Volltext: EINTRACHT (1998) (Advent)

HlEINTRACHT ADVENT 
1998 LEITARTIKEL Gedanken zum neuen Jahr «Lasst uns am Alten, so es gut ist, halten, doch auf dem alten Grun- de, Neues wirken jede 
Stunde» ist ein Satz, der in meinem Leben und meinem Wirken eine nicht un- bedeutende Rolle gespielt hat. So wichtig Reformen - und damit Än- derungsbereitschaft - auch sind, so wenig dürfen wir dem Trugbild an- hängen, dass die Flexibilität und Schnelligkeit, die notwendig sind, um mit dem Wandel Schritt zu hal- ten, alles wären. In Zeiten der globalisierten Wirt- schaft beispielsweise überschlagen sich in den Wirtschaftsteilen unserer Zeitungen die Nachrichten von Fu- sionen zu immer grösseren Unter- nehmen und Übernahmen der Klei- nen durch die Grossen im Namen gesteigerter internationaler Wettbe- werbsfähigkeit. «Small is 
beautiful». Doch die Stimmen mehren sich, dass zuweilen auch immer noch gilt: «Small is beautiful». Nicht nur, dass auf Unersättlichkeit oftmals Übelkeit folgt, was hier und da schon jetzt eine bittere Erfahrung der neuen Riesen geworden ist und weiterhin sein dürfte. Grosse ist je- denfalls kein Wert an sich. Das Grosse hat den Nachteil des Unpersönlichen. Auch die Bemühungen gewisser Grossbetriebe, einen Ersatz zu fin- den für den früheren quasi fami- liären Charakter des betrieblichen Arbeitsmilieus, erweisen sich als unzulänglichen Ersatz. Das Grossehat 
eben den Nachteil des Un- persönlichen und der Anonymität, und dort, wo Grosse unvermeidlich oder gar wünschenswert ist, sollte ein starkes Augenmerk auf die Stär- kung der kleinen Einheiten mit per- sonalen Bezügen gelegt werden. Dies führt zu einem weiteren Prin- zip, das über Lebensqualität und Humanität zukünftiger Gesellschaft hinaus wichtig ist: der Wiederge- winnung der Nähe. Wer die heutige wirtschaftliche, technische und politische Entwick- lung verfolgt, der erkennt aber sehr bald, dass die Zukunft weltweit der grenzüberschreitenden Zusammen- arbeit gehört. Das ist eine Realität, von der wir auszugehen haben. Kulturelle Vielfalt - Gegen- gewichte 
schaffen Bei vielen Menschen hat sich des- halb der Eindruck der Ausweglo- sigkeit, der Hilflosigkeit festgesetzt und sich auch im Unterbewusstsein die lähmende Überzeugung einge- graben, diesen Weltläufen ausge- liefert zu sein. Dem ist aber, zumin- dest im kulturellen Bereich, in kei- ner Weise zuzustimmen, und wir können ja handeln und uns so gut wie möglich auf die Entwicklungen vorbereiten. Wir haben viele Trümp- fe, die stechen, wenn es um die Be- wahrung und den Schutz unseres kulturellen Erbes 
geht. Der Mensch braucht einen Ort, an dem die Welt noch in Ordnung ist. Wir sollten, ja wir müssen, die Ge- meinschaftsbezüge kräftigen und fördern, das Wurzelwerk, das die Menschen und unser Land, unsere Dörfer, an Herkunft, Heimat, regio- nales Umfeld und an Familie bindet. In dem Masse, in dem es gelingt, die regionalen Bezüge zu stärken, das Unterland und das Oberland zu- sammenzubringen, wie dies in ho- hem Masse durch die in diesem Jahr stattgefundenen Gemeindetref- fen gelungen ist, düngen wir zu- gleich den Nährboden für die übri- gen Sozialbezüge. Mit solchen Ver- bindungen auch von Dorf und den Weilern stärken wir das Zusammen- leben in der Gemeinde, das Vereins-leben, 
die Nachbarschaft, usw. Dies ist sehr wichtig, denn der Mensch braucht einen Ort, an dem die Welt trotz aller Veränderungen noch in Ordnung ist, er braucht kleine Lich- ter, welche den Alltag heiterer und erträglicher machen. Heimat- und Brauchtumspflege ist eine nationale 
Aufgabe. Ein weiteres Gegengewicht zur glo- balen Veränderungsdynamik unse- rer Zeit bildet die Verwurzelung in der Tradition, denn Tradition, so meint K. F. von Weizsäcker, ist be- wahrter Fortschritt, und Fortschritt ist weitergeführte Tradition. Sie ist die Bejahung unserer vielfältigen schönen Sitten und Bräuche und auch ein Bekenntnis zu unserer Heimat, zu unserem lebens- und liebenswerten Liechtenstein. Es gibt jemanden, der unser Dasein in Händen 
hält. Noch etwas ganz Besonderes, so meint Wolfgang Schäuble: «Reli- gion, Spiritualität schlichthin, das Wissen darum, dass wir nicht be- grenzt sind auf dieses rastlose und doch häufig so wenig erfüllte irdi- sche Dasein, sondern dass es da je- manden gibt, der unser Dasein in Händen hält, bei dem wir Frieden, Geborgenheit, Erlösung finden kön- nen, das ist so ein Gegengewicht in einer Zeit des Umbruchs und der Orientierungsnöte, wahrscheinlich das Wichtigste, auch wenn es nicht mehr jedem von uns so ohne weite- res zugänglich ist.» Ich wünsche Ihnen im eigenen Na- men und im Namen der gesamten Redaktion, dass Sie zu den Men- schen zählen, denen diese Gedan- kengänge noch zugänglich sind, vor allem wünschen wir ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest. < Adulf Peter Goop
	        

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