Bern, den 19. Juni 1923.
Herm G. Schwendener, Advokatiebureau,
Buchs (St. Gallen).
In Erledigung Ihrer Zuschrift vom 9. d. M. beehren wir uns, Ihnen
beifolgend wunschgemáss ein Exemplar der bundesrátlichen Botschaft
über den Zollanschlussvertrag mit Liechtenstein zu übermitteln.
Was die Frage der Anerkennung der Staatsvertráge vom 27. August
1870 und 2. August 1872 durch die Oesterreichische Regierung betrifit,
so steht eine definitive Antwort derselben noch aus. Der Bundesrat
wird den Zeitpunkt der Inkraftsetzung des Vertrages erst dann end-
gültig festzusetzen in der Lage sein, wenn die eidgenössischen Räte
den Vertrag genehmigt haben und die vorerwähnte Frage bereinigt ist.
Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr, die Versicherung unserer
vorzüglichen Hochachtung.
Der Chef der Abteilung für Auswärtiges:
: sig. Dinichert.
Aus den hier mitgeteilten Dokumenten ergeben sich nach-
stehende
Feststellungen und Folgerungen.
1. Zwischen Zollunion und Buchser Bahnhofírage be-
steht ein Zusammenhang. Ob dieser als ein direkter oder,
wie im Schreiben des Politischen Departements vom 13. April,
als ein ,nicht direkter" bezeichnet werde, ist für seine Wir-
kung vollkommen irrelevant.
2. Die ósterreichische Regierung zieht die von uns zum
voraus befürchteten Konsequenzen. Sie begründet den Abbau
des Hauptzollamtes in Buchs allerdings mit dem Hinweis auf
ihre Finarf£lage, wovon in der Botschaft die Rede ist, aber
auch mit zwei Argumenten, von denen in der Botschaft nicht
die Rede ist: Mit der ihrerseits behaupteten Nichtverbindlich-
keit der Vertrige von 1870/72 und mit der eventuellen Er-
richtung einer schweizerischen Zollstation zwischen Feldkirch
und Buchs, wie sie durch den Zollvertrag mit Liechtenstein
vorgesehen ist.
3. Aber auch das Politische Departement selber betrachtet
die beiden Fragen in seinen Kundgebungen an das werden-
bergische Initiativkomitee nicht, wie es in der Botschaft ge-
schieht, als zwei zu einander völlig beziehungslose Dinge, son-
dern verheisst Massregeln, die ohne die Voraussetzung eines
direkten oder indirekten Zusammenhangs der beiden Fragen
vollkommen unverständlich wären. Herr Dinichert ist noch am
8. März, unwidersprochen von dem mitanwesenden Chef des Po-