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i) Frauendimst 290.
freundlichen Abschied von seinem Gesinde, und ritt, noch immer
unerkannt, mit einem Knappen des Domvogts, der die Wege
kannte, Kol von Frauenhofen, nach Wien, wo er für das
Turnier die Vorbereitungen machen ließ. All das Frauen-
gewand, daß Ulrich zurückgelassen, hieß der Domvogt den Fah
renden geben, d. h. den Spielleuten und anderem wandernden,
von Künsten lebenden Volk, während er Ulrichs Gesinde nach
Feldsberg zurückführte, wo es, sammt allen Rittern, von Kadold
bewirthet wurde 1 ).
Aus der Heimfahrt nach Wien fragte der Domvogt Ulrichs
Kämmerer, wieviel Speere denn seine Frau auf dieser Fahrt
verstochen habe. Dreihundert.sieben Speere, antwortete der
Kämmerer, habe sie verstochen, ohne daß es ihr je mißlang,
wofür sie aufrichtig Gott danken möge, denn er habe nicht ge
dacht, daß sie es auch nur zur Hälfte vollbringe; auch habe
sie zweihundert einundsiebenzig Ringe verschenkt für ebensoviele
Speere, die auf ihr verstochen worden, bei denen allen sie sich
auch nicht einmal geneigt habe, und vier Ritter habe sie mit
rechter Tjost aus das Land niedergestochen; solcher Ehren möge
sie wahrlich froh sein. Gott weiß, erwiederte der Domvogt,
niemals habe er von einer so recht ritterlichen Fahrt gehört,
darum sei die Königin auch der Ehren reich und ihr Ruhm
müsse immerdar bleiben, weil sie so hohe Dinge gethan habe.
Andere Ritter, die nebenher ritten, sprachen: wer sie nicht preise,
müsse immer unselig sein; die Dinge, die sie gethan habe,
müsse man rühmen, so lange die Welt stehe.
So dachte damals die ritterliche Welt über Ulrich's
Abcnteuerfahrt; sie beurtheilte sie nicht als den Gedanken eines
Thoren, wie es später geschehen ist, sondern als das preis
würdige Unternehmen eines tapfern Turnierritters, daö nur
erhöhten Reiz dadurch gewinnen konnte, daß es in ein romantisch
poetisches Gewand gekleidet war und in dem schwärmerisch