3.2
3.2.1
gilt, sieht das betreffende Andere Gericht von einem Antrag unter
Art. 28 Abs. 2 SIGHG ab? Liegt in diesem Falle eine Rechtsverweige-
rung vor? Und wer ist in diesem Falle zu einer Überprüfung des be-
treffenden EWR-Rechtsaktes befugt?
Soll StGH 1998/61 mehr als nur eine theoretischer Ansatz oh-
ne praktische Bedeutung sein, muss eine Verknüpfung dieses Erkennt-
nisses mit der Tätigkeit der Anderen Gerichte erfolgen. Diese Forderung
hat ihren Grund in der Notwendigkeit von Rechtsklarheit darüber, in
welchen Fällen die Anderen Gerichte von der Möglichkeit einer Ver-
letzung der LV oder der EMRK auszugehen haben — in welchen Fäl-
len also ein bei ihnen anhángiges Verfahren zu unterbrechen und ein
Normenkontrollverfahren einzuleiten ist. An StGH 1998/61 gemessen
liegt die Rechtslage im Dunklen: Nachdem das ,Kerngehalts'-Kon-
zept im Sinne dieses Erkenntnisses - der Natur der Sache entspre-
chend - nur über den Weg der Kasuistik zu erschliessen ist, bestehen
für das Vorlageverhalten der Anderen Gerichte auf der Grundlage
von StGH 1998/61 weder ausreichende noch ausreichend klare und
eindeutige Vorgaben. Es fehlt an Konturen?466,
Fazit und Ausblick
StGH 1998/61 begegnet Kritik. Unterbleibt eine Eingrenzung dieses
Erkenntnisses sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht,
wird es für Rechtsschutz und Rechtssicherheit keinen Fortschritt mit
sich bringen - im Gegenteil.
Lücken im Rechtsschutz- und Rechtssicherheitssystem der
Normenkontrolle?
Dass der Staatsgerichtshof in StGH 1998/61 versucht, eine Lücke des
Rechtsschutz- und Rechtssicherheitssystems der Normenkontrolle zu
schliessen, ist ihm zwar nicht zum Vorwurf zu machen; die ,Schaf-
fung und Wahrung des Rechts" gehórt aufgrund von Art. 14 LV zu
3466 Unter der Prámisse, dass sich der Staatsgerichtshof in StGH 1998/61 an die ‚Solange |‘-
Rechtsprechung des Deutschen Bundesverfassungsgerichts anlehnen wollte, bedeutet dies
für das Vorlageverhalten der Anderen Gerichte, dass diese — wollen sie StGH 1998/61 folgen
— im Einzelnen zu begründen haben, inwiefern ein Rechtsakt des EWR-Sekundárrechts (oder
eine sonstige Bestimmung des Vólkervertragsrechts) die von der LV oder EMRK garantierten
Grundrechte oder die ‚Grundprinzipien‘ der LV verletzt. Versäumt das betreffende Andere Ge-
richt dies, ist sein Prüfantrag ohne weiteres unzulässig.
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