Waren es in den ersten Tagen, vom 14. bis zum 17. Februar in erster Linie die
Staatsanwaltschaft Bochum und die Massenmedien, die als Akteure in Erscheinung traten, so
waren es ab dem 18. Februar die politischen Akteure, die ihre Meinungen und Interessen in
der Steueraffäre über die Massenmedien kund taten. Wir sehen in dieser Gruppe bereits große
Unterschiede in den „gesellschaftlichen Zielvorstellungen“, die hier repräsentiert werden.
Nicht nur diametral auseinander liegende Unterschiede zwischen den politischen Akteuren in
Deutschland einerseits und jenen in Liechtenstein andererseits, sondern auch innerhalb der
beiden Länder. Auf die Themen, die mit den ,gesellschaftlichen Zielvorstellungen" ver-
bunden sind und die in der Steueraffäre zum Ausdruck kamen, wird in Kapitel 6.6 näher
eingegangen.
Politische Akteure in Deutschland
Folgende politische Akteure konnten unter den gegebenen Umständen identifiziert werden:
» Regierungsmitglieder (Bundeskanzlerin, Bundesfinanzminister, Bundesinnenminister,
Bundesaufenminister)
> BND
> Parteien (SPD, CDU, CSU, FDP, Grüne)
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück war in der Steueraffäre sicher einer der
prominentesten politischen Akteure auf deutscher Seite. Mit klaren Aussagen machte er seine
Ziele und Anliegen deutlich: „Es wird offen anzusprechen sein, was dort in meinen Augen an
Rahmenbedingungen besteht, was hier in Deutschland zu Steuerhinterziehungen einlädt. Das
kann man höflich aber bestimmt sagen. [...] Wir werden uns in meinen Augen erst auf
europäischer Ebene mit der Frage zu beschäftigen haben, wie wir mit den Steueroasen
umgehen.“ (Dow Jones, 20.2.2008) „Wir wollen allen Steueroasen in Europa den Kampf
ansagen.“ (ders., FAZ, 27.2.2008, 10) „Es geht nicht nur um Liechtenstein. Wir reden auch
über die Schweiz, über Luxemburg oder über Österreich.“ (ders., Handelsblatt, 26.2.2008, 6
und SZ, 26.2.2008, 7)
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach deutliche Worte und vertrat ganz klar die
gesamtdeutschen Interessen in der grenzüberschreitenden Steuerfrage, war aber in ihrer Wort-
wahl etwas zurückhaltender als andere Ministerkollegen: „Ich habe Liechtenstein kein
Ultimatum gesetzt — darauf lege ich Wert -, sondern einfach politisch darüber gesprochen,
was sinnvoll wäre. [...] Ich erwarte von den Staatsbürgern, dass sie ihre Steuern nach Recht
und Gesetz im Lande entrichten [...] und finde es nicht gut, wenn bei Liechtensteiner Banken
eine gewisse Animation zur Rechtsverletzung bestehen würde. [...] Was die Rechtshilfe
anbelangt, erwarte ich Kooperationen.“ (Dow Jones, 20.2.2008) Dies wurde tags darauf von
der Stuttgarter Zeitung übernommen: „Wir fänden es nicht gut, wenn seitens der
Liechtensteinischen Kreditwirtschaft eine gewissen Animation zur Rechtsverletzung
bestünde." (21.2.2008, 6)
,Es geht darum, in einem Land das Steuerrecht einzuhalten, und dafür gibt es auch keine
entschuldigenden Ausnahmen." (Handelsblatt, 25.2.2008, 5)
Unterstützung in die gleiche Richtung erhielten Merkel und Steinbrück von ihren
Regierungskollegen, Bundesinnenminister Wolfgang Schàuble (,Steueroasen passen nicht
zu Europa", Handelsblatt, 29.2.2008, 6) und Bundesauflenminister Frank-Walter Steinmeier:
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