4.1
Kommentar
Zusammenfassung und Kritik
Zusammenfassung
Die Feststellung Hoops, dass die „Rangfrage bei bestehenden völker-
rechtlichen Verträgen nicht eindeutig geklärt“ 1563 ist, trifft nach wie
vor zu; „Staatsverträge sind durch keine Vorschrift der Verfassung
auch nur andeutungsweise in diese Rangfolge innerstaatlicher
Rechtsquellen gestellt“ 1564
Über diese Ausgangslage herrscht Einigkeit; eine Klausel,
durch die völkerrechtlichen Verträgen eine Rechtsquellenstufe des
Landesrechts zugeordnet wird, besteht in der liechtensteinischen
Verfassungsordnung nicht. In der Praxis des Staatsgerichtshofes fin-
den sich jedoch eine Reihe von Indizien, die auf das Rangverhältnis
zwischen dem Völkervertrags- und dem Landesrecht positiv oder ne-
gativ schliessen lassen. Diese Indizien stehen unter der allgemein gül-
tigen Prämisse, dass „die Antwort auf die Frage, welchen Rang das
Völkerrecht im Verhältnis zum nationalen Recht einnimmt, ... natio-
nalen verfassungsrechtlichen Grundsátzen zu entnehmen (ist)“1°65,
Das Vólker(vertrags-)recht verhält sich dieser Frage neutral gegen-
über!566,
Nach Massgabe dieser Indizien ist davon auszugehen, dass
der Staatsgerichtshof der vor allem von Winkler vertretenen Gleich-
behandlung von formellem Gesetz und Staatsvertrag nicht mit der
gleichen Strenge folgt. Zum einen tritt diese Analogie — von StGH
1978/8 abgesehen - in der Praxis des Staatsgerichtshofes nicht in je-
ner Rigidität hervor, wie dies bei Winkler der Fall ist. Zum anderen
hat der Staatsgerichtshof in StGH 1995/14 erklärt, dass „die Mitwir-
kungskompetenzen des Parlaments beim Abschluss von Staatsver-
trägen ... insgesamt einen gewissen Parallelcharakter zum innerstaat-
lichen Kompetenzbestand (aufweisen). Die beiden Kompetenzord-
1563 Hoop S. 305. Gleichlautend Nuener S. 179.
1564 Winkler (Staatsverträge) S. 121.
1565 So für die schweizerische Lehre Epiney (Primat) S. 546 und für die völkerrechtliche Lehre
statt vieler Verdross/Simma S. 547 (§ 859).
1566 Siehe hierzu statt vieler Dahm/Delbrück/Wolfrum S. 106.
300