Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

2.2 
Ende gefunden hat; ,in dieser Rechtsfrage" scheint das letzte Wort 
,noch nicht gesprochen zu sein/3037, 
Materielle Verfassungsmässigkeit 
In Bezug auf die materielle Verfassungsmüssigkeit des Vôlkervertrags- 
rechts ist seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts 
davon ausgegangen worden, dass der Staatsgerichtshof weder das 
Recht noch die Pflicht zu einer solchen Überprüfung besitzt?038: 
„Keiner direkten verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle unter- 
liegen nach dem bisher geltenden Recht Staatsvertrige”3039. Die 
liechtensteinische Verfassungsordnung lasse ,eine Verfassungs- 
durchbrechung durch  vólkerrechtliche Verträge grundsätzlich 
zu“3040. der Staatsgerichtshof neige gar der ,Version" zu, ,dass 
durch Staatsvertráge verfassungsmássig gewáhrleistete Rechte direkt 
beeinträchtigt (oder gar beseitigt) werden kónnen"304!, 
Dieser Standpunkt entspricht der Verfassungs- und Gesetzes- 
lage, wie sie in Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV i.d.F.d. Verfassung vom 
5. Oktober 1921 und in den Art. 23ff StGHG angelegt ist. Danach fállt 
nur die Prüfung der Verfassungsmássigkeit von formellen Gesetzen 
und von Verordnungen in die Kompetenz des Staatsgerichtshofes, 
nicht aber auch jene vôlkerrechtlicher Verträge. 
Die Praxis des Staatsgerichtshofes — und inzwischen auch die 
Verfassungsentwicklung*°*? — sind jedoch in eine ganz andere Richtung 
gegangen: Aufgrund von StGH 1998/61 scheint eine Überprüfung 
auch der materiellen Verfassungsmässigkeit des Völkervertrags- 
rechts (wenn auch nur eingeschränkt) möglich zu sein. Die gleiche 
Finalität besitzt (sehr viel weiter gehend) die Verfassung vom 16. 
März 2003 in ihrem Art. 104 Abs. 2 erster Satz. 
3037 Kley (Verwaltungsrecht) S. 63. Ders. weist unter Verweis auf Becker (Anmerkungen) S. 31 zu 
Recht auf die Móglichkeit hin, dass der Staatsgerichtshof seiner Praxis zur Frage der verfas- 
sungs- und gesetzmássigen Kundmachung insbesondere des Wirtschaftsvertragsrechts 
,Überverfassungsrang" zubilligen und ihr damit trotz der Vertassungs- und Gesetzesrevision 
aus dem Jahre 1996 treu bleiben kónnte. 
3038 Siehe hierzu stellvertretend für die herrschende Lehre Waschkuhn (Justizrechtsordnung) 
S. 43. 
3039 Batliner (Schichten) S. 295. 
3040 Bruha/Büchel (Grundfragen) S. 8. 
3041 Batliner (Postulat) S. 227. 
3042 Siehe hierzu das 25. Kapitel Pkt. 3.2.4. 
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