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Nach Winkler besitzt diese Genehmigung eine fast schon apo-
diktische Bedeutung: Winkler leitet aus diesem Umstand ab, dass
„vor allem Staatsverträge nach Art. 8 Abs. 2” den formellen Gesetzen
deshalb ,gleichzuhalten" sind, weil sie ,,durch den doppelten Kon-
sens des Landesfürsten mit der Regierung einerseits und des Land-
tages andererseits getragen sind535; Staatsvertráge sind ,rangmássig
gesetzesgleich"536, In Form einer Gleichstellung von Staatsvertrágen
und formellen Gesetzen, so z.B. unter Anrufung des Legalitätsprin-
zips° als einem ungeschriebenen ,achten' Kriterium der Zustim-
mungsbedürftigkeit i.S.v. Art. 8 Abs. 2 LV, vertritt Winkler in diesem
Zusammenhang eine mehr oder weniger schematische Mechanik938:
Nach Winkler stehen vólkerrechtliche Verträge, die gemäss Art. 8
Abs. 2 LV genehmigt worden sind, in jedem Falle auf der Rechtsquel-
lenstufe eines formellen Gesetzes.
Entspricht dieser Ansatz der Wirklichkeit? Wird die Praxis an
diesem Modell einer Parallelität von Staatsvertrag und formellem Gesetz
so stringent ausgerichtet, dass deren Gleichbehandlung als „Rechts-
erzeugungsform"93? in der Theorie (vor allem Winklers) gerechtfertigt
ist? Zieht die Genehmigung eines vólkerrechtlichen Vertrages ohne
weiteres dessen (formellen) Gesetzesrang nach sich, d.h. dessen Fin-
ordnung auf der Rechtsquellenstufe eines formellen Gesetzes?
Der Ausgangspunkt für eine Antwort auf diese Frage ist der
Umstand, dass der „von der ... Verfassung der parlamentarischen
Zustimmung unterstellte Kreis von völkerrechtlichen Verträgen“ von
vornherein „weit gefasst” ist; es handelt sich um „weitgespannte Zu-
stimmungserfordernisse“540, In dieser Einschätzung herrscht in der
Lehre Einigkeit; das Ausmass der von Art. 8 Abs. 2 LV und von Art.
62 Bst. b LV vorgesehenen Mitwirkung des Landtages beim Ab-
schluss völkerrechtlicher Verträge ist äusserst gross. Dies ist die eine
Seite.
Die andere Seite ist die Handhabung von Art. 8 Abs. 2 LV, die
— worüber in der Lehre ebenfalls Einigkeit herrscht — „kompetenz-
Winkler (Staatsverträge) S. 122.
Winkler (Staatsverträge) S. 115.
Das Legalitätsprinzip geht aus den Art. 78 Abs. 1, 92, 104 und 114 LV hervor; siehe hierzu
statt vieler Loebenstein (Besonderheiten) S. 9 oder Batliner (EMRK) S. 101f. Nach StGH
1996/4, LES 4/1997 S. 206 wird es primär aus Art. 92 LV abgeleitet.
Winkler (Staatsverträge) S. 125f.
Winkler (Staatsverträge) S. 115.
Thürer (Vélkerrechtsordnung) S. 118.
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