360
Pfarrer an der Kirche zu St. Regula mußte einem Neugläu
bigen weichen. Ein Anhänger der neuen Lehre kam von Zü
rich nach Fläsch, und als es hieß, er werde am nächsten Sonn
tag predigen, strömte das Volk zahlreich dahin, auch aus der
Landschaft Vaduz.
Von Mönchen und Geistlichen, die die Lehrer des Volkes
sein sollten, ging der kirchliche Umsturz aus; sie standen an der
Spitze der Bewegung. Sie hofften so vom Joch des Zölibates
und der Kirchengesetze befreit zu werden. Die Fürsten, Herren
und Städte sahen bald, welche Vorteile ihnen in ökonomischer
und politischer Hinsicht durch den Raub der Kirchengüter und
Einziehung der Ländergebiete der Bischöfe und Klöster aus
der Reformation erwuchsen und schlossen sich derselben an.
Merkwürdig ist es, daß gerade Vorarlberg damals manche
Prediger des neuen Glaubens stellte, wie Jakob Spreiter, frü
her Kaplan in Gaschurn und dann Pfarrer in St. Antönien
im Prätigau; Sigmund Rötelin von Bregenz und Thomas
Gaffer von Bludenz lehrten in Lindau; Dr. Laurenz Mär aus
Feldkirch war einige Zeit Zwinglis Vikar in Zürich, sagte sich
aber wieder von ihm los und wurde Pfarrer in Feldkirch, wo
er eifrig für Erhaltung des katholischen Glaubens wirkte (gest.
1545). In Maienfeld war Samuel Frick im Jahre 1524 Pfar
rer geworden. Bald nach seinem Amtsantritte begann Frick
die Neuerung mit Hilfe einflußreicher Laien. Es wurden alle
Kirchenparamente, Zierd-en und Bilder auf dem Friedhof ver
brannt; die-Iahrtage für die Verstorbenen wurden abgeschafft.
So machte die Reformation rasche Fortschritte in Bünden.
Hans von Marmels, der österreichische Vogt im Prätigau,
war von der Regierung in Innsbruck angewiesen worden, ge
gen die Neuerungen in bezug auf Priester und geistliche Lehen-
schaft zu protestieren. Oesterreich halte sich durch die Jlanzer
Artikel nicht gebunden und werde die alte Ordnung in den
acht Gerichten nach dem alten Herkommen handhaben. Erz
herzog Ferdinand erließ selber ein Schreiben an die Bünde,
worin er die von denselben gemachten Verordnungen in Be
treff der Geistlichkeit als unstatthaft erklärte.
Die Bürgerschaft von Chur gab keinen Zehnten mehr und
hob die geistliche Immunität auf. Der Weihbischof wurde tät
lich mißhandelt. Dadurch erschreckt, brachte das Domkapitel
die Kirchenschätze und alten Dokumente in Sicherheit.
Die Sekte der Wiedertäufer, aus Zürich vertrieben, schlich
sich zu Chur und anderen Orten ein. Bei der allgemeinen
Gärung und Aufregung unter dem Volke konnte es nicht
fehlen, daß die unsinnigsten Meinungen auftauchten. Die