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ihm selbs t angest rebt auf eine Pfarr eistel l e in s einer württembergischen Heimat,
so ndern wegen s einer c alvi nistischen Auslegun g des Abendmahls in die
«Verbannung» – und das gleich zweifa ch, sowohl was den Ort s eines Wirk ens als
auch die Art s einer B eschäf tigung betrifft. So sieht sich der brillante S tudent der
lutherischen Tübinger Ref ormuniver sität kurz vor den Abschlussexa mina 1592
nicht wie erhofft einem Angebo t einer Theologen-Stelle im Herzogtum
Württe mberg g egenüber, sondern ausschlie sslich einer Empf ehlung in das eine
ganze Monatsreise entfernte steierische Graz als Landschaftsmathe mati ker. Als
er sieben Jahre spät er dort 1599 erneut aus k o nfessi onellen Gründen – diesmal
wegen s einer Zugehörigkeit zur lutherischen Konfession auf Druck der
katho lis chen Gegenreformatoren – zum Verlas sen seines Leb ensmi ttelpunkt es
Graz gezwungen wird und ihm der Weg zu einer Anst e llung, sei es als Theologe
oder Mathe ma tiker, in sein er Württemberger Heimat erneut ver wehrt wird,
nimmt K epler widerwillig und mehr der Not als dem Wunsch geho r chend,
Anfang 1600 eine Mathematik-Assistentenstelle bei Tycho Brahe in Prag an, von
der er nach Brahes überraschenden und mysteriösen Tod schon im Jahre 1601 in
das Amt des Kaiserlich en Mathe mati kers gelangt und schon wenige Jahre später
zum Begründer der modernen Physi k wird. Dass die meis ten Werke seit der
Verö ff entlichung seines Le hrbuchs «Epitome Astronomiae Copernicanae»
(Aufriss der Kopernikanischen Astr o nomie») im Jahre 1615 vom vatikanischen
Amt auf dem Index landen, ist keine grosse Überras chung, hingegen die
Situatio n, dass er noch bei der Publikati o n s eines Hau ptwerks «Tabulae
Rudo lphinae» (1627) auch ein Vierteljahrhundert nach dem Tod Tycho Br ahes
noch immer der Zensur durch dessen Erben unter steht . Welche Verzerrungen
damit einhergehen, wurde allerdings nirgends dokumentiert, obwohl sie nicht
unerheblich sind. Jahrhund ertelang gänzlich übersehen wurde bis vor Kurze m
ein Schweigeg elübde Keplers gegenüber Jost Bürgi, mit dem er von 1603 bis
1612 auf dem Hradschin eng zusam menarbeit ete und das die Zensur der Erben
Brahes paradoxer weis e zum Vorteil Br ahes und zum Nachteil Bürgis weiter
verschärf te.
Weil sich Johannes Kepler an diese teilweise unter pe rsö nlicher An wes enheit
des Kais ers getroffenen Zensur-Vereinbarungen stren g zu halte n hat te, bleibt
ausser K epler s elbst vor allem nur noch Tycho Brahe mit s einen Obs erv atorien
auf Hven der Nachw elt als bedeutender Astronom seiner Zeit in Erinnerung; Jost
Bürgi wird höchstens als Mechanicus oder Automatopaeus von Uhren, Uhren,