Volltext: Der letzte Gutenberger und der Schwabenkrieg

In Krisensituationen berufen sich die Menschen gerne auf kollektive Identitäten, welche 
ihnen mehr Sicherheit vermitteln. Sie fühlen sich durch ihr emotionales Nationalbewusst- 
sein auch dazu verantwortlich, für die Nation einzustehen und notfalls zu sterben. 157 Kol- 
lektive Identität wird nicht nur erzeugt durch ethnologische Gemeinsamkeiten, sondern 
auch durch ein gemeinsames Feindbild. Die irrationale Angst vor dem Fremden führte in 
der Geschichte oft zu Krieg und ethnischen ,Säuberungen“. 
Dem Bürgertum der noch jungen Nationen fehlte anfänglich eine eigenständige Geschichte. 
So erfand man sich oft eine Vergangenheit, die nicht bloss die neue Gesellschaftsordnung, 
sondern auch die Nation spiegeln sollte. Beflügelt durch dieses aufstrebende bürgerliche 
Geschichtsbewusstsein wurden zahlreiche Geschichtsnarrationen verfasst, wobei man die 
Geschichte in grossen Erzählungen vollständig erfassen und allgemeingültig deuten woll- 
158 
te. 
Die historischen Ereignisse wurden dabei oft mit Sagen und Legenden vermischt und 
Lücken in der Geschichte mit fantasievollen Ausschmückungen gefüllt. Da jede Nation die 
Vergangenheit zu ihrem eigenen Vorteil auslegte, wurden im Vergleich mit anderen Natio- 
nen oft gegensätzliche Narrationen zum selben historischen Ereignis verfasst 159 
So wurde die Vergangenheit nebst der Sprache und Kultur zu einem identitätsstiftenden 
Element der Nationen. Besonders in der Schweiz, als Land ohne gemeinsame Sprache und 
Konfession, wurde die Geschichte zum eigentlichen Träger eines nationalistischen Selbst- 
bewusstseins. Mythen über die Entstehungsgeschichte der Eidgenossenschaft, von Wilhelm 
Tell, dem Rütlischwur oder der Schlacht bei Morgarten, gelangten ins kollektive Identitäts- 
bewusstsein und wurden in unzähligen Festspielen zum Leben erweckt. '® 
Auch im Fürstentum Liechtenstein entwickelte sich allmählich ein Nationalbewusstsein. Im 
Revolutionsjahr 1848 kam es auch in Liechtenstein zu Unruhen. An die Spitze der erwa- 
chenden Volksbewegung wurde Peter Kaiser gewählt. Der liechtensteinische Pädagoge, 
Historiker und Politiker nahm auch als Vertreter Liechtensteins an der Deutschen National- 
versammlung in Frankfurt teil. Seine Chronik über die , Geschichte des Fürstenthums 
  
177 Vgl. Boesch, Schlüpfer & Utz, 2014, S. 124ff. 
53 vel. Boesch, Schlüpfer & Utz, 2014, S. 331 
1? Vgl. Münkler, 2009, S. 15f. 
19 vg]. Müller, 2015, S. 2 
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