XI. Abschnitt.
Die Zustände in Lhurrätien.
1. Die allgemeinen VerhSltniffe.
Vom König Konrad III. bis auf Ludwig den Baier sind
fast zwei Jahrhunderte verflossen. Große Veränderungen tru
gen sich im Innern des Reiches zu. Alle Reichslehen, beson
ders die Herzogtümer und Grafschaften wurden erblich und
geschlossene Gebiete, innerhalb deren sich die Herren alle Ho
heitsrechte zueigneten. Das alte Wehrgeldsystem und die da
mit verbundene Rechts- und Gerichtsverfassung erlosch und
das Lehenwesen durchdrang alle Verhältnisse. So bildete sich
das Lehenrecht. Aus dem Hofrecht und alten Gewohnheiten
entstand ein Landrecht für die gemeinen Hintersaßen oder Land
saßen, das sich nach den örtlichen Verhältnissen überall ver
schieden gestaltete. Das Recht, den König zu wählen, wurde
ein Vorrecht der Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, des
Pfalzgrafen am Rhein, des Herzogs von Sachsen, des Kö
nigs von Böhmen und des Markgrafen von Brandenburg.
Wegen der Überhandnähme des Lehenrechtes erloschen
die Gaugerichte im alten Sinne; denn die Streitigkeiten über
Lehen gehörten vor die Lehenhöfe. Der Herren- und Fürsten
stand wird im schwäbischen Landrecht in drei Klassen geteilt;
die Einteilung gründet sich auf das Lehenwesen. In die erste
Klasse gehörten die „Semperfreien", die Herren und Fürsten,
welche andere Freie zu Mannen (d. i. zu Vasallen) hatten, in
die zweite Klasse die Mittelfleien, d. i. die, welche der Semper
freien Vasallen waren; in die dritte Klasse gehörten alle freien
Landsaßen. Wie die Gebiete schlossen sich die Adelsklassen ge
gen einander und gegen den Bürger- und Bauernstand ab;
es kam ein Recht der Ebenbürtigkeit, überhaupt ein besonderes
Adelsrecht auf. Der hohen Stellung, welche der Adel einnahm,
suchte er sich nicht immer durch Tugenden und Bildung wür
dig zu machen; namentlich wirst dem schwäbischen Adel die
Chronik von Ursperg große Roheit und Straßenräuberei vor.
Wie es auf der weltlichen Seite eine lange Rangleiter
gab vom Kaiser abwärts bis zum Leibeigenen, so auf der geist-