in StGH 1993/4 hatte er von einem solchen Schritt noch kategorisch
abgesehen: Im Zuge einer Bestátigung von StGH XIII /1947-1954 hat
sich der Staatsgerichtshof in StGH 1993/4 an den Umstand gebunden
gefühlt, dass ihm eine Überprüfung von Vólkervertragsrecht (in casu
des ZV) auf seine materielle Verfassungsmässigkeit ,entzogen"3502
sei.
Die Diskrepanz zwischen StGH XI1IL/1947-1954 und StGH
1998/61 liegt auf der Hand: In StGH 1998/61 hat der Staatsgerichts-
hof die ,kompetenziellen' Bedenken von StGH XIII./1947-1954 dem
Anliegen untergeordnet, einen Kembereich von Garantien der LV
und der EMRK auch dem Vólkervertragsrecht gegenüber durchzu-
setzen; die im Rahmen dieses ,Kerngehalts'-Konzepts in Frage ste-
henden Rechtsgüter sind die ,Grundprinzipien' der LV einerseits
und die Kerngehalte der Grundrechte von LV und EMRK anderer-
seits. An diesem Punkt stellt sich die Schliisselfrage: Gilt diese Praxis
auch in anderen Fállen als in Bezug auf das EWRA, wie z.B. im Ver-
háltnis zum ZV? Bricht der Damm auch im Verhältnis zur Rechts-
und Wirtschaftsgemeinschaft mit der Schweiz?
Nachdem in die liechtensteinische Verfassungsordnung durch
den ZV und durch die anderen Wirtschaftsverträge sehr viel stärker
eingegriffen wird als durch das EWRASS93, stellt sich diese Frage mit
Brisanz: So ist von der Regierung schon im Jahre 1981 bestätigt wor-
den, dass sich aus der Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der
Schweiz, und in diesem Rahmen vor allem aus dem ZV, gerade im
Bereich der Zuständigkeitsvorschriften eine Reihe von „verfassungs-
durchbrechende(n) Abeichung(en)^399^ ergeben, die an die Substanz
aller drei Staatsfunktionen gehen (Judikative, Exekutive, Legislati-
ve)%05, Aus diesem Grunde ist es entscheidend, was der Staatsge-
richtshof in StGH 1998/61 unter den ,Grundprinzipien' der LV in ei-
nem absoluten ebenso wie in einem relativen Sinne — d.h. einem
3502 StGH XIII./1947-1954, ELG 1947-1954 S. 206 sowie unter Verweis auf StGH XIII./1947-1954
mit gleichem Tenor und mit gleicher Begründung StGH 1993/4, LES 2/1996 S. 46f.
3503 Siehe hierzu das 8. Kapitel Pkt. 4.2 sowie Wille (Integration) S. 390ff in Bezug auf das
Ausmass, in dem die Wirtschaftsvertráge, und zwar vor allem der ZV, in die Staatlichkeit
Liechtensteins eingreifen.
3504 Postulatsbeantwortung S. 13.
3505 Siehe Wille (Staatliche Ordnung) S. 86. Die Postulatsbeantwortung S. 13 nennt in diesem
Zusammenhang vor allem ,die Übertragung der gesamten Gerichtsbarkeit an im Auftrage des
Landesfürsten verpflichtete Richter (Artikel 99 der Verfassung), die Besorgung der gesamten
Landesverwaltung durch die dem Landesfürsten und dem Landtag verantwortliche Kollegial-
regierung (Artikel 78 der Verfassung) sowie die Bezeichnung des Landtages als gesetzmà-
ssiges Organ der Gesamtheit der Landesangehérigen (Artikel 45 der Verfassung)". Siehe ,zur
Verfassungsmássigkeit des Zollvertrages" Gubser S. 17ff.
634