Der Damenhandschuh im Verlobungsbrauchtum
Im Verlobungsbrauchtum hielt sich die Erinnerung an den Handschuh:
Ein Brauchtum im Wallis zeigt ein Handschuhgeschenk an die
Schwiegermutter in spe anlässlich des Fastnachtschmauses. Ein
anderes Schweizer Brauchtum zeigt ein Handschuhgeschenk an die
Braut: Wenn die Frau den Handschuh nicht zurückweist, dann „müsse
sie ihn auch haben." (Ebd., S. 91, Anm. 105.) Im Jahre 1636 übergab ein
Mann aus Genf „Ring und Handschuhe" der Braut. Auch in Frankreich,
Belgien und Oberitalien sind Handschuhgeschenke an die Braut
nachweisbar. (Vgl.: Ebd., S. 95.)
Der Damenhandschuh in der Brautwerbung
Handschuhe sind auch ,als Liebesbeweis in Shakespeares Dramen,
z.B. King Lear, zu finden. (Vgl.: Ebd., S. 134.) Auch die in der Einladung
zum heutigen Vortrag zitierte Ballade Friedrich Schillers ,Der
Handschuh" (1797) reimt sich ebenfalls in diese Geschichte ein,
wenngleich mit anderem Ausgang. Der Ritter besteht zwar die Probe und
bringt ihr den Handschuh, weist jedoch die Dame zurück und verlässt sie
„zur selben Stunde“.
Noch zu Zeiten des Radierers Max Klinger (1857 — 1920) war der
(absichtlich verlorene) Damenhandschuh in der Brautwerbung en vogue,
was Renate Berger 1987 untersuchte.
Reichte eine Dame dem Mann ihre Hand zum Kuss, wurde ihre Hand
leicht angehoben und sich verneigend der Kuss mit etwas Abstand auf
dem Damenhandschuh, bzw. die Hand gehaucht. Dieses Zeichen der
größten Wertschätzung galt in Wahrheit nicht der Dame, sondern dem
Handschuh, bzw. ihrer Hand, die jedoch nicht ,in Besitz genommen
wurde. Im Fall einer verheirateten Dame bezeugt das Ritual wohl die
Achtung vor dem ,Besitz" eines anderen Mannes.
Das Lied ,Ich küsse ihre Hand, Madame“ wurde 1928 vom Österreicher
Ralph Erwin komponiert. 1929 wurde ein gleichnamiger Film von Robert
Land mit Marlene Dietrich gedreht. 1932 war ,| Kiss your Hand,
Madame" in den USA erfolgreich. Der Text zum Lied stammt vom
ósterreichischen Komponisten und Autor Fritz Rotter, der mit dem
gleichnamigen Berliner Theaterbesitzer, der eigentlich Fritz Schaie hieß
und 1931 in Liechtenstein eingebürgert wurde, nicht verwechselt werden
darf. 1933 wurde jener, zusammen mit seinem Bruder und dessen Frau
von vier liechtensteiner Nazis entführt, wobei Alfred und Gertrud Schaie
bei einem Fluchtversuch den Tod fanden.