Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

den“ 1940. ein Völkerrechtssubjekt „bleibt an seine völkerrechtlichen 
Verpflichtungen gebunden, solange e(s) von den Vertragsparteien 
nicht davon befreit wird“ 1941, Bei diesem Verbot handelt es sich so- 
wohl um ein vólkervertrags- als auch um ein landesrechtliches!942, 
und - dem Charakter des Rechtsstaatsprinzips entsprechend - nicht 
um ein relatives, sondern um ein absolutes. 
Es ist den Warnungen vor jenem rechts- und verfassungs- 
staatlichen Einbruch zu verdanken, den die Verfassung vom 16. Márz 
2003 nach sich zieht, dass der von Epiney gewáhlte Ansatz in jüngster 
Zeit auch in Liechtenstein bestätigt worden ist!943: In ihrem Memo- 
randum vom 19. August 2002 weisen Batliner/Kley/Wille zu der von 
S.D. dem Landesfürsten vorgeschlagenen Befugnis des Staatsge- 
richtshofes, vólkerrechtliche Vertráge im Rahmen eines Normen- 
kontrollverfahrens zu kassieren, zu Recht darauf hin, dass dies , mit 
dem Völkerrecht nicht vereinbar (ist). Staatsverträge können nur in 
dem Verfahren aufgelöst werden, das völkerrechtlich für sie vorgesehen 
ist" 1944. 
Der Stellenwert, den die Rechtsstaatsgewáhr in der Verfas- 
sungswirklichkeit einnimmt, geht aber auch aus Art. 1 des Bereini- 
gungs-Gesetz hervor, wonach ,alle vor dem 1. Januar 1863 erlassenen 
Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen, Patente, Dekrete und 
dergleichen) mit Ausnahme der Staatsvertráge und der im folgenden 
Artikel aufgeführten Erlasse ... ausser Kraft (sind)'1945. 
Diese Anordnung ist - unabhángig von ihrem Zusammen- 
hang mit Art. 114 LV und mit Art. 115 Abs. 2 LV —- vor allem deshalb 
aufschlussreich, weil sie die von Liechtenstein vor dem 1. Januar 1863 
1940 Epiney (Primat) S. 557. 
1941 Siegenthaler S. 209, der sich — trotz dieser Feststellung — für einen Vorrang von jüngeren 
Bundesgesetzen vor álteren vólkerrechtlichen Vertrágen ausgesprochen hat. 
1942 Mit der Anerkennung dieses Verbotes kann dem unter anderen auch von Kálin S. 45 festge- 
stellten Umstand begegnet werden, dass ,auf der Ebene der Doktrin ... bis heute nicht ent- 
schieden (ist)", ob das Vorrangprinzip ,im Völkerrecht oder im Landesrecht verankert ist“. Bei 
dem von Epiney vorgeschlagenen handelt es sich auch aus diesem Grunde um einen — wie 
es ihrer Absicht (Primat) S. 538 entsprochen hat — ,in sich schlüssigen und praktikablen" An- 
satz. 
1943 Siehe hierzu den antizipativen Hinweis bei Waschkuhn (Justizrechtsordnung) S. 43: ,Der 
Staatsgerichtshof ist ... nicht befugt, Staatsvertráge und Beschlüsse internationaler Organi- 
sationen in materieller Hinsicht einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen oder gar aufzuhe- 
ben, vielmehr sind diese nach Inhalt und Form parlamentarisch zu behandeln" (Kursivstellung 
durch den Verfasser) sowie die Regierung (BuA Nr. 71/1991) S. 42, die darauf hinweist, dass 
vôlkerrechtliche Verträge ,Rechtswillen des Vôlkerrechts“ bzw. nach Hoop S. 303 eine 
,Hechtsquelle des Vólkerrechts" sind. 
1944 Batliner/Kley/Wille (Memorandum) S. 20 (Kursivstellung durch den Verfasser). 
1945 Art. 1 des Bereinigungs-Gesetzes (Kursivstellung durch den Verfasser). 
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