Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Worin die Wirksamkeitsform der Behördenverbindlichkeit 
gemäss StGH 1985/1 besteht, ist nur sehr schwer zu bestimmen und 
wird „von Fall zu Fall zu entscheiden sein^11?6, Hinzuweisen ist je- 
doch auf die folgenden drei Punkte: 
Erstens bilden Rechtsvorschriften (wie das ANAG in StGH 
1985/1), die im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt nicht, 
d.h. weder vollstándig noch in vereinfachter Form kundge- 
macht worden sind, keine rechtsetzenden Vorschriften i.S.v. Art. 1 
KmG. Nach den Grundsätzen des KmG gehören sie dem ob- 
jektiven Recht weder mittelbar noch unmittelbar an und kön- 
nen z.B. auch dann keine Rechtsgrundlage für den Erlass einer 
oder mehrerer Verordnungen bilden, wenn sie auf der Rechts- 
quellenstufe eines formellen Gesetzes!127 stehen — obwohl dies 
(d.h. der Erlass von Verordnungen aufgrund und zur Durch- 
führung vôlkerrechtlicher Vertráge!!?8) „grundsätzlich zuläs- 
sig (ist)”1129, Sie sind aber auch nicht vernichtbar! 199, sondern 
von vornherein richtig im Sinne von inexistent; sie sind nie in 
Kraft getreten. 
Zweitens hat der Staatsgerichtshof in StGH 1985/1 eine Art 
Beachtungs-!!?! bzw. Berücksichtigungsgebot auch solchen 
Rechtsvorschriften gegenüber begründet, die in Liechtenstein 
aufgrund vólkerrechtlicher Vertráge (vor allem aufgrund der 
Wirtschaftsvertráge) zwar gelten, im Liechtensteinischen Lan- 
desgesetzblatt jedoch nicht kundgemacht worden sind. Trotz 
ihrer Nicht-Kundmachung sind diese Rechtsvorschriften , kein 
Nichts, sondern ein Etwas“ 1152, 
1126 Becker (Nachtrag) S. 59. 
1127 Siehe hierzu StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 111 sowie Becker (Nachtrag) S. 59. 
1128 Siehe hierzu das 12. Kapitel. 
1129 StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 111. 
1130 Ausdruck dieses Umstandes ist z.B., dass der Staatsgerichtshof das ANAG in StGH 1985/1, 
LES 4/1986 S. 108ff trotz seiner nicht verfassungs- und gesetzmássigen Kundmachung des- 
halb nicht aufheben konnte, weil es kein Aufhebungsobjekt gab. Das ANAG war im Anlassfall 
vielmehr von vomherein insofern nichtig, als es trotz des Verweises in Art. 33 ZV und in Art. 1 
Abs. 1 FPA I als eine rechtsetzende Vorschrift bzw. Rechtsvorschrift nie in Kraft getreten war: 
Seiner Nicht-Kundmachung wegen war das ANAG vor dem 15. Juli 1986, dem Tag seiner 
(erstmaligen) Kundmachung im LGBI. 1986 Nr. 43, inexistent. Das Begriffspaar ,nich- 
tig/,vernichtbar geht im Übrigen auf StGH 1980/10, LES 1982 S. 11 zurück und findet sich — 
auf individuell-konkrete Vollzugsakte bezogen — auch in Art. 106 Abs. 1 LVG wieder. 
1131 Im gleichen Sinne wohl StGH 1985/1, LES 4/1996 S. 110. 
1132 Becker (Nachtrag) S. 59. Dieses ,Etwas' muss sich, um eine Bedeutung haben zu kónnen, 
von jener ,Rechtsunverbindlichkeit' im Sinne Winklers (Staatsvertráge) S. 114 unterscheiden, 
die sich aus einer Nicht-Genehmigung gemäss Art. 8 Abs. 2 LV als Rechtsfolge von Verfas- 
sungs wegen ergibt; siehe hierzu das 7. Kapitel Pkt. 2.1. 
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