Volltext: Gutachten des Professors Dr. Julius Landmann in Basel über die Frage der Einführung der Frankenwährung in Liechtenstein

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preis 30,000 Kr. auS eigenem- Vermögen erlegt 
und beit Rest auf dem Wege des Kredites vom 
B- aufgebracht, 'zu dessen Gunsten daS ' Gut mit 
einer ersten Hypothek im Betrage von 70,000 Kr. 
belastet wurde. Angesichts der während der KriegS- 
jahre -überall. eingetretenen, von der -spezifischen 
Entwertung' der österr. Kronenwährung unab 
hängigen Wertsteigerung landwirtschaftlicher Güter 
darf unbedenklich vorausgesetzt werden, daß jenes 
von A. erivorbene Gut, soferne der Preis von 
100,000 Kr. im Jahre 1913 angemessen war, 
heute einen Wert von mindestens 105,000 Fr., 
wahrscheinlich aber einen noch höheren Wert re 
präsentiert. Das Gut ist zu Gunsten des B. mit 
einer Hypothek von 70,000 Kr., belastet und die 
Frage lautet nun: auf welchen Betrag soll nach 
erfosgtem Uebergang von der Kronen- zur Fran 
kenwährung, die Forderung des B. in Franken 
lauten... Wollte man diese Forderung nach dem 
gegenwärtigen Kurse von jjttfa 12 Fr. für 100 
Kr.. umrechnen, so hätte dies zur Folge, daß der 
Gläubiger B., der im Jahre 1913 em Kapital von 
70,000 .Kr. damals vollwertigen Kronen dahin- 
gegeben hat, nun eine Forderung in der Höhe 
von 8400 Fr. i.n Händen .hätte, der Schuldner 
A. dagegen,. 8er im Jahre 1913' das Gut mit 
einer Anzahlung von 30,000 Kr. aus eigenen 
Mittxln übernommen hat, nun Eigentümer eines 
nur mit .8400 .Fr. belasteten Gutes im Werte von 
105^000. Fr. wäre. Allgemein ausgedrückt: die 
Umrechnung 'bestehender Forderungen auS der 
Kronen-.in diö Frankenwährung zum Tageskurse 
der Krone im Zeitpunkte, in welchem die Umrech 
nung, gesetzlich angeordnet wird, hätte zur Folge, 
daß all diejenigen, die Kapitalien in Forderungen 
investiert hüben, von BermögenSverlusteu in vollem 
Ausmaße der Kronenentwertung betroffen würden, 
wogegen diejenigen, ' die Kapitalien in Sachgütern 
investiert haben, von Bermögensverlusten verschont 
blieben und darüber hinaus, Dank der Kronen 
entwertung einen desto größeren VermögenSzu- 
wachS erführen, in je größerem Umfange sie seiner 
zeit f-remdes Leihkapital zum Erwerb jener Sach 
güter. benutzen' konnten. 
Bei einer oberflächlichen Betrachtungsiveise könnte 
zu Gunsten, dieser Umschichtung aller Vermögens 
verhältnisse vielleicht geltend gemacht werden, sie 
fördere den Schuldner auf Kosten des Gläubigers; 
einer ernsthaften Kritik könnte indessen diese Auf 
fassung nicht standhalten. 
Diß tief eingewurzelte Neigung, im Schuldner 
stets den wirtschaftlich ' Schwächeren zu sehen, 
dessen Förderung auf Kosten deS-Gläubigers so 
zialpolitisch wünschenswert erscheint, hatte ihre volle 
Berechtigung in Perioden primitiver wirtschaft 
licher. Kultur, da der Kredit meistens Konsumü- 
tions- und Notkredit war. ' Heute, da der weitaus 
größte Teil, aller im Wirtschaftsverkehr, bean 
spruchten und gewährten Kredite ProduktionS- 
und Erwerbszwecken dient, ist nicht immer der 
Gläubiger, sehr häufig aber der Schuldner der 
wirtschaftlich Stärkere. Im vorstehenden Beispiels 
fall ist der Bauerngutsbesitzer A. Schuldner; da 
gegen ist der invalide Rentner, dessen ganzes Ver 
mögen im Betrage von 20,000 Kr. bei der Spar 
kasse verzinslich' angelegt ist, Gläubiger; '- von 
diesen Beiden ist der Schuldner gewiß der wirt 
schaftlich'Stärkere. Gesetzt den Fall, daß 100 
kleine Sparer Sparguthaben von je durchschnitt 
lich 600 Kr. bei der Sparkasse gebildet haben 
und die Sparkasse diese 60,000 Kr. gegen erste 
Hypothek auf ein Bauerngut' ausgeliehen hat, 
dessen Eigentümer selbst ebenfalls 60,000 Kr. im 
Gut investiert hat, so verhalten sich numerisch die 
Gläubiger zum Schuldner wie 100 zu 1,- und 
der wirtschaftlich schwächere Teil ist gewiß nicht 
der Schuldner. 
Die Umrechnung aller bestehenden Verbindlich 
keiten aus der Kronen- in die Frankenwährung 
nach dem Tageskurse der Krone im Zeitpunkte 
der Umrechnung würde Hunderte von Personen 
um ihr nicht selten sauer erarbeitetes und er 
spartes Hab und Gut bringen, hätte die empfind 
lichste wirtschaftliche Schwächung, in einzelnen 
Fällen geradezu die Proletarisierung zahlreicher 
Existenzen zur Folge, wogegen sie einer numerisch 
kleinen Personengruppe einen häufig durch keine 
wirtschaftliche Leistungen verdienten Vermögens 
zuwachs brächte. Sie würde viel im Verlaufe 
des Krieges eingetretenes Unrecht formal zu Recht 
.lverden lassen und in seinem Bestände für die 
Dauer schützen. 
Ebensowenig ivie diese, könnte auch die zweite 
extreme Lösungsmöglichkeit befriedigen, die darin 
bestünde, daß gesetzlich die Umrechnung' aller be 
stehenden Verbindlichkeiten zur alten Parität von 
100 Kr. gleich 105 Fr. angeordnet würde. Eine 
solche Lösung könnte zur Diskussion gestellt wer 
den, hätte die Kronenentwertung erst im letzten 
Stadium des Krieges eingesetzt, märe sie nicht so 
weit vorgeschritten, und wäre in der Bevölkerung 
bis heute die Hoffnung auf Wiederherstellung des 
ehemaligen KronenmerteS und der früheren Kronen 
parität erhalten geblieben. Diese Voraussetzungen 
sind aber nicht gegeben: Die Entwertung oer 
österreichischen Krone mährt bereits seit Jahren, 
im Verlaufe der Jahre hat sich das Preisniveau 
dem gesunkenen Geldwerte angepaßt, die wirt- 
schaftlichen Dispositionen' waren, namentlich in 
den letzten Kriegsjahren, schon am neuen Kronen- 
iverte orientiert. Während des Krieges begrün 
dete Kronenforderungen nach der- ehemaligen 
Parität von 100 Kr. gleich 105 Fr. in Franken 
umzurechnen, würde nichts anderes bedeuten, als
	        

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