« Zum einen wird es móglich, die beiden Tatbestände der for-
mellen und der materiellen Verfassungsmássigkeit voneinan-
der zu trennen und beide Tatbestände unterschiedlich zu behan-
deln. Nach dem Inkrafttreten des KmG am 20. Juli 1985 hätte
der Staatsgerichtshof eine solche Trennung sowohl in StGH
1985/1 als auch in StGH 1988/22 und 1989/1 vornehmen
können. Sie hätte ihn in beiden Fällen dazu gebracht, weder
das Medium noch die Materie des ANAG — mit der Rechtsfol-
ge einer im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt kundzuma-
chenden Kassation — zum Gegenstand der Normenkontrolle zu
machen, sondern die Ausnahmeklausel des Art. 11 Abs. 1 Bst.
a KmG. Durch eine — aus seiner Sicht an sich unausweichli-
che®48 — Aufhebung dieser Bestimmung (und nicht des
ANAQG) hátte der Staatsgerichtshof sowohl dem Landtag als
auch der Regierung gegenüber zu verstehen geben kónnen,
dass eine Kundmachung des Wirtschaftsvertragsrechts im
Zuge der Rechtsbereinigung i.S.v. Art. 19 KmG nicht in verein-
fachter Form, sondern in seinem vollstándigen Wortlaut vor-
zunehmen war. Wáhrend der Fünf-Jahres-Frist von Art. 19
KmG wäre es ihm damit aber nicht nur möglich gewesen, die
Rechtskraft des ANAG sowohl in StGH 1985/1 als auch in
StGH 1988/22 und 1989/1 zu wahren. Mit einer solchen An-
ordnung hátte er auch jenes Mass an Rechtsklarheit über die
Frage der Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der Art und
Weise der Kundmachung des Wirtschaftsvertragsrechts ge-
schaffen, das es den Anderen Gerichten erst ermöglicht hätte,
über diese Frage in einem Anlassfall selbständig, d.h. ohne ei-
nen Prüfantrag i.S.v. Art. 28 Abs. 2 StGHG zu befinden. Hätte
der Staatsgerichtshof in StGH 1985/1 auf diese Art und Weise
gehandelt, wáre es von vornherein nicht zu StGH 1988/22 und
1989/1 und damit zum Damoklesschwert einer bis zum 20.
Juli 1990 jederzeit móglichen Normenkontrolle und — dement-
sprechend — gänzlichen oder teilweisen Aufhebung des Wirt-
schaftsvertragsrechts gekommen??49,
3248 Art. 11 Abs. 1 Bst. a KmG war mit den hohen Kundmachungsstandards des Staatsgerichtsho-
fes von Beginn an nicht zu vereinbaren. Trotzdem und obwohl Loebenstein (Besonderheiten)
S. 23 - aller Wahrscheinlichkeit mit Blick auf Art. 11 Abs. 1 bst. a KmG — davon gesprochen
hat, das KmG stehe ,abseits der Verfassung", hat der Staatsgerichtshof diese Bestimmung
weder in StGH 1985/1 noch in StGH 1988/22 und 1989/1 aufgehoben (kassiert).
3249 Siehe hierzu oben Pkt. 2.
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