Volltext: Ist der Vergewaltigungstatbestand noch zeitgemäss? Diskussion des Art. 190 StGB und Rechtsvergleich

16 
  
IV Schaffung eines neuen Tatbestands für sexuelle Handlun- 
gen ohne Konsens 
1 Erläuterung und Hintergrund   
Das Recht auf Selbs tbes timmung s tellt ein grund- und mens chenr echtlich veranker- 
tes Recht dar. Der Staat muss somit durch hoheit liche Schutzmas s nahmen, insb. 
durch Schaffung der ents pr echenden Schutzbes timmungen, das Recht auf Selbs t- 
bes timmung vor B eeintr ächtigungen Dr itter 
schützen.87 
  
Dar über hinaus bes tehen im Bereich des Sexualstrafrechts auch völke r r echtliche 
Ver pf lichtungen, denen die Schweiz nachkommen 
muss.88 
Fr aglich ist, ob für die 
Schweiz eine pos itive Schutzpf licht für das Sex ualstrafrecht durch eine vö lkerrecht- 
liche Ver pf lichtung ausgelöst wer den kann. 
Im Fall M.C. gegen Bulgarien ents chied der EGMR: 
«[…] [T]he member States ‘ pos itive obligations under Art icles 
389 
and 
890 
of 
the C onvention must be seen as requiring the penalis ation and effective pros- 
ecution of any non-consen sual sexual act, including in the abs ence of phys ica l 
resistance by the 
victim.»91 
Der EGMR bes tätigte damit erstmals und seit jeher in mehreren E nts cheiden, dass 
jeder nicht einver s tändliche Sex ualkontakt unter Strafe ges tellt und verfolgt werden 
muss.92 
Somit leitet auch der EGMR aus den Men s chenr echten s taatliche Schutz - 
pf lichten 
ab.93 
Selbiges wird auch in der IK f es tgehalten. In Art. 36 IK wird f es tgehalten, dass 
nicht einver s tändliche sexuelle Handlungen mit einer Person (Abs. 1 Bst. a und b 
leg. cit.) oder das Veranlassen einer Person zur V or nahme nicht einver s tändlicher 
Handlungen mit einer dr itten Person (Abs. 1 Bst. c leg. cit.) in den Vertragsstaaten 
als strafbar erklärt wer den müssen. Das Einverständnis dazu muss gem. Abs. 2 leg. 
                                                
87 
  SCHEIDEGG ER, S. 20 Rz. 32. 
88 
  S UTER, S. 19 Rz. 34. 
89 
 Art. 3 EMRK schützt den Kernbereich der psychischen und physischen Integrität. S UTER, S. 21 
Rz. 37. 
90 
 Art. 8 Abs. 1 EMRK umfasst den Schutz der des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und 
der Korrespondenz. Hier steht die Autonomie, also das Recht auf Selbstbestimmung des Men- 
schen im Zentrum. Der EGMR leitet das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus dem Schutz 
des Privatlebens ab. S UTER, S. 20 Rz. 36. 
91 
  Urteil des EGMR vom 4. Dezember 2003 – 39272/98 (M.C. gegen Bulgarien). 
92 
 Vgl. Urteil des EGMR vom 24. Mai 2016 – 36934/08 (I.C. gegen Rumänien). 
93 
  SCHEIDEGG ER, S. 21. Rz. 33. 33.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.