Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

seitige) Rangverhältnis in den folgenden beiden Fällen nicht nur 
theoretisch, sondern auch praktisch relevant !394: 
e  Batliner hat darauf hingewiesen, dass dann, ,wenn eine Ver- 
ordnung auf die Gesetzesmássigkeit untersucht wird, ... auch 
zu prüfen (ist), welche Gesetzesnorm überhaupt als Prü- 
fungsmasstab gilt, durch einen Staatsvertrag derogiert ist 
etc.^1395. Mit diesem Hinweis hat Batliner die Aufmerksamkeit 
darauf gelenkt, dass der Staatsgerichtshof — im Rahmen seiner 
Funktion als Normenkontrollgerichtshof — über die Eignung 
einer Bestimmung nicht nur des Landes, sondern auch des 
Vólkervertragsrechts als Referenzgrósse zu befinden hat. In die- 
sen Fällen kann es zur Notwendigkeit einer Überprüfung 
nicht nur des Prüfungsgegenstandes, sondern - im Sinne einer 
Vorfrage — auch des Priifungsmasstabes kommen'3%. Im Rah- 
men der Normenkontrolle, d.h. , bei der Uberpriifung inner- 
staatlicher Normen auf ihre Ubereinstimmung mit Staatsver- 
1394 Neben diesen Hauptgesichtspunkten sind weitere Fálle móglich, in denen das Rangverháltnis 
zwischen dem Vólkervertrags- und dem Landesrecht von Relevanz sein kann. Diese Fálle 
betreffen: 
- das vólkervertragsrechtliche Verordnungsrecht, das nur dort besteht, wo ein vólkerrechtli- 
cher Vertrag ein formelles Gesetz als Rechtsgrundlage für den Erlass von Verordnungen 
ersetzt; siehe hierzu das 12. Kapitel; 
- den Umstand, dass sich der Staatsgerichtshof auf die klassischen Derogationsregeln in 
mindestens zwei Fállen einer Normenkollision zwischen zwei vólkerrechtlichen Vertrágen 
berufen hat (in StGH 1990/7, LES 1/1992 S. 10ff und in StGH 1995/21, LES 1/1997 S. 
18ff). Dies — auf die klassischen Derogationsregeln zurückzugreifen — konnte der Staatsge- 
richtshof nur unter der Prämisse tun, dass zwischen den betreffenden vôlkerrechtlichen 
Verträgen ein Rangverhältnis entweder im Sinne einer Gleichrangigkeit oder eines Unter- 
bzw. Überordnungsverhältnisses besteht (wie dies in StGH 1995/21, LES 1/1997 S. 28 
denn auch ohne wenn und aber bestätigt worden ist). Bis in die jüngste Zeit hat der Staats- 
gerichtshof diesen Ansatz aber auch im Falle eines Konfliktes zwischen einem Staatsver- 
trag und einem formellen Gesetz gewählt (StGH 1999/28, LES 1/2003 S. 8); 
- den von Winkler (Prüfung) S. 8 ebenso wie — in jüngster Zeit — auch von der Regierung 
(Schreiben vom 22. Oktober 2002) S. 4f gewáhlten Ansatz, aus der Annahme, dass vólker- 
rechtliche Vertráge ,unter der Landesverfassung (stehen)", den Schluss zu ziehen, dass sie 
,zur Verfassung nicht im Widerspruch stehen dürfen, mag ihnen der Landtag auch zuge- 
stimmt haben". Diese Vorgehensweise richtet sich gegen die Kategorie verfassungsán- 
dernder bzw. -ergàánzender vólkerrechtlicher Vertráge, wie sie der Staatsgerichtshof in sei- 
ner Praxis entwickelt hat; siehe hierzu unten Pkte. 3.1, 4.2.2 und 5. 
1395 Batliner (Schichten) S. 297. 
1396 In diesem Sinne liegt es auf der Hand, dass die Frage nach dem Rang zwischen dem 
Völkervertrags- und dem Landesrecht mit jener des Vorranges der einen vor der anderen 
Rechtsordnung zusammenhängt. Nach der Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung kann 
die eine gegenüber der anderen Bestimmung nur dann Vorrang beanspruchen, wenn sie 
mindestens auf der gleichen Rechtsquellenstufe steht. Batliner (Postulat) S. 227 hat die Be- 
deutung dieses Zusammenhangs mit dem Hinweis hervorgehoben, dass sich ohne Rechts- 
klarheit in dieser Frage z.B. „nicht verlässlich beantworten (lässt), ob der Zollvertrag die Ver- 
fassung zu ändern vermochte oder nicht“. Hierfür ist ein Verfassungs- oder gar Überverfas- 
sungsrang des ZV eine conditio sine qua non. 
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