19. KAPITEL: LÖSUNGSMECHANISMEN:
VORRANGPRINZIP UND NORMENKONTROLLE
Ausgangslage
Wie Konflikte (Normwidersprüche) zwischen dem Völkervertrags-
und dem Landesrecht zu behandeln sind, ergibt sich — von Sonder-
fállen abgesehen?^76 — aus einer Verbindung zwischen zwei ver-
schiedenen Ansátzen: aus dem Vorrangprinzip einerseits und aus der
Normenkontrolle andererseits. Diese Kombination zweier Lósungsmecha-
nismen, auf die im 18. Kapitel eingegangen worden ist, schafft sowohl
,kompetenziell' als auch in Bezug auf die Rechtsfolgen ihrer Anwen-
dung Rechtsklarheit. Die praktischen Auswirkungen dieser theoreti-
schen Ausgangslage sind die folgenden.
Vorrangprinzip
Auf den Vorrang des Vólkervertrags- vor dem Landesrecht ist im 14.
Kapitel eingegangen worden. An der Schnittstelle zwischen diesen
beiden Rechtsordnungen kann das Vorrangprinzip als ein Struktur-
prinzip der liechtensteinischen Verfassungsordnung bezeichnet werden,
das für Legislative, Judikative und Exekutive in der gleichen Art und
Weise verbindlich ist?^77, Als Lósungsmechanismus ist es unter den
folgenden Voraussetzungen und mit der folgenden Rechtsfolge an-
zuwenden.
Voraussetzungen einer Anwendung des Vorrangprinzips
Zu einer Anwendung des Vorrangprinzips als einem Mechanismus für
die Behebung von Normenkollisionen zwischen dem Vólkervertrags-
und dem Landesrecht kann es unter den folgenden beiden Voraus-
setzungen kommen:
2476 Siehe im EWR-Kontext z.B. Art. 121 Bst. b EWRA, Ritter (Europáischer Wirtschaftsraum) S.
6ff, und zum (Konfliktlósungs-)Konzept der ‚Parallelen Verkehrsfähigkeit’ Baur (Parallele Ver-
kehrsfáhigkeit) S. 90ff, Gstóhl (Membership) S. 166ff sowie Prange S. 63ff.
2477 Siehe hierzu das 14. Kapitel Pkt. 4.1.1.
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