ihrem Tagebucheintrag vom 22. Mai 1869 anlässlich der Hauptprobe der zweiten
Fassung: „Vor mir saß Franz Bonn und schaute ganz verwundert in das Textbuch. In
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den letzten beiden Akten ist fast keine Zeile geblieben.“ Die Personen von der ersten
zur zweiten Fassung sind im Wesentlichen gleichgeblieben. Allerdings existiert in der
ersten Fassung noch eine stumme Rolle eines Abgesandten des Herzogs von Burgund.
Zudem sollte in der ersten Fassung die Hochzeit Roderichs nicht mit der Tochter
Eckarts stattfinden, sondern mit der Tochter des Herzogs von Burgund. Hinzu kommt
noch, dass Roderich als Fürst angesprochen wird und nicht als Prinz.“
Als sich die Umarbeitung der Oper in der Endphase befand, war Fanny vier Wochen im
Bad Wildbad. Täglich übersandte sie einen Brief an Rheinberger in München. Diese
unveröffentlichten Briefe enthalten des Öfteren Äußerungen über die Sieben Raben.
Fanny schreibt an Rheinberger am 12. Juli 1868:
Da mir im Ferien gar nichts einfiel, schloß ich mich den ganzen Sonntag Nachmittag in mein Zimmer
und ochste an den vier Zeilen herum, die mir wirklich etwas schwer fielen, weil ich für Jeden den
Charakter beibehalten wollte und weil Deine aufgeschriebene Melodie nun einen Fuß zu wenig hat, da
du ja noch die zwei letzten Zeilen gleich den ersten zwei Zeilen mit 4 Füssen wolltest. Du schreibst:
[Notenbeispiel] Jetzt merke auf: „Die Krone schmückt dein Haupt fortan‘“/4 Füße/und alle 4 Zeilen
gleich. Jetzt habe ich es so eingerichtet, daß du bei der 4‘ Zeile einen Fuß wegnehmen kannst, ohne
daß der Sinn leidet, oder ich habe die Zeile anders gestellt. Aber ich habe Angst, daß es dir nicht recht
ist und mache es dann gerne noch einmal:
Mathilde.
Die Krone schmiick” dein Haupt fortan
O Heldin! die den Sieg gewann!
In deines Herzens treues Gut
Geb’ ich (den Sohn), mein einzig Gut.
Legt die Hände beider zusammen.
Roderich. schwämerisch wie immer
Aus goldner Sterne lichtem Glanz
Möchte flechten ich den Siegeskranz,
Den Pfad bestreun ich mit Palmen dir
Du (Dir) aller Fraun (schönste) Zier.
Elsbeth. unendlich einfach und innig.
O selig, wer auf Gott vertraut,
auf Ihn nur all sein Hoffen baut!
Er sorgt für uns in Treuer Güt
Und gibt uns Trost u. (festen) Muth.
Hubert (im treuen Dienertone)
Ein Wunder hat mein Herz befreit
Von herber Qual, von Kampf u. Streit,
Nun ist gewendet alle Pein,
Mein Herr wird (wieder) glücklich sein! —
Chor
Die Krone schmück* das Haupt fortan
O Heldin! die den Sieg gewann
Ein treues Weib ist Geldes werth
^' Fanny Rheinberger, Tagebucheintrag vom 22. Mai 1869, in: Briefe und Dokumente, Bd. 3, S. 49.
? Vgl. Irmlind Capelle, Vorwort, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sümrliche Werke, Bd. 11, hg.
vom Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz 2006, S. XVIII.
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