Volltext: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein

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Wittwer erst nach 6, einer Wittwe aber nach 10 Monaten gestattet 
sein, wieder Hochzeit zu machen, dringende Fälle ausgenommen, wo 
Schaden und Nachtheil aus dem Verzug erwachsen könnte; dann 
kann mit Beirath und Zustimmung der beiderseitigen Verwandten 
Ehegelübd und Versprechen vorgenommen werden, doch in der 
Stille, ohne Saitenspiel und Gepränge. — Nun folgen erst die 
Vorschriften, welche bei Abfassung der Testamente zu beobachten sind, 
die, weil sie zur Sittengeschichte wenig beitragen, besser übergangen 
werden. Desto wichtiger ist in jener Beziehung die „Polizeiordnung", 
welche auf dem Reichstage zu Frankfurt entworfen und allen Reichs 
ständen zur Nachachtung aufgetragen wurde (1577). Wir wollen, 
weil sie von dem Sittenzustande damaliger Zeit ein treues Bild 
gibt, das Wesentliche daraus mittheilen: 
Von Gotteswort und Predigt hören. Da das göttliche 
Wort, welches Jesus, unser Erlöser und Seligmacher, seinen Jüngern 
und Aposteln in der ganzen weiten Welt zu verkündigen befohlen hat, 
immer und ewig eine lebendig-machende Speise der Seele und ein 
unverfälschter Wegweiser in das himmlische Vaterland ist, so sollen 
Alle, Alt und Jung, Sonn- und Feiertag Meß und Predigt fleißig 
hören, und alle Hausväter und Mütter ihre Kinder, Knechte, Mägde 
und andere Hausgenossen ernstlich dazu anhalten. Uebertreter, oder 
freventliche Verächter dieses Gebots sollen nach Gestalt der Sachen 
„andern zu einem Erenipel" bestraft werden. — Während des vor- 
und nachmittägigen Gottesdienstes ist alles Tanzen, alle Kurzweil, 
und alles Spiel streng verboten. Krämer, Bäcker, Brodtrager sollen 
nicht seil haben und alle Schenkhäuser geschlossen sein. — Von 
den Feierabenden. Da man nach der Lehre der Apostel schuldig 
ist, für einander zu beten, so sollen am Samstag Abend, sobald das 
Zeichen mit der Glocke gegeben ist, alle, Jung und Alt, Reich und 
Arm, in oder außer dem Hause, auf die Knie fallen, zu Gott, dem 
Allmächtigen, beten aus Herzensgrund für ihre abgestorbenen Eltern, 
Geschwister, Verwandte und alle Gutthäter. Ebenso soll jeder 
Morgens und Abends täglich zu Gottes Ehre, Lob und Dank ein 
inbrünstiges Gebet verrichten, damit er ihm die zeitliche Leibesnahrung 
und dereinst die ewige Freude und Seligkeit zu Theil werden lasse. 
Sobald am Samstag Abend oder am Vorabend eines Festtags die 
Glocke Feierabend läutet, soll alle Arbeit ruhen und jeder dem 
Vespergebet zueilen. — 
Vom GotteSlästern, Fluchen und Schwören. Da diese 
böse Gewohnheit leider bei Jung und Alt, Weibs- und Mannsper 
sonen im Schwünge ist, wodurch Gott, der Allmächtige, schwer be 
leidigt wird und oft Theurung, Hunger, Mißwachs, Krieg und 
Krankheit entsteht, so sollen alle eingesessenen Ordensleute, Pfarrer, 
Kapläne, Frühmesser und alle Priester, die dem Gottesdienst vor 
stehen und die Pfründen darum nützen, in ihren Predigten das 
Volk fleißig ermahnen, unterrichten und ihm einen Abscheu beibringen
	        

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