Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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Falsch ist es, nach dem Gesetze zu sagen, daß der Ge 
täuschte eine Handlung setzen müsse, unrichtig ist • es, das 
zu behaupten. Das Gesetz sagt nur lind ausschließlich: „Wer 
einen anderen in Irrtum führt, durch welchen Irrtum jemand 
Schaden leiden soll", aber nicht, jemand in Irrtum führt, wo 
durch der in Irrtum geführte zu einer Handlung oder Unter 
lassung verleitet >vird, nur: ivodurch jemand in Irrtum ge- 
führt wird, wodurch d. i. durch welchen Irrtum jemand 
Schaden leiden soll. Nicht der Irregeführte mutz Schaden 
leiden, nicht der Betrogene mutz' Schaden leiden, sondern 
irgend eine andere dritte Person. Ob eine juristische oder, wie 
das Gesetz sagt, moralische Person, oder ob eine physische 
Person Schaden leidet, das ist gleichgültig. Nicht daS Handeln 
des Irregeführten ist Voraussetzung, sondern das Verhalten, 
lind wenn jetzt durch irgend eine Handlung, durch eine Vor 
stellung nun jemand in Irrtum geführt wird derart, das; er 
aus dieser irrigen Auffassung heraus etwas unterlätzt oder 
tut, was, ist gauz gleichgültig, kurz, wenn dadurch ein Ver 
halten des Irregeführten hervorgerufen wird, so ist der Tat 
bestand des Betruges vollkommen erschöpft. Ich glaube mich 
in dieser Hinsicht mit dem bescheiden zu dürfen, was das Ge 
setz sagt, und gestatte mir; in weiterer Folge den Wortlaut 
des Gesetzes vorzulesen: 
„Wer in dieser Absicht und auf die eben erwähnte Art 
j eines anderen Irrtum oder Unwissenheit benützt, begeht einen 
! Betrug." 
i Auch wenn ich nur die Unwissenheit eines anderen in der 
l Absicht, ihn zu schädigen, benütze, begehe ich auch einen Be- 
, trug, wenn ich das durch listige Vorstellungen und Handlun- 
j gen mache, wenn ich also die Unwissenheit irgend jemandes be 
nütze, um ihn durch eine von niir zu setzende Handlung über 
den ivahren Sachverhalt hinwegzutäuschen, um durch irgend 
welche Täuschungsmomente ihn zu veranlassen, datz er mich 
: nicht kontrolliert, nicht nachgeht,- nicht überprüft, so ist das 
j Verbrechen des - Betruges vollendet. Es ist daher unrichtig, 
in diesem Falle Behauptungen in der Richtung zu bringen, 
daß das Gesetz auszudeuten in. einer Richtung, wie es der 
österr. Judikatur und Jurisprudenz vollkommen zuwider 
läuft. Ich will in dieser Richtung gar keine iveitcren Bemer- 
gungcn machen darüber und erspare es mir auch, rechtster 
gleichende Studien anzustellen, so reizend es-wäre. Aber ich 
halte das Forum für derartige rcchtsvcrgleichende Erörterun 
gen hier nicht gegeben. Ich könnte ja auch'die gesanitc öster 
reichische Literatur in dieser Richtung heranziehen, müßte 
mich nicht ausschließlich auf Lamniasch, Ritter, Finger und 
Altmann beschränken, ich könnte auch Herbst heranziehen und 
könnte auch noch Amsehl, den Vorsitzenden des Grazer Straf 
gerichtes, mit heranziehen, ich könnte Löffler heranziehen, 
könnte Jcnuch nennen und auf Ohlshauscn verweisen und 
mich auf Kienböck stützen, könnte mich auf Rulf Lohsing und 
Gteisbach in prozessual-formeller Hinsicht berufen und auf 
eine ganze Reihe von Monographien. Aber ich erspare mir 
i das, weil ich der Meinung bin, aus einzelnen aus dem System, 
l herausgerissenen Sätzen nicht irgend eine These begründen zu 
| wollen, wenn ich nicht auch den gesaniten Aufbau des Werkes 
! in dieser Richtung vollkommen vorzubringen Möglichkeit »ui) 
; Gelegenheit habe. Ich gestatte mir, in dieser Richtung auch 
zu verweisen auf Altmann und bin selbstverständlich gerne be 
reit, dem Gerichte die entsprechenden Belege zur Hand zu 
, geben. Ich verweise in dieser-Hinsicht besonders auf das zwei. 
! bändige Werk von Finger und berufe niich bei Finger auf 
die Darlegungen über den bösen Vorsatz, die verschiedenen 
Dolus-Arten, die Ausführungen über Veruntreuung, Betrug, 
über Mitschuld und Versuch. Diese beiden Fragen sind bis 
heute, glaube ich, überhaupt noch nicht angeschnitten worden, 
aber ich verweise jetzt darauf und dann verweise ich des fer 
nern auf die österreichische Judikatur, die gesammelt ist in 
der Manz'schen Gesetzessammlung zu 88 183, 197, 1, 5 und 
8, ferner auf die Sammlung der Entscheidungen des österrei 
chischen Obersten Gerichtshofes, herausgegeben von der öster 
reichischen Staatsdruckerei, und erspare nur, die einzelnen 
Entscheidungen in dieser Richtung besonders anzuführen. Nur 
eines: cs ist von der Verteidigung angeführt worden, daß 
der Oberste Gerichtshof in Wien doch vielleicht der berufenste. 
Interpret sei des liechtensteinischen Strafgesetzes, das in dic- 
icii, Fall mit dem österreichischen Strafgesetz korrespondiert. 
Die Anklage gründet sich zur Gänze auf das liechtensteinische 
Strafgesetz, nicht auf das österreichische, die freilich gleich 
lautend sind. Da sind Entscheidungen des Obersten Gerichts 
hofes angerufen.worden, in denen gesagt wird, daß Dolus 
cvcntualis, also eine allfällige nicht gerade auf diese Verbre 
chen gerichtet böse Absicht zur Vervollständigung des Tatbe 
standes nach 8 197 nicht genüge. 
Es würde sich jedenfalls enipfehlen, ans einem zur Be 
gründung einer Ansicht genannten Gesetzes nicht nur den 
ersten Teil, sondern auch den Schluß desselben vorzubringen, 
denn an der selben Stelle, an der die frühere)) gegenteiligen 
Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes genannt sind, die 
aussprechen, daß Dolus evcntualis nicht genüge (bei Alt- 
mann), Entscheidungen bis in die Jahre 1926, findet sich auch 
die Stellungnah>i)e des Komn)entators, daß nach seiner An 
schauung Dolus evcntualis genüge, dort sind auch die hiefür- 
sprcchenden Belegstellen aus Rittcr-Lammasch ge))annt un.d 
die von inir vorgelesenen Entscheidungen angeführt/ Ich habe 
in dieser Richtung bereits schon auf die Entscheidung des 
Oberste)) Gerichtshofes, gesanunelt in Nr. 4.6 des 5. Jahr 
ganges, verwiesen und sie dem Gerichte bekannt gegeben, sie 
steht ailch wieder zur Verfügung des Gerichtes. Ich n)öchte 
min aus dieser Entscheidung heraus ein einziges Moinent her 
ausgreifen, )U)d zwar: Der Verwalter der Sparkasse Raab 
hat jemand zil Spekulationsgeschäften, die nach Annahme 
des Gerichtes sehr günstig sein möchten, Geld im Betrage 
von 600 Millionen Kro)icn gegeben, und den Freispruch' 
des Kreisgerichtcs Ried hat der Oberste Gerichtshof als den) 
Gesetze zuwiderlaufend aufgehoben, weil durch diesen Aus- 
spruch ein Gesetz verletzt worden sei, wie es im 8 281. Zl. 9a 
der österreichischen Strafprozeßordnung heißt ))»d hat dort' 
gesagt: Wenn er (der Sparkassevcrwalter) auch ineinte, spä 
ter vielleicht einmal diesen Schaden wieder decken zu können, 
tveiin daun das Gericht aus dieser Meinung des Angeklagten 
glaubte, ihn nicht wegen Betrug verurteile» zu )»üssen. dann 
hat es die Entscheidu))g über die Schuld von'rechtlich belang 
losen Umständen abhängig gcinacht. Das ist die Entscheidung 
von) Jahre 1926, neuer noch als die des Jahres 1925. die 
in der fortlaufenden Judikutur des Oberste» Gerichtshofes 
bis heute keine widersprechende Entscheidung mehr gefunden 
hat. 
Hätte der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung eine 
Fehlentscheidung gcfu))den. so wäre er ganz sicher in nachfol 
genden Entscheidungen von diese))) hier- festgelegten Stand 
punkte abgegangen ))nd es hätte, wenn er den Standpunkt 
der angezogenen Entscheidung nicht geteilt hätte, später sich).':-
	        

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