Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

14. KAPITEL: VORRANG DES VÖLKERVERTRAGS- IM 
LANDESRECHT 
Ausgangslage 
Die Frage nach dem Vorrang!/?? des Vólkervertrags- vor dem Lan- 
desrecht bildet nicht nur eine Schlüsselfrage im Innenverháltnis der 
beiden Rechtsordnungen, sondern auch einen kritischen Pfad auf dem 
Weg zur Verwirklichung des objektiven Rechts: Kommt es zu einer 
Unvereinbarkeit zwischen dem Vólkervertrags- und dem Landesrecht 
(Normenkollision), ist Rechtsklarheit über das Vorrangverhültnis bzw. 
über dessen Bestand und Inhalt unerlässlich. 
Einem fraditionellen Verständnis, wie es (vor allem) in den klas- 
sischen Derogationsregeln zum Ausdruck kommt, entspricht es, Nor- 
menkollisionen zwischen zwei oder mehreren miteinander unver- 
einbaren Bestimmungen durch eine Berücksichtigung ihrer Rechts- 
quellenstufe zu beheben. Dieser Ansatz ist auch in Liechtenstein — und 
zwar auch vom Staatsgerichtshof!/?^ — immer wieder gewáhlt wor- 
den. Dass er den Grundsatz einer Hierarchie (einer Rangordnung) der 
betroffenen Bestimmungen zur Voraussetzung hat, liegt auf der 
Hand. 
In diesem Kapitel wird ein modernes Verständnis vertreten, in 
dessen Rahmen vor allem berücksichtigt wird, dass die Frage nach 
dem Vorrang des Völkervertrags- vor dem Landesrecht die interna- 
tionale Stellung Liechtensteins in ilirem Kern betrifft!/?5. In Liechten- 
stein hat sich diese Einsicht wie ein Gemeinplatz durchgesetzt: , Jeder 
Staat und besonders der Kleinstaat ist auf die Einhaltung und Durch- 
setzung von internationalem Recht angewiesen. Dies ist letztlich der 
einzige Schutz, der dem Kleinen im Konzert der Grossen zur Verfü- 
1723 Unter ,Vorrang' ist das gleiche zu verstehen wie unter den beiden Synonymen ,Primat' und 
,Suprematie'. In der Praxis des Staatsgerichtshofes werden die drei Begriffe ohne Unter- 
schied verwendet; siehe hierzu unten Pkt. 3. 
1724 Siehe hierzu StGH 1978/7, LES 1981 S. 7 oder StGH 1995/21, LES 1/1997 S. 28. 
1725 Siehe hierzu unten Pkt. 5. 
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