3.2
3.2.1
Fazit und Ausblick
In seiner Praxis zur Behebung von Normenkollisionen zwischen dem
Völkervertrags- und dem Landesrecht hat der Staatsgerichtshof ein
System errichtet, das — in Abhängigkeit der jeweiligen Zuständigkeit
der Vollzugsorgane - zwischen zwei verschiedenen Ansátzen unter-
scheidet: Wer ausserhalb von Art. 28 Abs. 2 StGHG steht (d.h. die Son-
stigen Vollzugsorgane), hat das Vorrangprinzip, wer innerhalb von Art.
28 Abs. 2 SIGHG steht (d.h. die Anderen Gerichte), hat die Funktion
des Staatsgerichtshofes als Normenkontrollgerichtshof zu beachten.
Dass die Realisierung dieses Konzepts zu Problemen führt, ist nicht
zu erwarten; die Transparenz der jeweiligen ,antagonistischen” Rechte und
Pflichten ist einer der Vorzüge dieses Regimes. Trotzdem besteht
Raum für zwei Vorschlàge de lege ferenda.
Vorabentscheidungsverfahren
Im Interesse einer (abhángigen) Zusammenarbeit empfiehlt sich die
Schaffung einer Befugnis (Recht und/oder Pflicht) der Sonstigen Voll-
zugsorgane, die Frage der Vólkervertragsrechtsmássigkeit des Lan-
desrechts dem Staatsgerichtshof in einem Anlassfall im Sinne einer
Vorfrage zur Prüfung vorzulegen. Ein solches (Vorabentscheidungs-
)Verfahren könnte an bereits bestehenden Modellen?8/6 ausgerichtet
werden. Sinn und Zweck der Vorfrage bestünde darin, den Sonstigen
Vollzugsorganen in den Fállen einer Normenkollision, d.h. in den
Fällen eines Normwiderspruchs zwischen zwei oder mehreren Be-
stimmungen des Vëlkervertrags- und des Landesrechts, Aufschluss
über die ihnen obliegende Vorgehensweise zu geben. Der in Frage
stehende Konflikt kônnte ein echter oder ein verdeckter°877 sein.
Dass die individuell-konkrete Natur eines solchen Verfahrens im
Laufe der Zeit eine generell-abstrakte Dimension erwerben würde, liegt
auf der Hand und wáre auch ein Teil ihrer ratio. Der ,Spruch' des
Staatsgerichtshofes, d.h. die in der Sache selbst getroffene Entschei-
dung, würde in einer Erklärung über den betreffenden Normwider-
spruch bestehen, wobei diese Erklärung Vorgaben wie z.B. in Bezug
auf die Möglichkeit einer völkerrechtskonfomen Auslegung des Lan-
2876 Siehe hierzu Art. 16 StGHG oder 8 27 Abs. 2 Ziff. 3 JN, wonach das F.L. Landgericht dann,
wenn es in einem Rechtshilfeverfahren „den Bestand der Gegenseitigkeit (bezweifelt)“, zu
dieser Frage eine „für dasselbe“ (d.h. für das F.L. Landgericht) „bindende Erklärung des Ap-
pellationsgerichtes einzuholen (hat)".
2877 Siehe hierzu das 17. Kapitel Pkt. 2.2.
519