Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

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‚Disponibilität’ über die Verfassung vom 5. Oktober 1921 nahezu 
grenzenlos geworden. 
In diesem Rahmen scheint vor allem der Respekt vor einem 
Ausgleich des Machtverháltnisses zwischen Monarchie und Demo- 
kratie als einem, wenn nicht gar dem , Wesensbestandteil der Verfas- 
sung“867 abhanden gekommen und kein Leitmotiv mehr zu sein. Ist 
dem aber so, brechen die Grundlage der Staatsform einer konstitutio- 
nellen Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Basis, wie 
sie in Art. 2 LV verankert ist, auseinander. Dies ist die eine Seite. 
Die andere Seite ist die, dass durch die in der Verfassung vom 
16. März 2003 vorgesehene Einführung eines ,Monarchieabschaf- 
fungsverfahrens', das dem einen Souverän (dem Staatsvolk) zumin- 
dest dem Buchstaben nach die Verfügungsmacht über den anderen (den 
Landesfürsten) verschaffen soll968, der Vertragscharakter der LV als ei- 
nes Paktes unter Gleichberechtigten und damit der Grundbaustein der 
liechtensteinischen Verfassungsordnung89? aufgehoben wird970 — je- 
nes Element nämlich, das auf der Integrität, d.h. auf der konstitutio- 
nellen bzw. auf der existentiellen Unantastbarkeit der jeweils anderen 
Vertragspartei (Fürst und Volk als Inhaber der Staatsgewalt) beruht. 
Zum gleichen Ergebnis führt die Beseitigung von Art. 112 LV i.d.F.d. 
Verfassung vom 5. Oktober 1921: Der Staatsform Liechtensteins, dem 
vielzitierten und — vor allem im Zuge der sog. Verfassungsdiskussion 
vielstrapazierten — ,Dualismus' zwischen Monarchie und Demokra- 
tie, geht ihre Grundbedingung, ihre conditio sine qua non verloren. Der 
Kerngedanke der liechtensteinischen Verfassungsordnung wird auf- 
gelöst. Unter diesen Voraussetzungen stehen die Zeichen für eine An- 
erkennung von Schranken gleich welcher Art schlecht. 
Dieser Befund, so ernüchternd er auch erscheinen mag, be- 
schreibt jedoch nur einen Teil der Wirklichkeit. Wird nach Verfas- 
sungs- in Form von Staatsvertragsschranken gesucht, darf an diesem 
Wille (Normenkontrolle) S. 285. 
Siehe hierzu Art. 113 LV. 
Siehe zum Vertragscharakter der LV statt vieler Wille (Kontroversfragen) S. 178, der von 
einem ,Kompromiss" und Waschkuhn (Mischverfassung) S. 10, der wie Steger (Landesfürst) 
S. 43 von einer ,paktierte(n) Verfassung" spricht, Allgàuer S. 33, bei dem von einem ,Verfas- 
sungsvertrag' die Rede ist, sowie das 4. Kapitel Pkt. 2.3. 
Winkler (Analyse) S. 164 spricht denn auch davon, dass eine Ausübung des ,Monarchieab- 
schaffungsverfahrens' gemáss Art. 113 LV bedeute, dass ,einem Staat ... sein rechtliches 
Fundament" enzogen würde und dass ,die Abschaffung der Monarchie ... eine Aufhebung 
des Demokratievertrages zwischen dem Volk und dem Fürsten (bedeutet). Diese Aussage 
wird von Winkler (Analyse) S. 164 zwar nur auf den Fall einer Verwirklichung von Art. 113 LV 
bezogen. Ihr Inhalt bezieht sich jedoch auch auf eine solche Möglichkeit. Wer eine Gelegen- 
heit bietet, ist nicht nur für diese Gelegenheit, sondern auch für ihre Grundlagen verantwort- 
lich — und letztere implizieren die Auflósung der Staatsform Liechtensteins. 
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