EINTRACHT OSTERN
2011 OSTERN IN RUSSLAND Österliche Traditionen am Zarenhof Tamara Wassiljewna Kudrjawzewa Ostern als höchster religiöser Feier- tag Russlands ist nicht nur tief im Volksglauben verankert, sondern hatte auch am Zarenhof eine Tradi- tion, die über Jahrhunderte sorgsam gepflegt wurde und sich - neben den Riten und Zeremonien - auch in der gestalterischen Entwicklung der Ostereier widerspiegelte. So tauschte der Zar im 1 7. Jahrhun- dert nach dem feierlichen Gottes- dienst in der Entschlafenskathedrale des Moskauer Kreml mit der höch- sten Geistlichkeit den Osterkuss aus. Danach lud er Bojaren und Moskauer Adelige ein und be- schenkte sie mit Eiern. «Der Herr- scher verschenkte Gänse-, Hühner- und aus Holz gedrechselte Eier, drei, zwei oder - je nach Rang der Person - eines. Diese Eier wurden mit grellen Farben auf Goldgrund bemalt ... Drechsler, Ikonenmaler und Graveure der Rüstkammer so- wie die Mönche des Dreifaltigkeits- Sergijew-Klosters stellten die Eier her ... Damit die gefärbten Eier für alle ausreichten, brauchte man von Ostern bis Auffahrt 37000 Eier.» Al- lein dem Zaren wurden enorme Mengen von bemalten Eiern in Holzschalen überreicht, die mit Samt ausgelegt und goldenen Orna- menten verziert waren. Friedrich von Falz-Fein (1863- 1920) schuf 1887 auf seinem Gut in der Ukraine den Tier- park Askania Nova, der heute noch zu den bedeutendsten Freilandzoos der Welt zählt. Die Familie Falz-Fein floh vor der Russischen Revolution über Deutschland nach Liechten- stein (s. Falz-Fein 1930)Die
heilige Maria Magdalena, die nach russischer Überlieferung den Brauch, sich an Ostern mit gefärbten Eiern zu beschenken, eingeführt haben soll. Ausschnitt aus der Ei- SchaleZweiteiliges
Lack-Osterei, 1850-1900 Russland, nicht identifizierbare Manufaktur, 1850-1900; Papiermache, Lack, Ei-Tempera und Pulvergold; das Innere auf silberfarbenem Pulvermetall weinrot gelüstert und mit Klarlack überfangen; Höhe: 9,5 cm. Die Wiedergabe der heiligen Maria Magdalena auf der Ei-Schale er- scheint besonders sinnfällig; sie war nicht nur die erste, der der Aufer- standene am Grabe erschien, die Russen führen auch ihren Brauch, sich zum Osterfest Eier zu schen- ken, auf diese Heilige zurück. Auf den russischen Lack-Ostereiern des ausgehenden 19. Jahrhunderts stellt die Auferstehung Christi das zentrale Motiv dar. Der auferstan- dene Christus, der Adam und Eva in Anwesenheit der Propheten des Al- ten Testaments die Hand reicht, um sie zu sich empor in das Paradies zu ziehen, befindet sich auf diesem Lack-Osterei auf der gegenüberlie- genden Seite. Einsegnung des Ostermahls vor dem »Kleinen Schloss« Gawrilowka der Familie Falz-Fein in Südrussland, wo sich alle Angestellten dieses Gutes versammelten. Der Priester besprengt die Osterspeisen Kulitsch und Pascha sowie die gekochten, meist rot gefärbten Eier. Aufnahme um 1910. 12