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Beftugnissen errichtet werden sollen. Ein Zollanschluss Liech-
tensteins an die Schweiz ist nun, wie schon gesagt, ohne Ein-
fluss auf die Beurteilung dieser Verhältnisse, da die Eisen-
bahnlinie Buchs-Feldkirch nach wie vor sich im Eigentum
der österreichischen Staatsbahnen befindet, welche, wie auch
die österreichischen Zollbehörden, durch die zitierte Vertrags-
bestimmung gebunden bleiben.‘
So liquid scheint uns die Sache doch nicht. Bei Abschluss
des Staatsvertrages vom 27. August 1870 zwischen der
Schweiz einerseits und Oesterreich-Ungarn mit Liechtenstein
anderseits, über die Herstellung einer Eisenbahn von Feld-
kirch nach Buchs (Concessionsvertrag) bildeten Oesterreich-
Ungarn und Liechtenstein ein zusammengehöriges
Zollgebiet. Die politischen und Zollgrenzen der beiden
vertragschliessenden Teile fielen zusammen und es wurde in
Art. 18 des Vertrages bestimmt: „An der österreichisch-
schweizerischen Grenze (offenbar Zollgrenze) sol-
len für die Zollbehandlung an den Anschlusspunkten der beid-
seitigen Eisenbahnen vereinigte (Osterreichisch-schweizeri-
sche) Zollämter mit den erforderlichen Befugnissen errichtet
werden.“
Im Jahre 1919 hat Liechtenstein den Zollvertrag mit Oester-
reich-Ungarn aufgehoben und sich in der Folge zu einem selb-
ständigen Zollstaat auígetan. Damit ist eine neue zollpolitische
Lage geschaffen worden, welche die bisherigen faktischen und
vertraglichen Verhiltnisse vollkommen umgestaltet. Die Zoll-
grenze gegen Oesterreich ist von der politischen Grenze der
Schweiz hinweg, an die politische Grenze eines andern Staates
(Liechtenstein) verlegt worden. Diese Veränderung der tat-
sächlichen Verhältnisse aber muss neuen vertraglichen Re-
gelungen rufen, gleichgültig, ob Liechtenstein selbständiger
Zollstaat bleibe oder sich an die Schweiz anschliesse, gleich-
gültig auch, ob Deutsch-Oesterreich die Nachfolge von Oester-
reich-Ungarn im Vertrage von 1870 anerkenne oder nicht.
Hätten wir es mit grösseren Verhältnissen zu tun, als sie beim
Fürsteritum Liechtenstein vorliegen, so würde die Notwendig-
keit der Vertragsrevision noch viel augenfälliger und zwin-
gender in die Erscheinung treten. Wir wissen, wie in unsern
Eingaben vom 15. Februar 1922 und 26. Márz 1923 an den
Bundesrat nàher ausgeführt worden ist, dass in Deutsch-
Oesterreich Aspirationen zu Gunsten von Feldkirch und zum
Schaden von Buchs bestehen und Deutsch-Oesterreich seine
Nachfolge in den Verträgen von 1870 und 1872 keineswegs
anerkennt. Diese Verumständungen erzeugen eine derart un-