Volltext: EINTRACHT (2010) (Ostern)

EINTRACHT OSTERN 
2010 SAGEN Der Zauberspiegel Vor vielen, vielen Jahren wohnte auf der Alp Capfahl ein Venediger- männlein. Es kam mehrere Jahre den Sommer über auf die Alpweide und suchte in den Felsen und Tö- beln sorgsam nach Steinen. Hatte es eine Menge beisammen, zog es wieder fort und kam erst im nächs- ten Jahr zur Sommerzeit 
wieder. Es gibt doch noch närrische Leute auf der Welt Einmal beobachtete ein Hirtenbub dieses Männlein, als es mit dem Ordnen und Packen seiner Steine beschäftigt war. Er konnte aber kei- nen Sinn erkennen und sprach leise vor sich hin: «Es gibt doch noch närrische Leute auf dieser Welt.» Das Venedigermännlein aber hatte gehört, was der Bursche gesagt hat- te und sprach zornig: «Du dummer Bub! Du wirfst oft einer Kuh einen Stein nach, der mehr wert ist als die Kuh.» Da wurde der Bub hellhörig und schaute dem Männlein auf die Fin- ger, welche Steine es zusammen- trug. Er merkte sich die Farbe und die Form der Steine sehr gut.So 
suchte er neben dem Viehhüten solche Steine. Am Ende des Som- mers hatte er einen wackeren Hau- fen beisammen. Nach der Alpabfahrt machte er sich mit den Steinen auf den Weg nach Süden, denn von dort her, so er- zählte man, war das Venediger- männlein gekommen. Niemand wollte ihm aber die Stei- ne abkaufen. So kam er mutlos in der Stadt Venedig an. Vor einem vornehmen Haus begegnete ihm ein nobler Herr. Der hiess ihn mit seiner Ware ins Haus kommen. Der Hirtenbub stieg mit dem vor- nehmen Venezianer eine breite Marmortreppe hinauf, und so ka- men sie in einen grossen, mit Gold verzierten Saal. Da verschwand der Venezianer in einem der vielen Gemächer. Das Venedigermännlein Nach einer kleinen Weile trat aus demselben Gemach ein kleines Männchen heraus, das der Bub so- fort als das Venedigermännlein von Gapfahl erkannte. Das Männlein musterte den Knaben von Kopf bis zum Fuss und sagte: «So, du Spitz- bub, nun bist du in meiner Gewalt. Ich könnte dich töten, weil du mir mein Handwerk abgeschaut hast. Aber erschrecke nicht, ich will dir verzeihen. Aber wehe, du sammelst wieder Steine und verkaufst sie, das wäre dein 
Tod!» Er kaufte ihm alle Steine ab Da versprach der Bub schluchzend, dass er das nie mehr tun würde. Über das Gesicht des Männleins glitt darauf ein Lächeln und es sag- te: «Komm her. Ich kaufe dir die Steine ab!» und er gab dem Bub ei- ne grosse Geldsumme. Beim Abschied stellte das Männlein ihn vor einen Spiegel und sagte: «Nun kannst du noch schauen, was deine Leute zur Stunde tun.» Der Bub schaute in den Spiegel und sah darin sein Elternhaus. Es war gerade Mittagszeit, und die Mutter setzte den Suppentopf auf den Tisch. Nun sah er seine Eltern und Geschwister, wie sie anfingen zu essen. Er sah auch den leeren Platz, an dem er sonst sass. Dapackte 
ihn das Heimweh so stark, dass er zu weinen anfing. Das Männlein lächelte gütig und verste- hend. Schnell eilte der Bub in seine Heimat zurück und wurde mit dem Geld des Venedigermännleins ein wohlhabender 
Bauer.A.P.G. 29
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.