Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Eigen- oder Besonderheiten der liechtensteinischen Verfassungsord- 
nung, sind nur mit äusserster Vorsicht und — wenn überhaupt — nur 
in Form eines Vorbehaltes i.S.d. WVRK geltend zu machen. Will 
Liechtenstein mit der Entwicklung auch in Zukunft Schritt halten, ist 
die Geltendmachung solcher Vorbehalte dem Landestürsten, dem 
Landtag und der Regierung vorzubehalten — und nicht dem Staatsge- 
richtshof. Exzesse lásst schon das Vólker(vertrags-)recht unter keinen 
Umstánden zu3580, 
Vor diesem Hintergrund ist trotz der Skepsis der Regierung 
vor dem EWR-Beitritt*581 und trotz der Verfassung vom 16. Màrz 
2003 eine Verfassungsrevision mit dem Ziel zu erwágen, den Tatbe- 
stand vólkerrechtlicher Vertráge mit schwerwiegenden staats- oder 
souveränitätspolitischen Folgen in der LV in Form einer ,Integrati- 
onskompetenz’ zu verankern und auf eine andere ,immunisierende’ 
Verfassungsgrundlage zu stellen als auf die (bestehende) der Art. 8 
Abs. 2 und 62 Bst. b LV. Als Vorbild fiir eine solche Verfassungsrevi- 
sion, die in dieser Dissertation — wenn auch aus anderen Griinden — 
an anderer Stelle bereits vorgeschlagen worden ist3%82 kommen ver- 
schiedene Modelle in Betracht, wie z.B. Art. 24 GG, aber auch Art. 
135 des Verfassungsentwurfes der Freien Liste aus Anlass des 
75jährigen Jubiläums der LV3583, 
De constitutione ferenda sollte aber auch der Kompetenzkatalog 
des Staatsgerichtshofes einer Revision unterzogen werden, um — und 
zwar durch den Verfassungsgeber — einen Ausgleich zwischen den 
beiden widerstreitenden Polen der Vertrags- und der Verfassungs- 
treue zu schaffen. 
Das Rechtsschutz- und Rechtssicherheitsbedürfnis der Einzel- 
nen wird im Zuge dieser Bemühungen ebenso zu berücksichtigen 
sein wie die Tatsache, dass es sich Liechtenstein je länger umso we- 
niger leisten kann, vólkerrechtliche Vertráge unter dem Vorbehalt ei- 
ner spáteren (verfassungs-)gerichtlichen oder einer sonstigen Über- 
jene Grundsätze stellt, auf die er sich mit anderen Vertragsparteien verständigt hat. /us co- 
gens kann das HG unter keinen Umständen sein. 
3580 lus cogens i.S.v. Art. 53 WVRK. 
3581 Regierung (Diskussionspapier) S. 21: ,Die bisherigen Abklärungen der Auswirkungen des 
EG-Rechts auf die liechtensteinische Verfassung (verlangen) nicht nach einer Anderung der 
Verfassung“. 
3582 Siehe hierzu das 13. Kapitel Pkt. 5. 
3583 Diese Bestimmung lautet wie folg: „Die Ratifikation von Staatsverträgen durch das Staats- 
oberhaupt bedarf der vorherigen Zustimmung des Landtages, wenn die Staatsverträge a) 
staatliche Hoheitsrechte oder die territoriale Integrität des Landes berühren, b) verfassungs- 
mässige Rechte betreffen, c) in gesetzlich zu regelnde Materien eingreifen, d) finanzielle Ver- 
pflichtungen mit sich bringen, e) politischen oder militärischen Charakter haben“. 
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