Volltext: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein

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Erzherzog Ferdinand erließ selber ein Schreiben an die drei Bünde, 
worin er die von denselben gemachte Ordnung in Betreff der Geist 
lichkeit als unstatthaft erklärte (10. Mai 1524). 
Die Bürgerschaft von Chur gab keinen Zehnten mehr und hob 
die geistliche Immunität auf. Dadurch erschreckt, brachte das Dom 
kapitel die Kirchenschätze und alten Dokumente in Sicherheit. Die 
Sekte der Wiedertäufer, aus Zürich vertrieben, schlich sich zu Chur 
und an andern Orten ein. Bei der allgemeinen Gährung und 
Aufregung, die das Volk ergriffen hatte, konnte es nicht fehlen, daß 
die widersinnigsten Ansichten und Meinungen auftauchten. Die Sekte 
der Wiedertäufer war staatsgefährlich, ihre Lehren untergruben die 
Grundlagen der menschlichen Gesellschaft, da sie alle Obrigkeit für 
überflüssig erklärte und Gemeinschaft der Güter lehrte. Die An 
hänger dieser tollen und strafbaren Sekte wurden aus dem Gebiete 
der drei Bünde verwiesen. Unter so bewandten Umständen erneuerte 
Graf Rudolph den alten Oeffnungs- und Erbschirmbrief, welchen 
Ludwig von Brandis mit Kaiser Maximilian I 1505 aufgerichtet 
hatte, mit Erzherzog Ferdinand von Oestreich und erhielt für die 
Oeffnung der Veste Vaduz jährlich 200 fl. (1523). 
Es ist nicht zu wundern, daß das schwer gedrückte, in Unwissenheit 
und Aberglauben versunkene Volk, wenn' es die Predigt von der 
christlichen Freiheit vernahm, dachte, die Glaubensneuerung müsse 
auch ihm Erleichterung bringen. Vorzüglich verhaßt waren die 
Kleinzehnten, die Frohnden, die Plackereien der vielen Land-, Hof- 
und geistlichen Gerichte und die vielen Feudalabgaben, ungeachtet die 
Leibeigenschaft nicht mehr der Sache, sondern nur dem Namen nach 
bestand. Der Aufwand der Großen, der geistlichen und der weltlichen, 
war auf einen hohen Grad getrieben, und der Adel verbrachte seine 
Zeit in Müssiggang, Trinkgelagen und allerlei Ueppigkeit. So kam 
es, daß im Jahr 1525 die Bauern in Schwaben, Franken, Tirol 
und anderwärts gegen ihre Herren aufstanden. Einige Bauerschaften 
in Schwaben hatten ihren Sinn sogar auf eine neue Reichsordnung 
gerichtet, in der Art, wie sie Kaiser Friedrich III beabsichtigt hatte. 
Denn sie dachten, wenn im Kirchlichen eine Verbesserung Noth thue, 
so sei dies eben so sehr in bürgerlichen Dingen und im Reichsregiment 
der Fall. Aber die Bauerschaft versah sich in den Mitteln; eine 
rohe ungeregelte Masse ist nicht im Stande, Verbesserungen herbei 
zuführen, zumal wenn Plünderung, Mord und Brand in ihrem 
Gefolge sind. Die Herren siegten allwärts und schlugen den Aufstand 
mit Gewalt nieder. Das Loos der Bauern wurde härter, die Stimme 
der Billigkeit und Gerechtigkeit verstummte, wo das Schwert gesiegt 
hatte. 
Der gleiche Geist, welcher die Bauerschaft jenseits des Bodensees 
ergriffen hatte, zeigte sich auch in unserer Landschaft, in der Herrschaft 
Werdenberg und im Vorarlbergischen. Die Werdenberger ließen ihre 
Gefälle nicht mehr nach Glarus verabfolgen und nahmen eine drobende
	        

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