Burg» in Schellenberg liegt darin, dass bisher
Birnen im allgemeinen eher selten aus archäolo-
gischen Kontexten bekannt sind, obwohl diese
zusammen mit Äpfeln, Wein, Kirschen, Pfirsichen,
Zwetschgen und Pflaumen zu den beliebtesten Obst-
sorten des Mittelalters zählten. Mit den wenigen
Fundstücken von der «Unteren Burg» lässt sich
noch keine Geschichte über die Ernährung auf der
mittelalterlichen Burg oder ein umfassendes Bild
der mittelalterlichen Umwelt erstellen. Dennoch
erlauben uns die Birnen einen schlaglichtartigen
Einblick in die Geschichte der Nutzpflanzen des
Mittelalters auf dem Schellenberg.
28) Der österreichische Vererbungsforscher Pater Gregor Mendel
(1822-1884) beschrieb als erster im Jahre 1865 jene Gesetzmässig-
keiten, nach denen bestimmte Erbmerkmale in den nächs ten Ge-
nerationen wieder in Erscheinung treten. Nach ihm sind die drei
Mendelschen Gesetze - Uniformitätsgesetz, Spaltungsgesetz und
Neukombination der Gene - benannt, die diese konstanten Regeln
definieren.
29) LUB 1/2, S. 65.
30) LUB 1/4, S. 135.
31) Ein Gersten-Hafer-Gemisch.
32) Peter Kaiser, S. 337 - leider ohne Nennung der herangezogenen
Quelle.
33) Obstbaumbestand - nach Jutz (1965).
34) GA T U 36.
35) GA P U 4.
36) Bächtold-Stäubli (1927), S. 1339.
263
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VERZEICHNIS
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«... PFLANZT GÄRTEN AN UND ESST IHRE FRUCHT ...»
ULRIKE MAYR
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BILDNACHWEIS
Abb. 1 und 6: Botanisches
Institut der Universität
Basel, Labor für Archäo-
botanik.
Abb. 2: Ulrike Mayr,
Archäologie FL
Abb. 3 bis 5: Hansjörg
Frommelt, Archäologie FL
Abb. 7: Mühl (1991), S. 50.
ANSCHRIFT DER
AUTORINNEN
Marlu Kühn
Botanisches Institut und
Botanischer Garten der
Universität Basel
Labor für Archäobotanik
Schönbeinstrasse 6
CH-4056 Basel
Telefon 061/267 35 06
Telefax 061/267 29 86
Ulrike Mayr
Landesverwaltung des
Fürstentums Liechtenstein
Archäologie
Messinastrasse 5
Postfach 417
FL-9495 Triesen
Telefon 075/236 75 34
Telefax 075/236 75 46
265
D E N K M A L S C H U T Z
IN LIECHTENSTEIN:
AUS DER CHRONIK
DES JAHRES 1996
HANSJÖRG FROMMELT
Abb. 1: Triesen. Still-
gelegte Weberei der Firma
Jenny, Spoerry & Cie.
Westfassade des 1863
erbauten Haupttrakts nach
der Aussensanierung
268
DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1996
HANSJÖRG FROMMELT
Die Denkmalschutz-Chronik hat bereits nach weni-
gen Jahren ihren festen Platz im Jahrbuch des Hi-
storischen Vereins für das Fürstentum Liechten-
stein erhalten. Sie stellt dem Leser bauhistorisch
wertvolle Bauten des Landes vor. In der Chronik
werden jene Bauten aufgelistet, die im jeweiligen
Berichtsjahr unter Denkmalschutz gestellt, unwi-
derruflich zerstört oder als bereits unter Schutz
stehende Baudenkmäler renoviert und konserviert
worden sind. Oft wird der Begriff «Denkmal» in
Zusammenhang mit Bauten verwendet, deren dauer-
hafter Erhalt nicht gesichert ist oder die bereits der
Spitzhacke zum Opfer gefallen sind. In kurzen Be-
gleittexten wird erläutert, warum es sich auch bei
den abgebrochenen Gebäuden um denkmalpflege-
rische Schutzobjekte handelt.
Als Quellen liegen der Chronik die Rechen-
schaftsberichte der Regierung an den Hohen Land-
tag, Gemeindepublikationen, Pressemitteilungen
sowie die wertvollen Angaben des Bauhistorikers
sowie des Sachbearbeiters der Abteilung Denkmal-
schutz beim Hochbauamt zu Grunde. Zu besonde-
rem Dank bin ich auch dieses Jahr wiederum dem
Bauforscher Peter Albertin aus Winterthur und
Michael Pattyn vom Hochbauamt in Vaduz für Hin-
weise zu einzelnen Objekten verpflichtet. Mit bei-
den Kollegen habe ich viele der Objekte besichtigt
und Fragen zur Baugeschichte erörtert. Viel Wis-
senswertes verdanke ich Professor Oskar Emmen-
egger aus Zizers, der sich immer für objektge-
rechte Renovationen einsetzt. In den vergangenen
Jahren hat er der Denkmalpflegestelle Liechten-
steins seine grosse Erfahrung immer wieder zur
Verfügung gestellt. Auch ihm sei herzlich dafür ge-
dankt.
Dem Tätigkeitsbericht 1 der Denkmalschutz-Kom-
mission der Fürstlichen Regierung kann entnom-
men werden, dass sie sich 1996 neben der Überar-
beitung der Ortsbildinventare wie in den Vorjahren
in erster Linie dem Erhalt bäuerlicher und indu-
striegeschichtlicher Zeitzeugen gewidmet hat.2
Nach intensiven Verhandlungen mit der Ge-
meinde Triesen konnte im Berichtsjahr die stillge-
legte Weberei der Firma Jenny, Spoerry & Cie. in
Triesen unter Denkmalschutz gestellt werden. Die
Renovation des Fabrikgebäudes, dessen Geschichte
nachfolgend vorgestellt wird, wurde weitergeführt.
In Zusammenhang mit der Umnutzung der
ehemaligen Baumwollspinnerei der Firma Jenny,
Spoerry & Cie. in Vaduz stellte die Regierung an
den Hohen Landtag den Antrag, die LIS-Fachhoch-
schule in das schützenswerte Zeugnis der frühen
Industrialisierung Liechtensteins zu integrieren.3
Obwohl sich die Denkmalschutz-Kommission der
Fürstlichen Regierung wiederholt für die Unter-
schutzstellung ausgesprochen hatte, wurde auf
dieses Anliegen nicht eingegangen.4 Die vom Ge-
meinderat erlassene Spezialbauordnung mit Über-
bauungsrichtplan soll «den Geltungsbereich, die
möglichst weitgehende Erhaltung der historischen
Substanz, die Einordnung von Neubauten und die
zonenkonforme Nutzung» regeln.5 Es bleibt abzu-
warten, ob der Schutz und Erhalt denkmalpflege-
risch wertvoller Bauteile nur mittels einer Spezial-
bauordnung erreicht werden kann. Die Frage stellt
sich umsomehr, als die künftigen Planungen den
Landesstellen nur «konsultativ unterbreitet» wer-
den sollen.6 Der Chronist wird sich mit der Ge-
schichte der ehemaligen Spinnerei nach Abschluss
der mit der Umnutzung zusammenhängenden Um-
bauarbeiten befassen.
1) Der Tätigkeitsbericht ist jeweils im Rechenschaftsbericht der
Fürstl ichen Regierung wiedergegeben. Vgl. für das Jahr 1996 den
Rechenschaftsbericht (1996).
2) Rechenschaftsbericht (1996), S. 248.
3) «LIS-Fachhochschule ins Spoerry-Areal integrieren». In: LVolks-
blatt, Samstag, 23. November 1996.
4) Vgl. Ratstube (1994), S. 1 und Brennpunkt (1994), S. 3.
5) Nachrichten (1996/2), S. 1 f.
6) Neuer Art. 12 a in der Bauordnung der Gemeinde Vaduz als
baurechtliche Basis für die künft igen Nutzungen der ehemaligen
Spinnerei. Vgl . Nachrichten (1996/2), S. 1.
269
Abb. 2: Vaduz. Arbeiter-
wohnsiedlung der stillge-
legten Spinnerei der Firma
Jenny, Spoerry & Cie. im
«Oberen Mühleholz».
Blick auf das ehemalige
«Mechanik-Hintergebäu-
de», das 1904 zu einem
Arbeiterwohnhaus umge-
baut wurde
270
DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1996
HANSJÖRG FROMMELT
Ol
T«
1 . f l f f i .
Nicht nur die ehemalige Baumwollspinnerei be-
schäftigte die Denkmalpflegestelle Liechtensteins.
Auch der Erhalt der zugehörigen Arbeitersiedlung
im «Oberen Mühleholz» in Vaduz stand 1996 zur
Diskussion.7 Nachdem die Gemeinde Vaduz den
Abbruch «schweren Herzens, aber einstimmig» 8
gutgeheissen hatte, musste sich die Denkmal-
schutz-Kommission der Fürstlichen Regierung mit
dem Schicksal des industriegeschichtlich bedeuten-
den Quartiers auseinandersetzen. Dabei unter-
stützte eine von privater Seite initiierte Petition die
Bemühungen um den dauerhaften Erhalt. 1 465
Personen hatten die Petition innerhalb kürzester
Zeit unterzeichnet. Sie wurde im September beim
Abb. 3: Vaduz. Denkmäler
oder Abbruchobjekte im
«Oberen Mühleholz»?
Arbeiterwohnsiedlung der
stillgelegten Spinnerei der
Firma Jenny, Spoerry &
Cie.
7) Rechenschaftsbericht (1996), S. 248.
8) «Zeugen der Zeit zers tören?». In: Liechtensteiner Woche. Sonn-
tag, 25. August 1996, S. 3.
271
Landtag eingereicht.9 Die erfreulich hohe Unter-
schriftenzahl belegt eindrücklich das unerwartet
grosse Interesse der Bevölkerung an der gefährde-
ten Arbeitersiedlung. Die Gemeinde Vaduz hatte
ihre Verantwortung für den Schutz der bau-, sozi-
al- und wirtschaftsgeschichtlich wertvollen Objekte
und für den Erhalt des schützenswerten Ortsteils
vernachlässigt und unter dem Hinweis, dass «die
Denkmalschutzkommission tätig werden muss,
wenn eine Abbruchgenehmigung vorliegt» an die
Landesstellen abgegeben.10 Der Vaduzer Bürger-
meister vertrat zudem die Meinung, dass Denkmal-
pflege «nicht nur auf Kosten von Privaten betrieben
werden darf». 1 1 Erstmals in der Geschichte des
Denkmalschutzes im Fürstentum Liechtenstein
machte die Bevölkerung die öffentliche Hand mit-
tels einer Petition auf die Bedeutung eines
schutzwürdigen Ensembles aufmerksam. Es bleibt
Abb. 4: Schaan. Kapelle
Maria zum Trost auf
«Dux». Fachgerechter
Abbau des barocken
Hochaltars im Herbst
1996
zu hoffen, dass die Bemühungen des Landes um
den Erhalt der Siedlung von Erfolg beschieden sein
werden.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Konser-
vierungsarbeiten in der Kapelle St. Peter in Schaan
befasste sich die Denkmalschutz-Kommission der
Fürstlichen Regierung im Berichtsjahr mit der Vor-
bereitung einer umfassenden Renovation der Ka-
pelle Maria zum Trost auf «Dux» in Schaan. 1 2 Die
Arbeiten wurden im September 1996 mit dem Ab-
bau des barocken Hochaltars in Angriff genom-
men. Die Geschichte der beliebten Wallfahrtskapel-
le wird nach Abschluss des Projekts in der Chronik
vorgestellt.
Ebenfalls 1996 wurde die Kapelle St. Peter in
Balzers «Mäls» renoviert. Besonderes Augenmerk
lag dabei auf der Konservierung des spätgotischen
Flügelaltars. 1 3 Das zur Kapelle gehörige Turmhaus
wurde zusammen mit den angrenzenden Stall-
scheunen unter Schutz gestellt.14 Das Ensemble
wird auf den Seiten 274 bis 276 beschrieben.
Im Sommer und Herbst 1995 führte die Gemein-
de Ruggell einen Architekturwettbewerb für die Re-
novation der neugotischen Pfarrkirche St. Fridolin
durch. Das siegreiche Projekt sah Erweiterungs-
bauten zwischen Pfarrhaus und Pfarrkirche vor,
ohne diese in ihrer Substanz zu beeinträchtigen.
Die Pläne wurden auch von der Denkmalschutz-
Kommission zur Weiterbearbeitung empfohlen. 1 5
Nach kontroversen Diskussionen anlässlich einer
Informationsveranstaltung lehnte die Stimmbevöl-
kerung von Ruggell an der Gemeindeabstimmung
vom 20./22. September 1996 das weiterentwickelte
Projekt zur Überraschung und Enttäuschung aller
Beteiligten ab. 1 6 Gleichzeitig ergab eine Konsulta-
tivabstimmung, dass sich die Mehrheit für den
Austausch der Kirchenbänke durch eine Bestuh-
lung ausspricht.1 7 Da die Überarbeitung oder Neu-
fassung des Projekts notwendig wird, verzögert
sich die beabsichtigte Renovation. 1 8 Über die weite-
re Entwicklung wird die Chronik nach Abschluss
der Arbeiten berichten.
Wie in den Vorjahren beteiligte sich Liechten-
stein auch 1996 wieder erfolgreich am «Europa-
Tag des Denkmals». Viele interessierte Besucher
272
DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1996
HANSJÖRG FROMMELT
nutzten die Gelegenheit, die renovierten histori-
schen Bauten und Anlagen des Regierungsviertels
in Vaduz zu besichtigen. Erstmals wurde der An-
lass durch Darbietungen von Schülern und Lehrern
der Liechtensteinischen Musikschule untermalt.1 9
Abschliessend sei das Gebäude des Liechtenstei-
nischen Landesmuseums erwähnt. Im Frühsom-
mer 1992 wurde das Denkmalschutzobjekt durch
Bauarbeiten auf einer in unmittelbarer Nachbar-
schaft liegenden Parzelle arg in Mitleidenschaft ge-
zogen. Ein vom Hohen Landtag beschlossener Kre-
dit für die Sanierung und die Erweiterung des be-
schädigten Gebäudes erlangte im Sommer 1996
Rechtskraft.2 0 Die weiteren Schritte zur Instandset-
zung des Landesmuseums können somit eingeleitet
werden. Bleibt zu hoffen, dass dieses möglichst
rasch wieder seiner Bestimmung übergeben wer-
den kann.
In der nachfolgenden Aufstellung werden einige
der Denkmäler, die im Jahre 1996 Veränderungen
erfahren haben, nach Gemeinden geordnet in al-
phabetischer Reihung vorgestellt.
9) «Vaduz/Mühleholz. Industriegeschichtliches Gutachten für Arbei-
t e rwohnhäuser» . In: LVaterland, Donnerstag, 26. September 1996.
S. 7.
10) Ebenda.
11) Ebenda.
12) Rechenschaftsbericht (1996), S. 248.
13) Ebenda.
14) Ebenda, S. 249.
15) Ruggell (1995), S. 11. Auch die Presse berichtete über den
Architekturwettbewerb: «Zum 100-Jahr-Jubi läum: Renovation der
Ruggeller Pfarrkirche. Renovation und Erweiterung ohne grund-
legende Veränderung des Baukörpers - Für kommendes Jahr
Gemeindeabstimmung geplant». In: LVolksblatt, Samstag, 14. Ok-
tober 1995, S. 2.
16) «Kirchenrenovation Ruggell. Kontroverse um Projekt <Juno>».
In: LVaterland, Dienstag, 10. September 1996. S. 11.
17) Ruggell (1997), S. 1-2.
18) Rechenschaftsbericht (1996), S. 248.
19) Ebenda, sowie Pattyn (1996).
20) «Grünes Licht für <Kulturmeile> beim Landesmuseum». In:
LVolksblatt, Freitag, 23. August 1996, S. 1.
Abb. 5: Ruggell. Pfarr-
kirche St. Fridolin. Chor-
ansicht vor der geplanten
Erweiterung
273
Abb. 6: Balzers. Kapelle
St. Peter in «Mäls». West-
fassade nach der Aus-
sensanierung
274
DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1996
HANSJÖRG FROMMELT
BALZERS, «MALS», K A P E L L E ST. P E T E R 2
Um 1300
Um 1510
Um 1578
1595
1640
1756
1873
1934
1951
1969/70
1970/71
1996
Erbauung einer kleinen rechteckigen
Kapelle mit quadratischem Altarraum
unter einem Kreuzrippengewölbe.
Erweiterung durch den Anbau des
polygonalen dreiseitig geschlossenen
Chors an den einfachen Rechteckraum.
Auf diesen Umbau bezieht sich eine
Quelle vom 22. Januar 1510. 2 2 Der
kleine Flügelaltar, der gemäss dem Vi-
sitationsprotokoll von 1640 im Jahre
1516 entstanden sein soll, wird wohl
das Ende dieser Neugestaltung markie-
ren.
Anbau des Glockenturms mit vier
Geschossen. Errichtung zweier Kreuz-
gratgewölbe im Langhaus. Die spätere
Aufstockung des Turmes um ein weite-
res Geschoss lässt sich zeitlich nicht
genau bestimmen.
Visitation am 17. Oktober.
Visitation.
Abbildung in der Kolleffel-Karte.
Gesamtrenovation mit Portalerneue-
rung. Veränderungen am Chorgewöl-
be. In das steinerne Giebelfeld des Por-
tals werden die Jahreszahl 1873 und
die gekreuzten Petersschlüssel einge-
meisselt.
Innenrenovation.
Unterschutzstellung.
Archäologische Ausgrabung und bau-
geschichtliche Untersuchung.
Restaurierung. Die Kreuzgratgewölbe
über dem Langhaus werden abgebro-
chen. 2 3 Die gesamte Kapelle wird im
Anschluss an die Bauuntersuchung
neu verputzt.
Unterhaltsarbeiten am Verputz der Ka-
pelle. Restaurierung und Konservie-
rung des spätgotischen Flügelaltars.
Beim Gründungsbau von St. Peter handelt es sich
nicht - wie lange angenommen wurde - um eine
der beiden frühmittelalterlichen Kirchen von Bal-
zers, welche im churrätischen Reichsgutsurbar von
842/843 verzeichnet sind. 2 4 St. Peter wurde erst im
14. Jahrhundert als Privatkapelle errichtet. Seine
Grösse, wie auch das Verhältnis von Vorraum zu
Altarraum wären für eine Benützung als Pfarrkir-
che zu klein gewesen. Die Kapelle bildete zusam-
men mit dem Turmhaus eine Einheit - das Zen-
trum eines bedeutenden Grundbesitzes.
21) Eine Zusammenfassung der baugeschichtlichen Daten bei
Poeschel (1950) und Sennhauser (1971).
22) Poeschel (1950). S. 43.
23) Vgl. Gstöhl; Vogt, S 63.
24) «Ecclesiae .11. cum Decima de ipsa curte.» Vgl. LUB 1/1, S. 42.
Zum churrä t i schen Reichsgutsurbar und dessen Datierung: Cla-
vadetscher (1994). Zur Problematik der Zuweisung: Pepic(1996),
S. 139.
275
Abb. 8: Balzers. Turmhaus
St. Peter in «Mals». Blick
auf die Ostfassade des
1996 unter Schutz gestell-
ten Denkmals
BALZERS, « M Ä L S » , TURMHAUS ST. P E T E R 2 5
Um 1300 Errichtung des Turmhauses.
1717 Veränderung der Inneneinteilung. Ein-
bau einer Täferdecke im Wohnraum
des ersten Obergeschosses.26
1970/71 Baugeschichtliche Untersuchung mit
anschliessender Instandsetzung.
1996 Unterschutzstellung des Hauses zu-
sammen mit der nördlich angrenzen-
den Stallscheune.2 7
Das Turmhaus in Mäls ist wahrscheinlich gleichzei-
tig mit der Kapelle St. Peter errichtet worden. Es
bildete mit dieser das Zentrum eines bedeutenden
Grundbesitzes. Im Jahre 1970 erkannte man die
herausragende Bedeutung des Ensembles. Im
Bemühen um den Erhalt des geschlossenen Orts-
bilds wurden deshalb auch die zugehörigen Stall-
scheunen nördlich des Turmhauses instandgestellt.
Das Turmhaus gehört zu den selteneren Bautypen
im Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein.
Baugeschichtliche Untersuchungen haben ergeben,
dass weitere Wohntürme im «Landweibelhaus» in
Schaan und im Haus «Im Gässle 2» im Areal
«Höfle» in Balzers als Kernbauten der heute noch
bestehenden Anwesen erhalten sind. 2 8 In seinem
Äusseren unverändert erhalten und als vierge-
schossige Turmanlage erkennbar ist das «Pfrund-
haus» in Eschen. Im Jahre 1872 wurde in Vaduz
der nördlich der Florinskapelle stehende «Tschag-
gaturm» abgebrochen. Er musste dem Praxishaus
der Ärzte Dr. Albert und Dr. Rudolf Schädler wei-
chen. Das Aussehen des wahrscheinlich mittelal-
terlichen Wohnturms ist auf Abbildungen überlie-
fert. 2 9
276
DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1996
HANSJÖRG FROMMELT
RUGGELL, «GIESSENSTRASSE», HAUS NR. 53
1730/31
18. /19. Jh.
19. Jh.
19. Jh.
1916
1925
1937
1937/40
1993
1996
Bau des Bauernhauses mit Wohnteil
und Stallscheune. Stubenteil in Block-
bauweise. Küchenteil massiv aufge-
mauert, darüber liegendes Geschoss in
Sichtfachwerk ausgeführt. Der Dach-
stuhl der Scheune ist schwach geneigt
und mit Legschindeln eingedeckt. Auf
dem Dach des Wohnhauses liegen Zie-
gel.
Erstellen eines Pferdestalls in die Stall-
scheune.
Ostseitiger Laubenanbau. Westseitig
wird eine Wagnerei erstellt. Verbreite-
rung der Scheune.
Ende des 19. Jahrhunderts werden
die barocken Butzenscheiben durch
transparente Sprossenfenster ersetzt.
Das Wohnhaus erhält einen bemalten
Schindelschirm.
Bau der heute noch bestehenden Herd-
und Ofenanlage. Der Kachelofen stammt
aus der Produktion der Keramikfirma
Schaedler, Nendeln.
Verlängerung der Stallscheune.
Abbruch des Rauchfangs in der Küche.
Gleichzeitige Erneuerung der Kamin-
anlage und der Rauchkammer.
Austausch der südseitigen Fensterflü-
gel.
Baugeschichtliche Untersuchung.
Unterschutzstellung.3 0
deres Augenmerk auf den Erhalt der originalen
Bausubstanz und auf den Schutz des natürlichen
Freiraums gelegt werden.
25) Eine Zusammenfassung der baugeschichtlichen Daten bei
Sennhauser (1971).
26) Eine Türs turz inschr i f t t rägt die Jahreszahl 1717. Vgl. Senn-
hauser (1971), S. 26.
27) Rechenschaftsbericht (1996), S. 249.
28) Das «Landweibelhaus» steht unter Denkmalschutz. An ihm
sollten dringend die notwendigsten Unterhaltsmassnahmen durch-
geführ t werden. Die Häuse rg ruppe im «Höfle» soll abgebrochen
werden. Das Schicksal des Areals «Höfle» und somit auch des Kern-
baus von Haus Nr. 2 im «Gässle» scheint besiegelt.
29) Frommelt (1995), S. 27.
30) Rechenschaftsbericht (1996), S. 249.
31) Frommelt (1996).
Das stattliche Bauernhaus Nr. 53 an der «Gies-
senstrasse» steht inmitten eines intakten natürli-
chen Freiraums am Rand eines grosszügigen Obst-
gartens. Im Wesentlichen erfuhr das Wohnhaus
seit seiner Erbauungszeit in den Jahren 1730/31
keine grossen Veränderungen. Mit seinem schlich-
ten Innenausbau und mit seiner repräsentativen
Fassadengestaltung aus der Zeit des ausgehenden
19. Jahrhunderts legt das Haus zudem Zeugnis von
der Bescheidenheit und vom Stolz seiner Bewohner
ab. 3 1 Bei einer künftigen Renovation sollte beson-
Abb. 9: Ruggell. Haus
Nr. 53 an der «Giessen-
strasse». Repräsentatives
Bauernhaus im Schindel-
kleid des 19. Jahrhunderts
277
SCHELLENBERG, «HINDERSCHLOSS»,
HAUS NR. 33
18. Jh. Errichtung des Wohnhauses zusam-
men mit zwei freistehenden Stallscheu-
nen. Das genaue Erbauungsjahr ist
nicht bekannt.
1895 Umfassende Renovation und Erweite-
rung nach einem Handwechsel. Der
neu aufgerichtete Dachstuhl wird mit
Ziegeln eingedeckt. Die Fassaden wer-
den mit Rundschindeln verkleidet. An
Stelle der alten wird eine neue Stall-
scheune gebaut.
Abb. 10: Schellenberg.
Haus Nr. 33 in «Hinder-
schloss». Leider nur noch
Abbruchobjekt: Alte Hof-
stätte mit einer der frühe-
sten mit Dampfkraft be-
triebenen Sägereien des
Landes
1905 Die Gebrüder Adolf und Josef Goop
richten in einem Neubau eine mecha-
nische Schreinerei ein. Eine Dampfma-
schine wird zum Antrieb der Transmis-
sionen eingesetzt.
1911 Ersatz der Dampfmaschine durch ei-
nen Benzinmotor.
1922 Stallerweiterung.
1924 Anbau des Sägewerks westseitig der
Schreinerei.
1943 Neubau einer freistehenden Remise.
1956 Renovation des Wohnhauses. Einbau
einer neuen Herd- und Kaminanlage.
1957 Neubau des freistehenden Hühner-
stalls im ostseitigen Hofteil.
1958 Umnutzung des Pferdestalls.
1995 Baugeschichtliche Untersuchung.
Der Aquarellist Moriz Menzinger (1832-1914) do-
kumentierte die Hofstätte Nr. 33 in den Jahren
1852 bis 1861 zusammen mit der Ruine der «Obe-
ren Burg Schellenberg» auf mehreren Bleistift-
zeichnungen und Aquarellen. 3 2 Die Ansichten Men-
zingers lassen den Schluss zu, dass sie zu einer der
ersten im Dorfteil «Hinderschloss» erstellten Hof-
anlagen gehört. Sie zeigen das Haus und die
freistehenden Stallungen noch mit flachgeneig-
ten Dachstühlen und Eindeckungen aus steinbe-
schwerten Legschindeln. Bis zum ersten umfang-
reichen Umbau im Jahr 1895 dürfte die Hofstätte
dieses Aussehen bewahrt haben.
Das seit geraumer Zeit nicht mehr bewohnte An-
wesen befindet sich in einem derart baufälligen Zu-
stand, dass eine Renovation aus denkmalpflegeri-
scher Sicht nicht vertretbar ist. Von einer Unter-
schutzstellung des bau-, orts- und wirtschaftsge-
schichtlich interessanten Objekts ist aus diesem
Grund abgesehen worden. 3 3 Es wird abgebrochen.
Im Interesse einer umfassenden Landesdokumen-
tation wurde eine baugeschichtliche Untersuchung
durchgeführt.
278
DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1996
HANSJÖRG FROMMELT
TRIESEN, STILLGELEGTE
RAUMWOLLWEBEREI DER FIRMA JENNY,
SPOERRY & C I E . 3 4
1863 Bau der mechanischen Baumwoll-
weberei durch Anton Kirchtaler und
Heinrich Dürst.
1869 Übernahme des Betriebs durch die aus
dem Kanton Glarus stammenden Fa-
brikanten Enderlin und Jenny.
1873 Erbauung des grossen Kosthauses süd-
lich der Fabrik. 3 5 Der 16 Wohneinhei-
ten umfassende Bau galt lange Zeit als
grösstes Wohnhaus Liechtensteins.3 6
1879 Erste Erweiterung der Fabrikations-
anlage. Weitere Um- und Zubauten in
den Folgejahren.
1894 Caspar Jenny ist mittlerweile der allei-
nige Besitzer. Johann Jakob Spoerry,
der in Vaduz in den Jahren 1882/83
eine Baumwollspinnerei errichtet hat-
te, wird Miteigentümer an der Weberei
in Triesen.
1899 Kauf des im östlichen Bereich der We-
berei liegenden «Christli-Hauses». 3 7 Es
wurde von nun an als Arbeiterwohn-
haus genutzt.
Um 1901 Bau des «Obermeisterhauses». 3 H
32) Rheinberger (1982), S. 126-137.
33) Rechenschaftsbericht (1996), S. 249.
34) Eine Zusammenfassung der baugeschichtlichen Daten bei Pattyn
(1994), S. 52-55.
35) Pattyn (1994), S. 54.
36) Im Hohen Landtag spricht sich der Regierungschef im Früh jah r
1994 für den Erhalt des Arbeiterwohnhauses aus: «Für Erhaltung
der Triesner Kosthäuser». In: LVaterland, Mittwoch, 27. Apr i l 1994,
S. 9.
37) Eine Übersicht über die betriebseigenen Bauten in Form einer
Plandarstellung bei Pattyn (1994), S. 53.
38) Ebenda, S. 55.
Abb. 11: Triesen. Still-
gelegte Weberei der Firma
Jenny, Spoerry & Cie.
Erweiterungstrakt von
1911. Blick auf die Süd-
fassade des wahrschein-
lich ältesten Flachdach-
baus Liechtensteins
während der Aussen-
sanierung
Abb. 12: Triesen. Still-
gelegte Weberei der Firma
Jenny, Spoerry & Cie.
Zeitgenössischer Treppen-
turm aus Stahl und Glas
am Haupttrakt
279
1905 Die Baumwollweberei wird unter dem
Namen «Jenny, Spoerry & Cie.» ge-
führt. Fritz und Caspar Jenny bauen
auf einem Grundstück nördlich der
Weberei ihre Fabrikantenvilla. 3 9
1911 Bau des südlichen Erweiterungstrakts.
Es handelt sich dabei um den ersten
Flachdachbau Liechtensteins.40
1946 Errichtung eines Arbeiterwohnhauses
mit Raum für zwei Familien hangseits
zwischen dem Fabrikgebäude und dem
«Christli-Haus».
1982 Der Webereibetrieb wird eingestellt.
1985 Kauf des Areals der stillgelegten Webe-
rei durch die Gemeinde Triesen. 4 1 In
der Folgezeit entwickelt die Gemeinde
Triesen ein Konzept für die multifunk-
tionale Nutzung des Areals.
1989 Der Gemeinderat von Triesen spricht
sich für die Sanierung der Gebäude
aus.
1993 Baugeschichtliche Untersuchung und
industriearchäologische Würdigung. Be-
ginn der Sanierung im Haupttrakt.
1996 Unterschutzstellung des Fabrikgebäu-
des.4 2
Mit der stillgelegten Weberei der Firma Jenny,
Spoerry & Cie. in Triesen konnte einer der ältesten
noch erhaltenen Zeugen aus der Zeit der Industria-
lisierung Liechtensteins unter Schutz gestellt wer-
den. Die Anlage bietet für eine kulturelle und ge-
werbliche Nutzung den idealen Rahmen. Sie wird
nach der Instandsetzung durch die Gemeinde Trie-
sen zu neuem Leben erwachen.
VADUZ, «HERRENGASSE NR. 3 0 - 3 2 » ,
« G U B S E R H A U S »
1809 Nennung eines Hauses, eines Stalls
und zugehöriger Güter im Grundbuch.
Über die Erbauungszeit und das Aus-
sehen dieses Hofs können keine Anga-
ben gemacht werden.
1835 Errichtung des heute noch bestehen-
den Doppelwohnhauses in Massivbau-
weise mit hangseitig angestellten Stall-
scheunen (vermutlich) nach Plänen des
Baumeisters Joseph Anton Seger. Vom
Vorgängerbau sind im Keller des «Gub-
serhauses» Mauer- und Gewölbepar-
tien erhalten geblieben.
1850/1870 Josef Seger betreibt im südlichen Haus-
teil die Wirtsstube «Zum Rebstock». 4 3
Im nördlichen Hausteil ist vorüberge-
hend ein Klassenzimmer der Volks-
schule untergebracht. Dieses hat als
Provisorium bis zum Bezug des neuen
Schulhauses im Jahr 1854 gedient.44
1900 Anbau eines Streueschuppens.
1924 Einbau einer Bäckerei mit Backstube
und Verkaufsladen im Erdgeschoss des
südlichen Hausteils.
1927 Umbau der Stallscheune in eine Schlos-
serei und Autoreparaturwerkstätte.
1993 Baugeschichtliche Untersuchung.
1996 Erarbeitung eines Renovationskonzepts
durch die Gemeinde Vaduz. 4 5
Das im klassizistischen Habitus am einstigen nörd-
lichen Dorfrand von Vaduz erstellte Mehrfamilien-
haus besticht durch seine klare architektonische
Ausgestaltung. Es handelt sich mit Sicherheit um
eines der ältesten als Mehrfamilienhaus geplanten
und gebauten Anwesen Liechtensteins. Seine Bau-
struktur mit symmetrischer Raumeinteilung und
zentraler Eingangs- und Treppenhausanlage ist in
wesentlichen Teilen in ihrer ursprünglichen Aus-
führung aus der Zeit der Erbauung im Jahre 1835
erhalten geblieben. Dies trifft auch für die ein-
drucksvollen Gewölbekeller zu. Das Haus bietet
280
DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1996
HANSJÖRG FROMMELT
Abb. 13: Vaduz. «Gubser-
haus» an der «Herren-
gasse Nr. 30 und 32».
Repräsentatives Zwei-
familienhaus als Zeugnis
des aufstrebenden Bürger-
tums. Symmetrisch ge-
gliederte Westfassade mit
klassizistischen Stil-
elementen
sich beispielhaft für eine sanfte Renovation an.
Trotz seiner ortsbild- und denkmalpflegerischen
Bedeutung ist von einer Unterschutzstellung des
«Gubserhauses» abgesehen worden.
44) Ospelt(1988), S. 28 f.
45) Vaduz Direkt (1996), S. 8 und Ratstube (1996/1), S. 1. Presse-
bericht: «Konkrete Schritte fü r <Gubserhaus>-Renovation eingeleitet.
Die Liegenschaft in Vaduz bildet einen erha l tenswürdigen Teil des
Quartier-Gesamtkonzepts - Zustand der Bausubstanz wird vorerst
überprüf t» . In: LVolksblatt, Samstag, 13. Apr i l 1996, S. 2.
39) Ebenda.
40) Ebenda, S. 53 f. Abbildung des Baueingabeplans aus dem Jahre
1911 bei Frommelt (1994), S. 40.
41) Ebenda, S. 43.
42) Rechenschaftsbericht (1996). S. 249. «Teile der Weberei stehen
unter Denkmalschutz. Nach Einsprache der Gemeinde wurde ein
Vorgehen in zwei Phasen beschlossen». In: Triesen (1996), S. 18. Die
Presse berichtete ebenfalls über die Unterschutzstellung: «Neun
Millionen für Sanierung im Zeitraum von zehn Jahren. Triesner
Gemeinderat unterbreitet Kreditbegehren für die Instandstellung
und Umnutzung des ehemaligen Jenny-Spoerry-Fabr ikgebäudes»
und «Jenny, Spoerry & Cie: Zeugnis der Anfänge der Modernisierung
Liechtensteins. Die ehemalige Weberei Triesen, ein Monument der
Industrialisierung Liechtensteins, soll fü r neuzeitliche Nutzung sa-
niert werden - Gleichzeitig Bewahrung für die Nachwelt». In:
LVolksblatt, Dienstag, 25. Juni 1996, S. 7.
43) Im Stammbaum der Familie Seger ist das Wirtshaus verzeichnet.
Freundliche Mitteilung von Peter Albertin, Winterthur.
281
LITERATUR- UND
ABKÜRZUNGSVER-
ZEICHNIS
Brennpunkt (1994):
Spoerry-Fabrik unter
Denkmalschutz? In: Vaduz
im Brennpunkt. Das Maga-
zin der VU-Ortsgruppe
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1994.
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Clavadetscher, Otto R: Das
churrätische Reichsgutsur-
bar als Quelle zur Ge-
schichte des Vertrages zu
Verdun. In: Rätien im
Mittelalter. Verfassung,
Verkehr, Recht, Notariat.
Ausgewählte Aufsätze.
Festgabe zum 75. Geburts-
tag. Hrsg. Ursus Brunold
und Lothar Deplazes.
Disentis, 1994,
S. 114-176.
Frommelt (1994):
Frommelt, Hansjörg:
«Bald aber haben wir
diese Chance verpasst!».
Fragen zur Industrie-
archäologie in Liechten-
stein. In: Fabriklerleben.
Industriearchäologie und
Anthropologie. Hrsg.
Hansjörg Frommelt.
Vaduz, 1994, S. 37-45.
Frommelt (1995):
Frommelt, Hansjörg: Die
archäologischen Aus-
grabungen im Bereich der
abgegangenen Florins-
kapelle südlich vor dem
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Renovation Schädlerhaus.
Archäologische Ausgra-
bungen St. Florinsgasse,
Vaduz. Red. Peter Mündle.
Hrsg. Hochbauamt Vaduz.
Vaduz, 1995.
Frommelt (1996):
Frommelt, Hansjörg:
Kennen Sie Liechtenstein?
In: Eintracht. Heimat- und
Brauchtumspflege. Hrsg.
Liechtensteinische Trach-
tenvereinigung. Nr. 11,
Ostern 1996, S. 19.
Gstöhl; Vogt:
Gstöhl, David; Vogt, Paul:
Die Kapelle St. Peter und
das Turmhaus in Mäls. In:
Alte Bauten in Balzers.
Gedenkschrift zur Reno-
vation des Schulhauses
Unterm Schloss. Hrsg.
Gemeinde Balzers. Bal-
zers, o. J., S. 62-64.
JBL:
Jahrbuch des Historischen
Vereins für das Fürsten-
tum Liechtenstein. Vaduz.
LUB 1/1:
Perret, Franz: Liechten-
steinisches Urkundenbuch.
I. Teil. Von den Anfängen
bis zum Tod Bischof Hart-
manns von Werdenberg-
Sargans-Vaduz 1416. 1.
Band. Aus dem bischöf-
lichen Archiv zu Chur und
aus dem Archiv Pfävers in
St. Gallen. Vaduz, 1948.
Nachdruck 1973.
LVaterland:
Liechtensteiner Vaterland.
Zeitung für das Fürsten-
tum Liechtenstein - Mit
amtlichen Kundmachun-
gen. Vaduz.
LVolksblatt:
Liechtensteiner Volksblatt.
Amtliches Publikations-
organ. Schaan.
Ospelt (1988):
Ospelt, Alois: Vaduz vor
125 Jahren als unsere
Harmoniemusik gegründet
wurde ... In: 125 Jahre
Harmoniemusik Vaduz
1863-1988. Vaduz, 1988,
S. 9-34.
Pattyn (1994):
Pattyn, Michael: «... ge-
baute Geschichte künftigen
Generationen erhalten».
Technische Bauten und
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Industrialisierung im
Fürstentum Liechtenstein.
In: Fabriklerleben.
Industriearchäologie und
Anthropologie. Hrsg.
Hansjörg Frommelt.
Vaduz, 1994, S. 47-59.
Pattyn (1996):
Pattyn, Michael: Europa-
Tag des Denkmals 1996
im Fürstentum Liechten-
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S. 23.
Pepic (1996):
Pepic, Eva.- Die Frühmittel-
alter- und Mittelalter-
forschung in Liechtenstein
aus der Sicht der Archäo-
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im Fürstentum Liechten-
stein. Grundlagen und
Stand der Forschung im
Überblick. Referate, gehal-
ten an der Liechtensteini-
schen Historischen Tagung
vom 18. Februar 1995 in
Triesen (FL), veranstaltet
vom Historischen Lexikon
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tenstein (HLFL). Hrsg.
Arthur Brunhart. Zürich,
1996, S. 137-150.
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Kapelle St. Peter in Mäls.
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Gesellschaft für Schweize-
rische Kunstgeschichte.
Basel, 1950, S. 42-51.
Ratstube (1994):
Fabrikareal Jenny,
Spoerry & Cie., Vaduz.
Unterschutzstellung des
Fabrikensembles. In: Aus
der Ratstube - Gemeinde
Vaduz. Veröffentlichung
über die Gemeinschafts-
antennenanlage der Ge-
meinde Vaduz. Veröffent-
lichung an der Anschlag-
tafel beim Rathaus Vaduz.
Zustellung an die Abon-
nenten. 89. Sitzung des
Gemeinderats vom 5. Juli
1994.
Ratstube (1996/1):
Haus Herrengasse 30/32,
Gubserhaus. Renovation,
Technischer Bericht. In:
Aus der Ratstube - Ge-
meinde Vaduz. Veröffent-
lichung über die Gemein-
schaftsantennenanlage der
Gemeinde Vaduz. Ver-
öffentlichung an der An-
schlagtafel beim Rathaus
Vaduz. Zustellung an die
Abonnenten. 34. Sitzung
des Gemeinderats vom
4. Juni 1996.
282
DENKMALSCHUTZ IN LIECHTENSTEIN 1996
HANSJÖRG FROMMELT
Ratstube (1996/2):
Ehemalige Fabrikliegen-
schaft der Firma Jenny,
Spoerry & Cie., Vaduz. In:
Aus der Ratstube - Ge-
meinde Vaduz. Veröffent-
lichung über die Gemein-
schaftsantennenanlage der
Gemeinde Vaduz. Veröf-
fentlichung an der An-
schlagtafel beim Rathaus
Vaduz. Zustellung an die
Abonnenten. 36. Sitzung
des Gemeinderats vom
2. Juli 1996.
Rechenschaftsbericht
(1996):
Denkmalschutzkommis-
sion. In: Rechenschafts-
bericht 1996. Bericht des
Landtages. Rechenschafts-
bericht der Regierung an
den Hohen Landtag, o. J.,
o. 0., S. 247-249.
Rheinberger (1982):
Rheinberger, Rudolf: Moriz
Menzinger. In: JBL 82
(1982), S. 7-152.
Ruggell (1995):
Gemeinde Ruggell. Mit-
teilungen der Gemeinde-
verwaltung. Orientierung
Nr. 82. Mitte Oktober
1995.
Ruggell (1997):
Gemeinde Ruggell. Mit-
teilungen der Gemeinde-
verwaltung. Orientierung
Nr. 88. Mitte April 1997.
Sennhauser (1971):
Sennhauser, Hans Rudolf:
Kapelle St. Peter und
Turmhaus in Mäls. In: JBL
71 (1971), S. 5-40.
Triesen (1996):
Triesen. Informationen
und Mitteilungen aus der
Gemeinde. Ausgabe 119.
Jg. 28 (Mai 1996).
Vaduz Direkt (1996):
Vaduz Direkt. Informatio-
nen aus der Residenz.
Hrsg. Gemeinde Vaduz.
N. 3, März 1996.
ABBILDUNGSNACHWEIS
Abb. 1-12: Hansjörg From-
melt, Archäologie FL,
Triesen
Abb. 13: Peter Albertin,
Winterthur
ANSCHRIFT DES AUTORS
Hansjörg Frommelt
Landesverwaltung des
Fürstentums Liechtenstein
Archäologie
Messinastrasse 5
Postfach 417
FL-9495 Triesen
283
R E Z E N S I O N E N
Inhalt
«Aber der Architekt will bauen» 287
Ostarrichi - Österreich: 1000 Jahre -
1000 Welten 291
286
REZENSIONEN
«ABER DER ARCHITEKT WILL BAUEN»
«Aber der Architekt will bauen»
Das Autorenduo Andreas Bellasi und Ursula Riede- ANDREAS BELLASI,
rer hat sich einer Biographie angenommen, deren
Spuren heute noch in Liechtenstein lesbar sind.
Zwischen 1924 und 1974 entfaltete der deutsche
Architekt Ernst Sommerlad in Liechtenstein und
seiner Nachbarschaft eine enorme, zumal für das
Ortsbild von Vaduz prägende Bautätigkeit. Ein Ziel
der Autoren ist es, den lebensgeschichtlichen
Faden dieser am Tatort Vaduz vorab durch das
«Villenviertel» bekannten Existenz aufzunehmen.
Zugleich soll die Biographie des Architekten zeit-
geschichtliche Einblicke in den Lebensraum Liech-
tenstein eröffnen. Der Schwerpunkt wird hierbei
URSULA RIEDERER:
ALSLEBEN, ALIAS
SOMMERLAD. LIECHTEN-
STEIN, DIE SCHWEIZ
UND DAS REICH.
Zürich, Rotpunktverlag,
1997. 268 Seiten, CHF 36.-
ISBN 3-85869-138-0
auf die Vorkriegs- und Kriegszeit gelegt. Jene Zeit-
spanne also, in der sich Sommerlad einerseits
geschäftlich etablierte, zugleich zu einer von Ein-
heimischen beargwöhnten, vom Gewerbe gar an-
gefeindeten Figur wurde. Schliesslich gilt ein we-
sentliches Untersuchungsinteresse dem Verhältnis
Sommerlads zu den lokalen Machtträgern, zu den
liechtensteinischen und schweizerischen Behörden
ebenso wie zu den politischen Abgesandten seiner
Heimat, die ab 1933 nationalsozialistisch geführt
wurde und auch den Kleinstaat am Rhein nach-
haltig beschäftigte.
Unter den Vorzeichen des schwer lastenden Na-
tionalsozialismus begegnet uns also zunächst eine
politisch aufgemachte Biographie. Das Buchcover
verbindet hierzu geschickt Sommerlads zeitweili-
gen Decknamen «Alsleben» mit einem braunstichi-
gen HJ-Bild aus den liechtensteinischen Alpen.
Wieweit sich diese augenfällige Politisierung Som-
merlads triftig nachweisen lässt, was dabei über
Liechtenstein zu erfahren ist und wo schliesslich
die Architektur bleibt, lässt sich anhand der Lektü-
re genauer bestimmen.
287
EINE EIGENTÜMLICHE EMANZIPATION VOM NUTZEN UND NACHTEIL DER PROVINZ
Der Lebensweg des jungen Ernst Sommerlad bis
hin zu seiner Emigration ins unbekannte Liechten-
stein erweist sich im Buch als Bewegung weg von
den Epizentren des politischen Wahns und der
europäischen Unruhe. Geboren 1895, grossgewor-
den im wilhelminischen Reich, geht der Förster-
sohn Sommerlad durch Erfahrungen, die viele sei-
ner Generation, darunter auch seinen Bruder, zu
Anhängern eines starken «Hitlerdeutschland» wer-
den Hessen, Sommerlad zieht mit der neoroman-
tischen Jugendbewegung «Wandervogel», meldet
sich 1914 begeistert für den Dienst in einer Elite-
einheit, kämpft an allen Fronten, flieht aus franzö-
sischer Gefangenschaft und kehrt auf abenteuerli-
chen Wegen nach Deutschland zurück, wo er - an-
scheinend ohne grössere Blessuren - sein Hoch-
baustudium wieder aufnimmt.
Das Buch beschreibt einen wissbegierigen und
unternehmenslustigen Deutschen, der sich nicht
damit aufhielt, den Zusammenbruch des Kaiser-
reiches zu seiner persönlichen Ehrensache zu
machen. Nach dem nationalistischen Rausch des
Ersten Weltkrieges tritt Sommerlads politische Bin-
dung in den Hintergrund, andererseits ist sein Ver-
hältnis zu Obrigkeiten und Behörden von Wider-
setzlichkeit und Opportunismus bestimmt: Ein
falscher Pass auf den Namen «Alsleben», behörd-
lich abgesegnet, ermöglicht ihm 1921 bis 1924 die
Arbeitsaufnahme im französisch besetzten Mainz.
Viele Jahre später, während des Krieges, gefähr-
det eine amtliche Strafmassnahme, die Aberken-
nung seiner Staatsangehörigkeit durch die Natio-
nalsozialisten, seine berufliche und persönliche
Existenz. An empfindlicher Stelle bürokratisch
schikaniert, empört sich Sommerlad schliesslich
deutlich gegenüber jenem Regime, dessen Machen-
schaften ihm die längste Zeit über wenig durch-
sichtig und mithin auch weniger wichtig waren.
Sommerlads politisches Credo scheint in seiner
architektonischen Mission, dem Bekenntnis zum
praktisch-funktionalen Bauen fürs «niedere Volk»,
aufgehoben. Beflügelt von der rationellen Bauauf-
fassung der deutschen Bauhaus-Schule, den neuen
Kunstformen gegenüber aufgeschlossen, drängt es
Sommerlad zur Umsetzung seiner Architektur.
Warum und wie ihm dies ausgerechnet im Liech-
tenstein der Vorkriegszeit, einem katholisch-bäuer-
lichen Entwicklungsland, gelingt, macht das Buch
von Bellasi/Riederer über zahlreiche Passagen le-
senswert. Sommerlad trifft 1924 in Liechtenstein
ein und erhält im selben Jahr eine beschränkte
Gewerbekonzession - vor der Wirtschaftskrise und
den schweren politischen Spannungen der Dreissi-
gerjahre.
Der energiegeladene Jungarchitekt profitiert von
unerschlossenen und neu zu erschliessenden Bo-
den- und Geldquellen. Die Vorzeichen sind günstig,
denn das Land hat Kapitalbedarf und viel Brach-
land. Wohlhabende Neubürger kaufen sich ein,
suchen Steuervorteile und ein Gehäuse für ihren
gewohnten Lebensstil. Sommerlad baut modern
und elegant - vorerst nicht fürs einfache Volk. Der
Architekt schliesst mit Pionieren des Treuhandwe-
sens Allianzen, bietet Geldanlagen wie Häuser an.
Die Regierungschefs, Gustav Schädler wie Josef
Hoop, sind ihm gewogen. Allerdings lagen Gunst
und Missgunst nahe beieinander, und Sommerlad
scheint nicht ein Mann der versöhnlichen Worte
gewesen zu sein (dafür sei seine Frau Gertrud zu-
ständig gewesen. Auch ein biographisches Detail,
in dem viel Kultur-Geschichte steckt). Seit seinem
Auftreten in Liechtenstein wird der einzige Archi-
tekt im Land insbesondere von Gewerbetreibenden
beargwöhnt und angefeindet. In ihrer Sicht wird
Sommerlad zum Konkurrenten, Preisdrücker und
Ausländer, fremd in Bau- wie Lebensauffassung.
Bellasi/Riederer zeichnen Konfliktausdruck und
-mentalitäten im engen Liechtenstein nach, die
korrespondierenden Vorbehalte und Unkenntnisse:
«man kam sich gegenseitig exotisch vor.» Sommer-
lad entwarf seine Häuser für den Gebrauch durch
288
REZENSIONEN
«ABER DER ARCHITEKT WILL BAUEN»
ausländische Freizeit- und Stadtmenschen, ein
Schauspiel und eine verbotene Lockung für die
katholische Dorfbevölkerung. 1940 steigerte sich
der Gewerbekampf gegen den Architekten zum An-
suchen an die Regierung, Sommerlad «im Landes-
interesse» auszuweisen. Brisant war die Forderung
insofern, als sie sich mit einem von der deutschen
NSDAP-Ortsgruppe betriebenen Ausbürgerungs-
verfahren gegen Sommerlad traf. Ein Vorgang, von
dem laut Bellasi/Riederer sowohl die Gewerbe-
genossenschaft wie Regierungschef Hoop Kenntnis
hatten.
So aufschlussreich die Konfliktfelder im liech-
tensteinischen Filz geschildert werden, so vor-
schnell vereinfacht ist oft die politische Zuordnung,
die Bellasi/Riederer jenen «Grabenkämpfen» um
lokale Macht und Einfluss aufprägen wollen: Im
Ansuchen des Gewerbes schlage hemmungslos
«Nazi-Vokabular» durch, zwischen der lokalen
NSDAP und den Liechtensteinern wird eine «kon-
spirative Verstrickung» vermutet. Die Autoren ver-
einfachen unnötigerweise. Gewerbeleuten und
NSDAP mag eine Sanktion Sommerlads gelegen ge-
kommen sein. Allerdings aus unterschiedüchen
Motiven; das Gewerbe wollte den missliebigen
Deutschen «draussen» haben, die NSDAP suchte,
einen nicht beitrittswilligen Volksgenossen zu be-
strafen. Was im Buch nicht erwähnt wird, hier aber
von Belang wäre, ist das vorherrschende Interesse
von Gewerbeverband und dem NSDAP-Leiter und
Fabrikanten Friedrich Bock an einer guten Verbin-
dung zum schweizerischen, nicht zum deutschen
Wirtschaftsraum. Die Autoren gestehen ihrer
Hauptperson eine komplexere, widersprüchlichere
Interessenlage zu als den meisten seiner Gegner
und Förderer. Immerhin baute Sommerlad noch
1938 eine Villa für Bock und stand auf gutem Fuss
mit dem Vorarlberger Kreisleiter Hammerbacher.
Aus geschäftlichen Gründen. Renitent und un-
versöhnlich wurde Sommerlad, als die politische
Lautstärke und der Disziplinierungsanspruch der
NSDAP in sein unmittelbareres Umfeld dringt. Er
hält zu deren Ortsgruppe Distanz, beschwert sich
über öffentliche Nazi-Symbole. Dies blieb anschei-
nend nicht folgenlos: 1939 erhält der Architekt kei-
nen Heimatschein zur Passerneuerung mehr, 1943
wird ihm das Ausbürgerungsverfahren mitgeteilt,
das im Mai 1944 zum Abschluss kommt. Ab Januar
1944 habe sich Sommerlad dann geschämt, Bürger
eines solchen deutschen Staates zu sein, und habe
dies - so meinen die Autoren - wohl auch dem
deutschen Konsul in Zürich im August 1944 ins Ge-
sicht gesagt.
WENIG H E L D E N T U M
Sommerlads Rede und Empörung wider die orga-
nisierte nationalsozialistische Macht bleibt ein Akt
der Courage und des zivilen Aufbegehrens. Ob sie
als Gegenbild zum angeblich weitgehenden Mitläu-
fer- und Anpassertum der liechtensteinischen Re-
gierung und Bevölkerung taugen, ist fraglich. Nicht
nur weil Sommerlad seinen Widerstand weder po-
litisch austrug noch intellektuell ausführte. Auch
weil Bellasi und Riederers salopp formulierte Re-
cherche bei historischen Vorgängen und Akteuren
öfters ins Schleudern gerät. Falschangaben zu Per-
sonen und Ereignissen wie die Umbenennung des
deutschen Generalkonsuls Voigt in «Vogt» oder die
Rückdatierung von Stalingrad in den März 1942
sind hierbei noch das Geringste. Ärgerlich, weil
Proportionen verzerrend, sind vage und pauschale
Urteile zur damaligen Landespolitik. Den rechten
Parolen der Liechtensteiner Heimatdienst-Führung
etwa sei das halbe Land gefolgt. Tatsächlich er-
reichte eine von LHD und Volkspartei gemeinsam
getragene Volksinitiative 1935 keine 50 Prozent
der männlichen Wähler-Stimmen. Ähnliche Über-
treibungen finden sich in Bezug auf die örtlichen
Nationalsozialisten und ihre angeblich 500-köpfige
Gefolgschaft. Sommerlad war kein «Held», erinnert
sein Sohn Martin. Dieselbe Qualifikation gilt erst
recht für die damalige Landesregierung. Bellasi
und Riederer verweisen selbst auf die prekäre Lage
des «wehrlosen» Kleinstaates nach 1938 - von
schweizerischer wie deutscher Seite unter Druck
gesetzt. Mehr noch als für den undiplomatischen
Architekten galt für die Regierung, sich gegenüber
jenen Mächten, von denen die Existenz des Landes
289
abhing, gut zu stellen. Während nach aussen Be-
schwichtigungsdiplomatie gepflogen und um Rück-
sicht auf die kleinstaatlichen Verhältnisse gebeten
wurde, kam es im Inneren zum Aufbau patrioti-
scher Instanzen - in Personen, Symbolen und Ver-
einigungen. Bellasi/Riederer erwähnen ihrerseits
das Auftreten von Regierungsrat Frommelt gegen-
über den Putschisten 1939 und den deutlich patrio-
tischen Akzent der Fürstenhochzeit 1943 - umso
unverständlicher und unnötiger sind Zwischentitel
wie «Viel Anpassung und kein Widerstand».
ANSCHRIFT DES AUTORS
Mag. Jürgen Schremser
Pradafant 24
FL-9490 Vaduz
290
REZENSIONEN
OSTARRICHI - ÖSTERREICH: 1000 JAHRE - 1000 WELTEN»
Ostarrichi - Österreich:
1000 Jahre - 1000 Welten
Warum ist es nötig, 1000 Jahre Österreich zu fei-
ern, sollen und können Historikerinnen und Histo-
riker einen Beitrag dazu leisten? Diese Fragen
stellt der Herausgeber im Vorwort (S. 7-9) des
vorliegenden Bandes, der aus Vorträgen der Inns-
brucker Historikergespräche anlässlich der Millen-
niumfeier entstand.
An kritischen, reflektierenden Wortmeldungen
fehlt es in den Beiträgen nicht, wenn auch manch-
mal der Bezug zur Thematik der Vielfalt verschie-
denster Forschungsansätze weicht. Im folgenden
sollen besonders jene Beiträge etwas eingehender
besprochen werden, die eine konkrete Auseinan-
dersetzung mit der anlässlich des Jubiläums auf-
gestellten Fragestellungen erkennen lassen und
dazu anregen, Millenniumfestlichkeiten oder ähnli-
che Anlässe zu hinterfragen. Einige Gedanken in
diesen Vorträgen beziehungsweise Aufsätzen kor-
respondieren sehr schön. Es lassen sich themen-
überspannende Bezüge herstellen, die dieses Buch
grösstenteils zu einem lehrreichen Lesevergnügen
machen.
Wozu dienen Gedenken, Feiern, historische
Rückbesinnungen oder Denkmaleinweihungen? Sie
haben «nicht den Zweck, an ein besonderes Ereig-
nis zu erinnern, sondern fast ausschließlich nur
den, Identität, d. h. Gemeinsamkeit, die man als
Teil seiner Selbst empfindet, herzustellen» (S. 39).
In seinem Beitrag «Über Sinn und Unsinn identifi-
kationsstiftender Rituale» (S. 39-61) versucht Chri-
stof Ulf diese Behauptung mittels Beispielen aus
der soziologischen, ethnologischen und histori-
schen Forschung zu untermauern und den Begriff
Identität genauer zu fassen, um zu einer sehr kriti-
schen Betrachtungsweise menschlicher Verhaltens-
weisen zu kommen. Wenn der Sophist Protagoras
von Abdera mit seinem «Homo-mensura-Satz»
Recht hat und die Wirklichkeit, wie sie der Mensch
zu erfassen vermag, eine Konstruktion des Men-
schen selbst ist, kann auch eine empfundene Iden-
tität «nichts in der Realität Vorgegebenes sein»
(S. 40). Umgekehrt ist der Mensch ein auf Gemein-
schaft bezogenes Wesen - seine eigene erschaffene
Wirklichkeit steht demzufolge zu mehreren ge-
meinschaftsüberspannenden Identitäten im Wider-
:h
1000 Jahre
I.W. Kuprian (HrgO
- Österreich
- 1000 Welten
Innsbrucker Historikergespräche 1996
OSTARRICHI - OSTER-
REICH: 1000 J A H R E -
1000 WELTEN. INNS-
BRUCKER HISTORIKER-
GESPRÄCHE 1996.
Hrsg. von Hermann J. W.
Kuprian. StudienVerlag
Innsbruck-Wien, 1997.
294 Seiten, CHF 38.-
ISBN 3-7065-1207-6
291
spruch. Die Identität scheint nicht etwas Gleich-
bleibendes, Individuelles zu sein, sie ist, wie der
Autor anhand einiger amüsanter Beispiele zeigt,
ein «soziales Phänomen bzw. <soziogen>» (S. 41).
Ausgehend von der Familie, deren Identität ebenso
keine automatisch vorgegebene ist - wie ein Blick
in die verschiedensten Gesellschaften und deren
Verwandtschaftsstrukturen lehrt - , erhalten Men-
schen mit jeder sozialen Gruppe, in die sie mit
zunehmendem Alter hineinwachsen oder der sie
sich anschliessen, neue Identitäten - ein «Wir-Be-
wusstsein» entsteht, das sich in Zugehörigkeits-
merkmalen wie Sprache, Kleidung und Grundsät-
zen jeglicher Art ausdrückt. Die Schlussfolgerung,
die daraus gezogen werden muss, ist, dass Not-
wendigkeit und Nutzen der Identität also in der Zu-
gehörigkeit zu einer Gruppe und gleichzeitig im
Erwerb eines «als Einzelindividuum sonst nicht
erreichbaren Maßes an Rückhalt», Akzeptanz und
Sicherheit liegen (S. 46). Diese Vorteile werden
markiert, etwa durch Aufnahmekriterien oder Ein-
trittsrituale (Initiationen). Die neue Identität unter-
liegt somit einer Kennzeichnung, sie konstituiert
sich durch die Abgrenzung zu anderen, fremden
und oft beängstigenden Identitäten, die miteinan-
der häufig konkurrieren. Gefahren bedingen eine
höhere Bereitschaft, sich umfassenden Identitäten
anzuschliessen, die Geborgenheit und Schutz bie-
ten. Demgegenüber steigt jedoch auch der Auf-
wand überproportional an, fehlende soziale Nähe
mit Identitäten zu füllen, wie Ulf anhand des aus-
führlich diskutierten Beispiels Hawaii zeigt. Für
eine Neuorientierung innerhalb der eigenen Gesell-
schaft kann auch eine Identität zugunsten einer an-
deren aufgegeben werden, Beispiele dafür finden
sich etwa in «politischen Kreisen», am Beispiel des
Klansystems auf Papua-Neuguinea gut nachzuvoll-
ziehen. Das Verhältnis der Identität von Individuen
zu den jeweils umfassenderen Identitäten ist ein
ungleiches - sich einer grösseren Identität anzu-
schliessen, «bedeutet die Reduktion der Eigeniden-
tität» (S. 51). Diese Spannung wird virulent, wenn
Vorteile der grösseren Identität nicht mehr als sol-
che empfunden werden und die Eigenidentität als
eine Art Gegenidentität auftreten muss - eine Reak-
tion, der durch identitätsstiftende Rituale und zu-
sammenhaltende Verhaltensmuster von Seiten
grösserer Einheiten entgegengesteuert wird. Ulf
führt eine bewusst gesteuerte, identifikationsstif-
tende Mythenbildung am Beispiel des Adoptivsoh-
nes Julius Casars, Gaius Octavius - Augustus vor.
Um «das kollektive Gedächtnis als ein österrei-
chisches Rituell zu stabilisieren bzw. zu erneuern»
(S. 57), bedient sich das demokratische Österreich
mit einer erst in der zweiten Republik neudefi-
nierten Identität einer 1000-jährigen staatlichen
Existenz nicht einer Rückbesinnung auf eventuell
als verfänglich empfundene Identiäten - auf die
Babenberger-, Habsburger-Ära oder gar zeitge-
schichtlich noch näher liegenden Ereignisse (Aus-
trofaschismus), sondern stellt die eher unverfäng-
liche Ostarrichi-Urkunde in den Mittelpunkt. Josef
Riedmann verweist in diesem Zusammenhang in
seinem Beitrag «Der <Taufschein> Österreichs.
Die Ostarrichi-Urkunde vom 1. November 996»
(S. 19-38) mittels kritischer Quellenanalyse an-
hand der originalen Urkunde (Diplomatik) und
ihrer Einordnung in den historischen Kontext, dar-
auf, dass eine übersteigerte Rückprojektion von
Eigenständigkeit und Unabhängigkeit Österreichs
in ferne Perioden des Mittelalters den historischen
Sachverhalt verfälscht, da «derartige Verhältnisse
als anachronistisch zu bezeichnen sind» (S. 36).
Auch Brigitte Mazohl-Wallnig kommt zu einem
ähnlichen Schluss, wie bereits für Ulf in bezug
auf eine österreichische Identität und für Josef
Riedmann bezüglich des historischen Kontextes
zur Ostarrichi-Urkunde zitiert wurde. «<Österrei-
chische Geschichte> ist als Begriff ein Anachronis-
mus, auch wenn 1996 landesweit seine tausend-
jährige Existenz zelebriert wurde, österre ichische
Geschichte) hat als wissenschaftliche Disziplin die
gezielte <nationale> Staatsbildung und deren histo-
rische Legitimierung durch entsprechende wissen-
schaftliche Einrichtungen zur Voraussetzung ge-
habt. Erst durch sie wurde der Begriff <Österreich>
und <österreichisch> bedenkenlos auf frühere Jahr-
hunderte übertragen - und gleichzeitig das Fach
geschaffen, das heute gezwungen ist, über seinen
Gegenstand nachzudenken» (S. 17 f.).
292
REZENSIONEN
OSTARRICHI - ÖSTERREICH: 1000 JAHRE - 1000 WELTEN»
Eine Überlegung, die in mehreren Beiträgen
zum Ausdruck kommt, betrifft das Verhältnis zwi-
schen dem übergeordneten Europa und Österreich.
Stellt man, wie Ulf zu bedenken gibt, die umfassen-
de europäische Identität der österreichischen ge-
genüber, scheint die Millenniumfeier fast anachro-
nistisch. Brigitte Mazohl-Wallnig steht in ihrem
Beitrag «Das Fach Österreichische Geschichte).
Überlegungen zum Selbstverständnis einer wissen-
schaftlichen Disziplin» (S. 11-18) argumentativ in
der Tradition berühmter Vorgänger (Adam Wand-
ruszka, Hugo Hantsch, Otto Brunner): Sowohl ein
internationales Interesse, etwa in Forschungszen-
tren an amerikanischen Universitäten, als auch
eine starke europäische Zuwendung zu österreichi-
schen Themen bei französischen, angelsächsischen
und italienischen Historikern sei spürbar. Darüber
hinaus «besonders gross ist die Faszination für
Österreich in den Nachfolgestaaten der ehemals
habsburgischen Monarchie, welche in der ös te r -
reichischem ja ihre eigene Geschichte wiederfin-
den» (S. 11 f.). Aufgrund des verstärkten Bewusst-
seins für globale Zusammenhänge von Geschichte
und Gegenwart erweist sich zudem die Aktualität
der österreichischen Geschichte als Geschichte
eines Vielvölkerstaates heute unter gewandelten
internationalen Bedingungen zunehmend als eine
Art Vergleichsmodell sowohl für die historische
Integration als auch Desintegration und zur Theo-
rie des Nationalismus. Der Legitimierungsdruck
insbesonders österreichischer Historiker führt zu
einer verstärkten Reflexion ihres Fachs und Tuns -
ihr Gegenstand «Österreich) ist als geographisch-
historisch-politischer Begriff der Vergangenheit je-
weils unterschiedlich zu definieren und daher nur
von der Optik der Gegenwart aus klar begrenzbar»
(S. 13). Durch alle Rechtfertigungsversuche von
österreichischer Geschichte zieht sich die europäi-
sche Dimension des Faches, wie auch zum Beispiel
in der Überwindung der bewussten Abgrenzung
zwischen einer österreichischen und deutschen Ge-
schichte.
Der Beitrag von Robert Rollinger «Zum Räter-
bild der Vorarlberger Landesgeschichtsschreibung.
Dargestellt an ausgewählten Beispielen» (S. 179-
242) soll aus zwei Gründen besonders ausführlich
besprochen werden: Einerseits wollen, wie Robert
Rollinger selbst erklärt, «seine Ausführungen im
Rahmen der Vortragsreihe <Ostarrichi - Österreich.
1000 Jahre - 1000 Welten) eine dieser Welten an
einem ganz konkreten Beispiel vor Augen führen
und so den Moment der identitätsstiftenden Suche
im Rückblick auf die eigene Vergangenheit anhand
eines spezifischen Geschichtbildes veranschauli-
chen» (S. 179). Andererseits steht das Thema in
einem gerade für die Liechtensteiner Leserinnen
und Leser besonderen geographischen Interes-
sensgebiet.
In einem mit vielen sehr gut dokumentierten
Zitaten angereicherten Überblick zeichnet Rollin-
ger das Räterbild in der landesgeschichtlichen For-
schung Vorarlbergs im Laufe der letzten 200 Jahre.
Ausgehend vom 1971 erschienenen Werk Benedikt
Bilgeris zur Landesgeschichte Vorarlbergs versucht
er, dessen starken lokalpatriotischen Standpunkt
hinsichtlich eines idealisierenden, identifikations-
stiftenden Räterbildes zu hinterfragen. Er zeigt,
dass dieses Muster auf ältere Traditionen zurück-
geführt werden kann - Traditionen, in denen
besonders der zeithistorische Kontext und die Per-
sönlichkeit der Autoren eine besondere Rolle spie-
len. Mit diesem Identifikationsmuster mittranspor-
tiert werden auch verschiedenste, das Umfeld der
Räter betreffende, «Nachbarthemen», wie der rö-
mische Alpenfeldzug 1 (durch oder an Vorarlberg
vorbei), das Verhältnis zu den Römern, zu den Kel-
ten und Alamannen. Rollinger arbeitet zwei Phasen
in der Auseinandersetzung mit der ur- und frühge-
schichtlichen Vergangenheit heraus, die sich durch
ein deutlich idealisierendes Räterbild mit markan-
ten Identifizierungsmustern auszeichnen. Der an-
gesprochene Zeitraum mit dem Kreis um Bilgeri
1) Vgl. schon Robert Rollinger: Zog Drusus auf seinem Weg durch
die Alpen im Jahre 15 v. Chr. durch das Montafon? oder: Notizen
zu einer «Alten Geschichte» des Tales am Oberlauf der III, in:
Montafon. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart. Festschrift für
Frau Eleonore Schönborn zum 75. Geburtstag, hrsg. von Andreas
Rudigier und Peter Strasser, Bludenzer Geschichtsblätter. Heft
24-26. Bludenz, 1995. 213-230.
293
kann «nur in einer zeitlich verzögerten Abkehr von
jenen Geschichtbildern gesehen werden, wie sie
vor 1945 vertreten wurden», (S. 226 f.) einer Ab-
kehr von der germanischen, alamannischen Ideo-
logie mittels der Rückbesinnung und tagespoliti-
schen Betonung einer Eigenständigkeit Vorarlbergs
gegenüber Restösterreich. Den zweiten Zeitraum
einer idealisierenden rätischen Darstellung setzt
Rollinger etwa zwischen 1799 und dem Erscheinen
von Franz Josef Weizeneggers (bzw. Meinrad Mer-
kles) Landesgeschichte an (1839). Der historische
Hintergrund des Zweiten Koalitionskrieges, des ge-
lungenen Abwehrkampfes gegen die Franzosen bei
Feldkirch und die Betonung von Eigenständigkeit
auf Verwaltungsebene helfen, die Identifikation des
Vorarlberger Volkscharakters mit Eigenschaften
wie Freiheitsliebe, Wehrtüchtigkeit, Abwehrkampf
und Zähigkeit direkt mit den urgeschichtlichen Rä-
tern zu verknüpfen und auf diese zurückzuführen.
Diese Räterideologie ist in beiden Fällen immer
gepaart mit der Germanen- oder Aiamannenideo-
logie, die entweder dominierend, gleichwertig oder
- und das ist ein wesentlicher Punkt, den Rollinger
äusserst scharf herausstellen kann - beliebig aus-
tauschbar war.
Zwischen diesen beiden Zeiträumen stellt der
Autor nicht nur eine deutliche Distanzierung zur
Räterideologie im landesgeschichtlichen Bewusst-
sein fest, sondern arbeitet auch anhand vieler Bei-
spiele die Ausbildung der Alamannenideologie vor
dem Ersten Weltkrieg und der Zwischenkriegszeit
heraus. Zum einen werden die Räter mit den Kel-
ten gleichgesetzt oder als Volk unter vielen geschil-
dert, zum anderen ihre Charaktereigenschaften auf
die Alamannen übertragen. Rollinger erkennt in
dieser Phase jedoch noch marginale Restbestände,
in denen die Vorstellung eines ehrwürdigen Volkes
durchschimmert, als «Indiz für eine gewisse Ver-
bundenheit mit den vorrömischen Alpenbewoh-
nern» (S. 228). Die Tugenden, die den Rätern zuge-
schrieben worden waren, sind nun fest verknüpft
mit den Alamannen: Freiheitsliebe und fester Wil-
le, sich jeglicher Unterwerfung entgegenzustellen.
Auslösende Faktoren, die diese gegenüber der frü-
heren Zeit veränderte Darstellung der ur- und früh-
geschichtlichen Verhältnisse in Vorarlberg bewirk-
ten, können im Antagonismus zu Tirol gesehen
werden, deren Träger besonders im liberalen Gross-
bürgertum gewesen zu sein scheinen (beispiels-
weise Samuel Jenny und John Sholto Douglas,
deren protestantische Weltanschauung besonders
hinsichtlich der Förderung ihres Glaubens sich
vom Tiroler Klerikalismus abgrenzen musste). Die
in Tirol zu dieser Zeit besonders forcierte Räter-
vorstellung, wurde für die Identifikationsstiftung
eines eigenständigen Vorarlberg inakzeptabel, um-
gekehrt konnte der Blickwinkel aber dadurch er-
weitert und der Alpenraum zur Gänze in die Be-
trachtung miteinbezogen werden. Nicht mehr die
Räter waren sinnstiftend, sondern der heimatliche
Boden - wie Rollinger sehr deutlich darstellt, führte
daher Drusus in der zeitgenössischen Darstellung
seine Männer wieder über Vorarlberger Boden,
und als Motiv für den Alpenfeldzug wich das Bild
eines Straffeldzuges dem Zugeständnis an die Rö-
mer, einer übergeordneten Strategie gemäss ge-
handelt zu haben. Daran anschliessend bekamen
die Kelten eine protogermanische Seele und die
Alamannenideologie wurde ausgebaut - die Iden-
titätsstiftung erfuhr eine chronologische Verschie-
bung und erhielt besonders in der Zwischenkriegs-
zeit eine stark rassische Orientierung (Isidor Flüri,
Düringer). Auch hier stellt Rollinger neben diesen
gut erkennbaren Tendenzen verschiedene Nuancen
aufgrund der Persönlichkeit der Autoren und der
zeitbedingten Muster heraus. Hinsichtlich der iden-
tifikationsstiftenden Rolle der Räter stellt Rollinger
resümierend fest: «Die Räter sind zum Träger stan-
dardisierter, ideologisch besetzter Vorstellungen
geworden, von denen sie sich bis heute kaum be-
freien konnten» (S. 231).
Klaus Brandstätter bespricht in seinem Beitrag
«Heiligenkulte im Dienste der Politik. Die öster-
reichischen Heiligen Leopold und Koloman» (S. 63-
83). Heilige stellen im Mittelalter ein besonderes
Instrumentarium dar, um das Bewusstsein einer ei-
genen Identität oder einer Legitimation aufzubauen
und zu erhalten. Besonders wichtig war es für
Herrscherlinien, in der Nähe der Heiligen zu ste-
hen. Die eher bescheidenen Versuche, mit Hilfe
294
REZENSIONEN
OSTARRICHI - ÖSTERREICH: 1000 JAHRE - 1000 WELTEN»
einer verwandtschaftlichen Verbindung oder eines
Heiligenkultes in Österreich eine Kontinuität zwi-
schen Babenbergern und Habsburgern herzustel-
len, werden von Brandstätter diskutiert.
Franz Mathis präsentiert zehn Thesen zur Frage
«Wie <österreichisch> ist die österreichische Wirt-
schaftsgeschichte?» (S. 165-178), von denen die
beiden letzten als eine Art Resümee gelten können:
Die österreichische Wirtschaftsgeschichte ist im
wesentlichen der mitteleuropäischen Entwicklung
gefolgt und «nur insofern (österreichisch), als sie
auf einem Gebiet stattfand, das aus dem Herr-
schaftskomplex einer Dynastie übrigblieb, deren
Länder im Laufe der Zeit zusehends als öster-
reichisch bezeichnet wurden» (S. 178).
Im letzten Beitrag in dieser Sammlung von Go-
dehard Kipp «Die Antike als Norm. Historisch-kri-
tische Überlegungen zum Rekurs auf das grie-
chisch-römische Altertum in der Abtreibungsde-
batte» (S. 243-288) zeigt der Autor anhand eines
äusserst sensibel und detailliert dargestellten Bei-
spiels die Problematik, mit Geschichte zu argumen-
tieren, um spätere Verhältnisse zu legitimieren. Die
grosse Gefahr, dabei historische Sachverhalte zu
verfälschen beziehungsweise heutige Rahmenbe-
dingungen auf die Vergangenheit zu legen, wird
durch Godehard Kipp sehr beispielreich darge-
stellt - der Beitrag würde daher eine eigene Be-
sprechung verlangen.
Weitere Beiträge: Sabine Weiss «<Habsburgs ver-
kaufte Töchter). Österreichs Aussenpolitik in zarten
Händen» (S. 85-115). - Heinz Noflatscher «Bilanz
einer Halbzeit. Bildung und Politik um 1500 in
Österreich» (S. 117-145). - Marianne Zörner «Das
österreichische Geld- und Kreditwesen von der
Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1938» (S. 147-164).
ANSCHRIFT DER
AUTORIN
Mag. Lisa Noggler
Schönbrunner Strasse
140/2/9
A-1120 Wien
295
JAHRESBERICHT
DES HISTORISCHEN
VEREINS FÜR DAS
FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
Inhalt
Tätigkeitsbericht des Vereins pro 1996 299
Jahresrechnung des Vereins pro 1996 308
Archäologie: Tätigkeitsbericht 1996 313
Liechtensteiner Namenbuch:
Tätigkeitsbericht 1996 321
Historisches Lexikon für das Fürstentum
Liechtenstein: Tätigkeitsbericht 1996 325
298
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
Tätigkeitsbericht des Vereins
pro 1996
Das Jahr 1996 war geprägt durch wichtige Neue-
rungen. An der Jahresversammlung in Planken
wurden ein neuer Vereinsvorsitzender und drei
neue Vorstandsmitglieder gewählt. Deshalb ist
auch die Berichterstattung über diese Versamm-
lung recht ausführlich. Einen wichtigen Raum im
Jahresbericht 1996 nehmen aber auch die geson-
derten Berichte der einzelnen wissenschaftlichen
Projekte, deren Trägerschaft der Historische Verein
inne hat, ein. Alle Berichte beziehen sich auf das
Kalenderjahr 1996, lediglich bei der Ermittlung des
Mitgliederbestandes werden die Veränderungen er-
fasst, die seit der letzten Jahresversammlung bis
zum Zeitpunkt der Genehmigung des Jahresberich-
tes durch den Vereinsvorstand eingetreten sind.
JAHRESVERSAMMLUNG
Die 95. Jahresversammlung wurde am Samstag,
den 25. Mai 1996 im Hotel Saroja in Planken
durchgeführt. Es war dies das erste Mal in der fast
hundertjährigen Geschichte unseres Vereins, dass
er seine Jahresversammlung in der kleinsten Ge-
meinde Liechtensteins abgehalten hat. Der Ver-
einsvorsitzende Dr. Alois Ospelt eröffnete pünktlich
um 15.30 Uhr die Jahresversammlung. Noch vor
der offiziellen Begrüssung machte er einen kleinen
Exkurs in die Geschichte des Dorfes Planken:
«Planken wird urkundlich erstmals 1361 im Zu-
sammenhang mit dem Kauf der Alpe Guschg durch
Schaan erwähnt. Vermutlich gegen Ende des 13.
Jahrhunderts besiedelten eingewanderte Walser
das Dorfgebiet. Es dürfte aber schon früher durch
die in Schaan und Vaduz ansässige romanisch
sprechende Bevölkerung gerodet worden sein. Der
Ortsname, abgeleitet vom romanischen Wort
plaunca, das etwa Halde bedeutet, lässt darauf
schliessen. Zusammen mit Schaan und Vaduz hatte
Planken gemeinsamen Allmendbesitz. Erst zu Be-
ginn des 19. Jahrhunderts wurden die gemeinsa-
men Wälder, Riede und Weiden zwischen den drei
Ortschaften aufgeteilt. Die heutigen Gemeindegren-
zen und die eigenartigen Schaaner und Vaduzer
Gebietsexklaven sind damals entstanden.
Landvogt Josef Schuppler beschrieb 1815 Plan-
ken wie folgt: <... ein kleines nach Schaan einge-
pfarrtes, zwischen Nendeln und Schaan auf halber
Berghöhe östlich ober der Strasse liegendes Dörf-
chen von 33 Haushaltungen und 129 Einwohnern
mit einer Filialkirche, worin vom Schaaner Pfarrer
jährlich 26 mal Messe gelesen wird. / Die Bewoh-
ner leben so wie die Triesenberger lediglich von
der Viehzucht, weil nebst weniger Sommergerste
und Erdäpfeln keine anderen Feldfrüchte gebaut
werden. Die Lage ist hier für Baumfrüchte, vorzüg-
lich für Steinobst, das in Menge wächst, zuträglich,
daher der Obstertrag auch keine unbedeutende
Nahrungsquelle des Örtchens ist. Die hier wohnen-
den Untertanen sind die häuslichsten und wohlha-
bendsten des Landes; sie werden nicht so wie die
in anderen Gemeinden von Schulden gedrückt und
haben einen zum Heuwachs sehr gut geeigneten
Boden. Zur Sommerung des Viehes liegt gerade ob
dem Orte in der Anhöhe ihre Alp, Gafadura ge-
nannt. / Die Lebensweise ist fast jene vom Triesen-
berge, weil auch sie mit ihrem Viehe von einem
Stall zum andern wandern.) - Soweit Schupplers
Beschreibung von Planken, die auch noch die fol-
genden Jahrzehnte weitgehend gültig blieb.
Nach dem Ersten Weltkrieg geriet Planken in
eine unheilvolle Entwicklung. Die landwirtschaftli-
chen Bodenreserven waren bis zum Letzten ge-
nutzt, die Bodenzerstückelung war weit fortge-
schritten. Zahlreiche Plankner wanderten in die
Talgemeinden ab. Die Ortschaft drohte auszuster-
ben. Erst die in den 1950-er Jahren begonnene Ge-
samtmelioration des Gemeindegebiets und die auf-
kommende Motorisierung brachten eine Wende.
Planken entwickelte sich zur attraktiven, prospe-
rierenden und wohlhabenden Wohngemeinde von
heute mit etwas über 300 Einwohnern.»
Nach diesem Einblick in die geschichtliche Ent-
wicklung des Versammlungsortes Planken begrüs-
ste der Vereinsvorsitzende Dr. Alois Ospelt die an-
wesenden Gäste und Vereinsmitglieder. Eine
besonderer Willkommensgruss entbot er den Ver-
treterinnen und Vertretern unserer Landesbehör-
den, namentlich an Regierungsrätin und Kulturmi-
nisterin Dr. Andrea Willi, sowie den anwesenden
299
Mitgliedern des Hohen Landtags. Ebenso begrüsste
er die Vertreter der liechtensteinischen Gemein-
den, insbesondere die Mitglieder des Gemeindera-
tes von Planken. Erfreut äusserte sich Dr. Alois
Ospelt auch über die Anwesenheit der geschätzten
Ehrenmitglieder sowie der Freunde unseres Ver-
eins aus der schweizerischen und österreichischen
Nachbarschaft. Einen herzlichen Willkommens-
gruss richtete er an die Vertreter der Presse sowie -
nicht zuletzt - auch an die Referentin der heutigen
Versammlung, Frau lic. phil. Eva Pepic. Leider
konnten einige der geladenen Gäste der Jahresver-
sammlung nicht beiwohnen. So mussten sich S. D.
Fürst Hans-Adam II. sowie der Plankner Vorsteher
Eugen Beck entschuldigen.
Die folgenden protokollarischen Geschäfte wur-
den sodann zügig in Angriff genommen. Das Proto-
koll der Jahresversammlung vom 29. April 1995 im
Gemeindesaal Ruggell wurde von Aktuar Dr. Ru-
pert Quaderer verlesen und sodann einstimmig ge-
nehmigt. Der Jahresbericht des Historischen Ver-
eins, der neben der eigentlichen Vereinschronik die
Jahresrechnung sowie die Tätigkeitsberichte der
drei grösseren wissenschaftlichen Projekte und In-
stitutionen, für die unser Verein die Trägerschaft
inne hat, beinhaltet, wurde bereits der Einladung
zur Jahresversammlung beigelegt. Deshalb konnte
auf eine nochmalige Lesung dieser Berichte ver-
zichtet werden. Diese Berichte wurden sodann von
den anwesenden Vereinsmitgliedern einstimmig
genehmigt.
Im Zusammenhang mit dem Jahresbericht er-
teilte Dr. Alois Ospelt dem Verlagsbeauftragten und
Jahrbuch-Redaktor Robert Allgäuer das Wort. Die-
ser berichtete über die verlegerische Tätigkeit des
Vereins im abgelaufenen Geschäftsjahr und stellte
das neu erschienene Jahrbuch Band 93 inhaltlich
vor. (Dazu mehr im Kapitel «Jahrbuch und andere
Publikationen im Selbstverlag des Historischen
Vereins».) Ein besonderes Dankeschön richtete da-
bei Robert Allgäuer an Frau Silvia Ruppen, die wie-
derum für die graphische Gestaltung des Jahrbu-
ches verantwortlich zeichnete.
Anschliessend schritt die Jahresversammlung
zur definitiven Aufnahme von 25 neuen Mitglie-
dern. Insgesamt musste auch der Tod von 18 Ver-
einsmitgliedern beklagt werden. Die Anwesenden
erhoben sich kurz zum ehrenden Andenken an die
verstorbenen Vereinsmitglieder.
Der Vereinsvorsitzende Dr. Alois Ospelt bedank-
te sich sodann für die von den Landesbehörden,
Landtag und Regierung, immer wieder grosszügig
gewährte finanzielle Unterstützung für den Histori-
schen Verein. Diese staatlichen Mittel erlaubten es
dem Verein, die Trägerschaft für die verschiedenen
wissenschaftlichen Projekte und Dienste zu über-
nehmen. Es sind auch staatliche Verwaltungsko-
stenbeiträge, welche ihm die Führung einer eige-
nen Geschäftsstelle erlauben. Ebenfalls könne das
Historische Jahrbuch auch nur Dank des Landes-
beitrags in der anerkannt qualitätvollen Austattung
erscheinen. Der Vereinsvorsitzende schloss seinen
Dank an die staatlichen Behörden ab mit den Wor-
ten: «Gerade heute, da in den öffentlichen Flaushal-
ten überall gespart wird, verdient die staatliche Un-
terstützung unseres Vereins besonderen Dank und
öffentliche Anerkennung». Für die zum Teil nahm-
haften Unterstützungsbeiträge bedankte sich Dr.
Alois Ospelt auch bei den liechtensteinischen Ge-
meinden und bei allen privaten Gönnerinnen und
Gönnern. Die grösseren Spenden sind auch explizit
in der Jahresrechnung aufgelistet, die von Kassier
lic. phil. Norbert W. Hasler erläutert und schliess-
lich von den anwesenden Vereinsmitgliedern ein-
stimmig gutgeheissen wurde.
Seinen öffentlichen Dank richtete der Vereins-
vorsitzende Dr. Alois Ospelt auch an alle Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter, die im Berichtsjahr für
die verschiedenen vom Historischen Verein getra-
genen Projekte tätig waren und sich verantwor-
tungsbewusst der historischen Forschung widme-
ten. Er erwähnte dabei namentlich nur die für die
wissenschaftliche Leitung verantwortlichen Perso-
nen: Frau lic. phil. Eva Pepic und Herrn Hansjörg
Frommelt für die Archäologie, Herrn lic. phil. Ar-
thur Brunhart für das Historische Lexikon, Herrn
Prof. Dr. Hans Stricker für das Liechtensteiner Na-
menbuch, Herrn Prof. Dr. Otto Clavadetscher für
das Liechtensteinische Urkundenbuch sowie Herrn
Prof. Dr. Eugen Gabriel für den Sprachatlas. Ein
300
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
spezielles Dankeschön richtete der Vereinsvorsit-
zende Dr. Alois Ospelt auch an seine Kollegin und
an seine Kollegen im Vereinsvorstand für die stets
angenehme und von gutem Geist getragene Zusam-
menarbeit.
Ein weiterer Traktandenpunkt war die Festset-
zung des Jahresbeitrags. Die anwesenden Vereins-
mitglieder stimmten dem Vorschlag des Vorstandes
einhellig zu, die Jahresbeiträge auch für 1996
wie folgt festzusetzen: für Kollektivmitglieder CHF
150-, für Einzelmitglieder CHF 75 - sowie CHF
40 - für Studentinnen und Studenten.
Die obigen Dankesworte von Dr. Alois Ospelt wa-
ren zugleich seine Abschiedsworte in seiner Funk-
tion als Vereinsvorsitzender; denn die Amtszeit des
alten Vorstandes war zu Ende gegangen und es
musste folglich ein neuer Vereinsvorstand gewählt
werden. Nach zehnjähriger Präsidentschaft trat
nun der bisherige Vereinsvorsitzende Dr. Alois Os-
pelt von seinem Amt zurück. Ebenfalls erklärten
die bisherigen Vorstandsmitglieder Dr. Georg Malin
und Fürstlicher Rat Robert Allgäuer ihren Rücktritt
aus dem Vereinsvorstand.
Dr. Georg Malin ergriff anschliessend das Wort,
um die zehnjährige Präsidentschaft von Dr. Alois
Ospelt zu würdigen. Dabei wies er auf die ver-
schiedenen wissenschaftlichen Projekte hin, die
unter der Präsidentschaft von Dr. Alois Ospelt ins
Leben gerufen wurden und die seither vom Histo-
rischen Verein getragen werden: So hatte im Jah-
re 1981 der Historische Verein die Trägerschaft
zur Schaffung eines Liechtensteinischen Namen-
buches übernommen und im Jahre 1987 began-
nen erste Projektierungsarbeiten zur Schaffung
eines Historischen Lexikons für das Fürstentum
Liechtenstein. Ebenfalls unter der Präsidentschaft
von Dr. Alois Ospelt konnte das Historische Jahr-
buch in einem neuen Erscheinungsbild (ab Band
88) präsentiert werden, 1991 wurde mit der Ein-
richtung einer Geschäftsstelle der Vereinsvor-
stand von administrativen Aufgaben weitgehend
entlastet. Dr. Georg Malin stellte in seiner kurzen
Ansprache auch grundsätzliche Überlegungen
zum historischen Verständnis unseres Landes an.
Dabei machte er die bemerkenswerte Kernaussa-
ge: «Dank unserer Geschichte dürfen wir uns
Staat nennen».
Anschliessend wurden die Neuwahlen für den
Vereinsvorstand durchgeführt. Neben den bisheri-
gen Vorstandsmitgliedern Dr. Rupert Quaderer,
Norbert W. Hasler, Helmut Konrad und Dr. Marie-
Theres Frick stellten sich neu lic. phil. Veronika
Marxer, Dr. Volker Rheinberger und Alfred Goop
zur Wahl für den Vereinsvorstand. Die Wahl der
vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten
war unbestritten und erfolgte einstimmig. Neuer
Vereinsvorsitzender wurde Dr. Rupert Quaderer.
Die Funktionen des Kassiers und des Aktuars wer-
den - ebenfalls neu - von Alfred Goop beziehungs-
weise von Helmut Konrad wahrgenommen. Erfreu-
lich ist, dass erstmals in der Geschichte unseres
Vereins nun zwei Frauen im Vorstand mitwirken.
Die neuen Vorstandsmitglieder seien im Folgen-
den stichwortartig kurz vorgestellt: Die Historike-
rin Veronika Marxer, welche 1991 bis 1993 die Ge-
schäftsstelle unseres Vereins aufgebaut und geleitet
hatte, ist zur Zeit Geschäftsführerin der Vereini-
gung «Liechtenstein - Heimat für alle» und wird ab
Januar 1997 im Rahmen des Nationalfondspro-
gramms Migration und interkulturelle Beziehungen
ein Forschungsprojekt durchführen. Alfred Goop
studierte Germanistik und Geschichte, und ist seit
1984 Sekretär und Kassier der Gemeinde Schellen-
berg; sein Interesse gilt besonders der Lokal- und
Regionalgeschichte. Der promovierte Chemiker
Volker Rheinberger ist Vorstandsmitglied der Fir-
ma Ivoclar; er stammt aus einer Familie, die das
Interesse und Engagement für die liechtensteini-
sche Geschichte stets gepflegt hat.
An der Jahresversammlung wurde nicht nur ein
neuer Vereinsvorstand gewählt, sondern es musste
ebenfalls der Rechnungsrevisor neu bestellt wer-
den. Da Revisor Georg Kieber die Bereitschaft er-
klärt hatte, für eine weitere Periode dieses Amt
wahrzunehmen, war dies lediglich eine Bestäti-
gungswahl, die unbestritten war.
Nach diesen Wahlgeschäften bedankte sich der
neue Vereinsvorsitzende Dr. Rupert Quaderer für
das ihm entgegengebrachte Vertrauen und würdig-
te die Tätigkeit der abtretenden Vorstandsmitglie-
301
der Dr. Georg Malin und Robert Allgäuer, die von
der Jahresversammlung zu Ehrenmitgliedern des
Historischen Vereins ernannt wurden. Dr. Georg
Malin, so der neue Vereinsvorsitzende in seiner
Laudatio, wurde bereits 1955 in den Vorstand ge-
wählt. 1956 trat er mit einer wichtigen Arbeit zum
Thema Souveränität hervor. Damals habe er festge-
halten: «Das Volk ist nur in der Tat». Rupert Qua-
derer führte aus, dass Georg Malins Anliegen als
Vorstandsmitglied vor allem im Zusammenhang
mit Fragen, welche die Eigenständigkeit Liechten-
steins oder die Suche nach liechtensteinischer
Identität betrafen, zu verspüren waren. Durch sei-
nen Einsatz als Kunstschaffender und Politiker
konnte er dem Historischen Verein und der Kultur-
politik wichtige Impulse geben. Robert Allgäuer
war seit 1964 Vorstandsmitglied. Zu seinen vielsei-
tigen Tätigkeiten gehörte während Jahren das un-
ermüdliche Engagement als Verlagsbeauftragter
und Jahrbuchredaktor. Rupert Quaderer erwähnte,
dass Robert Allgäuer ein «anstössiger» Vorstands-
kollege gewesen sei: Ständig habe er neue Vorstös-
se unterbreitet. Auf derartige Anstössigkeit könne
der Historische Verein auch in Zukunft nicht ver-
zichten. Im Anschluss an seine Ausführungen
überreichte Rupert Quaderer den beiden neuen Eh-
renmitgliedern die von Louis Jäger entworfenen
und gestalteten Ehrenurkunden.
Nach der eigentlichen Jahresversammlung, der
rund 60 Personen beiwohnten, hielt lic. phil. Eva
Pepic einen Lichtbild-Vortrag zum Stand der ar-
chäologischen Forschung in Liechtenstein. Zu die-
sem Vortrag, der öffentlich war, kamen nochmals
ein paar weitere Zuhörerinnen und Zuhörer ins
nun voll besetzte Hotel Saroja nach Planken. Frau
Eva Pepic stellte in ihrem Vortrag die wichtigsten
Ausgrabungsorte in Liechtenstein vor. Darunter be-
finden sich so wichtige Fundorte wie die prähistori-
schen Siedlungsplätze am Eschnerberg und auf
dem Burghügel in Balzers. Eva Pepic berücksich-
tigte in ihren Ausführungen jedoch alle Zeitepo-
chen von der Urgeschichte bis hin ins 19. Jahrhun-
dert. In ihrem Dia-Vortrag zeigte sie anschaulich,
in welchem Ausmass die Archäologie auch heute
noch unbekannte Schätze zutage fördern und Licht
ins Dunkel der Geschichte bringen kann. Gerade
die 1995 erfolgten Ausgrabungen beim «Amts-
haus» in Balzers hatten neue Erkenntnisse in Be-
zug auf die römische Besiedlung unseres Landes
gebracht. (Weitere Informationen zu diesen Aus-
grabungen in Balzers sind in den Jahresberichten
der Archäologie 1995 und 1996 zu finden.)
VORSTAND
Der alte Vorstand versammelte sich in der ersten
Jahreshälfte 1996 zu vier Sitzungen. Bei diesen Zu-
sammenkünften standen besonders die anstehende
Neukonstituierung des Vereinsvorstandes sowie
die Vorbereitung der Jahresversammlung im Vor-
dergrund. Der im Mai 1996 neu gewählte Vereins-
vorstand traf sich bis zum Jahresende zu weiteren
vier Sitzungen. Dabei machte der neue Vereinsvor-
stand auch Antritts- und Informationsbesuche bei
den vom Historischen Verein getragenen Arbeits-
stellen und wissenschaftlichen Projekten «Archäo-
logie», «Liechtensteiner Namenbuch» und «Histo-
risches Lexikon für das Fürstentum Liechtenstein».
Der neu gewählte Vereinsvorstand beschloss
1996, künftig mit einem Mitteilungsblatt regelmäs-
sig an alle Mitglieder zu gelangen. Das Blatt soll ko-
stengünstig produziert werden und doch informa-
tiv sein. Die ersten beiden Nummern erschienen im
September beziehungsweise im Dezember 1996. In
der ersten Ausgabe wurde der neue Vorstand den
Vereinsmitgliedern vorgestellt, Nummer 2 des Mit-
teilungsblattes enthielt u. a. einen Fragebogen, in
welchem die Mitglieder zum Inhalt des Histori-
schen Jahrbuches Stellung nehmen und ihre dies-
bezüglichen Wünsche und Anliegen äussern konn-
ten. Das Mitteilungsblatt, für dessen Inhalt der
Vereinsvorstand verantwortlich zeichnet und das
vom Geschäftsführer des Historischen Vereins re-
daktionell betreut wird, soll künftig drei- bis vier-
mal jährlich erscheinen und allen Vereinsmitglie-
dern automatisch zugestellt werden.
302
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
GESCHÄFTSSTELLE
Der neue Geschäftsführer des Historischen Vereins,
Klaus Biedermann, der am 1. September 1995 sei-
ne Tätigkeit aufgenommen hatte, betreute auch im
Berichtsjahr 1996 die Geschäftsstelle. Nach der
Sommerpause 1996 gab Klaus Biedermann - mit
Einverständnis des Vereinsvorstandes - die neuen
und bis auf weiteres gültigen Öffnungszeiten der
Geschäftsstelle bekannt. Seither ist die Geschäfts-
stelle an der Messinastrasse 5 in Triesen (Telefon
075/392 17 47, Telefax 075/392 19 61) zu folgen-
den Zeiten ständig besetzt: dienstags bis freitags
von 8.30 bis 12 Uhr sowie zusätzlich am Dienstag
Nachmittag von 14 bis 16.30 Uhr. Bei der Ge-
schäftsstelle können die Buchpublikationen des Hi-
storischen Vereins (für die Mitglieder zu einem ver-
billigten Preis) bezogen werden. Eine Aufgabe des
Geschäftsführers ist auch die Betreuung der Ver-
einsbibliothek, die sich ebenfalls an der Messina-
strasse 5 in Triesen befindet und die für alle Ver-
einsmitglieder offen steht.
MITGLIEDER
Nachfolgende 17 Personen haben seit der letzten
Jahresversammlung ihre Mitgliedschaft angemel-
det:
- Christian Anrig sen., Feldstrasse 79,
9495 Triesen
- Resi Beck, Im Rösle 7, 9494 Schaan
- Leopold Fasching, Pfarrgasse 9, A-2340 Mödling
- Marie-Theres Frick, Im Rösle 7, 9494 Schaan
- Alfred Hasler, Mühlegasse 206, 9487 Gamprin
- Ferdi Heeb, Im Garsill 31, 9494 Schaan
- Gwo-Jinn Hwang, Department of Geography,
University of Edinburgh, Scotland
- Adelina Kind, Bühl 81, 9487 Gamprin
- Helen Konzett, Obergufer 257, 9497 Triesen-
berg
- Hansjörg Lingg, In der Egerta 20, 9494 Schaan
- Monika Michels, Im Mühleholz 39, 9490 Vaduz
- Dr. Daniel Miescher, Schwefelstrasse 20,
9490 Vaduz
- Erwin Näff, Im Bretscha 30, 9494 Schaan
- Theodor Näff, Im Bretscha 28, 9494 Schaan
- Bruno Ospelt, Holdergasse 2, 9490 Vaduz
- Olga Ospelt, Landstrasse 41, 9490 Vaduz
- Christoph Wenaweser, Tanzplatz 31,
9494 Schaan
Folgende sieben Personen, die ihre Mitgliedschaft
noch vor der Jahresversammlung beantragt hatten,
aber im vorigen Jahresbericht noch nicht genannt
sind, wurden an der Jahresversammlung vom
25. Mai 1996 in Planken definitiv als Vereinsmit-
glieder aufgenommen:
- Christian Anrig jun., Feldstrasse 79, 9495 Triesen
- Georg Biedermann, Pradafant 24, 9490 Vaduz
- Dr. Verena Hasenbach, Mitteldorf 32,
9490 Vaduz
- Egon Hübe, Hofi 464, 9497 Triesenberg
- Michael Konzett, Feldstrasse 74, 9495 Triesen
- Engelbert Schädler, Rütelti 564, 9497 Triesen-
berg
- Kurt Wohlwend, Bartlegrosch 35, 9490 Vaduz
Im Berichtsjahr musste der Tod von folgenden zehn
Mitgliedern zur Kenntnis genommen werden:
- Fürstl. Forstrat Eugen Bühler, Meierhof-
strasse 10, 9495 Triesen
- Andreas Frommelt, Landstrasse 126,
9490 Vaduz
- Carl Gattenhof, Matschiisstrasse 45,
9495 Triesen
- Anton Gubser, Heiligkreuz 32, 9490 Vaduz
- Helmut Hoop, Müssnen 369, 9492 Eschen
- Edi Meier, Fallsgasse 266, 9492 Eschen
- Gebhard Oehri, Diepert 297, 9492 Eschen
(t 1993; Nachtrag)
- Prinzessin Karoline von Liechtenstein, Alvier-
weg 4, 9490 Vaduz
- Hermann Wächter, Im Gapetsch 11,
9494 Schaan
- Hans Rainer Wohlwend, Am Schrägen Weg 12,
9490 Vaduz
303
Seit der letzten Jahresversammlung sind 16 Mit-
glieder aus dem Verein ausgetreten.
Ende Februar 1997 zählte der Verein 772 Mitglie-
der.
SCHRIFTENTAUSCH
Der Historische Verein ist neu mit folgenden Insti-
tutionen in einen Schriftentausch getreten:
- Südtiroler Landesarchiv, A. Diaz-Str., 1-39100
Bozen (Publikationsreihe: «Veröffentlichungen des
Südtiroler Landesarchivs»)
- Brandenburgisches Landesmuseum für Ur- und
Frühgeschichte, Schloss Babelsberg, D-14482 Pots-
dam (Publikationsreihe: «Veröffentlichungen des
Brandenburgischen Landesmuseums für Ur- und
Frühgeschichte»)
- Chemnitzer Geschichtsverein e. V , Aue 16,
D-09112 Chemnitz (Schriftenreihe: «Mitteilungen
des Chemnitzer Geschichtsvereins)
Den Schriftentausch mit dem Historischen Verein
beendet hat folgende Institution:
- Dicziunari Rumantsch Grischun, Ringstrasse 34,
CH-7000 Chur
Der Historische Verein wird jedoch die Lieferungen
des «Dicziunari Rumantsch Grischun» weiterhin -
nun gegen Rechnung - beziehen.
JAHRRUCH UND ANDERE PURLIKATIONEN IM
SELRSTVERLAG DES VEREINS
Der langerwartete Band 93 des Historischen Jahr-
buches erschien, noch rechtzeitig zur Jahresver-
sammlung, Mitte Mai 1996. Jahrbuch-Redaktor
Robert Allgäuer stellte das Jahrbuch an der Jahres-
versammlung vom 25. Mai 1996 den anwesenden
Vereinsmitgliedern vor. Der Hauptbeitrag des neu-
en Jahrbuches ist die Lizentiatsarbeit von Claudia
Heeb-Fleck mit dem Titel «Frauenarbeit in Liech-
tenstein in der Zwischenkriegszeit 1924 bis 1939».
Es ist dies eine der ersten grossen Arbeiten aus
Liechtenstein, die sich spezifisch mit einem Frauen-
thema befasst. Daneben findet sich in Band 93 die
schriftliche (erweiterte) Fassung des Referates, das
Rupert Quaderer-Vogt am 7. November 1993 im
Kapitelsaal in Bendern gehalten hatte. Er hatte in
dieser Veranstaltung des Historischen Vereins über
den «7. November 1918» gesprochen, jenen denk-
würdigen Tag, an dem der letzte Fürstliche Landes-
verweser Leopold von Imhof seines Amtes ent-
hoben worden war. Diese Arbeiten von Claudia
Heeb-Fleck und Rupert Quaderer-Vogt stiessen, wie
auch die anderen Beiträge des neuen Jahrbuches,
auf ein grosses Interesse bei den Leserinnen und
Lesern des Jahrbuches.
Die noch vom 1993 verstorbenen Professor Dr.
Benedikt Bilgeri bearbeiteten und in den Histori-
schen Jahrbüchern Band 76 bis Band 86 veröffent-
lichten Urkunden (aus deutschen Archiven) sind
Ende September 1996 in gebundener Form er-
schienen. Diese redigierte Urkundensammlung ist
nun in der Form von zwei Halbbänden 5 A und 5 B
erhältlich und kann zum Mitgliederpreis von CHF
140 - bei der Geschäftsstelle bezogen werden.
Der von Professor Dr. Otto Clavadetscher erar-
beitete Band 6 mit Urkunden aus bisher nicht
erfassten Schweizer Archiven ging Ende 1996 in
Produktion und wurde im März 1997 der interes-
sierten Öffentlichkeit vorgestellt. Verdankenswer-
terweise hat sich Professor Clavadetscher nicht nur
auf die knappe und übersichtliche Darstellung der
Urkundentexte beschränkt, sondern er fügte auch
Nachträge zu Band 1 bis Band 5 ebenso hinzu wie
ein chronologisches Urkundenverzeichnis der Bän-
de 1 bis 6. Auch Band 6 kann von den Mitgliedern
des Historischen Vereins zu einem Vorzugspreis
von CHF 50 - erworben werden.
DENKMALSCHUTZKOMMISSION
Im Berichtsjahr 1996 wurde die liechtensteini-
sche Denkmalschutzkommission neu besetzt, in
der auch stets der Historische Verein vertreten ist.
Auf Vorschlag unseres Vereins ernannte die Fürst-
304
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
liehe Regierung die Vereinsmitglieder Frau Moni-
ka Michels (Vaduz) und Herr Urs Clavadetscher
(Feldsberg) zu neuen Mitgliedern der Denkmal-
schutzkommission. Monika Michels engagierte
sich dieses Jahr auch für den Erhalt der histo-
rischen Bauten im Arbeiterinnen- und Arbeiter-
quartier im Mühleholz in Vaduz. Urs Clavadet-
scher arbeitet seit 1990 als Kantonsarchäologe
von Graubünden.
ARCHÄOLOGISCHE GRARUNGEN UND
FORSCHUNGEN
Im Berichtsjahr 1996 stand die Beendigung und
beginnende Auswertung der Ausgrabungen beim
«Amtshaus» in Balzers im Mittelpunkt der archäo-
logischen Tätigkeit. Die Auswertung der recht zahl-
reichen Funde ermöglicht interessante Einbücke
ins alltägliche Leben der römerzeitlichen Bewoh-
nerinnen und Bewohner in Balzers. Für diese
Auswertungsarbeiten wurden zudem Pläne der rö-
merzeitlichen und neuzeitlichen Grundrisse und
Fundkartierungen erstellt. Mit der Inventarisierung
der Funde und der Feldzeichnungen wurde eben-
falls begonnen. Zur Finanzierung dieser Tätig-
keiten hatte der liechtensteinische Landtag im
Frühsommer 1996 einen ausserordentlichen Nach-
tragskredit bewilligt.
Über die weiteren Tätigkeiten der Arbeitsstelle
Archäologie - die neben der Auswertung von
Ausgrabungen auch die Überwachung von Tief-
bauarbeiten sowie publizistische Tätigkeiten und
Öffentlichkeitsarbeit generell umfasste - informiert
ausführlich der separate Bericht.
LIECHTENSTEINER NAMENRUCH
Die im Laufe des Jahres 1995 in den Tageszei-
tungen «Liechtensteiner Vaterland» und «Liechten-
steiner Volksblatt» erschienenen Flurnamenartikel
konnten im April 1996 in Buchform herausgegeben
werden. Den Vertrieb des Buches mit dem Titel
«Flur und Name» übernahm die Geschäftsstelle des
Historischen Vereins. Da die Arbeiten für das Orts-
namenbuch schon bald abgeschlossen sein wer-
den, wurde bereits ein Konzept für dessen Druckle-
gung erarbeitet. Das Projekt «Liechtensteiner
Namenbuch» wird jedoch mit der Publikation des
Ortsnamenbuches noch nicht beendet sein; denn
am 30. Oktober 1996 hatte der Landtag dem zwei-
ten Projektteil zur Erarbeitung und Publikation ei-
nes Personennamenbuches zugestimmt. Für das
Liechtensteiner Namenbuch werden weiterhin die
Herren lic. phil Toni Banzer und Herbert Hübe un-
ter der Leitung von Prof. Dr. Hans Stricker tätig
sein. Ausführliche Informationen zum Stand der
Arbeiten für das Liechtensteiner Namenbuch sind
dem separaten Bericht zu entnehmen.
LIECHTENSTEINISCHES URKUNDENRUCH
Mit der Fertigstellung von Band 6 konnte der I. Teil
des Urkundenbuches (Urkunden bis 1416) Ende
1996 abgeschlossen werden. Dem Vereinsvorstand
ist es ein Anliegen, dass auch die schriftlichen
Zeugnisse der Brandiser Zeit (1416 bis 1507) - so-
wie anschliessend auch spätere schriftliche Doku-
mente - gesichtet, bearbeitet und schliesslich in
redigierter Buchform der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werden. Es laufen derzeit intensive Be-
mühungen, damit diese weitere Bearbeitung ge-
währleistet sein wird.
VORARLRERGER SPRACHATLAS MIT
EINSCHLUSS DES FÜRSTENTUMS LIECHTEN-
STEIN, WESTTIROLS UND DES ALLGÄUS
(VALTS)
Zum Stand der Arbeiten am Vorarlberger Sprach-
atlas mit Einschluss des Fürstentums Liechten-
stein, Westtirols und des Allgäus (VALTS) hat uns
Dr. Hubert Klausmann, wissenschaftlicher Mitar-
beiter des von Professor Eugen Gabriel geleiteten
Projektes, am 16. Februar 1997 folgenden Bericht
zukommen lassen:
305
Der 1996 neu gewählte
Vereinsvorstand und der
Geschäftsführer stellen
sich am 6. März 1997 dem
Fotografen; vordere Reihe
(v.l.n.r): lic. phil. Veronika
Marxer; Dr. Rupert Quade-
rer, Vereinsvorsitzender;
Dr. Marie-Theres Frick;
hintere Reihe (v.l.n.r.):
Helmut Konrad, Aktuar;
Alfred Goop, Kassier; lic.
phil. Norbert W. Hasler;
lic. phil. Klaus Bieder-
mann, Geschäftsführer;
Dr. Volker Rheinberger.
«Das vergangene Jahr war zunächst einmal ge-
kennzeichnet durch den Stop der Drucklegung auf
Grund eines Finanzierungsengpasses im Budget
der Vorarlberger Landesregierung. Dies führte zu
zahlreichen Gesprächen, Telefonaten, Schreiben,
Besuchen, die allesamt dann doch noch zu einem
positiven Ergebnis führten, so dass im Jahre 1997
die Drucklegung sogar verstärkt weitergehen kann.
Im Zusammenhang mit all diesen Rettungsaktionen
hat sich Herr Robert Allgäuer sehr grosse Verdien-
ste erworben, ohne sein Engagement wäre es zwei-
fellos nicht zu diesem positiven Abschluss gekom-
men.
Was die Arbeit am VALTS direkt anbelangt, so
können wir auf ein recht erfolgreiches Jahr zurück-
blicken, denn Professor Dr. Eugen Gabriel gelang
es, die 3. und 4. Lieferung von VALTS II fertigzu-
stellen. Hubert Klausmann hat die von Professor
Gabriel fertiggestellten Karten mit Hilfe des Pro-
grammes d-base auf Code-Listen übertragen, die
nun beim Verlag Orell Füssli in Zürich wieder in
Karten umgesetzt werden. Da die Finanzierung der
Drucklegung ja jetzt gesichert ist, ist 1997 mit der
Auslieferung der beiden Lieferungen VALTS 11,3
und VALTS 11,4 zu rechnen.
Desweiteren wurde 1996 mit der Vorbereitung
von VALTS V begonnen. Dieser Band wird den
West-Ost-Gegensätzen und den Nord-Süd-Gegen-
sätzen gewidmet sein. Die Vorbereitungen sind so
weit vorangekommen, dass 1997 mit dem Vor-
zeichnen der Karten und einem ersten Kartenkom-
mentar begonnen werden kann, der dann nach
Werkstattgesprächen korrigiert, erweitert und prä-
zisiert werden soll.
Auf der Internationalen Tagung alemannischer
Dialektologen in Ellwangen/Jagst hat Hubert
Klausmann über den Fortgang der Arbeiten am
VALTS berichtet. Die Teilnehmer waren über die f i -
nanzielle Krise sehr besorgt. In der schriftlichen
Dokumentation dieser Tagung wird der Zusatz er-
scheinen, dass sich dieses Problem nun erfreuli-
cherweise gelöst hat.»
306
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
HISTORISCHES LEXIKON FÜR DAS
FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN
Das Historische Lexikon (HLFL) wurde auch 1996
von lic. phil. Arthur Brunhart redaktionell betreut.
Die Artikelproduktion selbst hielt sich insgesamt im
geplanten Rahmen, jedoch ist die Redaktion be-
strebt, die Produktion zusätzlich zu beschleunigen.
Ob das möglich sein wird, hängt nicht zuletzt da-
von ab, ob es dem Redaktor gelingt, genügend
kompetente Fachkräfte zu finden, die bereit sind,
einzelne Stichwörter zu bearbeiten und daraus Ar-
tikel zu verfassen.
Auch wenn es noch etwas dauert, bis das Histo-
rische Lexikon in der fertigen gedruckten Form
vorliegen wird, konnte mit der Publikation des
Sammelbandes «Historiographie im Fürstentum
Liechtenstein. Grundlagen und Stand der For-
schung» ein Werk in Buchform präsentiert werden,
das die Resultate der vom FILFL 1995 organisierten
«Liechtensteinischen Historischen Tagung» bein-
haltet. Das vom renommierten Zürcher Chronos
Verlag vertriebene Buch konnte im April 1996 der
interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden.
ABBILDUNGSNACHWEIS ANSCHRIFT
Hansjörg Frommelt, Historischer Verein für das
Archäologie FL Fürstentum Liechtenstein
Geschäftsstelle
Messinastrasse 5
Postfach 626
FL-9495 Triesen
Telefon 075 / 392 17 47
Telefax 075 / 392 19 61
Triesen, 28. Februar 1997
Dr. Rupert Quaderer
Vorsitzender des LIistorischen Vereins
Klaus Biedermann
Geschäftsführer des Historischen Vereins
Vom Vorstand in seiner Sitzung vom 6. März 1997
beschlossen
307
Jahresrechnung des Vereins
pro 1996
ÜBER DIE EINNAHMEN UND AUSGABEN
VOM 1. 1. 1996 BIS 31. 12. 1996
EINNAHMEN
BEITRÄGE UND SPENDEN in CHF in CHF
Mitgliederbeiträge 69 319.33
Landesbeitrag 80 000.—
Gönnerbeiträge:
- S. D. Fürst Hans-Adam II.
- Gemeinde Balzers
- Gemeinde Eschen
- Gemeinde Mauren
- Gemeinde Schaan
- Gemeinde Triesen
- Liechtensteinische Kraftwerke Schaan
- Liechtensteinische Landesbank Vaduz
- Private Einzelspenden
^ nnn
D U U U .
1 100.—
1 000.—
1 000.—
1 500.—
1 200.—
1 400.—
5 000.—
3 517.— 20 717.—
Beitrag der Karl Mayer-Stiftung für die Historischen
Jahrbücher Band 94 und Band 95 50 000.—
Beitrag der Stiftung «Propter Homines» für das Historische
Jahrbuch Band 94 50 000.—
Unkostenbeitrag des Landesmuseums für den Druck des
Jahresberichtes 5 000.—
Anteilige Kostenbeiträge der vom Historischen Verein getragenen
wissenschaftlichen Dienste und Projekte (Archäologie,
Namenbuch, Historisches Lexikon, Sprachatlas, Urkundenbuch)
für die Geschäftsstelle des Historischen Vereins (= Landesmittel) 65 500.—
VERKAUF UND VERTRIEB DIVERSER PUBLIKATIONEN
- Jahrbücher und Sonderdrucke
- Rupert Quaderer: Militärgeschichte
- Mario F. Broggi: Landschaftswandel im Talraum
- Peter Kaiser: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein
- Alexander Frick: Mundarten
-Festschrift «1342»
- Flur und Name
- Arthur Brunhart: Peter Kaiser
- Fabriklerleben
- Liechtensteinisches Urkundenbuch
- «Eidgenossen ...» - Vorarlbergs Beziehungen ... 1918-1922
- Diverse Verkäufe
11 035.10
142.—
106.—
308.50
306.—
685.75
1 097.—
7 163.—
1 239.65
4 382.—
36.—
311.50 26 812.50
ZINSEN.
Bank- und Postcheck-Zinsen 2 007.40
TOTAL EINNAHMEN 1996 369 356.23
308
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
AUSGABEN
JAHRBÜCHER in CHF
Personalkosten
Büromaterial
Drucksachen
49 443.63
9 115.64
2 486.25
in CHF
Band 93:
- Druck
- Begleitschreiben
- Sonderdrucke
38 642.70
9 423.05
10 342.80 58 408.55
Band 94:
- Redaktion, Lektorat, Korrektorat
- Gestaltung, Bildbeschaffung, Produktionsbegleitung
- Druckvorbereitungsarbeiten
10 000.—
25 079.20
8 160.— 43 239.20
Band 95:
-Jahresbericht 1995 3 793.40 3 793.40
Total Aufwand Jahrbücher 105 441.15
GESCHÄFTSSTELLE
61 045.52
ÜBRIGE AUFWENDUNGEN
Abonnemente und Mitgliedschaften 2 473.20
Honorare 250.
Ankäufe für die Vereinsbibliothek 1 468.40
Diverse Spesen 4 330.10
Bank- und Postcheckspesen 1 201.65
Abschreibungen / 79.60
TOTAL AUSGABEN 1996 176 130.42
309
ÜBERSICHT
VEREINSVERMÖGEN per 31. 12. 1996
in CHF
413 128.04
Liechtensteinische Landesbank AG (Kto. Korr.) 19 835.10
Liechtensteinische Landesbank AG (D-Konto) 107 175.40
Liechtensteinische Landesbank AG (Sparkonto) 314 432.70
Postcheck-Konto 14 786.56
Kassa 288.55
Transitorische Aktiven 32 433.05
Transitorische Passiven ./. 75 823.32
EINNAHMEN- UND AUSGABENRECHNUNG
Total Einnahmen 1996 369 356.23
Total Ausgaben 1996 176 130.42
Überschuss 1996 193 225.81
+ Vereinsvermögen 1.1. 1996 219 902.23
VEREINSVERMÖGEN per 31. 12. 1996 413 128.04
310
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
FONDS
«FORSCHUNG UND PUBLIKATIONEN» in CHF in CHF
Vermögensstand per 31. 12. 1996 10 597.93
Banksaldo 31. 12. 1996 11 316.60
Darlehen an Fonds «Nach Amerika» 9 435.35
Einnahmen:
- Erlös aus dem Verkauf der Publikation «Castellani» 1996
- Zinsen
2 347.14
122.28 2 469.42
Ausgaben:
- Honorare für redaktionelle Arbeiten 12 500.—
Vermögensverminderung 1996 ./. 10 030.58
PUBLIKATION «NACH AMERIKA» in CHF in CHF
Vermögensstand per 31.12. 1996 996.85
Banksaldo 31.12.1996 424.—
Darlehen aus Fonds «Forschung und Publikationen» aus 1993 ./. 9 435.35
Darlehen vom Historischen Verein in 1995 ./. 20 000.—
Einnahmen:
- Spende der Peter Kaiser-Stiftung (Überweisung 1997)
- Zinsen
30 000.—
8.20
Vermögenszuwachs 1996 30 008.20
311
PRÜFUNGSBERICHT
Auftragsgemäss habe ich die Rechnung über die
Einnahmen und Ausgaben vom 1. Januar bis zum
31. Dezember 1996 Ihres Vereins sowie die Fonds-
rechnungen «Forschung und Publikationen» und
«Nach Amerika» geprüft.
Ich stelle fest,
- dass die Rechnung über die Einnahmen und
Ausgaben sowie die Fondsrechnungen mit der
Buchhaltung übereinstimmen,
- dass die Buchhaltung sauber und ordnungs-
gemäss geführt ist,
- dass der Aktivsaldo der Jahresrechnung (CHF
413128.04) und die Fondsvermögen «For-
schung und Publikationen» (CHF 10 597.93) so-
wie «Nach Amerika» (CHF 996.85) nachgewie-
sen sind.
Aufgrund des Ergebnisses der Prüfung beantrage
ich, den verantwortlichen Kassieren lic. phil. Nor-
bert W. Hasler und Alfred Goop sowie dem Rech-
nungsführer Klaus Biedermann für die ausgezeich-
net geführte Jahresrechnung zu danken, ihnen
Entlastung zu erteilen sowie die Jahresrechnung
und die Fondsrechnungen zu genehmigen.
Mauren, 4. April 1997
gez. Georg Kieber, Revisor
312
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
Archäologie:
Tätigkeitsbericht 1996
Im Berichtsjahr waren 19 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter - zum grössten Teil befristet und/oder
temporär - für die Archäologie tätig. Seit dem
1. Februar 1996 hat Hansjörg Frommelt einen
Arbeitsvertrag mit der FL-Regierung. Somit waren
zwei Mitarbeiterinnen und ein Mitarbeiter bei der
FL-Regierung angestellt, die übrigen hatten einen
Arbeitsvertrag mit dem Historischen Verein und
wurden im Stundenlohn entschädigt.
PROJEKT A R E A L AMTSHAIIS IN BALZERS
Vom 2. Januar bis 6. März 1996 wurde die Gra-
bung des letzten Jahres im Areal Amtshaus fortge-
führt und Anfang März in Einvernahme mit der
Bauherrschaft, der Liechtensteinischen Landes-
bank AG, und der Baufirma termingerecht abge-
schlossen. Gerade in den letzten Wochen der Gra-
bungskampagne wurden interessante Funde und
Befunde freigelegt, da in dieser Zeit im Innenbe-
reich des römerzeitlichen Gebäudes abgetieft wur-
de. Insgesamt konnten zwei Räume vollständig und
zwei weitere aufgrund der Grabungsgrenzen nur
zum Teil dokumentiert werden.
Ausser den, zum Teil schon im Vorjahr freigeleg-
ten, eindrucksvollen Mauerteilen und einem Teilbe-
reich eines massiven Mörtelbodens kamen zahl-
reiche Funde zum Vorschein. Dazu gehörten
verschiedene Schmuckgegenstände, z. B. der in
Liechtenstein bisher einzigartige römerzeitliche
Goldfingerring mit einer weissen Kamee in Form
eines Mädchenkopfes, Glasperlen in den verschie-
densten Farben und Formen, das Fussfragment
einer Zwiebelknopffibel, deren andersfarbige Ein-
lagen in den Würfelaugen stellenweise noch vor-
handen waren und eine rote Gemme aus Jaspis
(Abb. 1). Weiters fanden wir zwei Eisenmesser,
zwei fast vollständig erhaltene Terra Sigillata-Ge-
fässe, mehrere z. T. sehr schlecht erhaltene Mün-
zen, Fragmente von Glas- (einzelne Stücke zeigen
eine sogenannte Facettschliffzier, die ins 2./3. Jahr-
hundert datiert) und Lavezgefässen, zahlreiche
Tierknochen (Rinder, Schweine, Schafe/Ziegen und
erstaunlich viele Pferdeknochen), die teilweise
Abb. 1: Balzers, Grabung
«Amtshaus». Ovale
Gemme aus rotem Jaspis.
2./3. Jahrhundert n.Chr.
Gravur einer nach links
gewandten menschlichen
Figur, die sich auf einer
Säule abstützt. Der Stein
war vermutlich in einen
Ring eingesetzt.
Länge 0,8 cm, Breite
0,6 cm. Abbildung ohne
Massstab
313
Abb. 2: Balzers, Grabung Vorderseite: Nachahmung
«Amtshaus». Antike Fäl- einer Münze des Kaisers
schung einer Silbermünze Antoninus Pius (141-161
n. Chr.) mit der Büste der
Faustina der Älteren.
Rückseite: Stehende weib-
liche Figur mit Zepter und
Globus. Als Vorbild diente
eine Münze des Kaisers
Commodus (um 181
n. Chr.). Die Prägungen der
Vorbilder liegen damit ca.
20 Jahre auseinander.
Abbildung im Massstab 2:1
Hack- und Schnittspuren aufweisen, Ziegelbruch-
stücke, die indirekt eine Wand- und Fussbodenhei-
zung belegen, das Bruchstück eines Mühlsteines,
drei Spinnwirtel, Getreide, Ackerbohnen und vieles
mehr. Diese erstaunliche Vielfalt der Funde wird
uns im Laufe der Ausarbeitung noch einige interes-
sante Einblicke ins alltägliche Leben der römerzeit-
lichen Bewohner in Balzers ermöglichen.
Im Laufe der Grabung wurden mehrere Führun-
gen veranstaltet, so für Gemeindevorsteher Othmar
Vogt und den Gemeinderat von Balzers, für die Per-
sonalabteilung der Liechtensteinischen Landes-
bank AG, für Mitarbeiter des Institutes für Ur- und
Frühgeschichte der Universität Innsbruck und für
mehrere interessierte Balzner. Von Radio L wurde
ein Interview mit Mitarbeitern der Archäologie und
der Liechtensteinischen Landesbank AG ausge-
strahlt.
Vom 2. Januar bis 29. Oktober 1996 wurden die
Schlämmarbeiten des Erdmateriales der römer-
zeitlichen Schichten mithilfe dreier Mitarbeiter mit
170 Prozent Arbeitspensum fortgeführt und been-
det. Dabei kamen noch zahlreiche Münzen (83
Stück), pflanzliche Überreste (Wal- und Haselnuss-
schalen, gedörrte Früchte, Getreide und Samen),
über 40 Glasperlen, zwei Fibeln, zwei Nähnadeln,
zwei Fingerringe und eine grosse Menge von Kera-
mikfragmenten zum Vorschein. Als besonders in-
teressant erwiesen sich einige unscheinbar ausse-
hende Keramikstücke, die zum Grossteil aus dem
nachrömerzeitlichen Humus stammen. Sie könnten
vielleicht das «missing link» zur früh- bis hoch-
mittelalterlichen Keramik in Balzers darstellen.
Im laufenden Jahr wurden anhand von mehre-
ren Gesprächen und Kontaktnahmen erste Bestim-
mungen in Auftrag gegeben, so die Molluskenfunde
(Schnecken und Muscheln), die durch Ulrich
Schneppat von Naturmuseum in Chur bearbeitet
werden. Als beachtenswertes Detail kann der Fund
der Dicken Flussmuschel (Unio crassus ssp.) her-
vorgehoben werden, der belegt, dass diese Mu-
schelart schon seit der Römerzeit und nicht erst,
wie bisher vermutet, seit neuerer Zeit im Gebiet
von Liechtenstein beheimatet war.
314
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
Eine erste Durchsicht der botanischen Proben
von Balzers durch Marianne Petrucci-Bavaud vom
Archäobotanischen Institut der Universität Basel
brachte eine grosse Vielfalt an Getreidesorten zum
Vorschein - Emmer, Dinkel, Nacktweizen, Gerste,
Roggen, Hirse und Hafer. Ausserdem konnten Lin-
sen, Ackerbohnen, die Gewürze Dill und Koriander
sowie Wal- und Haselnüsse nachgewiesen werden.
Da bei einer der Proben ausschliesslich Winter-
ackerunkräuter vorkommen, ist anzunehmen, dass
wir hier die Reste einer Ernte des Winteranbaus
vor uns haben.
Desweiteren erfolgte eine erste Bestimmung der
insgesamt 99 Münzfunde durch Hansjörg Brem,
Kantonsarchäologie Thurgau. Es sind Münzen vom
2. bis zum 4. Jahrhundert vorhanden. Der zeitliche
Schwerpunkt liegt dabei zwischen 260 bis 360
nach Christus. Durch das hohe Grundwasser und
die aggressive Bodenumgebung sind einige der
Münzbilder derart stark zerstört, dass die Um-
schriften nicht mehr lesbar sind.
Die Terra Sigillata und römische Gebrauchske-
ramik wird von Verena Hasenbach ausgewertet.
Bisher sind an die 400 Einheiten bestimmt. Erste
Ergebnisse zeigen, dass der Schwerpunkt bei die-
ser Keramik in der zweiten Hälfte des 2. und in der
ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts liegt. Beachtens-
wert ist eine fast vollständig erhaltene Schale aus
dem 2. Jahrhundert mit einem Töpferstempel des
Pompeianus und einem Graffito des Namen Sil-
vinus an der Unterseite.
Einige der Metallfunde, wie z. B. der Goldfinger-
ring, ein Silberdenar der Faustina Mater und ein
Kinderfingerring mit blauer Kamee, wurden im M i -
neralogisch-Petrographischen Institut der Univer-
sität Basel unter der Leitung von Professor Stern
auf ihre Zusammensetzung hin untersucht.
Die Ergebnisse warteten z. T. mit Überraschun-
gen auf. So erwies sich die «Silbermünze» als anti-
ke Fälschung, die fast kein Silber enthielt und sich
bisher noch jedem Datierungsversuch entzieht. Als
terminus postquem kann zumindest das Jahr 181
n. Chr. angenommen werden. Der Goldfingerring
besteht aus 22-karätigem Gold und aus einem ein-
gesetzten weissen Chalzedon. Er datiert ins 3. Jahr-
hundert. Die Kamee des Kinderfmgerringes wurde
aus blauem Glas hergestellt, das einen ungewöhn-
lich hohen Anteil an Antimon enthält. Antimon dien-
te zur Herabsetzung der Schmelztemperatur des
Glases und zur Intensivierung der blauen Farbe.
Für die Publikationen und beginnenden Auswer-
tungsarbeiten wurden Pläne der römerzeitlichen
und neuzeitlichen Grundrisse und Fundkartierun-
gen erstellt. Zudem wurde mit der Inventarisierung
der Funde und der Feldzeichnungen begonnen.
Für die Ausgrabungs- und Schlämmarbeiten
wurde im Frühsommer 1996 vom Hohen Landtag
ein ausserordentlicher Nachtragskredit bewilligt.
BAUÜBERWACHUNG, SONDIERUNGEN UND
DENKMALSCHUTZ
Wie in den Vorjahren zählte auch im Jahre 1996
die Kontrolle der Bautätigkeit in Liechtenstein zu
einer der Hauptaufgaben der Abteilung «Bauüber-
wachung». Sämtliche beim Hochbauamt einge-
reichten Baugesuche sind im Rahmen dieser Arbeit
geprüft und mehrere Aushubprojekte begleitend
beobachtet worden. Hervorgehoben seien an die-
ser Stelle einzig die Tiefbauarbeiten im St. Mamer-
tenweg in Triesen, von welchem aus die Kapelle
St. Mamertus mit neuen Leitungen für den Einbau
einer Brandschutzanlage versorgt worden ist. Es
konnten dabei keine archäologischen Befunde fest-
gestellt werden. Überraschend zeigte sich jedoch,
dass der Kapellenturm anlässlich der umfangrei-
chen Renovation von 1967/68 mit Beton unterfan-
gen worden sein muss.
Auf eine Fundmeldung hin konnte bei der Bau-
schuttdeponie «Saga» in Triesen in einer Tiefe von
zirka vier Metern eine Kalkgrube über einer massi-
ven Holzkohleschicht dokumentiert werden. Die
von Rüfeabgängen überschüttete Anlage lässt sich
zur Zeit nicht datieren.
Die im Herbst des Vorjahres begonnenen Son-
dierungsarbeiten im Stallgebäude auf der Parzelle
166 in der «Specki» in Schaan konnten zum Ab-
schluss gebracht werden, ohne dass die Arbeiten
neue Erkenntnisse zur Situation des alamanni-
315
Abb. 4: Schaan, Kapelle
St. Maria zum Trost auf
«Dux»: Baugeschichtliche
Untersuchung im Chor
der Kapelle und am
Altarstipes. Aufnahme
vom Dezember 1996
sehen Gräberfeldes ergeben haben. Entgegen der
ursprünglichen Terminplanung fanden auf Grund
von Verzögerungen im Projektierungsablauf auf
der Parzelle 166 im Berichtsjahr seitens der Bau-
herrschaft keine Aushubarbeiten statt. Mit weite-
ren archäologischen Abklärungen muss dort vor-
aussichtlich im Laufe des Jahres 1997 gerechnet
werden.
Das von der Archäologie in Zusammenarbeit mit
der Botanisch-Zoologischen Gesellschaft und mit
dem Amt für Wald, Natur und Landschaft erarbei-
tete Forschungsprojekt im «Rietle» in Schellenberg
wurde von der Fürstlichen Regierung 1995 gut ge-
heissen. Die Entnahme der Bohrkerne, welche den
weiteren Pollenenanalysen dienen, konnte im Be-
richtsjahr vorgenommen werden. Sie wurde von
der Archäologie betreut. Dabei ist es den Bohrspe-
zialisten nach etwelchen Fehlversuchen gelungen,
bis in eine Tiefe von zirka 10 Metern vorzudringen.
Erste Ergebnisse der 14 C-Datierung lassen den
Schluss zu, dass der Torfboden des «Rietles» in ei-
ner Zeitspanne von mindestens 6 000 Jahren zu
seiner heutigen Stärke angewachsen sein muss.
Die ausführlichen Resultate der Untersuchungen
sollen von der Botanisch-Zoologischen Gesellschaft
publiziert werden.
Die beratende Tätigkeit für die Denkmalschutz-
Kommission der Fürstlichen Regierung gestaltete
sich im Berichtsjahr wiederum arbeitsintensiv. Ver-
schiedene Gutachten und Besprechungsnotizen
wurden von Hansjörg Frommelt verfasst. Erwähnt
seien Protokolle zu Fragen der Verputzsanierung
bei der stillgelegten Weberei Jenny, Spoerry & Cie.
in Triesen und bei der Kapelle Maria zum Trost in
Schaan, sowie zu Fragen der Gemälderestaurie-
rung in der Kapelle St. Georg in Schellenberg. Nach
Abschluss der Konservierungsarbeiten in der Ka-
pelle St. Peter in Schaan beauftragte die Gemeinde
Schaan im Frühjahr 1996 eine Expertengruppe mit
der Ausarbeitung eines Renovationskonzeptes für
die Kapelle Maria zum Trost auf Dux. Nach mehre-
ren Begehungen und Besprechungen konnte mit
dem fachgerechten Abbau der barocken Altaraus-
stattung im September 1996 die zeitintensive Re-
novation der Kapelle in Angriff genommen werden.
316
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
Im Dezember 1996 führte die Archäologie im Chor-
raum und am Altarstipes kleinflächige Sondierun-
gen durch. Es konnte nicht eindeutig belegt wer-
den, dass das Chor bereits im 16. Jahrhundert
erbaut und anlässlich des Neubaus von 1716 bezie-
hungsweise 1743 übernommen worden ist.
In Zusammenarbeit mit dem Grafiker Hanspeter
Gassner und mit Architekt Hansjörg Hartmann ist
eine schlichte Hinweistafel über die archäologi-
schen Befunde in der St. Florinsgasse in Vaduz ent-
worfen und zur Ausführung gebracht worden. Sie
konnte beim westlichen Treppenaufgang zum Platz
vor dem «Schädler-Haus» montiert werden.
Vertreter der Archäologie haben im Berichtsjahr
an den Beratungen einer von der Fürstlichen Re-
gierung bestellten Arbeitsgruppe zur Vorbereitung
des Europäischen Tages des Denkmals teilgenom-
men. Sie haben die Endredaktion der Pressetexte
durchgeführt und in Zusammenarbeit mit dem
Grafiker Hanspeter Gassner an der Gestaltung der
Informationstafeln mitgearbeitet. Hansjörg From-
melt führte die Besucher am Europäischen Tag des
Denkmals, der in Liechtenstein am 22. September
1996 durchgeführt wurde, durch die archäologi-
schen Befunde in der St. Florinsgasse. Anhand von
Lichtbildern berichtete er über den Werdegang der
Ausgrabungen 1992 bis 1995.
Abb. 5: «Rietle» Schellen-
berg: Im Rahmen eines
Forschungsprojektes sind
im Oktober 1996 für
geplante Pollenanalysen
aus dem Torfboden Bohr-
kerne entnommen worden
ARCHÄOLOGISCHES BÜRO
Wie in den vorangegangenen Jahren wurden die
Fund- und Dokumentationskataloge (Fundstellen-
dossiers, Fotodokumentation und Fundzeichnun-
gen) aktualisiert und vor allem mit den Daten der
neuesten Sondierungen und Grabungen - wie Va-
duz-Florinsgasse, Vaduz-Schlosskapelle, Triesen-
Lindengasse, Schaanwald-Mühlegasse, Schaan-
Duxkapelle und Balzers-Areal Amtshaus - ergänzt.
Auch im Restaurierungsatelier wurden vor allem
Funde dieser Feldforschungsprojekte bearbeitet.
Das botanische Fundmaterial der Grabung Va-
duz-Schlosskapelle wurde durch Marlu Kühn vom
Archäobotanischen Institut der Universität Basel
analysiert und ausgewertet. Die Bearbeitung des
317
Skelettmaterials der Grabung Vaduz-Florinsgasse
lag weiterhin in den Händen von Marianne Lör-
cher, Gränichen.
Durch Hansjörg Frommelt wurden in Zusam-
menarbeit mit Paul Frick vom Liechtensteinischen
Landesmuseum die Pläne aller Kirchenbauprojekte
von Mauren aus dem Liechtensteinischen Landes-
archiv fotografisch dokumentiert.
Die Arbeit an der wissenschaftlichen Handbi-
bliothek gestaltete sich sehr arbeitsintensiv, da sie
mit Publikationen der Jahre 1993 bis 1996 ergänzt
werden musste. Die Neueingänge wurden laufend
in Form eines Autoren- und Stichwortkatalogs auf-
genommen.
Die Archäologie wird in die GIS-Applikationen
(Geographisches Informations-System) der Landes-
verwaltung eingebunden. Aufgrund dieser Bestre-
bungen hat Ulrike Mayr an mehreren sowohl inter-
nen wie externen Sitzungen teilgenommen, um
umfassende Informationen über Anwendungsmög-
lichkeiten und über erprobte Programme im Be-
reich der Archäologie zu erhalten.
Als Betreuerin von PC-Anwendern innerhalb un-
serer Arbeitsstelle hat sie ausserdem den EDV-
Workshop im Weiterbildungsprogramm der Lan-
desverwaltung absolviert.
Anlässlich der Jahresversammlung des Histori-
schen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein am
25. Mai 1996 in Planken hielt Eva Pepic einen
Lichtbildervortrag über den «Stand der archäologi-
schen Forschung im Fürstentum Liechtenstein -
Die Funde der letzten hundert Jahre». Dieses The-
ma wurde vor allem aus der Überlegung heraus ge-
wählt, dass die archäologischen Funde durch die
vorübergehende Schliessung des Liechtensteini-
schen Landesmuseums während mehrerer Jahre
nicht zu sehen sind.
Im Rahmen der Münzbörse des Liechtensteini-
schen Numismatischen Zirkels am 14. September
1996 in Balzers haben wir einen Querschnitt der
Münzfunde aus Balzers von der späten Eisenzeit
bis in die frühe Neuzeit gezeigt.
Die 150-Jahr-Feier der Pfarrkirche St. Peter und
Paul in Mauren wurde von der Gemeinde nicht nur
mit einer Festschrift sondern auch mit einer dreitä-
gigen Ausstellung der Kirchenschätze, die vom 3.
bis 5. Oktober 1996 stattfand, begangen, wofür von
Eva Pepic mehrere Stellwände und Vitrinen mit
Funden aus der Kirchengrabung von Mauren 1986
bis 1988 vorbereitet wurden.
Im April 1997 soll die neue Filiale der Liechten-
steinischen Landesbank AG im renovierten Amts-
haus in Balzers eröffnet werden. Die FL-Regierung
hat dabei die Genehmigung erteilt, dass archäolo-
gische Funde der Ausgrabung Balzers-Areal Amts-
haus in Kopie und/oder im Original in einer klei-
nen, zeitlich unbefristeten Sonderschau ausgestellt
werden. Ulrike Mayr - als verantwortliche Gra-
bungsleiterin und Bearbeiterin der Auswertung -
hat dafür im Berichtsjahr ein Konzept erstellt und
in mehreren Sitzungen und Besprechungen mit
Vertretern der Haus- und Liegenschaftsverwaltung
der Liechtensteinsichen Landesbank AG die Ar-
chäologie vertreten.
Ebenfalls 1997 feiert die Arge Alp ihr 25-jähri-
ges Bestehen mit der international bestückten Aus-
stellung «Kult der Vorzeit in den Alpen. Opfergaben
- Opferplätze - Opferbrauchtum». Die Ausstellung
wird am 13. Mai 1997 im Tiroler Landesmuseum
Ferdinandeum in Innsbruck eröffnet und bis ins
Jahr 2001 in elf weiteren alpenländischen Museen
zu sehen sein. Von liechtensteinischer Seite werden
dabei die neun Votivstatuetten vom Gutenberg in
Kopie zur Verfügung gestellt. Für den Ausstellungs-
katalog verfasste Eva Pepic sowohl Katalogtexte zu
den Balzner Votivfiguren wie auch einen zusam-
menfassenden Kurzbericht über die Fundumstän-
de und die kulturelle Einordnung des Statuettenen-
sembles.
In der vom Ressort Kultur lancierten Gesprächs-
runde Kultur war die Archäologie durch Eva Pepic
ebenso vertreten wie in der Arbeitsgruppe zu «Her-
stellung und Verkauf von hochwertigen Souvenir-
artikeln mit Bezug zur Staatlichen Kunstsammlung
und zum Liechtensteinischen Landesmuseum».
Für das Jahrbuch des Historischen Vereins Band
94 hat Hansjörg Frommelt die Artikel «Denkmal-
schutz in Liechtenstein: Aus der Chronik des Jah-
res 1994» und «Fabriklerleben. Eine Ausstellung
über Industriearchäologie und Anthropologie» ver-
318
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
fasst. Für die Jubiläumsschrift über den Vaduzer
Wein schrieb er die Beiträge «Winzerhäuser und
Torkelbauten in Vaduz» und «Der Vaduzer Wein-
bau im Spiegel der Etiketten». In einem reich bebil-
derten Beitrag stellte er in der «Eintracht» die
«Kappile in Liechtenstein» vor. Einen ausführli-
chen Vorbericht über die Resultate der Ausgrabun-
gen in der Pfarrkirche von Mauren 1986 bis 1988
verfasste Frommelt unter dem Titel «Die und [jene]
von Mauren, die beiden Kirchen waren ein Scandal
der Christenheit. Über die Baugeschichte der Pfarr-
kirche» für die Festschrift «Das Kirchabot. Ge-
schichte und Geschichten zur 150-Jahr-Feier der
Pfarrkirche St. Peter und Paul in Mauren». Erst-
mals stellte er darin in Wort und Bild sämtbche
Planzeichnungen aller bekannten Projekte zum
Kirchenneubau des 19. Jahrhunderts vor.
Ulrike Mayr gab in der Juni-Ausgabe des Infor-
mationsblattes «Die Gemeinde Balzers orientiert»
einen Vorbericht über die Grabung Balzers-Areal
Amtshaus mit ersten Auswertungsergebnissen und
verfasste für die Herbst-Ausgabe der Zeitschrift des
Liechtensteinischen Numismatischen Zirkels einen
Artikel über die im Areal «Amtshaus» gemachten
Münzfunde.
Für die Zeitschrift «Liechtenstein exclusiv», die
im Berichtsjahr aber nicht zur Veröffentlichung
kam, erstellte Eva Pepic den Artikel «Schaan zu
römischer Zeit».
Vielfältige redaktionelle Tätigkeiten für die Bän-
de 93 und 94 des Jahrbuches des Historischen Ver-
eins rundeten die Publikationstätigkeit der Archäo-
logie ab.
Weitere Öffentlichkeitsarbeit wurde von den Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern der Archäologie
vor allem durch zahlreiche Führungen für Fachin-
stitute, Schulklassen und Vereine geleistet. Stellver-
tretend sei hier die am 20. April 1996 in Balzers
abgehaltene Jahresversammlung der Vereinigung
für Schweizerische Kirchengeschichte erwähnt, an
der Hansjörg Frommelt einen Vortrag mit dem Titel
«Kirchengrabungen in Liechtenstein» hielt und
durch die archäologischen Befunde der Kirchen
von Eschen und Mauren führte.
Ausserdem waren wir im Berichtsjahr - zum
Teil mit eigenen Referaten - an Fachtagungen und
an Seminaren zur Weiterbildung beteiligt.
Triesen, den 27. Februar 1997
Liansjörg Frommelt, Bauüberwachung
Mag. Ulrike Mayr, Grabungsleitung
lic. phil. Eva Pepic, Koordination und Leitung
319
ABBILDUNGSNACHWEIS ANSCHRIFT
Alle Aufnahmen:
Hansjörg Frommelt,
Archäologie FL
Archäologie
Messinastrasse 5
Postfach 417
FL-9495 Triesen
Telefon 075 / 236 75 30
Telefax 075 / 392 39 02
320
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
Liechtensteiner Namenbuch:
Tätigkeitsbericht 1996
EINLEITUNG
Das Projekt Liechtensteiner Namenbuch ist in der
Berichtszeit in gewohntem Rahmen und in gleicher
personeller Besetzung vorangetrieben worden.
Während zum einen mit allen Kräften an der Fer-
tigstellung des Werkteils Ortsnamenbuch gearbei-
tet wurde, gelang es nun - dank dem Einsatz und
Interesse aller Entscheidungsträger und Mitarbei-
tenden - auch, die nötigen Weichenstellungen für
die Fortführung des Gesamtprojekts mit dem
Werkteil Personennamenbuch vorzunehmen. Die-
ser erfreuliche Stand der Dinge lässt uns mit Zuver-
sicht in die Zukunft blicken.
PERSONAL
Die Herren lic. phil. Toni Banzer und Herbert Hübe
arbeiteten beide weiterhin zu 100 Prozent.
STAND DER ARREITEN
SAMMELDATENBANKEN
Die Sammlung und Aufbereitung der Daten ist grund-
sätzlich beendet. Im Rahmen der Druckvorberei-
tung können jedoch bei Bedarf weiterhin laufend
Eingriffe in die einzelnen Datenbestände vorge-
nommen werden. Die notwendige stilistische Über-
arbeitung der Exzerpte aus der Sekundärliteratur
sowie der volksetymologischen Notizen erfolgt im
Rahmen der redaktionellen Schlusskontrolle.
RESULTATDATENBANKEN
Lexikonteil: Am 16. Januar lieferte die Firma Vo-
gelsang die ausstehenden Programme zur Vernet-
zung der Datenbank Lexikon mit der Zentralstruk-
tur Lemmaplan. Seither ist der Lexikonteil
aktuaüsiert, das heisst, sein Bestand an Datensät-
zen entspricht der Anzahl Stichwörter, die im Lem-
maplan festgelegt wurden. Da die Lexikon-Daten-
bank während sehr langer Zeit nicht in dieser ver-
netzten Form zur Verfügung gestanden hatte, die
Arbeiten aber ständig hatten vorangetrieben wer-
den müssen, drängte sich nun eine grundlegende
Überarbeitung der Datensätze auf. Toni Banzer hat
ab März 1996 alle Stichwörter mit Ausnahme der
Buchstaben C, R, S, Y durchgesehen und überar-
beitet beziehungsweise neu formuliert.
Eine gewichtige Sondergruppe bilden hier die
vordeutschen Stichwörter. Da diese aus der Deu-
tung der (zur Hauptsache) romanischen Namen
herauswachsen, fallen sie ganz in den Kompetenz-
und damit in den Arbeitsbereich des Unterzeich-
nenden. Der Aufbau des deutschen und derjenige
des vordeutschen Anteils am Lexikonteil geschieht
also gesondert; am Schluss werden die Teile aber
alphabetisch integriert. Natürlich wird bis zum Ab-
schluss sämtlicher Deutungsarbeiten im Material-
teil (einschliesslich deren Revision) der Lexikonteil
sich nicht gänzlich abschliessen lassen, denn jede
Modifikation im Bereich der Namendeutungen hat
ihre logischen Auswirkungen auf die Lexikonein-
träge.
Materialteil: Ende 1995 waren die Deutungsar-
beiten zu den deutschen Namen aller Gemeinden
weit fortgeschritten. So begann der Leiter mit der
kritischen Durchsicht dieser Namenartikel. Die
daraus hervorgehenden Korrekturen wurden von
den Mitarbeitern eingearbeitet. Einzelne proble-
matische Fälle bedürfen noch einer abschliessen-
den gemeinsamen Besprechung. Ausgehend von
Balzers beginnt der Unterzeichnete die Deutungen
der vordeutschen Namen in der definitiven Formu-
lierung auszuliefern.
Mit der Gemeinde Eschen wurde auf Anregung
von Vorsteher Günther Wohlwend Kontakt aufge-
nommen, da er festgestellt hatte, dass bei der Auf-
nahme offensichtliche Fehler unterlaufen seien.
Um die Sache zu prüfen, müssen Flurnamenkarte
und Begleitheft der Gemeinde nochmals kritisch
durchgesehen werden. Wir lieferten der Gemeinde
die nötigen Arbeitsunterlagen und baten um Er-
gänzung und Korrektur. Die Ergebnisse stehen
noch aus.
321
COMPUTER, PROGRAMME
Seit Beginn des Jahres sind endlich alle Bestandtei-
le unseres Namenbuchprogramms mit der Zentral-
struktur, dem Lemmaplan, vernetzt. Damit sind
nun die Werkteile Lexikon und Material immer ak-
tuell, das heisst, jede Änderung an irgendeiner
Stelle wird nun automatisch an allen relevanten Or-
ten, wie von uns definiert, nachgeführt.
Es hat sich als notwendig erwiesen, auf die Her-
stellung einiger weiterer Programmelemente in der
ursprünglich vorgesehenen Weise zu verzichten
(namentlich die Vergrösserung der Datenfelder).
Auf das in Auftrag gegebene, bislang noch nicht ge-
lieferte Programm zur Datenordnung können wir
hingegen nicht verzichten. Der von uns gesetzte
Schlusstermin (Ende 1996) konnte allerdings vom
Lieferanten nicht ganz eingehalten werden; seine
Lieferung sollte nun kurz bevorstehen. So bleiben,
wenn wir die gemachten Abstriche nicht mehr
berücksichtigen, keine wesentlichen Pendenzen
von sehen der Computerfirma mehr offen.
chen Firma wurde darauf der Auftrag erteilt, einen
entsprechenden Zeichensatz zu erstellen.
PERSONENNAMENRUCH
Am 28. Februar haben wir auf Wunsch der Kul-
turministerin, Frau Dr. Andrea Willi, ein Konzept
für die zweite Werkphase des Namenbuchprojekts,
das Personennamenbuch, vorgelegt. Zuvor klärten
wir in einer Besprechung mit dem Leiter Informa-
tik beim Personalamt, Herrn Günther Eberle, die
Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der In-
formatikabteilung der Landesverwaltung ab. Das
Ergebnis dieser Überlegungen liegt in einer Akten-
notiz des genannten Amtsleiters vom 15. Februar
vor. Dem Projektteil Personennamenbuch ist vom
Landtag am 30. Oktober zugestimmt worden. Die
Kosten hierfür werden von Land und Gemeinden
getragen. Die dazu nötige Hard- und Software ist
im Einvernehmen mit dem Amt für Personal und
Organisation bestellt worden.
DRUCKLEGUNG ORTSNAMENRUCH
Im April 1996 haben wir verschiedene grössere
Druckereien des Landes um eine Kostenschätzung
für die Drucklegung des Ortsnamenbuches gebe-
ten. Da Umfang und Aussehen des Werkes (For-
mat, Anzahl Bände, Layout, usw.) zu diesem Zeit-
punkt noch nicht genauer abzusehen waren,
mussten die von uns gelieferten Eckdaten ziemlich
vage bleiben. Unsere Planung beruht auf sechs
Bänden zu je rund 500 Seiten bei einer Auflage von
etwa 600 Exemplaren: Es wird für Satz, Korrektur
und Druck mit Gesamtkosten von CHF 350 000 - zu
rechnen sein. Das Konzept für die Drucklegung ist
der Regierung vorgelegt und von dieser genehmigt
worden.
Hinsichtlich des für den Druck notwendigen spe-
ziellen Zeichensatzes (phonetische und historische
Zeichen) wurden mit einer einheimischen Drucke-
rei die nötigen Vorabklärungen getroffen. Der glei-
SONSTIGE TÄTIGKEITEN
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
«Flur und Name»: Anfangs April konnten wir die
im Laufe des Jahres 1995 in beiden Landeszeitun-
gen erschienenen Flurnamenartikel, unter dem
Titel «Flur und Name» versammelt, in Buchform
herausgeben. Gestaltung und Satz erfolgten haus-
intern am eigenen PC. Für die Drucklegung geneh-
migte die Regierung die Vorfinanzierung. Den Ver-
trieb des Buches übernahm die Geschäftsstelle des
Historischen Vereins.
322
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
ZUSAMMENARBEIT MIT LAND UND
GEMEINDEN, NOMENKLATURFRAGEN
Die Kulturministerin, Frau Regierungsrätin Dr.
Andrea Willi, hat eine Gesprächsrunde Kultur an-
geregt, an welcher alle Ämter und Dienststellen,
welche Kulturarbeit im weitesten Sinne leisten,
dann die öffentlichen Stiftungen (Landesbibliothek,
Musikschule, Landesmuseum) sowie der Histori-
sche Verein und dessen Projekte teilnehmen soll-
ten. Am 3. Juli fand ein erstes Zusammentreffen
statt, an welchem die Idee dieser Gesprächsrunde
grundsätzlich gutgeheissen wurde.
Wie oben erwähnt, sind die Gemeinden des Lan-
des von der Regierung eingeladen worden, sich an
den Kosten für ein Personennamenbuch zu beteili-
gen. Die Gemeinde Mauren lud zur Gemeinderats-
sitzung, in welcher sie über die Beteiligung befand,
das Namenbuch zu einer persönlichen Befragung
ein. Toni Banzer hat sich den gemeinderätlichen
Fragen gestellt.
Am 5. Dezember besuchte der neu gewählte
Vorstand des LIistorischen Vereins das Namenbuch
an der Messinastrasse. Der Unterzeichnete und
Toni Banzer stellten den neuen Vorstandsmitglie-
dern das Namenbuchprojekt in seinen verschiede-
nen Aspekten vor.
uns stets so bereitwillig und kompetent geleistete
Unterstützung. Dieser Dank gebührt in besonde-
rem Masse dessen abtretendem Vorsitzenden,
LIerrn Dr. Alois Ospelt, mit dem uns während all
der Jahre stets eine ungetrübte und von Vertrauen
getragene Zusammenarbeit vergönnt war. Mit sei-
ner zuverlässigen und angenehmen Art hat er sich
auch um unser Werk bedeutende Verdienste er-
worben. Wir freuen uns, auch im neuen Vorsitzen-
den, Herrn Dr. Rupert Quaderer, einen versierten
und interessierten Gesprächspartner gefunden zu
haben. Herrn Klaus Biedermann von der Ge-
schäftsstelle des Historischen Vereins danken wir
für die freundliche Zusammenarbeit. Mit meinen
Mitarbeitern, den Herren Toni Banzer und Herbert
Hübe, verbinden mich ein ungetrübtes Arbeitskli-
ma und die gemeinsame Begeisterung für unsere
Aufgabe im Dienste von Landes- und Volkskunde.
Ein besonderer Dank gebührt allen Gemeinden im
Land für ihre Bereitschaft, an den Kosten für das
Personennamenbuch mitzutragen. Danken möchte
ich schliesslich auch allen Amtsstellen im Land und
in den Gemeinden für alle uns gewährten Dienstlei-
stungen und Unterstützungen. Freundlich sei auch
allen Gewährspersonen im ganzen Land sowie al-
len übrigen, die uns in irgend einer Weise gefördert
haben, gedankt.
ZUSAMMENARBEIT MIT INSTITUTIONEN Grabs, im Februar 1997
Die LGT Bank in Liechtenstein möchte die Räum-
lichkeiten ihres neuen Bankgebäudes in Bendern
mit ausgewählten Flurnamen der Gemeinde Gam-
prin-Bendern benennen und dazu die geeignete
Hintergrundinformation liefern. Toni Banzer nahm
sich der Sache an.
LIECHTENSTEINER NAMENBUCH
Der Leiter: Prof. Dr. Hans Stricker
DANK
Der Hohen Fürstlichen Regierung bin ich für das
uns erwiesene Vertrauen und alle gewährte Unter-
stützung dankbar. Dem Historischen Verein als
Träger unseres Namenbuches danken wir für die
323
ANSCHRIFT
Liechtensteiner Namenbuch
Messinastrasse 5
Postfach 415
FL-9495 Triesen
Telefon 075 / 236 75 70
Telefax 075 / 236 75 58
324
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
Historisches Lexikon für das
Fürstentum Liechtenstein:
Tätigkeitsbericht 1996
ALLGEMEINES
Die Arbeiten am Historischen Lexikon für das Für-
stentum Liechtenstein (LILFL) gingen im Berichts-
jahr 1996 planmässig weiter. Die Anzahl der Ein-
träge belief sich per Jahresende auf 3 315 Lemmata
(Artikel, Direktverweise), die insgesamt 79 368 Zei-
len umfassen. Die Hauptarbeiten der Redaktion be-
trafen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Arti-
kelproduktion. Dies entsprach auch der Zielsetzung
für das Arbeitsjahr 1996, zumal im Verlaufe des
Jahres die notwendige Infrastruktur hinsichtlich
Datenbank beschafft werden konnte. Per Ende
Jahr waren mehrere hundert Artikel in Auftrag ge-
geben. Die zu diesem Zeitpunkt in Bearbeitung be-
findlichen Artikel umfassten rund 20 000 Zeilen,
also annähernd einen Viertel der Gesamtzeilenzahl
des Historischen Lexikons. Neben der Tätigkeit im
Rahmen der Artikelproduktion wurden seitens der
Redaktion verschiedene andere mit dem HLFL
zusammenhängende Aufgabenbereiche wahrge-
nommen.
Insgesamt konnte 1996 trotz verschiedener Ver-
zögerungen ein wesentlicher Schritt bei der Reali-
sierung des Historischen Lexikons gemacht wer-
den. Das Projekt blieb wie bisher ein Einmannbe-
trieb. Die im Gefolge der Artikelproduktion stetig
wachsenden redaktionellen Anforderungen und
administrativen Belastungen konnten nur durch
effizient gestaltete Arbeitsabläufe und eine in zeitli-
cher Hinsicht deutlich überdurchschnittliche Ar-
beitsleistung erfüllt werden. Die zeitliche Mehr-
belastung resultiert nicht zuletzt aus der aktiven
und möglichst intensiven Betreuung der Autoren
und Autorinnen, einem Bereich, dem die Redaktion
im Interesse des Projektes eine besondere Bedeu-
tung beimisst.
TRÄGERSCHAFT
Die Trägerschaft des LIistorischen Lexikons, der
Vorstand des Historischen Vereins, behandelte die
ihr obliegenden Geschäfte in ordentlichen Sitzun-
gen. Die Kontakte der Redaktion zur Trägerschaft
liefen über die Geschäftsstelle des Historischen
Vereins (lic. phil. Klaus Biedermann), über den Vor-
sitzenden des Wissenschaftlichen Beirates, Dr. Ru-
pert Quaderer, oder direkt über den Vereinsvorsit-
zenden Dr. Alois Ospelt. Dieser ist im Verlaufe des
Berichtsjahres von seinem Amt als Vereinsvorsit-
zender zurückgetreten. Es ist dem Unterzeichner
ein Anliegen, Dr. Alois Ospelt, unter dessen Amts-
zeit das Historische Lexikon ins Leben gerufen
wurde, und das damit gewissermassen auch sein
«Kind» ist, für die Unterstützung und Mitarbeit
sehr herzlich zu danken. Zum neuen Vorsitzenden
wurde Dr. Rupert Quaderer gewählt. Am 5. Dezem-
ber besuchte der Vorstand des Historischen Ver-
eins das Historische Lexikon an der Messinastras-
se. Für die gute Zusammenarbeit, die aufbauende
Kritik und Unterstützung sei der Trägerschaft, ins-
besondere dem Präsidenten und dem Geschäfts-
führer, bestens gedankt.
DIE RERATENDEN GREMIEN
Der Wissenschaftliche Beirat des Historischen Lexi-
kons traf sich gegen Ende des Berichtsjahres 1996
zu einer längeren Arbeitssitzung im Bildungshaus
Gutenberg Balzers, in welcher er die von der Re-
daktion vorgelegten Geschäfte besprach. Mitglieder
des Beirates waren im Berichtsjahr 1996 Dr. Ru-
pert Quaderer (Schaan), Dr. Martin Bundi (Chur),
Prof. Dr. Dr. Karl Heinz Burmeister (Bregenz), Prof.
Dr. Heinz Dopsch (Salzburg), lic. phil. Claudia
Heeb-Fleck (Schaan), Dr. Marco Jorio (Bern) und
Dr. Werner Vogler (St. Gallen). Hauptdiskussions-
punkt waren in erster Linie (neben anderen Arti-
keln) diejenigen aus dem Bereiche «Archäologie»,
welche thematische, geographische und biographi-
sche Bereiche betrafen.
Der Sitzungstag wurde mit zwei öffentlichen
Vorträgen zum Thema «Armut in der Geschichte
Liechtensteins» abgeschlossen. Die vom HLFL
dazu eingeladenen Referenten, Mag. Sabine
Veits-Falk und Dr. Alfred Stefan Weiss, sind am
Historischen Institut der Universität Salzburg
tätig. Am Vortrag nahm auch Regierungsrat Dr.
325
Michael Ritter, Ressortinhaber Soziales und Wirt-
schaft, teil.
In der gleichen Sitzung wurden die Historikerin-
nen Frau lic. phil. Veronika Marxer (Schaan) und
Frau Dr. Heidi Witzig (Uster) zu wissenschaftlichen
Beraterinnen des Historischen Lexikons gewählt.
Ihre wissenschaftlichen Verantwortungsbereiche
betreffen in erster Linie auch die Aspekte der Ge-
schlechtergeschichte in den Artikeln des HLFL. Im
Rahmen seiner Möglichkeiten will das Historische
Lexikon den Anliegen einer Geschichtsschreibung,
welche die genannten Aspekte in gebührendem
Rahmen berücksichtigt, mögüchste Nachachtung
verschaffen. Die wissenschaftlichen Berater und
Beraterinnen wurden allgemein oder in bestimm-
ten Fragen, bei Vernehmlassungen und laufenden
redaktionellen Arbeiten nach Bedarf zu Rate gezo-
gen.
DIE REDAKTION
Die umfangreichen Aufgabenbereiche der Einper-
sonen-Redaktion umfassten im Berichtsjahr 1996
wie bisher zur Hauptsache die beiden Bereiche Ad-
ministration und Redaktion. Die administrativen
Anforderungen sind im Gefolge der Artikelproduk-
tion und der damit einhergehenden Aufgaben er-
neut angewachsen.
REDAKTIONELLE TÄTIGKEITEN
Die redaktionellen Tätigkeiten umfassten im we-
sentlichen die weitere Bearbeitung der Stichwortli-
sten und Konzepte, die Produktion der Artikel, die
Betreuung der Autoren und Autorinnen sowie die
Weiterführung der verschiedenen wissenschaftli-
chen Projekte. Neue Autoren und Autorinnen wur-
den unter Vertrag genommen und mit Aufträgen
bedacht. Mit verschiedenen Autoren und Autorin-
nen - besonders erwähnt seien die Verfasser und
die Verfasserin der Gemeindeartikel - fanden ein-
zelne Besprechungen oder gemeinsame Sitzungen
statt. Beträchtlichen Zeiteinsatz erforderte insge-
samt die Vorbereitung von Sitzungen, Gesprächen
und Telefonaten, deren Anzahl sich im Zusammen-
hang mit der Produktionsaufnahme steigerte. Der
Redaktor machte Archivbesuche und unterstützte
die Autoren in logistischer Hinsicht und bei biblio-
graphischen Abklärungen. Die Abgabedisziplin
verschiedener Autoren (nicht Autorinnen!) ist, mit
vornehmer Zurückhaltung ausgedrückt, teilweise
etwas locker.
ARTIKELPRODUKTION, EDV
Die Artikelproduktion konnte aus verschiedenen
Gründen nicht im gewünschten Masse vorangetrie-
ben werden, sie hielt sich aber insgesamt im ge-
planten Rahmen. Die Redaktion ist jedoch bestrebt,
die Produktion zusätzlich zu beschleunigen. Ein
wesentlicher Grund für das verzögerte Produk-
tionstempo liegt in den nicht einwandfrei laufen-
den EDV-Redaktions- und Datenbankprogrammen.
Die Datenbank (Programm) wurde im Frühjahr
1996 in einem ersten Teil geliefert; sie ist noch
nicht abgeschlossen. Auftretende Mängel schwer-
wiegender und zeitraubender Natur blockierten die
Bearbeitung von Stichwortlisten und Artikeln teil-
weise oder ganz über längere Zeiträume hinweg.
Der kostenintensive EDV-Bereich war (und ist) ein
ständiges «Sorgenkind» der Redaktion. Weil eine
EDV-Unterstützung für die redaktionelle Arbeit un-
bedingt erforderlich ist, wurde die Beseitigung der
Mängel in Zusammenarbeit mit den beauftragten
Softwarefirmen in Angriff genommen. Die Proble-
me konnten bis Ende des Berichtsjahres nicht
gelöst werden.
K O N T A K T E , RERATUNG, PLANUNG
Die redaktionellen Kontakte zum Historischen Lexi-
kon der Schweiz (HLS) waren sporadisch, zumal der
Chefredaktor des HLS, Dr. Marco Jorio, auch Mit-
glied des Wissenschaftlichen Beirates ist. Herrn Dr.
Jorio möchte ich bei dieser Gelegenheit für die im-
mer wirksame Unterstützung und Beratung danken.
326
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
Die Redaktion leistete auf entsprechende in- und
ausländische Anfragen hin Hilfestellung und Bera-
tung auf dem Feld der historischen Landeskunde,
erweiterte die bisherigen Kontakte zu historisch
tätigen Institutionen im Ausland und nahm an den
von Regierungsrätin Dr. Andrea Willi initiierten
«Gesprächsrunden Kultur» teil. Auch die Tätigkei-
ten im Vorstand des Vereins für Geschichte des Bo-
densees und die Teilnahme an den Sitzungen des
Arbeitskreises für Regionale Geschichte erweiter-
ten im Interesse des HLFL das Beziehungsnetz zu
im Bereich der Geschichte tätigen Personen und
Institutionen. Für die im April 1996 in Liechten-
stein durchgeführten Hauptversammlung der Ver-
einigung für schweizerische Kirchengeschichte traf
der Redaktor des HLFL die notwendigen Vorberei-
tungen vor Ort, er organisierte den Tagesablauf
und referierte über ein kirchengeschichtliches The-
ma. Ein zweites und auf grosses Interesse stossen-
des Referat bestritt Hansjörg Frommelt (Archäolo-
gie) zum Thema: «Kirchliche Bauten im Fürsten-
tum Liechtenstein». Er führte die Mitglieder der
Vereinigung auch durch die Kirchengrabung Mau-
ren. Für sein Engagement sei ihm auch an dieser
Stelle herzüch gedankt.
In öffentlichem Auftrag erarbeitete die Redak-
tion Konzepte im Hinblick auf neue wissenschaftli-
che Projekte. In beratender und logistischer Weise
unterstützt wurde der von Frau Mag. Gertrud Lleid-
vogl betreute historische Teil eines hydrologisch-
fischökologischen Projektes (Leitung: Gewässer-
schutzamt Vaduz, Theo Kindle, in Zusammenarbeit
mit der hydrologischen Abteilung des Instituts für
Bodenkultur an der Universität Wien). Daraus wird
auch eine Geschichte der liechtensteinischen Ge-
wässer entstehen.
VORTRÄGE, FÜHRUNGEN, PURLIKATIONEN
Auf entsprechende Einladung hin referierte der Re-
daktor über geschichtlich-landeskundliche The-
men, machte historische Führungen und publizier-
te verschiedene kleinere und grössere historische
Arbeiten. Diese wissenschaftlichen oder populären
Studien, die in der Regel neben den Tagesaufgaben
laufende Zusatzarbeiten waren, betrafen beispiels-
weise die Geschichte der Familienhilfen Liechten-
steins, eine kleine liechtensteinische Verfassungs-
geschichte, biographische Aspekte der Person
Wilhelm Becks (1885-1936) sowie die redaktionelle
Betreuung der Monographie «Die Schlossabma-
chungen vom September 1920. Studien und Quel-
len zur politischen Geschichte des Fürstentums
Liechtenstein im frühen 20. Jahrhundert». Die Pu-
blikation bringt u. a. die von Dr. Rupert Quaderer
besorgte erstmalige Edition der Protokolle der poli-
tischen Verhandlungen zwischen Landesfürst und
Liechtensteinischer Volkspartei vom September
1920, deren Ergebnisse die wesentlichen Grundla-
gen der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein
von 1921 bilden.
RINGVORLESUNG
Ein weiterer Bereich betraf 1996 die Planung einer
Ringvorlesung «Aus der Geschichte der liechten-
steinischen Gemeinden». Diese Vorlesung wurde
vom Liechtenstein-Institut angeregt, und die Re-
daktion des Historischen Lexikons, die immer an
der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen in-
teressiert ist, erklärte sich bereit, «seine» Autoren
bzw. Autorin, die vertraglich mit der Abfassung der
zentralen Gemeindeartikel im LILFL beauftragt
sind, für die Ringvorlesung zu gewinnen. Das be-
deutete, dass das HLFL im Interesse des Liechten-
stein-Instituts auf eine selbständige Vortragsreihe
zu diesem Thema verzichtete und ebenso das
Rahmenthema für die zweite «Liechtensteinische
Historische Tagung», die der Gemeindegeschichte
gewidmet sein sollte, änderte. Auf schriftlichem
Wege und in einer von der HLFL-Redaktion einbe-
rufenen Sitzung wurde die Bereitschaft der Auto-
ren und der Autorin für einen solchen Vortrag ab-
geklärt und schliesslich die jeweilige Thematik
festgelegt. Dieses zusätzliche Engagement der Ge-
meindeartikel-Autoren und -Autorin ist nicht
selbstverständlich, und es sei deshalb an dieser
Stelle ausdrücklich verdankt. Die Ringvorlesung
327
wird im Januar/Februar 1997 als Gemeinschafts-
veranstaltung von Historischem Lexikon und
Liechtenstein-Institut durchgeführt werden. Frau
lic. iur. Eva Hasenbach, Geschäftsführerin des
Liechtenstein-Instituts, möchte ich für die ange-
nehme Zusammenarbeit bestens danken.
VORTRAGSREIHE
In Vorbereitung befand sich 1996 ausserdem eine
HLFL-Vortragsreihe «Autoren und Autorinnen des
Historischen Lexikons berichten ...». Es soll da-
durch den Verfassern von Artikeln die Möglichkeit
gegeben werden, in einem grösseren Rahmen über
die Thematik der von ihnen bearbeiteten Artikel
sprechen und ihre Argumentationen breiter dar-
stellen zu können. Das ist in den äusserst kompri-
mierten Lexikonartikeln nicht möglich. In diesem
Zusammenhang konnte die Redaktion auch thema-
tisch hochinteressante Foschungsprojekte anregen
und aktiv fördern. Sie werden neue methodische
Verfahren und Fragestellungen in die liechtenstei-
nische Geschichtsforschung einbringen. Für die
Vortragsreihe wurden 1996 erste Referenten ver-
pflichtet.
HISTORIOGRAPHIE IM FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN
1996 konnten die Erträge der '1995 erstmalig
durchgeführten Liechtensteinischen Historischen
Tagung publiziert werden (ISBN 3-905311-89-5).
Den Verlag des äusserlich ansprechenden und in-
haltlich vielfältigen Büchlein mit dem Titel «Histo-
riographie im Fürstentum Liechtenstein. Grundla-
gen und Stand der Forschung» übernahm der
Chronos Verlag in Zürich. Für die kompetente und
prompte Betreuung möchte ich dem Verlag, beson-
ders Herrn H. R. Wiedmer, bestens danken. Die
Schrift, welche zwanzig Artikel zu Fragen der hi-
storisch-landeskundlichen Forschung in Liechten-
stein umfasst, konnte am 28. April in Vaduz prä-
sentiert werden. Frau Regierungsrätin Dr. Andrea
Willi, Ressortinhaberin Kultur, nahm erfreulicher-
weise daran teil. Bei gleicher Gelegenheit hielt Pro-
fessor Dr. Gernot Gürtler (Universität Innsbruck)
auf Einladung des Historischen Lexikons einen
spannenden Vortrag zum Thema der liechtensteini-
schen Migration im 19. Jahrhundert. Der Vertrag
führte zu verschiedenen positiven Rückmeldungen
aus der Zuhörerschaft.
LIECHTENSTEINISCHE HISTORISCHE TAGUNG
Im Berichtsjahr 1996 liefen auch die Planungen für
die Durchführung der zweiten «Liechtensteini-
schen Historischen Tagung» an. Ursprünglich war
als Rahmenthema die Geschichte der liechtenstei-
nischen Gemeinden vorgesehen. Weil die Redak-
tion jedoch mit dem Liechtenstein-Institut die
Durchführung einer Ringvorlesung zu diesem The-
ma vereinbarte, änderte die Redaktion das Rahm-
enthema der nächsten Tagung 1997. Diese wird
deshalb aus zeitlichen und organisatorischen
Gründen ausserplanmässig nicht im Frühjahr, son-
dern im Herbst durchgeführt werden.
SEMINARPROJEKT «GESCHICHTE
LIECHTENSTEINS»
Ein weiterer recht zeitintensiver Arbeitsbereich der
Redaktion betraf das von ihr initiierte und vom
Kulturbeirat der Fürstlichen Regierung verdienst-
voll geförderte Projekt «Geschichte Liechtensteins -
ein grenzübergreifendes Seminar». Die Seminare
Zürich (Prof. Roger Sablonier), Salzburg (Prof.
Heinz Dopsch) und Innsbruck (Prof. Brigitte Ma-
zohl-Wallnig) waren schon 1995 abgeschlossen
worden.
PURLIKATION SEMINARREITRÄGE
Die Bearbeitung der vorgelegten Studien und For-
schungsbeiträge für eine Drucklegung ist im Be-
richtsjahr 1996 im Rahmen der zeitlichen Möglich-
328
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
keiten seitens der Autoren und Autorinnen, der Se-
minarleiter und Seminarleiterin und der Redaktion
des Historischen Lexikons vorangetrieben worden.
Danken möchte ich in diesem Zusammenhang be-
sonders Herrn Claudius Gurt (Zollikon) und Dr. A l -
fred Weiss (Salzburg) für ihre Mitarbeit. Die Druck-
legung ist nur möglich dank der grosszügigen
Unterstützung durch verschiedene Stiftungen, de-
nen ich an dieser Stelle recht herzlich danken
möchte. Im Berichtsjahr 1996 haben die Karl May-
er Stiftung, die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Gui-
do Feger und die Binding Stiftung zweckgebunden
entsprechende Mittel zugesagt. Weitere Gesuche
laufen. Die Publikation wird im Jahre 1997 vorge-
legt werden.
Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch,
dass aus den Seminaren verschiedene auf umfang-
reichen Quellenarbeiten beruhende Magister- und
Lizentiatsarbeiten entstanden sind oder entstehen,
zum Beispiel über das liechtensteinische Weistum
oder die herrschaftlichen Urbare des 15. bis 18.
Jahrhunderts.
ZEITGESCHICHTLICHES SEMINAR
Das abschliessende zeitgeschichtliche Seminar
wurde vom Seminar für Allgemeine und Schweize-
rische Zeitgeschichte an der Universität Freiburg
unter der Leitung von Professor Dr. Urs Altermatt
und seiner Assistentin Dr. Catherine Bosshart-Pflu-
ger bestritten. Das Rahmenthema lautete: «Das
Fürstentum Liechtenstein seit dem Ersten Welt-
krieg. Herrschaft, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft,
Beziehungen zur Schweiz. Kontinuität und Wan-
del». Der Redaktor des HLFL beriet die Teilnehmer
und Teilnehmerinnen hinsichtlich der gewählten
Themen an speziell angesetzten Sprechstunden in
Freiburg, er nahm während des Sommersemesters
1996 nach Möglichkeit an den Freiburger Seminar-
sitzungen teil und stellte einen Reader «Kleine
Sammlung von ausgewählten Texten zur Ein-
führung in die Geschichte des Fürstentums Liech-
tenstein im 20. Jahrhundert» zusammen. Während
zwei Sitzungen gab zudem Dr. Rupert Quaderer auf
Einladung des Historischen Lexikons den Studen-
ten und Studentinnen eine Einführung in die liech-
tensteinische Zeitgeschichte. Den Abschluss bildete
eine gelungene Studien- und Arbeitswoche in der
Zeit vom 10. bis 15. Juni 1996, durchgeführt im
Bildungshaus Gutenberg (Balzers).
Schriftliche Arbeiten, Seminarreferate, Diskus-
sionsbeiträge und Vorträge im Rahmen einer öf-
fentlichen Vortragsreihe wurden von nachstehen-
den Personen zu folgenden Themen erarbeitet:
- Susanna Biland
Liechtensteins Beitrittsgesuch zum Völkerbund
(anhand der Materialien aus dem Archiv des Völ-
kerbundes in Genf).
- Iwan Koppel
Grundlinien der liechtensteinisch-schweizerischen
Beziehungen seit dem Ende des Ersten Weltkrieges
(1918-1996).
- Gion Lechmann
Historische Demographie Liechtensteins der Jahre
1930-1995 (Bevölkerungsbewegung, Jugend-Alter,
Lebensformen, Mobilität, Gesundheit-Krankheit,
Tod, Konfession).
- Michael Nagy
Die Ausländerfrage im Fürstentum Liechtenstein
(Einwanderung, Arbeitsmarkt, Einbürgerung).
- Ursula Stadlmüller
Die Thronreden der Fürsten Franz Josef IL und,
Hans-Adam IL von Liechtenstein.
- Matthias Hofstetter
Fürst und Fürstenhaus in der Schweizer Presse
(1980-1995).
- Patrick Haselbach
Wahlkämpfe und Wahlen zum Landtag im Fürsten-
tum Liechtenstein.
- Roland Gnos
Liechtensteinische Pressegeschichte in ihren Grund-
zügen seit 1914.
- Ulrich Köchli
Zusammensetzung des liechtensteinischen Land-
tages und der Fürstlichen Regierung seit 1921.
- Roland Baur
Volksabstimmungen (Referenden und Initiativen)
im Fürstentum Liechtenstein.
329
Buchpräsentation «Histo-
riographie im Fürstentum
Liechtenstein» im Foyer
des Liechtensteinischen
Gymnasiums in Vaduz am
28. April 1996. In der
Mitte Regierungsrätin Dr.
Andrea Willi; rechts Prof.
Dr. Gernot Gürtler (Inns-
bruck, Notre Dame/USA),
der den aufschlussreichen
Vortrag: «Quo vadis?
Aspekte zum <homo mi-
grans> im Fürstentum
Liechtenstein hielt; links
Arthur Brunhart, Chefre-
daktor des HLFL
- Michael Fagagnini
Alternative politische Gruppierungen in Liechten-
stein.
- Thomas Gmür
Geschichte der Gesandtschaft des Fürstentums
Liechtenstein in der Schweiz.
- Kimberly Kremer
Souveränität und Neutralität Liechtensteins seit
den Verträgen mit der Schweiz 1920/1924.
- Davide Dosi
Grundlinien und -tendenzen einer «Frauenbewe-
gung» im Fürstentum Liechtenstein.
- Rolf Bossart
Die liechtensteinische katholische Kirche als Hüte-
rin des Familien- und Frauenbildes.
- Markus Dick
Liechtenstein im Visier der Schweizer Armee.
- Alexander Meili
Wachstum und Differenzierung der liechtensteini-
schen Wirtschaft seit 1945.
Den Abschluss des Seminars bildete am 20. Juni
1996 eine längere und ergiebige Liechtenstein-Dis-
kussion mit dem liechtensteinischen Botschafter in
Bern, S. D. Prinz Nikolaus von Liechtenstein. Für
seine Teilnahme möchte ich ihm meinen besten
Dank aussprechen.
Ein geplantes neuzeitlich-zeitgeschichtliches Se-
minar unter der Leitung von Professor Dr. Anton
Staudinger am Institut für Zeitgeschichte an der
Universität Wien konnte leider nicht durchgeführt
werden. Jedoch hat Professor Dr. Volker Reinhardt,
Ordinarius für Allgemeine und Schweizerische Ge-
schichte der Neuzeit an der Universität Freiburg
(Schweiz), im Sommersemester 1996 ein laufendes
Seminar für spezifisch liechtensteinische Fragestel-
lungen erweitert. Themen war u. a. das Hexenwe-
sen im 17. Jahrhundert oder die interessante Frage
nach dem Mäzenatentum des fürstlichen Hauses
Liechtenstein.
Für die gute Zusammenarbeit möchte ich allen
Seminarteilnehmern und -teilnehmerinnen, insbe-
sondere aber Professor Dr. Urs Altermatt, Frau
Dr. Catherine Bosshart-Pfluger und Professor Dr.
Volker Reinhart, bestens danken.
330
HISTORISCHER VEREIN FÜR DAS FÜRSTENTUM
LIECHTENSTEIN 1996
AUSBLICK
Im Jahr 1997 wird die Artikelproduktion den zen-
tralen Schwerpunkt der Redaktionstätigkeit des
Historischen Lexikons für das Fürstentum Liech-
tenstein bilden. Der Umfang ist abhängig u. a. von
einem reibungslosen Ablauf der Arbeiten, vom ein-
wandfreien Funktionieren der redaktionellen EDV-
Programme, von den zur Verfügung stehenden
finanziellen Mitteln, von der Einhaltung der vor-
gegebenen Termine sowie grundsätzlich von der
Möglichkeit, überhaupt genügend kompetente Au-
toren und Autorinnen rekrutieren zu können.
Ein zweiter Arbeitsbereich betrifft die Druckle-
gung der Forschungserträge des Projektes «Ge-
schichte Liechtensteins - ein Seminar», ein drittes
Aufgabenfeld schliesslich wird zum einen die
Durchführung der in Planung befindlichen zweiten
«Liechtensteinischen Historischen Tagung» und
zum anderen die Organisation der ins Auge gefas-
sten Vortragsreihe beinhalten. Die Redaktion sel-
ber ist wie bisher auf kompetente Beratung, gross-
zügige Unterstützung und Bereitschaft zur Mit-
arbeit angewiesen. Diese wird im Interesse der
Sache dankbar entgegengenommen.
ten Institutionen, dem Landesarchiv, der Landesbi-
bliothek und dem Landesmuseum. Zu Dank ver-
pflichtet ist die Redaktion zudem der Fürstlichen
Regierung, dem Kulturbeirat und seinem Präsiden-
ten Arnold Kind, dem Liechtensteiner Namenbuch
und lic. phil. Klaus Biedermann von der Geschäfts-
stelle des Historischen Vereins für das Fürstentum
Liechtenstein.
Triesen, im Februar 1997
HISTORISCHES LEXIKON FÜR DAS
FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN (HLFL)
lic. phil. Arthur Brunhart
Chefredaktor des HLFL
DANK
Ein Projekt wie das Historische Lexikon für das
Fürstentum Liechtenstein, das in einem vielfachen
vernetzten Beziehungsfeld steht, und das nur dank
der Mitarbeit und des Wohlwollens vieler Personen
und Institutionen gedeihen kann, ist auch nach vie-
len Seiten Dank und Anerkennung schuldig. Als Re-
daktor des HLFL danke ich allen beteiligten Kräf-
ten, der Trägerschaft (Vorstand des Historischen
Vereins), besonders den Vorsitzenden Dr. Alois Os-
pelt und Dr. Rupert Quaderer, den Mitgliedern des
Wissenschaftlichen Beirates, den wissenschaftli-
chen Beratern und Beraterinnen, den Autoren und
Autorinnen, dem Historischen Lexikon der Schweiz
(HLS) und seinem Chefredaktor Dr. Marco Jorio für
das Interesse sowie die gebotene Unterstützung.
Gedankt sei ebenso den Vorständen der involvier-
331
BILDNACHWEIS ANSCHRIFT
Foto: Max Beck
Hampfländer 64
FL-9496 Balzers
Historisches Lexikon
für das Fürstentum
Liechtenstein (HLFL)
Messinastrasse 5
Postfach 626
FL-9495 Triesen
Telefon 075 / 392 28 08
Telefax 075 / 392 28 08
332
LIECHTEN-
STEINISCHES
LANDESMUSEUM
1996
LIECHTENSTEINISCHES
LANDESMUSEUM 1996
Jahresbericht 1996
STIFTUNGSRAT
Der Stiftungsrat des Liechtensteinischen Landes-
museums hat an vier ordentlichen Sitzungen die
laufenden statutarischen Geschäfte wahrgenom-
men. Daneben nahmen Mitglieder des Stiftungs-
rates an mehreren Sitzungen bei Vertretern der
Fürstlichen Regierung sowie der Gemeindeverwal-
tung Vaduz teil. Stiftungsrat und Museumsleitung
bemühten sich intensiv um die Erstellung eines
Konzeptes und einer Projektstudie zur Errichtung
einer neuen Abteilung «Geschichte Liechtensteins
im 19. und 20. Jahrhundert», die zu einem Bericht
und Antrag zuhanden der Fürstlichen Regierung
im Dezember 1996 führten. Dabei geht es vor-
dringlich um die Einrichtung einer Stelle beim
Liechtensteinischen Landesmuseum zur Erfor-
schung der «Geschichte unseres Landes im 19. und
20. Jahrhundert unter dem Blickwinkel der wirt-
schaftsgeschichtlichen Entwicklung, vor allem aber
auch unter Berücksichtigung der politischen, sozia-
len und kulturellen Aspekte». Zur Zeit stehen
zudem Räumlichkeiten im ehemaligen Fabrikareal
der Firma Jenny, Spoerry & Cie. in Vaduz zur Ver-
gabe an, die für diesen Zweck bestens geeignet
sind. Zukünftiges Ziel sollte es sein, die For-
schungsergebnisse sowie die thematisch gesam-
melten Objekte in eine permanente Ausstellung
einzubringen. Diese Ausstellung soll inskünftig in
administrativer und organisatorischer Hinsicht als
Aussensteile des Landesmuseums geführt werden.
MUSEUMSKOMMISSION
Die Museumskommission hat in drei Sitzungen
ihre statutarischen Aufgaben wahrgenommen und
namentlich über verschiedene Neuerwerbungen
entschieden, die mit mehr als hundert Objekten im
Berichtsjahr sehr reichhaltig ausgefallen sind.
Dem Sanierungsprojekt der Museumsbauten
galt nach wie vor das besondere Interesse der
Museumskommission.
SANIERUNG UND ERWEITERUNG
DER MUSEUMSRAUTEN
Seit mehr als vier Jahren ist das Liechtensteinische
Landesmuseum wegen baulicher Unzulänglichkei-
ten geschlossen, der Ausstellungsbetrieb einge-
stellt, die reichhaltigen Sammlungen der Öffentlich-
keit nicht mehr zugänglich.
In einem 33 Seiten umfassenden Bericht und
Antrag betreffend die Renovation und Erweiterung
von Landesmuseum und Verweserhaus hat die
Fürstliche Regierung dem Landtag das Projekt
vorgestellt. In seiner Sitzung vom 22. Mai 1996
hat der Landtag dem vorgeschlagenen Sanierungs-
und Erweiterungskonzept seine Zustimmung er-
teilt und einen Verpflichtungskredit in Höhe von
CHF 26 500 000.- genehmigt. Der Beschluss des
Landtages hat in weiten Kreisen ein positives Echo
ausgelöst. Leider konnte der Architekturwettbe-
werb nicht wie geplant bis Ende des Berichtsjahres
ausgeschrieben werden. Somit bleibt offen, ob der
im Bericht der Regierung vorgesehene Termin des
Baubeginns im Herbst 1998 aufrecht erhalten wer-
den kann. Nach wie vor ist das Interesse der Fach-
kreise wie der Medien gross an der weiteren Ent-
wicklung und Zukunft des Liechtensteinischen Lan-
desmuseums.
MUSEUMSVERWALTUNG UND PERSONAL
Die laufende administrative Museums- und Samm-
lungsverwaltung wurde im bisherigen Rahmen
durchgeführt, wenn auch mit reduzierter personel-
ler Besetzung. Frau Rita Vogt war seit 1. September
1988 als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und
ist auf den 31. Januar 1996 auf eigenen Wunsch
aus dem Museumsdienst ausgeschieden, um sich
einer anderen Tätigkeit zuzuwenden. Die Stelle
blieb bis auf weiteres vakant.
Seit 19. August 1996 ist Frau Gertrud Frick,
Schaan, beim Landesmuseum in Teilzeitarbeit
tätig. Frau Frick war bereits von 1972 bis 1992 im
Kassa- und Aufsichtsdienst des Landesmuseums
beschäftigt.
335
Paul Frick, seit mehr als 26 Jahren verdienter
Mitarbeiter des Liechtensteinischen Landesmu-
seums, widmete sich neben vielfältiger allgemeiner
Museumstätigkeit insbesondere dem fotografischen
Bereich des Museums sowie der Kontrolle und
Überwachung der leerstehenden Museumsbauten
in Vaduz und des Wohnmuseums in Schellenberg.
Thomas Müssner konnte 1996 sein fünfjähriges
Dienstjubiläum beim Landesmuseum begehen. Un-
ter der verdienten und geschätzten Anleitung
durch Kurt Scheel, akademischer Restaurator aus
Feldkirch, wurden zahlreiche Objekte der Mu-
seumssammlung wie der Ausstattung des Schellen-
berger Wohnmuseums konserviert und restauriert.
In der Zeit vom 4. März bis 31. Mai dieses Jahres
konnte Thomas Müssner ein Fachpraktikum für
Restaurierung am Ufficio dei musei etnografici in
Giubiasco (TI) unter der Leitung des Chefrestau-
rators Corrado Melchioretto absolvieren. Für die-
ses Entgegenkommen sei Herrn Melchioretto sowie
dem Direktor Professor Augusto Gaggioni herz-
lichst gedankt.
Der Museumsleiter durfte 1996 auf seine 15-
jährige Tätigkeit beim Liechtensteinischen Landes-
museum zurückblicken.
Thomas Müssner vom
Liechtensteinischen Lan-
desmuseum und Corrado
Melchioretto, Chefrestau-
rator des «Ufficio dei
musei ethnografici» im
Atelier mit einem restau-
rierten Intarsienmöbel
Blick in die Ausstellung
«R. I. P. Sterben und Tod
in Balzers - Kult und
Brauchtum»
SONDERAUSSTELLUNGEN UND LEIHGAREN
In Ermangelung eigener Ausstellungsräume führte
das Liechtensteinische Landesmuseum im Be-
richtsjahr keine eigene Sonderausstellung durch.
Dennoch wurde das Museumsteam von mehreren
Kulturkommissionen der Gemeinden zur Hilfestel-
lung und Mitarbeit bei Sonderausstellungen gebe-
ten. Vom 3. bis 6. Oktober fand im Gemeindesaal
Mauren eine Ausstellung von sakralem Kulturgut
der Gemeinde im Rahmen der 150-Jahrfeier der
heutigen Pfarrkirche St. Peter und Paul statt. Das
Landesmuseum war hier beratend tätig und stellte
neben zahlreichen Vitrinen auch mehrere Leihga-
ben, vornehmlich aus der archäologischen Samm-
lung, zur Verfügung.
Im Kontext der Buchpräsentation «Mier z Bal-
zers II - Lebensweg» von Emanuel Vogt fand in der
Zeit vom 29. Oktober bis 6. November 1996 im Ge-
meindesaal Balzers die Ausstellung «R.I.P. Sterben
und Tod in Balzers - Kult und Brauchtum» statt.
Die reichhaltige Sammlung zu diesem Thema
stammt von Emanuel Vogt, die Präsentation wurde
durch das Museumsteam durchgeführt. Das Lan-
desmuseum stellte auch hier neben dem Vitrinen-
336
LIECHTENSTEINISCHES
LANDESMUSEUM 1996
material ergänzende Leihgaben zur Verfügung. Die
Ausstellung fand in wenigen Tagen das Interesse
von rund 3 500 Besuchern.
In Zusammenarbeit mit der Kulturkommission
Ruggell wurde im Foyer der Gemeindeverwaltung
Ruggell die kleine Ausstellung zum Thema «Torf-
stechen in Ruggell» aufgebaut, die am 4. Dezember
1996 eröffnet werden konnte.
Auf der Riegersburg in der Oststeiermark fand
von April bis Oktober 1996 die vielbeachtete Aus-
stellung «Klar und Fest - Die Geschichte des Für-
stenhauses Liechtenstein» statt, an der das Liech-
tensteinische Landesmuseum - neben Exponaten
aus den Fürstlichen Sammlungen - mit zahlreichen
Leihgaben ebenfalls vertreten war. Der Museums-
leiter nahm an der Eröffnungsfeier vom 29. März
1996 teil. Die Ausstellung war ein Beitrag zum Mi l -
lennium Austriacum. Infolge des unerwartet gros-
sen Anklangs wurde die Ausstellung um ein Jahr
verlängert.
Beim Walser Heimatmuseum Triesenberg, das
seit Jahren auf eine intensive Zusammenarbeit mit
dem Landesmuseum zählt (der Landesmuseumslei-
ter ist auch Mitglied des Museumsbeirates), wurde
eine neue Textierung der Dauerausstellung reali-
siert. Textierung, Lektorat, Darstellung und Monta-
ge erfolgte unter Mitarbeit des Landesmuseums-
teams.
TAGUNGEN, KOMMISSIONSARBEIT
UND BERATUNG
In diesen Belangen war das Landesmuseum vor-
wiegend durch den Museumsleiter vertreten, der
1996 an rund 160 Sitzungen und Tagungen in ver-
schiedenen Kommissionen und Gremien im In-
und Ausland teilnahm. Als besonders arbeitsinten-
siv erwies sich die Mitarbeit im Rahmen des Denk-
malschutzes, namentlich hinsichtlich der Renovati-
on der Duxkapelle in Schaan, ein Projekt, das 1997
abgeschlossen werden kann. Ein hohes Mass an
Zeit beanspruchte auch die Mitarbeit und Beratung
am «Runden Tisch» in Schaan für die Ausarbeitung
eines neuen Konzeptes für das Schaaner Ortsmuse-
^/ f f . » . f y f / ' . j / ^ / f f f 4 / f f f ^ / c / - f f f j c A r * J f f r / f / . j r / f / t j.i
Die Riegersburg in der
Oststeiermark (links auf
dem Felsen): Ort der
Ausstellung «Klar und
Fest. Geschichte des Hau-
ses Liechtenstein»
Barockes Wappen des
Hauses Liechtenstein.
Holzgeschnitzt und ge-
fasst. Privatbesitz
337
um mit parallel geführter Galerie. Erwähnt sei
auch die Zusammenarbeit im Internationalen Ar-
beitskreis Bodenseeausstellungen.
In gewohnter Weise, einer ständig steigenden
Nachfrage entsprechend, stand das Landesmuseum
verschiedenen Wissenschaftlern, Autoren und Ver-
legern mit Foto- und Bildmaterial sowie mit Fach-
wissen zur Verfügung.
Im Rahmen der Neuedition des Schweizer Mu-
seumsführers mit Einschluss des Fürstentums
Liechtenstein ist der Leiter des Liechtensteinischen
Landesmuseums hinsichtlich der neuen Museen
für die Kantone St. Gallen, Appenzell und Glarus
sowie für das Fürstentum Liechtenstein zuständig
und hat diesbezüglich entsprechende Empfehlun-
gen an die zuständige Redaktionskommission des
VMS (Verband der Museen der Schweiz) abzu-
geben.
Im Rahmen der 8. Österreichischen Museums-
tage, die vom 17. bis 19. Oktober 1996 in Bre-
genz stattfanden und unter dem Motto «Baumass-
nahmen/Neueinrichtungen - abgeschlossen, im
Gange, in Planung» standen, war der Museumslei-
ter zu einem Referat über die derzeitige Situation
des Liechtensteinischen Landesmuseums eingela-
den. Die Ausführungen stiessen auf reges Interesse
unter den zahlreich anwesenden Fachkolleginnen
und -kollegen aus Österreich, Deutschland und der
Schweiz.
Der Pflege und Intensivierung der Kontakte zu
Fachkreisen dienten zahlreiche Besuche von Mu-
seen und Ausstellungen im benachbarten Ausland.
WOHNMUSEUM HAUS NR. 12 (EHEMALS
HAUS BIEDERMANN) IN SCHELLENBERG
Das seit 1994 bestehende Wohnmuseum in Schel-
lenberg, eine Aussensteile des Liechtensteinischen
Landesmuseums, konnte 1996 mehr als 1 000 Be-
sucher verzeichnen und ist inzwischen zu einer
selbstverständlichen und vielbeachteten kulturellen
Einrichtung im Liechtensteiner Unterland gewor-
den. Rund 30 Gruppen, darunter auch etliche
Schulklassen, konnten im Wohnmuseum begrüsst
und durch die Räume geführt werden. Ein beson-
derer Dank gebührt dem Aufsichtspersonal, Frau
Rosemarie Biedermann und Frau Rösle Jehle, die
sich mit grossem Engagement des Hauses und der
Besucher annehmen; ebenso sei den Archäologen
lic. phil. Eva Pepic und Hansjörg Frommelt für die
stets gute und wohlwollende Zusammenarbeit ge-
dankt.
Durch zahlreiche Objekte, teilweise Geschenke
begeisterter Besucher, konnte die Ausstellung
«bäuerliches Wohnen und Arbeiten unserer Vor-
fahren» ergänzt und bereichert werden.
ANKÄUFE, ZUWENDUNGEN, RIRLIOTHEK
«Die Hauptaufgabe eines Museums bleibt vor allem
das Erweitern und der Erhalt der Sammlung»
(Alessandra Ferrini, in VMS-Bulletin 56, 1996,
S. 43).
Dank gezieltem Agieren konnten im Berichtsjahr
1996 bedeutende Objekte in die reichhaltigen
Sammlungsbereiche des Landesmuseums einge-
bracht und verschiedene Sammlungslücken ge-
schlossen werden. Insgesamt sind 120 Eingänge zu
verzeichnen, wie dem Zuwachsverzeichnis zu ent-
nehmen ist.
Den zahlreichen Donatoren gilt ein besonderer
Dank für das Entgegenkommen und die damit be-
kundete Wertschätzung gegenüber dem Liechten-
steinischen Landesmuseum.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Übernahme
des gesamten Inventars der Wagnerei Gottlieb Hilti
in Schaan, sowie eine Sammlung wertvoller - vor-
wiegend sakraler - Kulturgüter aus dem Gemein-
dearchiv Schaan in das Depositum des Landesmu-
seums. Ebenso konnten Teile der Innenausstattung
der Kapelle St. Georg in Schellenberg als Deposi-
tum in die Obhut des Landesmuseums eingebracht
werden.
Die Fachbibliothek des Landesmuseums wurde
durch Ankäufe und zahlreiche Schenkungen eben-
falls erheblich ausgebaut. Die Museumsleitung ist
auch hier allen Autoren, Verlegern und Donatoren
zu besonderem Dank verpflichtet.
338
LIECHTENSTEINISCHES
LANDESMUSEUM 1996
339
DONATOREN STIFTUNGSRAT
Albert Bicker, Grabs
Rosemarie Biedermann, Mauren
Rita Büchel-Ott, Ruggell
Pfr. Engelbert Bucher, alt Dekan, Triesenberg
Gottlieb Hiltijun., Schaan
Helmut Kranz, Vaduz
Erben Florian Lippuner, Grabs
Gerti Merhar-Müller, Buchs
Arthur Reutimann, Buchs
Dr. Rudolf Rheinberger, Vaduz
Hermann und Klara Wächter, Schaan
Joseph Wohlwend, Vaduz
Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum,
Vaduz
Dr. Kurt F. Büchel, Triesen (Präsident)
Mag. Edmund Banzer, Hohenems
Trudy Bricci-Marok, Mauren
Ulrike Brunhart, Balzers
Paul Büchel, Ruggell
lic. phil. Roland Hilti, Schaan
lic. phil. Veronika Marxer, Schaan
MUSEUMSKOMMISSION
lic. phil. Norbert W. Hasler, Schaan (Vorsitz)
Johann Otto Oehry, Triesen
Univ. Prof. Dr. Elmar Vonbank, Bregenz
Manfred Wanger, Planken
MUSEUMSPERSONAL
lic. phil. Norbert W. Hasler, Schaan, Museumsleiter
Gertrud Frick, Schaan, Teilzeitmitarbeiterin, seit
19. August 1996
Paul Frick, Schaan, Museumstechniker, Photo-
graph
Thomas Müssner, Gamprin, Restaurator
Rita Vogt, wissenschaftl. Mitarbeiterin
(bis 31. Januar 1996)
Rosemarie Biedermann, Mauren, Aufsicht Wohn-
museum Schellenberg
Rösle Jehle, Schaan, Aufsicht Wohnmuseum Schel-
lenberg
Vaduz, im Februar 1997
Der Jahresbericht 1996 des Liechtensteinischen
Landesmuseums wurde vom Stiftungsrat in seiner
Sitzung vom 3. Februar 1997 genehmigt und von
der Fürstlichen Regierung in ihrer Sitzung vom
18. März 1997 zur Kenntnis genommen.
340
LIECHTENSTEINISCHES
LANDESMUSEUM 1996
Zuwachsverzeichnis 1996
ANKÄUFE UND SCHENKUNGEN
GRAPHIK UND GEMÄLDE
Schloss Vaduz. Öl auf Leinwand; rechts unten
bezeichnet: F. B. 1937. (Fritz Blacha, Ing., Wien).
50,5 x 65 cm. E 96/19
Steg / Saminatal. Öl auf Leinwand; rechts
unten bezeichnet: Fritz Kaiser 1935. (Fritz Kaiser,
* Villingen 1891; t Freiburg i . Br. 1974).
58 x 68 cm. E 96/27
Malbun. Öl auf Leinwand; rechts unten bezeichnet:
Fritz Kaiser (19)35
68.3 x 80,3 cm. E 96/28
Malbun, mit Naafkopf und Pfälzerhütte. Öl auf
Leinwand; links unten bezeichnet: Fritz Kaiser.
80,2 x 100,2 cm. E 96/29
Ochsen im Wagen. Öl auf Leinwand; links unten
bezeichnet: H. Gantner.
Nr. 80 der Wiener Ausstellung «Galerie Heim,
1914».
36 x 55 cm. E 96/100
Jagdstilleben (nature morte). Öl auf Karton; rechts
unten bezeichnet: Prof. E. Zotow.
75 x 55 cm. E 96/105
G: Hermann und Klara Wächter, Schaan
Sie sahen den Stern. Kolorierte Tuschfeder-
zeichnung. Ferdinand Nigg (1865-1949); unten
bezeichnet: FN
45 x 60 cm. E 96/87
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Kapelle. Aquarellstudie. Ferdinand Nigg
(1865-1949).
20,7 x 20,4 cm. E 96/88
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Hirtenstudie. Kolorierte Kohlezeichnung auf
Pergament. Ferdinand Nigg (1865-1949).
16,5 x 62,5 cm. E 96/89
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Stoffmuster-Entwurf. Ferdinand Nigg (1865-1949).
51.4 x 34,4 cm. E 96/90
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Fritz Kaiser (1891-1974).
Malbun, mit Naafkopf und
Pfälzerhütte. Öl auf Lein-
wand, um 1935
Hans Gantner (1835-1914).
Ochsen im Wagen. Öl auf
Leinwand
341
Prof. Eugen Zotow
(1881-1953). Jagdstil-
leben. Öl auf Karton
Verkündigung an die Hirten. Kolorierte Tusch-
zeichnung. Ferdinand Nigg (1865-1949); unten
bezeichnet: F N
36 x 42 cm. E 96/91
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Schlemmerei. Linolschnitt, Fassung III. Ferdinand
Nigg (1865-1949).
34.4 x 50,2 cm. E 96/92
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Evangelist Markus. Kohlezeichnung. Ferdinand
Nigg (1865-1949).
46.5 x 31 cm. E 96/93
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Vertreibung aus dem Paradies. Kolorierte
Tuschzeichnung. Ferdinand Nigg (1865-1949).
52,2 x 43,6 cm. E 96/94
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Blinder Knabe mit Vogel und Blume. Kohle-
zeichnung. Ferdinand Nigg (1865-1949).
50 x 38 cm. E 96/95
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Schloss Vaduz von Süden. Aquarell. Ferdinand
Nigg (1865-1949); unten bezeichnet: Vaduz (18)92
Nigg-
15,2 x 13,3 cm. E 96/96
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Kinderstudie. Kolorierte Kohlezeichnung.
Ferdinand Nigg (1865-1949).
20 x 14,5 cm. E 96/97
G: Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum
Der Bauer. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698. Aus: Christoph Weigel,
Abbildungen der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände
von denen Regenten und ihren ... zugeordneten
Bedienten an, bis auf alle Künstler und Hand-
werker, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/35
Der Fuhrmann. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/36
342
LIECHTENSTEINISCHES
LANDESMUSEUM 1996
Der Fleischer. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/37
Der Bäcker. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/38
Der Lebkuchen Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/39
Der Müller. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/40
Durchmahlung des Getreides. Kupferstich von
Christoph Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/41
Durchsiebung des Getreides. Kupferstich von
Christoph Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/42
Der Mehl-Wäger. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/43
Der Tuchmacher. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/44
Der Weber. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/45
Ferdinand Nigg (1865-
1949). Vertreibung aus
dem Paradies. Tuschzeich-
nung, aquarelliert
Ferdinand Nigg (1865-
1949). Schloss Vaduz von
Süden. Frühe Bleistift-
zeichnung, aquarelliert,
1892
343
;tra$C:
Warim* f(fi{?ppf' jt ä\ i>cxc?ttie Kinn*
Christoph Weigel. Der
Wagner, Kupferstich,
Regensburg 1698
Der Sammet-Weber. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/46
Der Zeuch-Wircker. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/47
Der Borten-Wircker. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/48
Der Schneider. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/49
Der Siegelgraber. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/50
Der Münzer. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/51
Der Kupfer-Schmid. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/52
Der Beckschlager (Kesselschmied). Kupferstich
von Christoph Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/53
Der Stuck- und Glockengiesser. Kupferstich von
Christoph Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/54
Der Former (Töpfer). Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/55
Der Ziegler. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/56
Der Wagmeister (Wägmeister). Kupferstich von
Christoph Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/57
Der Wagmacher. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/58
344
LIECHTENSTEINISCHES
LANDESMUSEUM 1996
Burg Liechtenstein bei
Mödling. Miniatur,
Aquarell auf Porzellan.
Österreich, Mitte des
19. Jahrhunderts
Der Gewichtmacher. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/59
Der Zimmermann. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/60
Der Wagner. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/61
Der Drescher. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/62
Die Sag-Mühl. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/63
Der Leuchter-Macher. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698
8,9 x 7,9 cm. E 96/64
Der Wachs-Zieher. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/65
Der Lichtzieher (Kerzenzieher). Kupferstich von
Christoph Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/66
Der Scheider (Alchimist). Kupferstich von
Christoph Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/67
Der Bader. Kupferstich von Christoph Weigel,
Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/68
Der Totengräber. Kupferstich von Christoph
Weigel, Regensburg 1698.
8,9 x 7,9 cm. E 96/69
Das Hochfürstlich Joh. v. Lichtenstein'sehe (!)
Schloss Kornberg, Gräzer Kreis. Lithographie;
links unten gezeichnet von Kuwasseg, rechts unten
lithographiert von Folwarczni. Um 1840.
15 x 20,3 cm. E 96/101
Liechtenstein bei Mödling. Miniatur. Aquarell auf
Porzellan. Österreich. Mitte 19. Jahrhundert.
Queroval, 6 x 12 cm. E 96/106
Die Weilburg bei Baden. Miniatur. Aquarell auf
Porzellan. Österreich. Mitte 19. Jahrhundert.
Queroval, 6 x 1 2 cm. E 96/107
Die Stufenjahre des Menschen. Kolorierter Kupfer-
stich von G. Kirn, um 1839. Druck und Verlag von
Ed. Gust. May, Frankfurt a. M . , Nr. 415.
28 x 40,5 cm. E 96/120
G: Arthur Reutimann, Buchs
345
Hans Conrad Gyger. Karte
des Prättigaus. Kupfer-
stichkarte, erschienen
1635 im «Theatrum
Europäum» des Mathias
Merian.
KARTOGRAPHIE
Jagdkarte der hochfürstlich Alois von und zu
Liechtenstein'schen Herrschaft Feldsberg. Ge-
zeichnet von Rudolf von Ott. Feldsberg, 1858.
Vier Blatt auf Leinwand.
56 x 18,5 cm. E 96/20
Jagdkarte der hochfürstlich Alois von und zu
Liechtenstein'schen Herrschaft Rabensburg.
Gezeichnet von Johann Glatz. Feldsberg, 1858.
Acht Blatt auf Leinwand.
110x80 cm. E 96/21
Descriptio Helvetiae. Kupferstichkarte von
G. Mercator.
Erschienen bei J. Hondius, Amsterdam 1607.
12 x 18,5 cm. E 96/86
Wahrhafte Verzeichnus des Prättigöws, der Herr-
schaft Meyenfeldt, gelegenheit umb Chur, und
Angräntzenden Landschafften, sampt den Treffen
so die Pündtner mit Ihren Feinden gethan, im
Jahr 1622. Kupferstichkarte von Hans Conrad
Gyger, erschienen im Theatrum Europaeum von
M. Merian, 1635.
28 x 35,5 cm. E 96/102
G: Joseph Wohlwend, Vaduz.
Atlas der alten Eidgenossenschaft in 20 Karten aus
dem Jahre 1769 von Gabriel Walser. Faksimile-
Ausgabe von A. Dürst, Zürich 1968. 20 Karten,
handkoloriert in Imp. Folio-Mappe.
E 96/116
346
LIECHTENSTEINISCHES
LANDESMUSEUM 1996
PLASTIKEN
Anna-Selbdritt. Figurengruppe, gefasst, in Glas-
schrein. Um 1520.
Höhe zirka 32 cm, Breite zirka 24,5 cm, Tiefe
zirka 12,5 cm. E 96/103
ANDACHTSBILDER
Maria von Einsiedeln, Doppelblatt, Holzschnitt.
9,2 x 14,5 cm. E 96/15
Die Engelweih zu Einsiedlen geschah in der heili-
gen Kapelle Den 14ten Herbstmonat im Jahre 948.
Holzschnitt mit Medaillon der Muttergottes von
Einsiedeln.
21,3 x 23,7 cm. E 96/16
Katholischer Haussegen des hl. Apostel Jakobs.
Holzschnitt, gedruckt bei Johann Josef Eberle,
Einsiedeln 1835.
43,5 x 35 cm. E 96/17
Klag=Rede unsers Herrn Jesu Christi. Kupferstich,
gedruckt zu Zug (um 1840).
43 x 34,5 cm. E 96/18
Das heilig Grab zu Jerusalem. Farblitho mit ge-
prägtem ornamentalem Goldrand. Druck und
Verlag von Conrad Treutier, Neurade, Schlesien.
37,5 x 46 cm. E 96/80
G: Pfarrer Engelbert Bucher, Triesenberg
Aufnahmediplom in die Marianische Congregation.
Bertha Beck, Triesenberg, 12. Dezember 1915.
Lithographie. Unterzeichnet von Pfarrer Georg
Marxer, Triesenberg.
38 x 46 cm. E 96/81
G: Pfarrer Engelbert Bucher, Triesenberg
Andenken an die erste hl. Communion für Anna
Lustenberger in Romoos am 1. Heumonat (Juli) im
Jahre 1860. Farblitho.
24,5 x 19 cm. E 96/82
G: Pfarrer Engelbert Bucher, Triesenberg
Hl. Anna Selbdritt. Figu-
rengruppe in Glasschrein,
gefasst, um 1520
347
MÜNZEN UND MEDAILLEN
5 ECU - Liechtensteins Beitritt zum EWR, geprägt
bei Valcambi S. A., Baierna, 1995. CuNi ST.
0 38,61 mm. E 96/1
20 ECU - 50 Jahre UNO - 5 Jahre UNO-Beitritt
Liechtensteins, geprägt bei Valcambi S. A. ,
Baierna, 1995. Silber.
0 38,61 mm. E 96/2
50 ECU - 50 Jahre UNO - 5 Jahre UNO-Beitritt
Liechtensteins, geprägt bei Valcambi S. A.,
Baierna, 1995. Silber.
0 63 mm. E 96/3
Goldmünze: Fürst Hans-Adam II. von und zu
Liechtenstein. Ausgabe 15. August 1990 aus
Anlass der Erbhuldigung.
0 22 mm. E 96/22
Silbermünze: Fürst Hans-Adam II. von und zu
Liechtenstein. Ausgabe 15. August 1990 aus
Anlass der Erbhuldigung.
0 37 mm. E 96/23
Ein-Kronen-Stück, Fürst
Johann II. von Liechten-
stein, 1898. Silber. Eines
von insgesamt 40 Exem-
plaren.
32 Kreuzer, CuNi und Arg., des Fürsten Carl I. von
Liechtenstein (1614-1619) und Carl Eusibius von
Liechtenstein (1629).
E 96/108
Liechtensteiner Ein-Kronen-Stück, Arg., Silber-
glanz, 1898. (Gesamtauflage 40 Stück). Fürst
Johann II. von Liechtenstein.
0 22 mm. E 96/115
LAND- UND HAUSWIRTSCHAFT, HANDWERK
UND GEWERRE
Rasiergarnitur. Zinkblech mit Doppelspiegel.
Dachshaar-Rasierpinsel.
0 14,5 cm, Höhe zirka 42 cm. E 96/4
Rasiermesser, bezeichnet Roth. Fabrikat Roth,
Buchs (SG).
E 96/5
G: Albert Bicker, Grabs
Emaillierter Wandhalter für Zwiebeln.
24 x 12 x 22 cm. E 96/6
Schafkluppen, Holz.
14,5 x 10,5 cm. E 96/7
Blechkanne für Lampenpetroleum mit Schraub-
verschluss und Haltebügel.
E 96/8
G: Albert Bicker, Grabs
Hölzernes Getreidemass, fünf Liter. Mit Brand-
zeichen und Initialen.
0 22,5 cm, Höhe 16 cm. E 96/9
Eierwandschränkchen, Holz.
33 x 24 x 13 cm. E 96/10
Eier-Transportkistchen, Holz, mit Traggriff und
Stempelaufdruck.
30 x 20,5 x 17 cm. E 96/11
G: Albert Bicker, Grabs
348
LIECHTENSTEINISCHES
LANDESMUSEUM 1996
Fleisch-Aufschnittmaschine, handbetrieben mit
waagrechter Schnittfläche. Marke GECO.
31 x 28,5 x 16 cm. E 96/12
G: Albert Bicker, Grabs
Krauthobel.
75 x 27,5 x 11 cm. E 96/26
Krankenstuhl, Holz, um 1900.
H. 106 cm, Sitzhöhe 45 cm, Breite 57,5 cm,
Tiefe 40 cm. E 96/31
Brotrechen, Holz, ca. 1850, mit 64 Holzstiften.
Vermutlich aus dem Prättigau (GR).
Höhe 95 cm. E 96/32
Bandstick-Maschine, Marke Saurer Arbon 1908,
war bis 1995 in Betrieb.
E 96/71
G: Erben Florian Lippuner, Grabs
Geschnitzter, mit Blumenmotiven verzierter
Briefhalter, Holz, um 1900.
E 96/73
Biedermeierstuhl, Holz.
Höhe 90 cm, Tiefe 36,5 cm. E 96/74
Tabakschneider, Eigenbau, Klinge aus Sensenblatt.
Um 1889. Mit Kautabakrolle.
E 96/75
Emaillierter Blechkrug mit Henkel.
0 11 cm, Höhe 10 cm. E 96/76
G.: Albert Bicker, Grabs
Hackmaschine, handbetrieben, um 1920,
Marke «Columbia Food-Chopper Nr. 20».
E 96/79
G: Arthur Reutimann, Buchs
Zugbank, Holz.
Länge 133 cm, durchschnittliche Höhe 86 cm,
Breite 23 cm. E 96/98
Metall-Bettgestell, braun marmoriert, um 1850.
E 96/99
Waldsäge, Zweihänder.
Länge 116,2 cm. E 96/109
Bienenkorb aus Strohgeflecht.
0 35 cm, Höhe 24,3 cm. E 96/110
Bienenkorb aus Strohgeflecht.
0 39,5 cm, Höhe 20 cm. E 96/111
Emaillierte Blechpfanne für Holzherd.
0 32,5 cm, Höhe 14 cm. E 96/112
G: Albert Bicker, Grabs
Vier Fallen für Schermäuse.
Länge 18,5 cm, Breite 5,6 cm. E 96/114
G: Albert Bicker, Grabs
Konservenkrug (Steingut)
bez. Krumeich's Konservenkrug D.R.G.M. 2 L
Höhe 23 cm, 0 oben 10,5 cm, 0 unten 13 cm.
E96/117
G-. Gerti Merhar-Müller, Buchs.
Konservenkrug (Steingut)
bezeichnet Kreumeichls Conservenkrug 1/2 L
Höhe 18,5 cm, 0 oben 10 cm, 0 unten 12,5 cm.
E 96/118
G: Gerti Merhar-Müller, Buchs.
Leinenunterwäsche.
E 96/119
G: Rita Büchel-Ott, Ruggell
VERSCHIEDENES
Weinkarte der Schlosswirtschaft Gutenberg.
Schloss Gutenberg / Kellermeister Auslese.
Vaduzer Eigenbau von Egon Rheinberger. Zeich-
nung von Egon Rheinberger.
21,2 x 12 cm. E 96/13
G: Dr. Rudolf Rheinberger, Vaduz
Kuriercouvert mit Siegel Fmlt. Fürst Liechtenstein
an FM Schwarzenberg, dat. 6. Februar 1814.
21,5 x 35,5 cm. E 96/14
Mostgläser, 6 Stück, um 1900.
0 6,3 cm, Höhe 8 cm. E 96/24
Kelchgläser, 6 Stück, um 1900.
0 7,4 cm, Höhe 16 cm. E 96/25
349
Spielzeugwiege mit Puppe, um 1880.
Länge 43 cm, Breite 27-37,5 cm, Höhe 32 cm.
E 96/30
Liechtensteiner Jahres-Ei 1996.
Gestaltung: Bruno Kaufmann, Balzers
E 96/34
Ein Paar Skier, Marke «Schwendener», mit
Initialen F. J L. Skier von Fürst Franz Josef II.
E 96/70
G: Helmut Kranz, Vaduz.
Christbaumschmuck, um 1880/1900.
50 Objekte. E 96/72
Christbaumständer, Schmiedeeisenarbeit, um
1900.
Höhe 29,7 cm. Dreifuss. E 96/113
G: Albert Bicker, Grabs
Drei Zinn-Medaillons, aus einem Zyklus «Vier
Jahreszeiten».
In runden Holzrahmen gefasst. Um 1950.
0 (Zinn) 13,4 cm, Rahmen: 0 18,3 cm. E 96/104
G: Pfarrer Engelbert Bucher, Triesenberg.
Viehausstellung 1932 in Vaduz. Diplom I. Klasse
für Jakob Frommelt, Schaan. Datiert 8. Oktober
1932.
31,9 x 24,5 cm. E 96/84
Viehausstellung 1932 in Vaduz. Diplom II. Klasse
für Jakob Frommelt, Schaan. Datiert 5. Oktober
1932
41,8 x 29,7 cm. E 96/83
Viehausstellung 1934 in Vaduz. Diplom II. Klasse
für Jakob Frommelt, Schaan. Datiert 29. Septem-
ber 1934. 31,9 x 24,5 cm. E 96/85
BILDNACHWEIS
S. 336 links und S. 337
unten: Norbert W. Hasler,
Liechtensteinisches
Landesmuseum, Vaduz
S. 336 rechts: Close
Up AG, Triesen
Übrige Aufnahmen: Paul
Frick, Liechtensteinisches
Landesmuseum, Vaduz
350
VADUZ U M 1850 -
EIN NEUENTDECKTES
A Q U A R E L L VON
MORIZ MENZINGER
NORBERT W. HASLER
351
Das Amtsviertel von
Vaduz, Aquarell von Moriz
Menzinger, um 1850.
Original in Privatbesitz
352
VADUZ UM 1850 - EIN NEU ENTDECKTES AQUARELL
VON MORIZ MENZINGER / NORBERT W. HASLER
Moriz Menzinger (1832-1914) wurde als Maler
und Zeichner einer Vielzahl heute hochgeschätzter
Aquarelle in den 80-er Jahren durch Rudolf Rhein-
berger neu entdeckt. In zwei Ausstellungen des
Liechtensteinischen Landesmuseums (1982 und
1984/85) sowie in mehreren Publikationen1 wurde
sein Schaffen einem breiten Kreise bekannt ge-
macht.
Unlängst tauchte ein bisher unbekanntes, klein-
formatiges Aquarell in Privatbesitz auf, das zu
den frühesten Liechtenstein-Aquarellen Menzin-
gers zählen dürfte. Das Blatt misst 11,6 x 17,5 cm
und ist auf ein graues, von Menzinger oft verwen-
detes Zeichenpapier montiert - auffallend das läng-
liche Format mit den abgerundeten Schmalseiten.
Rechts am unteren Bildrand trägt es in weisser
Deckfarbe die Signatur «M. Menzinger», jedoch
keine Datierung. Unter den bisher bekannten Wer-
ken Menzingers ist eine Bleistiftzeichnung des 10-
jährigen Moriz - sie zeigt einen Hummer und meh-
rere Insekten, streng nach der Natur gezeichnet -
die früheste datierte Arbeit (1842).
Das aquarellierte Blatt von Vaduz wird umran-
det von einem fein gezeichneten Tuschrahmen mit
gotischen Dreipass-Ornamenten, in weisser Deck-
farbe leicht schattiert und gehöht. Es trägt auf
der Vorderseite die Aufschrift «Vaduz ./.», der Text
fährt rückseitig weiter «Vaduz wo ich 3 Tage beim
Landvogt Menziger mit Niedermayr verweilte».
Schriftvergleiche mit authentischen Schriftstücken
Muri/ Menzinger in or-
densdekorierter Militär-
uniform
Oberstleutnant Josef von
Niedermayr, Kommandant
des Fürstlich Hohenzol-
lern-Liechtensteinischen
Leichten Bataillons von
1841 bis 1849
1) Norbert W. Hasler und Felix Marxer (Hrsg.): Moriz Menzinger
1832-1914. Landschaftsaquarelle. Katalog zur Jubi läumsauss te l lung
zur 150. Wiederkehr des Geburtstages des Malers Moriz Menzinger.
Vaduz, 1982. - Rudolf Rheinberger: Moriz Menzinger. In: JB1. 82
(1982), S. 5-152. - Rudolf Rheinberger: Moriz Menzinger - ein
Nachtrag. In: JBL 85 (1985), S. 251-284. - Norbert W. Hasler und
R. Wäspe: Malerische Ansichten aus der Schweiz und dem Fürsten-
tum Liechtenstein im Werk von Johann Jacob Rietmann (1808-1868)
und Moriz Menzinger (1832-1914). In: Schriftenreihe der Gesell-
schaft Schweiz - Liechtenstein, Nr. 5. St. Gallen, 1985. - Norbert W.
Hasler: Malerische Ansichten aus Vorarlberg im künst ler ischen
Schaffen von Moriz Menzinger (1832-1914). In: Jahrbuch des
Vorarlberger Landesmuseumsvereins. Bregenz, 1986, S. 145-166. -
Rudolf Rheinberger und Norbert W. Hasler (Hrsg.): Moriz Menzinger
(1832-1914). Liechtenstein, Vorarlberg, Überlingen. Aquarelle und
Zeichnungen vom Rhein- und Bodenseegebiet. Konstanz, 1986.
Moriz Menzingers haben ergeben, dass diese Notiz
mit grosser Sicherheit von anderer - uns unbe-
kannter - Hand stammen muss.2
Doch wenden wir uns vorerst dem Aquarell zu.
Der Blick richtet sich von Südwest nach Nordost
und zeigt im Vordergrund - eingebettet in eine üp-
pige Vegetation und begleitet von den umliegenden
Häusergruppen - die markanten Gebäulichkeiten
der ehemaligen Taverne zum Adler (heute Sitz
des Liechtensteinischen Landesmuseums) und des
sogenannten «Verweserhauses», früher «Landvog-
tei» ganannt. Es war der Amts- und Wohnsitz des
Fürstlichen Landvogtes oder Landesverwesers, in
dem Michael Menzinger, der Vater von Moriz, von
1833 bis 1861 in fürstlichen Diensten residierte.
Moriz Menzinger hat hier in diesem Hause seine
Kindheit und frühen Jugendjahre verbracht. Das
Verweserhaus mit seinem steilen, spitzgiebeligen
Dach weist zwei Hauptgeschosse sowie ein Dach-
geschoss auf. Ein schmaler Anbau gegen Norden
schafft die Verbindung zur benachbarten, ebenfalls
dreigeschossigen und mit einem Krüppelwalmdach
versehenen Taverne. Im Süden des Verweserhau-
Bleistiftzeichnung des
10-jährigen Moriz Menzin-
ger, datiert 1842. Original
in den Sammlungen des
Stadtmuseums Überlingen
ses ist der polygonale, von einer Zwiebelhaube be-
krönte Treppenaufgang mit den schräg angeord-
neten Fenstern einer Wendeltreppe zu erkennen.
Links neben der Taverne zum Adler sind Teile
der dazugehörenden herrschaftlichen Remise so-
wie der Giebel des Wohnhauses des bekannten
Arztes Dr. Ludwig Grass zu sehen. Beide Gebäude
wurden im Laufe der Zeit abgetragen, ebenso die
gegenüberliegenden Stallbauten. Die auf dem Bild
dargestellten zentralen Gebäude sind somit noch
die letzten erhaltenen Zeugen von Alt-Vaduz. Hoch
über bewaldetem felsigem Hügel trohnt mächtig
Schloss Vaduz, wie es noch als Kaserne des Liech-
tensteinischen Militärkontingents diente, lange vor
dem Umbau unter Fürst Johann II. in den Jahren
1904 bis 1914. Auf Grund des dargestellten Gebäu-
debestandes dürfte das Aquarell um 1848/50 ent-
standen sein, mit Sicherheit aber vor 1854; denn
damals wurde hier ein Schulhaus errichtet, wel-
ches auf dieser Ansicht noch fehlt.
Es stellt sich nun noch die Frage, wer war dieser
«Niedermayr», der in uns unbekannter Begleitung
während dreier Tage in Vaduz verweilte?
354
VADUZ UM 1850 - EIN NEU ENTDECKTES AQUARELL
VON MORIZ MENZINGER / NORBERT W. HASLER
Moriz Menzinger, der von Jugend an eine grosse
zeichnerische Begabung zeigte und über ein hohes
künstlerisches Talent verfügte, hat mit 16 Jahren
nach seiner Schul- und Gymnasialzeit in Feldkirch
und Hall bei Innsbruck eine militärische Laufbahn
beim Hohenzollern-Liechtensteinischen Regiment
begonnen. Im Dezember 1848 trat er in die Kadet-
tenschule von Sigmaringen ein. Bereits am 1. Mai
des folgenden Jahres wurde er zum Leutnant be-
fördert, und als solcher führte er - neben Haupt-
mann Peter Rheinberger - im Badischen Feldzug
vom Sommer 1849 einen Halbzug des liechtenstei-
nischen Bundeskontingents an. Sein Vorgesetzter
und Bataillonskommandant war Josef Ritter von
Niedermayr. Rupert Quaderer schreibt über Nie-
dermayr in der «Militärgeschichte 1814-1849»:
«In der österreichischen Wiener Zeitung) vom 30.
September 1839 wurde durch eine Anzeige be-
kannt gemacht, dass der Fürst von Sigmaringen
den königlich bayerischen Major Josef von Nieder-
mayr zum Oberstleutnant und Kommandanten sei-
nes Bundeskontingents zu ernennen geruht habe.
Da Landvogt Menzinger ohnenhin <zur Verhand-
lung der Pfäfferser Angelegenheiten) nach Kon-
stanz reisen musste, begab er sich von dort nach
Sigmaringen. Menzinger beabsichtigte, von der
Person des Herrn Kontingentskommandanten ei-
nen persönlichen Eindruck zu gewinnen. Er schil-
dert Niedermayr als einen <mit zwey Orden deko-
rierten Herrn Offizier ... [der ein] ungezwungenes
Äusseres) zeigte. Oberstleutnant Niedermayr hatte
früher an der königlich bayerischen Militärschule
eine <Professur für Mathematik und übrige höhere
militärische Kenntnisse) inne gehabt. Im Gespräch
eröffnete er Menzinger seine Bereitschaft, auch
diechtensteinische Zöglinge in Unterricht zu neh-
men). Allerdings war es Niedermayr nicht klar, <ob
seine Ernennung im Einvernehmen mit den übri-
gen hochfürstlichen Häusern Liechtenstein und He-
chingen geschehen) sei». 3 Nachdem vorerst He-
chingen und Sigmaringen einen separaten Vertrag
geschlossen hatten, durch welchen von Nieder-
mayr das gemeinschaftliche Kommando über ihre
beiden Kontingente bekommen hatte, wurde Liech-
tenstein im Februar 1841 eingeladen, diesem Ver-
trag ebenfalls beizutreten. Die Wiener Hofkanzlei
eröffnete, dass S. D. Fürst Alois «dem communicir-
ten Vertrag über ein gemeinschaftliches Militär-
Commando mit Vergnügen» beitrete. Aufgrund die-
ses Vertrages schloss Liechtenstein am 13. Juli
1841 mit Sigmaringen und am 20. Juli 1841 mit
Hechingen ein Übereinkommen zur Anstellung ei-
nes gemeinsamen Kommandanten. Beide Verträge
wurden von Fürst Alois II. unterzeichnet.4 Landes-
verweser Michael Menzinger und Josef von Nieder-
mayr kannten sich also persönlich, Menzingers
Sohn Moriz begann unter Niedermayr seine mi-
litärische Laufbahn.
Nach dem Badischen Feldzug 5 wurde Moriz
Menzinger vom Dienst im liechtensteinischen Mil i -
tär beurlaubt, während sein Freund Peter Rhein-
berger das «Commando über nix!» bekam. Am 1.
Juni 1854 quittierte Menzinger seinen Dienst beim
liechtensteinischen Kontingent endgültig und trat
als Unterleutnant in das k. k. österreichische Heer
ein. Er versah in der Folge den Dienst im 36. Infan-
terieregiment in Ungarn, ab 1856 in Mainz und seit
1857 als Adjutant bei der Kommandantur in Frank-
furt am Main. 1861 finden wir ihn in Verona, wo-
von zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle zeugen.
1866 nahm er an der Schlacht bei Custozza teil,
sein zweiter und letzter militärischer Einsatz.
1868/69 war er als Lehrer und Ausbildner an der
Kadettenschule in Olmütz tätig, und in den darauf-
folgenden Jahren absolvierte er schliesslich die
Akademie der bildenden Künste in Wien. Zum
Hauptmann befördert, wurde er dem Militärgeo-
graphischen Institut in Wien zugeteilt, anschlies-
send dem Militärkollegium in St. Pölten als Lehrer
2) Bei der Schreibweise «Menziger» dürf te es sich um einen Flüch-
tigkeitsfehler handeln, der Moriz Menzinger wohl kaum passiert
w ä r e . Für den Schriftvergleich und weitere wertvolle Hinweise
danke ich Dr. Rudolf Rheinberger bestens.
3) Rupert Quaderer: «... wird das Contingent als Unglück des
Landes angesehen» . Liechtensteinische Militärgeschichte von 1814
bis 1849. In: JBL 90 (1991), S. 62.
4) Ebenda, S. 62 f.
5) Moriz Menzinger berichtet d a r ü b e r ausführl ich: Die Menzinger in
Liechtenstein. In: JBL 13 (1913). S.31-53.
355
Vaduz, Ansicht von We-
sten. Aquarell von Moriz
Menzinger, datiert 1868.
Original in den Samm-
lungen des Regierenden
Fürsten von Liechtenstein
für Freihandzeichnen und im Oktober 1875 als Zei-
chenlehrer an die Militär-Oberrealschule in Mäh-
risch-Weisskirchen (heute: Hranice in Tschechien)
versetzt. Am 1. Oktober 1889 wurde Oberstleut-
nant Moriz Menzinger in den Ruhestand versetzt.6
Über Josef von Niedermayr ist bekannt, dass er
auch dienstlich in Liechtenstein anzutreffen war -
so hat er sich beispielsweise am 12. September
1848 nach Vaduz begeben.7 In seiner Funktion als
Bataillonskommandant hatte er auch die Kaserne
auf Schloss Vaduz sowie die weiteren militäri-
schen Einrichtungen, Schützenstände usw. zu in-
spirieren. Da sein «Zögling» Moriz Menzinger
durch die Position seines Vaters eine grosse Repu-
tation genoss, dürfte Niedermayr wohl bei Land-
vogt Menzinger abgestiegen sein. Die Bezeichnung
«Landvogt» hat sich offensichtlich noch einige Zeit
gehalten, wenn gleich 1848 das Amt des «Land-
vogts» in «Landesverweser» umbenannt worden
war.8 Moriz Menzinger muss den Begleiter Nieder-
mayrs gekannt haben und dürfte ihm zur Erinne-
rung an den Besuch in Vaduz dieses Aquarell ge-
schenkt haben, das in der Motivwahl und Aus-
führung einen Vorläufer späterer Ansichtskarten
darstellt und einen Blickwinkel von Vaduz zeigt,
den Menzinger Jahre später etwa in dem grossfor-
matigen Aquarell von 1868 wiederholte, das zu den
besten seiner Arbeiten zählt. Der uns unbekannte
Begleiter Oberstleutnant Niedermayrs, der vermut-
lich ebenfalls aus Militärkreisen stammte, hat
schliesslich seinerseits - wiederum in Erinnerung
an den gemeinsamen Liechtensteinaufenthalt be-
sagten Vermerk notiert, leider jedoch ohne seinen
Namen und ohne Datum.
6) Norbert W. Hasler und R. Wäspe: S. 28-29.
7) Rupert Quaderer: «Militärgeschichte», S. 220. - Auch Peter
Rheinberger berichtet auf der ersten Seite seines Tagebuches über
die Jahre 1848 bis 1852, dass am 20. September 1848 Oberstleut-
nant Niedermayr bei seinem Vater Visite machte. «Es ist der Tag an
dem ich mich entschloss Soldat zu werden» . Das Tagebuch befindet
sich im Archiv der Familie Rheinberger Vaduz.
8) Paul Vogt, Verwaltungsstruktur und Verwaltungsreformen im
Fürs ten tum Liechtenstein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
In: JBL 92 (1994), S. 133.
356
VADUZ UM 1850 - EIN NEU ENTDECKTES AQUARELL
VON MORIZ MENZINGER / NORBERT W. HASLER
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Aus dem Tagebuch (1848
bis 1852) von Hauptmann
Peter Rheinberger. Origi-
nal im Archiv der Familie
Rheinberger, Vaduz
357
BILDNACHWEIS ANSCHRIFT DES AUTORS
S. 353 unten: Fotosamm-
lung des Liechtensteini-
schen Landesarchivs
Übrige Aufnahmen: Bild-
archiv des Liechtensteini-
schen Landesmuseums
lic. phil. Norbert W. Hasler
Liechtensteinisches Lan-
desmuseum
FL-9490 Vaduz
358
VADUZ U M 1850 -
EIN NEUENTDECKTES
A Q U A R E L L VON
MORIZ MENZINGER
NORBERT W. HASLER
351
Das Amtsviertel von
Vaduz, Aquarell von Moriz
Menzinger, um 1850.
Original in Privatbesitz
352
VADUZ UM 1850 - EIN NEU ENTDECKTES AQUARELL
VON MORIZ MENZINGER / NORBERT W. HASLER
Moriz Menzinger (1832-1914) wurde als Maler
und Zeichner einer Vielzahl heute hochgeschätzter
Aquarelle in den 80-er Jahren durch Rudolf Rhein-
berger neu entdeckt. In zwei Ausstellungen des
Liechtensteinischen Landesmuseums (1982 und
1984/85) sowie in mehreren Publikationen1 wurde
sein Schaffen einem breiten Kreise bekannt ge-
macht.
Unlängst tauchte ein bisher unbekanntes, klein-
formatiges Aquarell in Privatbesitz auf, das zu
den frühesten Liechtenstein-Aquarellen Menzin-
gers zählen dürfte. Das Blatt misst 11,6 x 17,5 cm
und ist auf ein graues, von Menzinger oft verwen-
detes Zeichenpapier montiert - auffallend das läng-
liche Format mit den abgerundeten Schmalseiten.
Rechts am unteren Bildrand trägt es in weisser
Deckfarbe die Signatur «M. Menzinger», jedoch
keine Datierung. Unter den bisher bekannten Wer-
ken Menzingers ist eine Bleistiftzeichnung des 10-
jährigen Moriz - sie zeigt einen Hummer und meh-
rere Insekten, streng nach der Natur gezeichnet -
die früheste datierte Arbeit (1842).
Das aquarellierte Blatt von Vaduz wird umran-
det von einem fein gezeichneten Tuschrahmen mit
gotischen Dreipass-Ornamenten, in weisser Deck-
farbe leicht schattiert und gehöht. Es trägt auf
der Vorderseite die Aufschrift «Vaduz ./.», der Text
fährt rückseitig weiter «Vaduz wo ich 3 Tage beim
Landvogt Menziger mit Niedermayr verweilte».
Schriftvergleiche mit authentischen Schriftstücken
Muri/ Menzinger in or-
densdekorierter Militär-
uniform
Oberstleutnant Josef von
Niedermayr, Kommandant
des Fürstlich Hohenzol-
lern-Liechtensteinischen
Leichten Bataillons von
1841 bis 1849
1) Norbert W. Hasler und Felix Marxer (Hrsg.): Moriz Menzinger
1832-1914. Landschaftsaquarelle. Katalog zur Jubi läumsauss te l lung
zur 150. Wiederkehr des Geburtstages des Malers Moriz Menzinger.
Vaduz, 1982. - Rudolf Rheinberger: Moriz Menzinger. In: JB1. 82
(1982), S. 5-152. - Rudolf Rheinberger: Moriz Menzinger - ein
Nachtrag. In: JBL 85 (1985), S. 251-284. - Norbert W. Hasler und
R. Wäspe: Malerische Ansichten aus der Schweiz und dem Fürsten-
tum Liechtenstein im Werk von Johann Jacob Rietmann (1808-1868)
und Moriz Menzinger (1832-1914). In: Schriftenreihe der Gesell-
schaft Schweiz - Liechtenstein, Nr. 5. St. Gallen, 1985. - Norbert W.
Hasler: Malerische Ansichten aus Vorarlberg im künst ler ischen
Schaffen von Moriz Menzinger (1832-1914). In: Jahrbuch des
Vorarlberger Landesmuseumsvereins. Bregenz, 1986, S. 145-166. -
Rudolf Rheinberger und Norbert W. Hasler (Hrsg.): Moriz Menzinger
(1832-1914). Liechtenstein, Vorarlberg, Überlingen. Aquarelle und
Zeichnungen vom Rhein- und Bodenseegebiet. Konstanz, 1986.
Moriz Menzingers haben ergeben, dass diese Notiz
mit grosser Sicherheit von anderer - uns unbe-
kannter - Hand stammen muss.2
Doch wenden wir uns vorerst dem Aquarell zu.
Der Blick richtet sich von Südwest nach Nordost
und zeigt im Vordergrund - eingebettet in eine üp-
pige Vegetation und begleitet von den umliegenden
Häusergruppen - die markanten Gebäulichkeiten
der ehemaligen Taverne zum Adler (heute Sitz
des Liechtensteinischen Landesmuseums) und des
sogenannten «Verweserhauses», früher «Landvog-
tei» ganannt. Es war der Amts- und Wohnsitz des
Fürstlichen Landvogtes oder Landesverwesers, in
dem Michael Menzinger, der Vater von Moriz, von
1833 bis 1861 in fürstlichen Diensten residierte.
Moriz Menzinger hat hier in diesem Hause seine
Kindheit und frühen Jugendjahre verbracht. Das
Verweserhaus mit seinem steilen, spitzgiebeligen
Dach weist zwei Hauptgeschosse sowie ein Dach-
geschoss auf. Ein schmaler Anbau gegen Norden
schafft die Verbindung zur benachbarten, ebenfalls
dreigeschossigen und mit einem Krüppelwalmdach
versehenen Taverne. Im Süden des Verweserhau-
Bleistiftzeichnung des
10-jährigen Moriz Menzin-
ger, datiert 1842. Original
in den Sammlungen des
Stadtmuseums Überlingen
ses ist der polygonale, von einer Zwiebelhaube be-
krönte Treppenaufgang mit den schräg angeord-
neten Fenstern einer Wendeltreppe zu erkennen.
Links neben der Taverne zum Adler sind Teile
der dazugehörenden herrschaftlichen Remise so-
wie der Giebel des Wohnhauses des bekannten
Arztes Dr. Ludwig Grass zu sehen. Beide Gebäude
wurden im Laufe der Zeit abgetragen, ebenso die
gegenüberliegenden Stallbauten. Die auf dem Bild
dargestellten zentralen Gebäude sind somit noch
die letzten erhaltenen Zeugen von Alt-Vaduz. Hoch
über bewaldetem felsigem Hügel trohnt mächtig
Schloss Vaduz, wie es noch als Kaserne des Liech-
tensteinischen Militärkontingents diente, lange vor
dem Umbau unter Fürst Johann II. in den Jahren
1904 bis 1914. Auf Grund des dargestellten Gebäu-
debestandes dürfte das Aquarell um 1848/50 ent-
standen sein, mit Sicherheit aber vor 1854; denn
damals wurde hier ein Schulhaus errichtet, wel-
ches auf dieser Ansicht noch fehlt.
Es stellt sich nun noch die Frage, wer war dieser
«Niedermayr», der in uns unbekannter Begleitung
während dreier Tage in Vaduz verweilte?
354
VADUZ UM 1850 - EIN NEU ENTDECKTES AQUARELL
VON MORIZ MENZINGER / NORBERT W. HASLER
Moriz Menzinger, der von Jugend an eine grosse
zeichnerische Begabung zeigte und über ein hohes
künstlerisches Talent verfügte, hat mit 16 Jahren
nach seiner Schul- und Gymnasialzeit in Feldkirch
und Hall bei Innsbruck eine militärische Laufbahn
beim Hohenzollern-Liechtensteinischen Regiment
begonnen. Im Dezember 1848 trat er in die Kadet-
tenschule von Sigmaringen ein. Bereits am 1. Mai
des folgenden Jahres wurde er zum Leutnant be-
fördert, und als solcher führte er - neben Haupt-
mann Peter Rheinberger - im Badischen Feldzug
vom Sommer 1849 einen Halbzug des liechtenstei-
nischen Bundeskontingents an. Sein Vorgesetzter
und Bataillonskommandant war Josef Ritter von
Niedermayr. Rupert Quaderer schreibt über Nie-
dermayr in der «Militärgeschichte 1814-1849»:
«In der österreichischen Wiener Zeitung) vom 30.
September 1839 wurde durch eine Anzeige be-
kannt gemacht, dass der Fürst von Sigmaringen
den königlich bayerischen Major Josef von Nieder-
mayr zum Oberstleutnant und Kommandanten sei-
nes Bundeskontingents zu ernennen geruht habe.
Da Landvogt Menzinger ohnenhin <zur Verhand-
lung der Pfäfferser Angelegenheiten) nach Kon-
stanz reisen musste, begab er sich von dort nach
Sigmaringen. Menzinger beabsichtigte, von der
Person des Herrn Kontingentskommandanten ei-
nen persönlichen Eindruck zu gewinnen. Er schil-
dert Niedermayr als einen <mit zwey Orden deko-
rierten Herrn Offizier ... [der ein] ungezwungenes
Äusseres) zeigte. Oberstleutnant Niedermayr hatte
früher an der königlich bayerischen Militärschule
eine <Professur für Mathematik und übrige höhere
militärische Kenntnisse) inne gehabt. Im Gespräch
eröffnete er Menzinger seine Bereitschaft, auch
diechtensteinische Zöglinge in Unterricht zu neh-
men). Allerdings war es Niedermayr nicht klar, <ob
seine Ernennung im Einvernehmen mit den übri-
gen hochfürstlichen Häusern Liechtenstein und He-
chingen geschehen) sei». 3 Nachdem vorerst He-
chingen und Sigmaringen einen separaten Vertrag
geschlossen hatten, durch welchen von Nieder-
mayr das gemeinschaftliche Kommando über ihre
beiden Kontingente bekommen hatte, wurde Liech-
tenstein im Februar 1841 eingeladen, diesem Ver-
trag ebenfalls beizutreten. Die Wiener Hofkanzlei
eröffnete, dass S. D. Fürst Alois «dem communicir-
ten Vertrag über ein gemeinschaftliches Militär-
Commando mit Vergnügen» beitrete. Aufgrund die-
ses Vertrages schloss Liechtenstein am 13. Juli
1841 mit Sigmaringen und am 20. Juli 1841 mit
Hechingen ein Übereinkommen zur Anstellung ei-
nes gemeinsamen Kommandanten. Beide Verträge
wurden von Fürst Alois II. unterzeichnet.4 Landes-
verweser Michael Menzinger und Josef von Nieder-
mayr kannten sich also persönlich, Menzingers
Sohn Moriz begann unter Niedermayr seine mi-
litärische Laufbahn.
Nach dem Badischen Feldzug 5 wurde Moriz
Menzinger vom Dienst im liechtensteinischen Mil i -
tär beurlaubt, während sein Freund Peter Rhein-
berger das «Commando über nix!» bekam. Am 1.
Juni 1854 quittierte Menzinger seinen Dienst beim
liechtensteinischen Kontingent endgültig und trat
als Unterleutnant in das k. k. österreichische Heer
ein. Er versah in der Folge den Dienst im 36. Infan-
terieregiment in Ungarn, ab 1856 in Mainz und seit
1857 als Adjutant bei der Kommandantur in Frank-
furt am Main. 1861 finden wir ihn in Verona, wo-
von zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle zeugen.
1866 nahm er an der Schlacht bei Custozza teil,
sein zweiter und letzter militärischer Einsatz.
1868/69 war er als Lehrer und Ausbildner an der
Kadettenschule in Olmütz tätig, und in den darauf-
folgenden Jahren absolvierte er schliesslich die
Akademie der bildenden Künste in Wien. Zum
Hauptmann befördert, wurde er dem Militärgeo-
graphischen Institut in Wien zugeteilt, anschlies-
send dem Militärkollegium in St. Pölten als Lehrer
2) Bei der Schreibweise «Menziger» dürf te es sich um einen Flüch-
tigkeitsfehler handeln, der Moriz Menzinger wohl kaum passiert
w ä r e . Für den Schriftvergleich und weitere wertvolle Hinweise
danke ich Dr. Rudolf Rheinberger bestens.
3) Rupert Quaderer: «... wird das Contingent als Unglück des
Landes angesehen» . Liechtensteinische Militärgeschichte von 1814
bis 1849. In: JBL 90 (1991), S. 62.
4) Ebenda, S. 62 f.
5) Moriz Menzinger berichtet d a r ü b e r ausführl ich: Die Menzinger in
Liechtenstein. In: JBL 13 (1913). S.31-53.
355
Vaduz, Ansicht von We-
sten. Aquarell von Moriz
Menzinger, datiert 1868.
Original in den Samm-
lungen des Regierenden
Fürsten von Liechtenstein
für Freihandzeichnen und im Oktober 1875 als Zei-
chenlehrer an die Militär-Oberrealschule in Mäh-
risch-Weisskirchen (heute: Hranice in Tschechien)
versetzt. Am 1. Oktober 1889 wurde Oberstleut-
nant Moriz Menzinger in den Ruhestand versetzt.6
Über Josef von Niedermayr ist bekannt, dass er
auch dienstlich in Liechtenstein anzutreffen war -
so hat er sich beispielsweise am 12. September
1848 nach Vaduz begeben.7 In seiner Funktion als
Bataillonskommandant hatte er auch die Kaserne
auf Schloss Vaduz sowie die weiteren militäri-
schen Einrichtungen, Schützenstände usw. zu in-
spirieren. Da sein «Zögling» Moriz Menzinger
durch die Position seines Vaters eine grosse Repu-
tation genoss, dürfte Niedermayr wohl bei Land-
vogt Menzinger abgestiegen sein. Die Bezeichnung
«Landvogt» hat sich offensichtlich noch einige Zeit
gehalten, wenn gleich 1848 das Amt des «Land-
vogts» in «Landesverweser» umbenannt worden
war.8 Moriz Menzinger muss den Begleiter Nieder-
mayrs gekannt haben und dürfte ihm zur Erinne-
rung an den Besuch in Vaduz dieses Aquarell ge-
schenkt haben, das in der Motivwahl und Aus-
führung einen Vorläufer späterer Ansichtskarten
darstellt und einen Blickwinkel von Vaduz zeigt,
den Menzinger Jahre später etwa in dem grossfor-
matigen Aquarell von 1868 wiederholte, das zu den
besten seiner Arbeiten zählt. Der uns unbekannte
Begleiter Oberstleutnant Niedermayrs, der vermut-
lich ebenfalls aus Militärkreisen stammte, hat
schliesslich seinerseits - wiederum in Erinnerung
an den gemeinsamen Liechtensteinaufenthalt be-
sagten Vermerk notiert, leider jedoch ohne seinen
Namen und ohne Datum.
6) Norbert W. Hasler und R. Wäspe: S. 28-29.
7) Rupert Quaderer: «Militärgeschichte», S. 220. - Auch Peter
Rheinberger berichtet auf der ersten Seite seines Tagebuches über
die Jahre 1848 bis 1852, dass am 20. September 1848 Oberstleut-
nant Niedermayr bei seinem Vater Visite machte. «Es ist der Tag an
dem ich mich entschloss Soldat zu werden» . Das Tagebuch befindet
sich im Archiv der Familie Rheinberger Vaduz.
8) Paul Vogt, Verwaltungsstruktur und Verwaltungsreformen im
Fürs ten tum Liechtenstein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
In: JBL 92 (1994), S. 133.
356
VADUZ UM 1850 - EIN NEU ENTDECKTES AQUARELL
VON MORIZ MENZINGER / NORBERT W. HASLER
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Aus dem Tagebuch (1848
bis 1852) von Hauptmann
Peter Rheinberger. Origi-
nal im Archiv der Familie
Rheinberger, Vaduz
357
BILDNACHWEIS ANSCHRIFT DES AUTORS
S. 353 unten: Fotosamm-
lung des Liechtensteini-
schen Landesarchivs
Übrige Aufnahmen: Bild-
archiv des Liechtensteini-
schen Landesmuseums
lic. phil. Norbert W. Hasler
Liechtensteinisches Lan-
desmuseum
FL-9490 Vaduz
358