Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

3.1 
Praxis 
In seiner Praxis hat der Staatsgerichtshof neben die Rechtskraft (d.h. 
neben den Idealzustand) einer Rechtsvorschrift zwei weitere Tatbe- 
stände (‚Rechtskrafttypen‘) gestellt. Diese beiden Tatbestände zeich- 
nen sich dadurch aus, dass sie den in Liechtenstein geltenden völker- 
vertrags- oder landesrechtlichen Rechtsvorschriften je nach der Art 
und Weise ihrer Kundmachung unterschiedliche Wirksamkeitsformen 
verschaffen, die vom Staatsgerichtshof in einem Anlassfall sowohl 
auf Antrag (Art. 28 Abs. 2 StGHG) als auch von Amtes wegen (Art. 
24 Abs. 3 und Art. 25 Abs. 1 StGHO) festgestellt werden kónnen. 
Die Behórdenverbindlichkeit gemáss StGH 1985/1 
In StGH 1985/1 hatte der Staatsgerichtshof eine Verfassungsbe- 
schwerde (Grundrechtsrüge) zu behandeln, die gegen eine fremden- 
polizeiliche und von der VBI geschützte Entscheidung bzw. Verfü- 
gung der Regierung erhoben worden war. Vor dem Staatsgerichtshof 
war geltend gemacht worden, dass das ANAG „keine gesetzliche 
Grundlage"11!5 für die von der Regierung im Anlassfall vollzogene 
Verordnung!!!8 bilde. Auf das ANAG war in Art. 33 ZV und in Art. 
1 Abs. 1 FPA I im Urteilszeitpunkt zwar verwiesen, das ANAG war 
im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt trotz dieses Verweises je- 
doch nie kundgemacht worden, d.h. weder vollstándig noch in verein- 
fachter Form. 
In StGH 1985/1 hat der Staatsgerichtshof erklárt, das ANAG 
sei in Liechtenstein deshalb ,nicht anwendbar", weil , die Kundma- 
chung im Landesgesetzblatt ... unabdingbare Voraussetzung für die 
Geltung eines Gesetzes (ist)"!!!7. Unter Hinweis auf Art. 15 des im 
Urteilszeitpunkt, dem 8. April 1986, bereits in Kraft getretenen KmG 
gelte dies , jedenfalls insoweit, als zu Lasten eines Betroffenen ... ent- 
schieden wird ... Die Regierung durfte sich daher ... nicht auf das 
ANAG berufen” 1118, 
Dieser landesrechtliche Befund ist vom Staatsgerichtshof in 
StGH 1985/1 durch einen vólkervertragsrechtlichen erweitert worden: 
1115 StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 109. 
1116 (Aufgehobene) Verordnung vom 9. September 1980 über die Begrenzung der Zahl der 
Ausländer im Fürstentum Liechtenstein. 
1117 StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 110. 
1118 StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 110. 
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