Volltext: EINTRACHT (1998) (Advent)

HlEINTRACHT ADVENT 
1998 SAGEN Der glockentragende Teufel Als anständiger Christenmensch muss man eigentlich sein Vergnü- gen daran haben, wie der Teufel immer wieder genarrt und lächer- lich gemacht wird. Davon weiss man im Liechtensteinischen man- ches zu erzählen. Die fröhliche Legende des heiligen Theodul Aber eine der schönsten Geschich- ten scheint mir doch die fröhliche Legende des heiligen Theodul zu sein, der im Wallis als erster Bi- schof lebte und dessen Andenken die ins Liechtensteinische einge- wanderten Walser hoch in Ehren hielten, wird er doch in vielen liechtensteinischen Kirchen verehrt, wo man ihm ganz vertraulich-fami- liär den Namen Sankt Joder gege- ben hat. Da hatte also der heilige Theodul vom Papst in Rom eine grosse schöne Glocke geschenkt erhalten. Nun dachte er lange darüber nach, wie er dieses gewichtige Geschenk über die Alpen bringen konnte; denn damals standen nicht die heu- tigen Transportmöglichkeiten zur Verfügung. Da war ihm der Teufel gerade günstig über den Weg ge- laufen - man sieht, dass der Teufel auch für heilige Dinge in Frage kommt - der Bischof hatte ihn näm- lich mit heiligen Worten aus einer Besessenen ausgetrieben und in die Gewalt bekommen. Der Teufel musste die Glocke auf den Rücken 
nehmen. Nun zwang er den knirschenden Teufel in die Knie, er musste die Glocke auf den Rücken nehmen und, ob er wollte oder nicht, sie den langen Weg durch die italieni- schen Gefilde über die unwegsa- men Alpen bis nach Sitten tragen. Unterwegs fluchte und schwitzte er, und vielleicht unternahm er auch den Versuch, die Glocke irgendwo in eine Felsschlucht zu werfen undheimlich 
davonzuschleichen, denn man kann sich sonst nicht erklären, warum ihn der Heilige an einer Kette führte, wie dies auf vielen Altarbildern zu sehen ist. Aber der Teufel musste nicht nur die Glocke tragen, sondern zu an- derer Zeit zwang ihn der Sankt jo- der, ihn auf seinem Rücken über ei- nen See zu bringen. Er sass auf dem Teufel wie auf einem Pferderücken und lächelte holdselig, während der Teufel schlimme Gesichter schnitt. Er wollte den Heiligen in den See werfen. In der Mitte des Sees angekommen, dachte er dem Heiligen einen Streich zu spielen und ihn in den See zu werfen. Er streckte seinen Kopf hinauf und krächzte in der Mundart des Landes: «Jöderle, bsegn di, oder i würf ab.» Der Hei- lige aber, der sich durch die Ver- hunzung seines Namens nicht ver- driessen Hess, sagte ganz ruhig: «Ich habe mich am Morgen schon gesegnet.» Er lächelte noch freund- licher, und der Teufel konnte sich in der Anstrengung - denn auch Heili- ge können eine sehr schwere Lastbedeuten 
- nicht einmal dort krat- zen, wo es ihn jeweils beisst, wenn ihn der Ärger und die Wut bedrän- gen. Der Teufel in der Kapelle auf Masescha Das Merkwürdige an der ganzen Geschichte ist wohl dies, dass der Teufel seither in einem Kirchen- raum weilt, was für ihn wohl die ärgste Pein bedeutet - man sieht, was Heilige fertigbringen; denn in der Kapelle auf Masescha ist am linken Seitenaltar ein Bild, das den jungen blonden Bischof darstellt, und neben ihm geht der schwerge- plagte glockentragende Teufel. Von der St. Theodulsglocke aber wird berichtet, dass sie mit ihrem hellen unvergleichlichen Klang die schlimmsten Gewitterstürme fern- halten könne, und es heisst daher mit Recht in einem alten Liede: Gar grusamlich sieht mans in Lufften sehyben, Die Glock thut es vertriben, Mit ihrem Ton so rych, Uf Erd is nit ihr Gelych.Dino Larese 26
	        

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